Durchs Eiserne Tor ins Flachland

Beim Radeln durch Europa stößt man unweigerlich immer wieder mal auf die Eurovelo-Routen. Schließlich durchziehen diese (aktuell 19) Routen einen Großteil des Kontinents. Nach der Durchquerung Rumäniens folgte auch ich mal wieder einer dieser Routen für ein Stückchen: Vom Serbischen Grenzposten Djerdap ging es entlang des Eurovelo 6 nach Belgrad. Gleichzeitig war das dort auch der Donauradweg, und bis zum kleinen serbischen Örtchen Ram auch der Eurovelo 13 – der Iron Curtain Trail.

Der Abschnitt zwischen Djerdap und Ram ist mit Sicherheit einer der Spektakulärsten des Donauradwegs. Es ist die Stelle, wo die Donau den Karpaten-Bogen durchbricht und das in einer relativ engen Schlucht, dem sogenannten Eisernen Tor. Der Grenzposten Djerdap liegt direkt an der Donaustaustufe „Eisernes Tor 1“, auf der Straße über den Damm gelangt man nach Rumänien. Das Kraftwerk wurde von 1964 – 1972 von beiden Staaten gemeinsam erbaut und damit der rund 150 Kilometer lange Djerdapstausee erschaffen. Das was man also an Gewässer im Eisernen Tor zu sehen bekommt ist die Donau, welche dort zu einem See angestaut ist.

Nach den verkehrstechnisch äußerst belastenden letzten zwei Tagen in Rumänien war es eine wahre Wonne auf der serbischen Seite der Donau angekommen zu sein. Auf der Straße gab es kaum Verkehr, das enge Tal war wunderschön grün und spärlich besiedelt. Zwar legte kurz nach meiner Ankunft in Serbien ein Gewitter mit kräftigem Regenguss los, doch trotzdem fühlte es sich irgendwie alles schön ruhig an. Als der Regen unter ein paar Bäumen am Straßenrad ausgesessen war ging es nur noch ein paar Kilometer in die erste Ortschaft nach der Grenze weiter: Tekija. Ein paar Einheimische versuchten dort am Kiesstrand ihr Angelglück. Es gab eine Toilette, einen Wasserhahn und zwei überdachte Sitzgelegenheiten – alles schon länger nicht mehr gepflegt aber für mich trotzdem willkommene Infrastruktur für das Nachtlager.

Die folgenden zwei Tage rollte ich bewusst etwas langsamer weiter, die Landschaft war einfach zu schön um da schnell durch zu peitschen. Die Straßenqualität hätte auch ein höheres Tempo hergegeben aber ich fahre ja kein Rennen. Entlang der Straße wurde immer wieder auf Radler hingewiesen, an manchen Tunneln gab es sogar Warnleuchten welche durch einen Taster ausgelöst werden konnten – so viel Radfahrerluxus hatte ich nicht erwartet. Dass die eine Warnleuchte welche ich dann trotz mangelndem Verkehr mal auslösen wollte nicht funktionierte, muss man ja nicht weitererzählen. Hin und wieder gab es auch Hinweistafeln zum Djerdap-Nationalpark durch den die Strecke führte oder zu anderen interessanten Punkten entlang der Route. Die Beschilderung mit den Eurovelo-Zeichen war ebenfalls sehr gut, sonst hätte man vermutlich die einzige Straße entlang der Donau noch verfehlt.

In Ram ging es dann mal wieder mit einer Fähre über die Donau. Wie so oft üblich in der Region, bestand die Fähre dabei aus einer auf Pontons schwimmenden Plattform, welche an einem kleinen Kahn vertäut war. Doch bei dieser Überfahrt gab es mal wieder etwas Neues zu beobachten, denn es gab auf beiden Seiten der Anlegestelle keine fest trassierte Straße. Statt dessen schob der Kahn die Plattform an einen unbefestigten Dreckweg, das Fährpersonal kurbelte die Klappe ein kleines Stück herunter und musste dann mit Schaufeln die restlichen Lücken erst mal mit dem herumliegenden Dreck füllen, bis die Fahrzeuge die Plattform verlassen konnten. Für eine feste Fährverbindung an dieser Stelle schon ein ziemlich aufwändiges Verfahren.

Der nun folgende Abschnitt entlang der Donau bis in die Hauptstadt Belgrad war eher unspektakulär. Es war reines Flachland, überwiegend landwirtschaftlich geprägt. Hin und wieder wies die Fahrradbeschilderung auf völlig zugewachsene Wege die garantiert nicht von allen Radlern die da unterwegs waren genommen wurden. Aber bald schon war die Brücke erreicht, welche direkt nach Belgrad hinein führte.

Die Stadt hatte ein besonderes Flair. Sie ist keines Falls hoch poliert. In vielen Straßenzügen finden sich Graffito, in anderen Ecken dominiert der graue Beton der typischen 70er Jahre Plattenbauten in manchen Straßen standen zerstörte Gebäude neben wieder aufgebauten, liebevoll restaurierten. Natürlich gibt es im Zentrum auch die typischen Prachtbauten wie sie für europäische Hauptstädte typisch sind in einem gut restaurierten Zustand, dazu die als Touristenattraktion aufpolierte Festung. An den Ufern von Donau und Sava stehen moderne Luxusimmobilien und liegen jede Menge Kähne auf denen wohl öfter gefeiert wird. Belgrad ist keine Bilderbuch-Stadt, dafür aber eine mit einer aktiven Kunst- und Kulturszene, eine Stadt in einem starken Wandlungsprozess. Belgrad wirkte auf jeden Fall spannend.

In der Stadt fiel dann auch die Entscheidung für den nächsten groben Kurs der Radreise. Es sollte von nun aus erst mal in Richtung Heimat gehen für einen kurzen Besuch im Sommer. In Europa war ich ja nun eh schon unterwegs, warum also nicht Freunde und Familie treffen und auch gleich die Chance nutzen die Ausrüstung für den nächsten Reiseabschnitt nochmal auf Vordermann zu bringen. Das geht tatsächlich da wo man sich so richtig auskennt und irgendwie heimisch ist am einfachsten. Mit dem Kurs in Richtung Deutschland hieß es aber auch weiterhin Flachland fahren. Auf der Karte entdeckte ich etwas südlich von Novi Sad noch einen Nationalpark mit ein paar Erhebungen. Das klang verlockender als nur der Donau zu folgen und so rollte ich erst mal da hin. Es war zwar ein schöner grüner Wald auf einem schon etwas größeren Bergrücken als ein schlichter Hügel aber irgendwie fehlten mir die schönen Aussichten, die Täler oder auch etwas Märchenhaftes. Der Nationalpark war also schnell abgehackt und es ging wieder durchs Flachland in Richtung Ungarn. Verlockend klingt eher nochmal der Süden Serbiens, da wo der Balkan mit seinen Gebirgszügen so richtig aufwartet. Und dann ist da natürlich der Kosovo, der mit Sicherheit auch ein spannendes Reiseziel ist.


Reisezeit: Mai/Juni 2023

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