Der zweite Film mit Axel Prahl als einstiger Top-Journalist, der sich mühsam mit seinem zweiten Berufsleben als Abendschullehrer in Berlin-Marzahn anfreunden musste, ist eine harmlos-heitere Fortsetzung. „Extraklasse 2+“ (ZDF / UFA Fiction) ist zwar flott erzählt und abwechslungsreich, aber es fehlt das große Ganze. Der erste Film handelte im Wesentlichen von der Metamorphose des anfänglichen Antihelden, der zweite erzählt jedoch keine Geschichte, sondern viele Geschichtchen; entsprechend episodisch ist das Drehbuch strukturiert. Wer nicht allzu viel Tiefgang erwartet, wird trotzdem gut unterhalten, schließlich versteht Regisseur Matthias Tiefenbacher sein Handwerk. Die mit flotten Reggae-Rhythmen unterlegten Bilder sind schön anzuschauen, und das Ensemble ist durchweg sehenswert.
Foto: ZDF / Frédéric BatierStart in ein turbulentes neues Schuljahr. Sandra (Cosima Henman), Norbert (Nico Ranel), Philipp (Anselm Bresgott), Ralph Friesner (Axel Prahl), Dörte Wiederbusch (Aglaia Szyskowitz), Walter (Hans-Martin Stier) und Gökdal (Vedat Erincin).
Ein früherer Berliner Topjournalist landet als Abendschullehrer in Marzahn, wo er auf eine renitente Klasse trifft: Das war der Handlungskern der sehenswerten Tragikomödie „Extraklasse“ (2018). Axel Prahl hatte sichtlich Spaß an der Hauptfigur: Anfangs hält es Ralph Friesner für unter seiner Würde, Kevin und Chantal zum Hauptschulabschluss zu verhelfen, doch der Zyniker wandelt sich zum Pädagogen mit Herz. Matthias Tiefenbacher hatte mit Prahl zuvor neben einigen „Tatort“-Episoden aus Münster auch „Die Lichtenbergs – Zwei Brüder, drei Frauen und jede Menge Zoff“ (2014, ZDF) gedreht, eine Komödie, in der Prahl quasi vier Rollen spielen durfte, weil ein Zwillingspaar die Rollen tauschte. Nicht zuletzt dank des vermutlich blinden Verständnis’ zwischen Regisseur und Hauptdarsteller war „Extraklasse“ ein besonderer Film, zumal Tiefenbacher, der auch das Drehbuch geschrieben hatte, den zunächst klischeehaften Figuren der Klassenmitglieder nach und nach Tiefe verlieh.
Das Wiedersehen mit Ralph Friesner ist allerdings etwas ernüchternd. „Extraklasse 2+“ wirkt wie ein zweiter Aufguss, dem viel vom Charme des Originals fehlt. Das Strickmuster ist zudem recht ähnlich. Erneut konfrontiert das Drehbuch (Johann Bunners, Martin Douven) den Pädagogen mit Charakteren, die sich von den Klischees ihrer Rollen emanzipieren: Die in Pflegefamilien aufgewachsene Junkietochter Sandra (Cosima Henman) entpuppt sich als talentierte Schreiberin, der obdachlose Walter (Hans-Martin Stier) hat einst als Musiker die ganze Welt bereist, und Kirgisin Gülmira (Ruzica Hajdari), die davon träumt, dass ihre Tochter mal Medizin studiert, muss damit klar kommen, dass das Mädchen ganz andere Pläne hat.
Foto: ZDF / Frédéric BatierImmer für ein Schmankerl gut: Axel Prahl & Katharina Thalbach als Mitbewohnerin.
Das ist alles ganz nett und abwechslungsreich, aber es fehlt das große Ganze. Der erste Film handelte im Wesentlichen von der Metamorphose des anfänglichen Antihelden, aber die ist ja nun vollzogen, weshalb „Extraklasse 2+“ keine Geschichte, sondern viele Geschichtchen erzählt; entsprechend episodisch ist auch das Drehbuch strukturiert. Wenn sich Friesner nicht gerade seiner Vermieterin (Katharina Thalbach) erwehren muss, sorgen neben einem Klassenausflug in einen „Escape Room“ oder einem Poetry Slam in erster Linie seine kleinen Scharmützel mit Chefin Dörte (Aglaia Szyszkowitz) für Abwechslung. Eigentlich sind die beiden ein potenzielles Liebespaar, aber ein Missverständnis hat dafür gesorgt, dass während der Sommerferien Funkstille herrschte. Immerhin wecken merkwürdige Vorkommnisse den journalistischen Instinkt des Lehrers: Wegen eines Wasserschadens muss die Schule auf einen modernen Campus im vornehmen Charlottenburg umziehen, wo die zukünftigen Banker, wie Friesner sarkastisch anmerkt, nun ihre Putzkräfte kennenlernen können. Direktor van de Veede (Stephan Kampwirth) ist ihm ohnehin auf Anhieb unsympathisch. Als noch weitere Schulen schließen müssen, erwacht seine berufliche Neugier. Gemeinsam mit Kioskbesitzer Gökdal (Vedat Erincin) findet er heraus, dass der Mann gewaltigen Dreck am Stecken hat. Der Recherchepartner fungiert diesmal auch als Freund und Ratgeber; Simon Schwarz, der diese Rolle im ersten Spiele innehatte, wirkt leider nicht mehr mit.
Foto: ZDF / Hans-Joachim PfeifferDer Lehrer als Entertainer. Auch wenn "Extraklasse 2+" mehr oder weniger ein Aufguss der Komödie "Extraklasse" ist, bietet der Film dennoch gute Unterhaltung.
Wer nicht allzu viel Tiefgang erwartet, wird sich trotzdem gut unterhalten fühlen, schließlich versteht Tiefenbacher sein Handwerk; immerhin hat er eine Vielzahl sehenswerter Krimis, Komödien und Dramen inszeniert. Auch das Ensemble ist durchweg sehenswert. Cosima Henman knüpft als rotzige Göre zwar nahtlos an ihre Rolle in der RTL-Serie „Der Lehrer“ an, spielt das aber prima, zumal Sandra eine wichtige Brückenfunktion hat, als sie sich ausgerechnet in van de Veedes wohlstandsverwahrlosten Sohn (Anselm Bresgott) verliebt. Die junge Kriminelle ist neben Friesner ohnehin die Figur mit dem größten Spektrum: Einerseits macht sie dem verliebten Norbert (Nico Randel), einem Mitschüler mit Trisomie 21, ziemlich rücksichtslos klar, dass er die berufliche Zuwendung seiner Betreuerin mit Zuneigung verwechselt, andererseits schützt sie mit ihrer ruppigen Art ihren weichen Kern; ein Verhalten, das Friesner ziemlich gut von sich selber kennt. Die Bilder (Kamera: Hanno Lentz) sind so schön anzuschauen, dass selbst Walters Bleibe unter freiem Himmel heimelig wirkt. Die Reggae-geprägte Musik des Komponistenduos Biber Gullatz und Andreas Schäfer ist ohnehin klasse. Nur ein paar Gags wirken derart preiswert, als wären sie vom Laster gefallen.
Foto: ZDF / Hans-Joachim PfeifferTrotz "J.W.v. Goethe" – die "Extraklasse"-Fortsetzung verzichtet auf Tiefgang. Prahl
Tilmann P. Gangloff ist seit 1985 freiberuflicher Fernseh- und Filmkritiker für Tageszeitungen und Fachzeitschriften, seit 1990 regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis sowie Mitglied diverser anderer Fernsehpreisjurys.