Hausärzt:in 02/2022

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Praxis-Magazin für Primärversorgung mit Sonderteil Pharmazie

02/2022

KAMMER

WAHLEN Österreichische Post AG, MZ16Z040661M, 32. Jahrgang, RMA Gesundheit GmbH, Am Belvedere 10 / Top 5, 1100 Wien

im 3. Coronajahr

Der ideale Schutz

Österreichischer Impftag 2022 - eine Gesamtschau

Praxiswissen: Stuhlinkontinenz

Ätiologie, Therapieziele und neue Behandlungsoptionen


Hausärzt:in extra

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Februar 2022


© RegionalMedien Gesundheit

Hausärzt:in extra

Editorial Der Wahlreigen ist eröffnet Wie die Zeit doch im Flug vergeht: Im Laufe meiner journalistischen Laufbahn durfte ich seit 1998 fünf Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) mehr oder minder gut kennen lernen – und interviewen: Dr. Otto Pjeta (1999–2003), Dr. Reiner Brettenthaler (2002–2007), Dr. Walter Dorner † (2007–2012), Dr. Artur Wechselberger (2012–2017) und Dr. Thomas Szekeres (seit 2017). Über diese vielen Jahre hat sich eine Menge verändert: Statt einer Ärzteschwemme damals haben wir einen Ärztemangel heute. Im dritten Jahr der Corona-Pandemie bringt dies große Herausforderungen mit sich. Bei den heurigen Kammerwahlen, die am 22. Februar in Tirol starten, manifestiert sich das einerseits darin, dass die Ärzteschaft müde ist und kein überlanger Wahlkampf erwartet wird, sowie andererseits darin, dass sich selbst unter den Medizinerinnen und Medizinern eine gewisse Spaltung nicht wegleugnen lässt. Gegenüber früher gibt es viel mehr kleine Fraktionen, die ihre Interessen in der Ärztekammer vertreten wissen wollen. Auch haben die Spitalsärzte an Gewichtung gewonnen. Manches hingegen hat sich über die gut zwei Jahrzehnte kaum verändert: So ist es aus momentaner Sicht eher unwahrscheinlich, dass nach den diesjährigen Wahlen erstmals eine Frau den Chefsessel in der ÖÄK übernehmen wird. Es gibt sie zwar, die jungen Ärztinnen, die sich standespolitisch engagieren. Aber nur verhältnismäßig wenige tun das in vorderster Reihe. Doch wer weiß – Überraschungen sind immer möglich!

Amt des obersten Standesvertreters. Wie die Wahl ausgeht, ist aber noch völlig offen und bleibt damit spannend. Auf eine hohe Wahlbeteiligung hoffen alle. Wegen der geringeren Zahl der Wahlberechtigten ist eine Stimme deutlich mehr wert als bei Nationalrats- oder Landtagswahlen und kann somit über Mandatsverteilungen entscheiden. Ihre

Mag.a Karin Martin Redaktionsleiterin RegionalMedien Gesundheit karin.martin@regionalmedien.at

Kommt ein Wechsel an der Spitze? Eine Neuerung beim diesjährigen Wahlreigen in den Bundesländern ist bereits fix: Der langjährige Präsident der Tiroler (seit 1990 im Amt!) und ehemalige Präsident der österreichischen Ärztekammer, Dr. Artur Wechselberger, kandidiert nicht mehr als Spitzenkandidat seiner Fraktion „Verein unabhängiger Tiroler Ärzte“ . Als sein potenzieller Nachfolger geht Dr. Stefan Kastner, Chirurg mit Praxis in Innsbruck, ins Rennen. Bei der letzten Wahl 2017 konnte in Wien die „Vereinigung österreichischer Ärztinnen und Ärzte“ mit Dr. Johannes Steinhart die relative Mehrheit vor der Liste „Team Thomas Szekeres“ erzielen. Doch Dr. Szekeres ist es gelungen, mit einer bunten Koalition zum Präsidenten gewählt zu werden. 2022 kandidieren beide Standesvertreter abermals für das

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Hausärzt:in Inhaltsverzeichnis

medizinisch

Über die Wichtigkeit einer klaren Differenzierung

08 Keine Angst vor Ängsten Fallen im Gespräch mit Patient:innen vermeiden

10 Von der Reaktion zur Aktion Neuigkeiten von der 3. Kremser Demenzkonferenz

16 An COVID sterbende sind lebende Menschen Über schmerzliche und schützende Grenzen am Lebensende

23 Ein Lösungsansatz bei Reizdarm? Empfehlungen bezüglich der Low-FODMAP-Diät

24 Einladung zur Darmkrebsvorsorge Ein Rückblick auf pandemiebedingte Versäumnisse zeigt auf, wie groß der Optimierungsbedarf ist

26 Praxiswissen: Stuhlinkontinenz Über Herausforderungen, Lösungen und neue Behandlungsansätze

30 Tückische Lungenembolie

Hypoglossusnerv-Stimulation als Alternative bei CPAP-Intoleranz

Sowohl das Ausmaß der Adipositas als auch ihre Dauer sind im Hinblick auf Folgeerkrankungen von Bedeutung

56 „Die Dosis macht das Gift“ Wie die Mikronährstoffversorgung in der Erkältungssituation optimiert werden kann

extra 64 „Massen-Exodus“ verhindern

37 Polyvalente Wirkung nutzen

62 Medikament trifft auf Mikrobiom

In der Pflege ist es bereits zehn Minuten nach zwölf! Was tun?

Medikamentöse Therapie bei neuropathischen Schmerzen

Die Wechselbeziehung kann auch die Arzneimittelwirkung betreffen

66 „Über das Tabuthema Flatulenz sprechen“

40 Stress kann die Symptome verstärken

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Eine humorvolle Buchvorstellung des Autors

Wie psychische Faktoren bei Allergien und Asthma mitwirken

69 Impressum

46 „Krankheitsawareness der gesamten Familie ist wichtig“

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Expertin im Gespräch: Kindgerechtes Vorgehen bei Hausstaubmilbenallergie

48 Fehlendes X-Chromosom Lebenslange Begleitung von Mädchen und Frauen mit Turner-Syndrom

50 Der bestmögliche Schutz Österreichischer Impftag 2022 – eine Gesamtschau

COVID-19: die Impfung als bestmögliche Vorsorge.

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Antivirale Optionen: Die individuelle Krankheitsgeschichte steht immer im Vordergrund

Die großen Themen: Personal- und Nachwuchsmangel – herausfordernde Arbeits- und Ausbildungsbedingungen – mangelnde Wertschätzung

35 „Die PoundYears sind entscheidend“

© shutterstock.com/ LuckyStep

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54 Medikamentös gegen COVID-19 vorgehen

18 Kammerwahlen im 3. Coronajahr

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Unterschiede in der Behandlung je nach Schwere und Ursache

32 Wenn Schlafstörungen den Atem rauben

pharmazeutisch

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06 „Coping-Mechanismus Angst vs. Angststörung“

politisch

Medikamente nehmen Einfluss auf das menschliche Mikrobiom.

Die Pflege ist in der Pandemie ganz besonders gefordert.


Hausärzt:in medizinisch

Haus Ärzt:in

DIALOGTAG

PräsenzFortbildung Sa., 30. April 2022

IN LINZ

Seltene Erkrankungen – Waisenkinder der Medizin

Niedergelassene Mediziner:innen im Dialog mit Kliniker:innen – Präsentation und Diskussion von Fallbeispielen

Themen: Fehlgebildet – Vorgehen bei Anomalien des Urogenitaltraktes bei Kindern Genetisch verändert – Familiäre Krebserkrankungen im Fokus Außer Atem – Bei AAT-Mangel die Lebensqualität nachhaltig verbessern Falsch gefaltet – Ätiologie der kardialen Amyloidose & Therapieoptionen Podiumsdiskussion: Stolpersteine – Rare Diseases: Von der Erstdiagnose bis zur Zuweisung Programm und Anmeldung: meinmed.at/dialogtag-linz 7 DFP-Punkte in Planung Teilnahmegebühr: OBGAM-, ÖGAM-, JAMÖ-Mitglieder 60€, Nichtmitglieder 80€ Rückfragen an info@meinmed.at Mit freundlicher Unterstützung von:

Veranstalter:

Änderungen vorbehalten.

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Hausärzt:in medizinisch

„Coping-Mechanismus Angst vs. Angststörung“ Über die Wichtigkeit einer klaren Differenzierung

© shutterstock.com/Kleber Cordeiro

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Vor dem Hintergrund der Coronapandemie erörtert Prim.a Dr.in Christa Rados, Leiterin der Abteilung Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin am Landeskrankenhaus Villach, im Gespräch mit der Hausärzt:in omnipräsente Themen rund um Angst und Angststörungen. HAUSÄRZT:IN: Mit welchen Ängsten sind die Menschen aktuell zunehmend konfrontiert? Prim.a RADOS: Viele Menschen reagieren auf die Gegebenheiten der COVID-19-Pandemie mit Verunsicherung, Besorgtheit, leiden unter schlechterer Schlafqualität, deren Folgen und

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unter allgemeiner Angespanntheit. Es gilt als psychologisch erforschtes Phänomen, dass vor allem neuartige Bedrohungen, die – ganz unabhängig von ihrem Ausmaß – meist mit großer Ungewissheit einhergehen, vermehrt Ängste hervorrufen. Nach zwei Jahren Pandemie wünschen sich die Menschen zudem ihre frühere Lebensqualität zurück. Sie wurden dahingehend in ihren Hoffnungen jedoch bereits mehrfach enttäuscht. Eine Folge davon ist zunehmende Mutlosigkeit. Hinzu kommt nun ein neues Phänomen der psychologischen Abwehr, im Zuge derer insbesondere Verleugnung der Bedrohung und Aggression zutage

treten können. Sofern sich diese Emotionen im Rahmen befinden, sind sie nicht weiter besorgniserregend. Eine potenzielle psychologische oder sogar psychopathologische Relevanz für die Zukunft ergibt sich allerdings dann, wenn sich aus der aggressiven Abwehr Feindseligkeit und infolge Letzterer oft auch Isolation und Einsamkeit entwickeln. Wann ist die Rede von krankheitswertigen Ängsten? Es ist sehr wichtig, auf eine klare Differenzierung zwischen realistischer bzw. angemessener Angst sowie Angststörung zu achten. Ängste in Bezug auf ver-


eher auf analoge Sozialkontakte angetroffenen sind zwar oft durchaus in der änderte potenziell gefährliche Gegewiesen sind als Menschen, die bereits Lage, am Sozial- und Erwerbsleben teilbenheiten gelten als höchst angemessein ein soziales Netzwerk eingebettet sind. zuhaben, sind jedoch in ihrer Lebensquane Coping-Reaktion, als Anpassung des lität erheblich eingeschränkt. Sowohl auf Organismus an seine Umwelt. Angst ist Welche spezifischen Formen der Patienten- als auch auf Arztseite ist die eine menschliche Uremotion und per Angststörung gibt es? Bedeutung einer frühzeitigen Diagnose se nichts Negatives – selbstverständlich Zu den wichtigsten und häufigsten zu vermitteln. Je früher eine Angststöjedoch nicht zu verharmlosen. Bis zu Unterformen der Angststörungen rung diagnostiziert wird, desto besser ist einem gewissen Ausmaß wirkt Angst gehören Phobien, gefolgt von Panikauch die Behandlungsprognose. Ebenso motivierend, hilft bei der Lösungsfinstörungen, generalisierten Angstist zu beachten, dass insbesondere im Zudung im Falle von Problemsituationen störungen und einer Sonderform sammenhang mit Phobien eine gewisse und animiert die Menschen – wie akder Phobien, den genetische Prädisposition besteht. tuell am Beispiel sozialen Phobien. von COVID-19 er„Angst ist eine menschliche Jede Unterform der Welche Therapieoptionen stehen zur kennbar, HygieneUremotion und per se nichts Angststörung ist Verfügung? sowie AbstandsDer erste Schritt basiert auf einer regeln einzuhalten Negatives – selbstverständlich gemäß ICD durch sorgfältigen Diagnostik, welche die und sich impfen jedoch nicht zu verharmlosen.“ spezifische Symptomkriterien geAllgemeinmedizinerin bzw. der Allgezu lassen. Angstmeinmediziner selbst z. B. anhand von störungen hingegen, kennzeichnet. PhoFragebögen vornehmen kann. Ebenso die grundsätzlich bien gehen charakkann sie oder er zur psychologischen zu den häufigsten psychischen Erkranteristischerweise mit einer heftigen Testung überweisen. Als therapeutischer kungen zählen, bezeichnen laut Interemotionalen und vegetativ-physischen Goldstandard gilt die Kombinational Classification of Diseases Reaktion auf spezifische Ausnation von Psycho- und (Anmerkung: ICD) einen krankheitslöser, z. B. bestimmte Tiere medikamentöser Therapie. wertigen Zustand, bei dem ein beoder Situationen, einher. Von In puncto letzterer gelten stimmter Leidensdruck überschritten Panikstörungen betroffene Serotonin-Wiederaufnahmeist. Deutschen Studien zufolge liegt die Patientinnen und Patienten Jahresprävalenz von Angststörungen haben mit regelmäßigen und hemmer (Englisch: Serotonin bei 16 Prozent; es sind doppelt so viele wiederkehrenden PanikattaReptake Inhibitors, SRI) als Frauen wie Männer betroffen. Typicken inklusive Herzrasens Therapie der ersten Wahl. scherweise treten Angststörungen erstzu kämpfen. Die generaIm Hinblick auf Psychomals in jungen Lebensjahren, teils sogar lisierte Angststörung, die pharmaka und die damit verEXPERTIN: Prim.a Dr.in bereits in der Kindheit auf. etwas seltener vorkommt, bundenen möglichen NebenChrista Rados verläuft oft im Verborgenen wirkungen empfiehlt es sich Leitung Abteilung Psychiatrie und psyHat die Pandemie dazu geführt, dass und geht mit einem hohen im Kontext der Angststöchotherapeutische nun mehr Menschen an AngststörunLeidensdruck einher. Die rungen generell, nach dem Medizin, LKH Villach gen leiden? Patientinnen und PatienPrinzip „Start low, go slow“ Nein, eine Zunahme der Angststöten berichten von einer konstanten, vorzugehen, demnach mit einer niedrig rungen etwa im Vergleich zu Zeiten übermäßigen und – objektiv betrachdosierten Medikation zu starten und vor der COVID-19-Krise ist derzeit tet – unrealistischen Besorgnis. Die diese nur langsam zu steigern. Bei nicht belegt. Betont sei allenfalls, dass soziale Phobie ist durch übersteigerte stark ausgeprägten Angststörungen Menschen, die auf SARS-CoV-2 mit Schüchternheit und in der Folge durch mit massiver Beeinträchtigung ist eine angemessener Angst reagieren, keinesEinschränkung der Sozialkontakte geÜberweisung an die Fachärztin bzw. falls automatisch an einer Angststörung kennzeichnet. den Facharzt ratsam. leiden. Die Pandemie bringt durchaus Eine psychologische Beratung kann für die Gefahr der Verstärkung bestehenWas ist bei Verdacht auf eine Angstdie Betroffenen bereits sehr hilfreich der Angststörungen mit sich – allerstörung unbedingt zu beachten? sein; in schwereren Fällen ist eine Psychodings nur bei Personen, die schon vor Von den genannten 16 Prozent der Betherapie unbedingt angezeigt. VerhaltensCOVID-19 körperlich oder psychisch troffenen sind generell nur etwa zwölf therapie mit Exposition ist als Methode davon betroffen waren. Gesunde MenProzent tatsächlich behandlungsbedürfam besten belegt. Es ist jedenfalls ausschen schaffen es auch unter erschwerten tig. Phobien, deren Krankheitswertigkeit schlaggebend für den Behandlungserfolg, Bedingungen, angemessen mit Ängsten Betroffenen oft gar nicht bewusst ist, werdie Patientinnen und Patienten sorgfältig und beispielsweise Einsamkeit umzugeden durch die Vermeidung triggernder aufzuklären und psychologisch zu unterhen. Im Zusammenhang mit Isolation Faktoren oder Situationen oft erfolgreich stützen, ohne dabei jedoch reale und beund Einsamkeit ergab sich allerdings kompensiert. Bleiben therapiebedürftige rechtigte Ängste automatisch zu patholoeine Sondersituation für Jugendliche, die Angststörungen allerdings unbehandelt, gisieren. – entwicklungspsychologisch betrachtet – neigen sie zur Chronifizierung. Die BeDas Gespräch führte Lisa Türk, BA.

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© KABEG/Helge Bauer

Hausärzt:in medizinisch


Hausärzt:in medizinisch

Keine Angst vor Ängsten

Fallen im Gespräch mit Patient:innen vermeiden würden?‘“, berichtet die Allgemeinmediannehmen, dann tragen wir ungewollt zinerin und Psychotherapeutin. Die Antzur Aufrechterhaltung des Symptoms bei. worten tragen dazu Wir zeigen dem Gegenüber: ‚Ich kann „Eine fixe Wiederbestellung bei, zu ergründen, ob eine Dysbalance dein Problem lösen‘. in kurzen Einheiten erweist AnspanDadurch erlebt sich sich als hilfreicher Taktgeber – zwischen nung und Entspander Betroffene als gerade bei Angstpatientinnen nung vorliegt und unwissend, statt seine eigenen Möglichinwiefern soziale und -patienten.“ keiten zu erkennen Beziehungen unter und zum Mitgestalder Angstsymptoter und Experten seines Lebens zu wermatik leiden. Nützlich erscheint es auch, den. Statt gut gemeinter Ratschläge köndas Tempo der Patienten zu berücksichtinen Fragen den Patienten neue Optionen gen.2 „Die Angst kann auf das Gehirn als eröffnen“, so die Expertin. Motor oder Bremse wirken. So müssen „Das ärztliche Gespräch ist das Zenwir entweder das Tempo durch Fragen trum ärztlichen Handelns“, schreibt kanalisieren oder den Behandelten genüSprachwissenschaftler Prof. Dr. Florian Gute Gründe für die Angst gend Zeit zum Nachdenken lassen, indem Menz.1 Dabei steht das Gespräch in eiman die beim Zuhören notwendige Stilnem Spannungsfeld aus den BedürfnisZudem sollen Ärztinnen und Ärzte weile zulässt. Eine fixe Wiederbestellung in sen der Behandelten sowie jenen der tere zur Perpetuierung der Angstsymptokurzen Einheiten erweist sich als hilfreiBehandelnden. Dieses Spannungsfeld matik beitragende Faktoren in Betracht cher Taktgeber – gerade bei Angstpatienbeinhaltet so manche Falle, aber auch ziehen. Diese „guten Gründe“ umfassen: ten“, betont Dr.in Hasiba. Ein Termin von „gute Gründe“ für die Aufrechterhaltung sich selbst aus der Verantwortung nehvon ängstlichen Verhaltensweisen und men; Erwartungen nicht erfüllen, ohne zehn Minuten reiche dazu oft schon aus. Denkmustern. Daneben gebe es nützlinein sagen zu müssen; Schutz vor unche Hinweise für die Gesprächsführung, bekannten Erfahrungen und Gefühlen Ärztliche Selbstreflexion welche die Beschwerden der etc.4 „Hier kann man Patienten Patientinnen und Patienten Reflexion ermöglichen, indem Wie eingangs angesprochen, bilden auch in einen größeren Kontext man sagt: Der Körper ist weidie ärztlichen Bedürfnisse einen Pol im einbetteten, wie Dr.in Barbara se – was möchte er Ihnen mit Spannungsfeld des Arzt-Patienten-Geder Angst signalisieren? Wann sprächs. „Der Wunsch, rasch zu handeln Hasiba, Allgemeinmedizinerin möchte Ihr Körper, dass Sie oder etwas zu verändern, kann auch auf und Psychotherapeutin in besonders achtsam sind?“, beärztliche Ängste zurückzuführen sein“, Birkfeld, aus dem Behandschreibt Dr.in Hasiba ihre Stramacht die Expertin aufmerksam. Dielungsalltag weiß (siehe auch se Ängste können z. B. darauf beruhen, HA 11/21, S. 51–52).2 tegie. Diese Fragen beinhalten EXPERTIN: nichts Abwendbares übersehen zu wollen, den Hinweis, dass die Angst ein in Dr. Barbara Hasiba nicht schnell genug das Wesentliche zu erGrundgefühl ist, das den MenAllgemeinmedizinerin Der Hilferuf als Falle und Psychotherakennen oder sich rat- und hilflos zu fühschen vor etwas schützen soll. peutin in Birkfeld, len. Ein Ausblenden und Übergehen der „Damit setze ich die Angst in Andrea Ebbecke-Nohlen, diÖGPAM-Präsidentin eigenen Ängste beeinflusst das ärztliche einen größeren Rahmen und plomierte deutsche PsycholoVorgehen. Um diese Ängste zu wissen, bewege mich vom Pathologisieren des gin und Psychotherapeutin, verweist darkann jedoch entlastend wirken.2 Problems weg“, erklärt sie. auf, dass im ärztlichen Gespräch oftmals implizite Einladungen ausgesprochen und Mag.a Marie-Thérèse Fleischer, BSc von den Medizinern mitunter bereitwillig Nützliche Fragen und Tipps Quellen: angenommen würden.3,4 „Über solche 1 Menz F et al., Effiziente ärztliche Gesprächsführung. Optimierung kommunikativer Kompetenz in der ambulanten Einladungen, die Fallen darstellen könDie Einbettung in einen breiteren Kontext medizinischen Versorgung. Ein gesprächsanalytisches Trainingskonzept. 1. Aufl. Münster: Lit Verlag; 2008. nen, müssen wir Bescheid wissen“, untererweist sich im Behandlungsalltag gene2 Hasiba B, Das hausärztliche Gespräch angesichts der in Symptome bei Angst und Panik. In: Allgemeinmedizin streicht Dr. Hasiba. Beispiele dafür seien rell als nützlich. „Hier geht es um Fragen up2date. Stuttgart: Thieme Verlag; 2020; 1: 79-96. wie: ‚Wie viel Zeit Ihres Tages beanspruAufforderungen wie: „Helfen Sie mir – 3 Ebbecke-Nohlen A, Der systemische Ansatz in der Borderline-Therapie. In: Dammann G, Janssen PL (Hrsg.), chen die ängstlichen Gedanken?‘ oder beseitigen Sie die Ängste!“ oder „Sagen Psychotherapie der Borderline-Störungen. Stuttgart: 3 Thieme; 2001. ‚Was würden Sie mit der Zeit tun, wenn Sie mir, was ich machen soll!“ „Wenn wir 4 Ebbecke-Nohlen A. Gute Gründe für ängstliches VerhalSie sich nicht mit der Angst beschäftigen Hausärzte die Einladungen unüberlegt ten. Heidelberg: Helm Stierlin Institut; 2019.

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Hausärzt:in medizinisch

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Von der Reaktion zur Aktion

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Im Fokus der 3. Kremser Demenzkonferenz* stand die Frage, wie man Demenz begegnen und damit die Bedingungen für Betroffene und ihr Umfeld verbessern kann

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Individuelle Risikoprofile erstellen Prof.in Dr.in Wisje van der Flier (Alzheimer Center Amsterdam, Department of Neurology, Department of Epidemiology and Data Science, Amsterdam Neuroscience, Vrije Universiteit Amsterdam, Amsterdam UMC) wies in ihrer Präsentation auf die Wichtigkeit der Anwendung interdisziplinärer Methoden (pharmakologische und/oder nicht pharmakologische) in der Prävention der Alzheimer-Demenz hin.

Univ.-Prof.in Dr.in Stefanie Auer Zentrum für Demenzstudien, Donau Universität Krems

© Donau Universität Krems

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AUTOR:INNEN-TEAM: © Donau Universität Krems

Die dritte Demenzkonferenz an der Universität für Weiterbildung Krems bot nationalen und internationalen Expertinnen und Experten, Vertretern von Alzheimer-Vereinigungen, Entscheidungsträgern, Forschern und Betroffenen sowie ihren Angehörigen erneut ein Forum für Austausch und Diskussion. Wie im Jahr zuvor fand die Veranstaltung aufgrund der COVID19-Pandemie online statt, was den etwa 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus 15 Nationen ermöglichte, sich in sieben themenorientierten Symposien, Diskussionsrunden und vier Workshops zu informieren und auszutauschen. Eröffnet wurde die Konferenz am 28. Oktober 2021 von der niederösterreichischen Landesrätin Mag.a Christiane TeschlHofmeister, von Mag. Friedrich Faulhammer, Rektor der Universität für Weiterbildung Krems, und Univ.-Prof. Dr. Stefan Nehrer, MSc, Dekan der Fakultät für Gesundheit und Medizin. Zudem begrüßten Univ.-Prof.in Dr.in Stefanie Auer, Leiterin des Zentrums für Demenzstudien und Organisatorin, und Mag. Marc Wortman, Co-Organisator, die Teilnehmer und moderierten durch das Programm. Unterstützt wurden sie dabei von der Aktivistin Helga Rohra, die selbst mit einer Demenz lebt. Im Fokus stand heuer die Frage, wie man der Erkrankung begegnen kann, um die Bedingungen für Betroffene und ihre Umgebung zu verbessern. Das Wissen über Demenz – und über die häufigste Form, die Alzheimer-Krankheit – nimmt Fahrt auf. Immer klarer wird der Einfluss eines gesunden Lebensstils auf die Entwicklung einer Demenz. Damit werden die Möglichkeiten von Präventionsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Erkrankung immer konkreter.

Mag.a Dr.in Margit Höfler, BA Zentrum für Demenzstudien, Donau Universität Krems

Mag. Marc Wortmann Marc Wortmann Consultancy

Eine der vordringlichsten Fragen der Wissenschaft sei deshalb derzeit: Was wirkt für wen am besten? Um diese Frage zu beantworten, müssten sowohl biologische Unterschiede zwischen den Personen als auch die Variabilität der Bedürfnisse erforscht werden. Damit in Zukunft personalisierte Prävention angeboten werden könne, sei eine zeitgerechte Diagnose essenziell. Dazu brauche es geeignete Instrumente, so Prof.in van der Flier. Blut-Biomarker und digitale Instrumente seien hier vielversprechend. „Wenn Alzheimer vor der Entwicklung einer Demenz diagnostiziert wird, haben wir es mit Prognose zu tun – und somit müssen wir individuelle Risikoprofile zur Verfügung stellen können“, fügt Prof.in van der Flier an. Aus diesen Profilen könnten dann entsprechende Methoden der Behandlung abgeleitet werden. Die Betroffenen müssten aber einbezogen und motiviert werden.

Soziale & kulturelle Aspekte Um über die momentan laufenden Initiativen und Untersuchungen zu präventiven Maßnahmen zu informieren, wurde Prof. Dr. Henry Brodaty (Centre for Healthy Brain Aging/ CHeBA, Australia UNSW Sydney) gebeten, über den „Maintain your Brain Trial“ (Untersuchung „Pflegen Sie Ihr Gehirn“) zu

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Hausärzt:in medizinisch berichten. 96,418 Personen zwischen 55 – in den USA im Sommer 2021 „vorläuund 77 Jahren wurden zur Teilnahme einfig“ zugelassenen – Behandlungsangeladen. Die Interventionen, basierend satzes mit dem Beta-Amyloid-Antikörauf der „Finger Studie“ (Ngandu et al, per Aducanumab dar. Die Zulassung 2015), werden online angeboten. 14.064 von Aducanumab wurde in Europa Personen erklärten sich bereit, mitzubisher nicht gewährt. machen, und 6.236 wurden in die UnUm den betroffenen Familien und altersuchung eingelen helfenden Beschlossen. 97 % der rufsgruppen einen „Um in Zukunft Personen, Teilnehmer hatten Rahmen für ihre die ein Risiko aufweisen, mindestens zwei Aktionen zu bieRisikofaktoren. Die an einer Demenz zu erkranken, ten, ist die Gründung von evidenzUntersuchung ist die besten Chancen bieten zu basierten und koim November 2021 abgeschlossen wor- können, müssen wir in Österreich ordinierten Infordringend interdisziplinär an mationsnetzwerden. Ihre Ergebnisse werden in Präventionsstrategien arbeiten. ken von größter Bedeutung. Viele Kürze publiziert. Die Früherkennung und Nationen haben Prof.in Dr.in Myrra rechtzeitige Diagnose spielen Vernooij-Dassen, nationale Demenzdabei eine Schlüsselrolle!“ ehemalige Direkstrategien entwickelt und auch intorin des Radternationale Geboud Alzheimer sundheitsorganiCentre, GrünProf.in Dr.in Stefanie Auer sationen rufen zur dungsmitglied soEntwicklung von Präventionsmethoden wie langjährige Vorsitzende von „Interauf. Daher wurde Präsentationen von dem“ (interdem.org), sprach über die nationalen Demenzstrategien bei der Wichtigkeit von „Sozialer Gesundheit“. Konferenz viel Raum gegeben. Menschen mit Erkrankungsrisiko müssMag.a Brigitte Juraszovich (Gesundten aktiv in die Gesellschaft einbezogen und vor Einsamkeit geschützt werden, heit Österreich GmbH) erläuterte so die Expertin. Die möglichen Maßin ihrem Vortrag, wie Menschen mit nahmen seien vielfältig, müssten jedoch Demenz direkt in die Entscheidungsaktiv organisiert werden. prozesse einbezogen werden könnten. Auch Kunst- und Kulturvermittlung als Um diesen Ansatz zu veranschaulimögliche Methode zur Prävention war chen, organisierte die SelbsthilfegrupThema eines Symposiums. Zur Entwickpe Promenz (promenz.at), unter der lung dieser Idee ist an der Universität Leitung von Raphael Schönborn, eine für Weiterbildung Krems eine Initiative Live-Veranstaltung, bei der Menschen – KAEDI – gegründet worden, welche mit Demenz darüber diskutierten, was Evidenz für Kunst- und Kulturvermittsie sich für die Zukunft wünschen und lung sammelt (donau-uni.ac.at/kaedi). wie wir als Gesellschaft Weichen stellen können. Neue Medikamente & nationale Jacqueline Hoogendam (Ministry of Health, Welfare and Sport, The Demenzstrategien Netherlands) sprach über drei Hauptthemen (Ziele) der niederländischen Über den derzeitigen Stand der pharDemenzstrategie, welche bis 2030 reamakologischen Behandlung informierlisiert werden soll. Diese setzt vor alten ein Symposium und ein Workshop. lem auf Wissenschaft: Zwei Beiträge gab es zu dem kürz• eine Welt ohne Demenz (Förderung lich in den USA zugelassenen Präpavon bahnbrechender Wissenschaft, rat „Aducanumab“. Prof. Dr. Elmar um die Erkrankung zu verhindern, zu Gräßel (Universität Erlangen) und heilen bzw. zu behandeln), Prof. Ninoslav Mimica (School of Me• Personen mit Demenz sind wichtig dicine, University of Zagreb, Universi(Förderung einer demenzfreundlichen ty Psychiatric Hospital Vrapč Zagreb) Gesellschaft mit sozialer Teilhabe), legten die derzeitige Evidenz des ersten

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• individualisierte Unterstützung von Personen, die mit einer Demenz leben (personenzentrierte und integrierte Begleitung). Neben den Hauptzielen werden die Themen Innovation, junge Menschen mit Demenz und internationale Kooperationen eine wichtige Rolle in der niederländischen Strategie bis 2030 spielen.

Innovative Projekte Zum Thema „Demenzkompetente Gesellschaft“ wurden einige innovative Projekte vorgestellt, etwa die beiden E-Learning-Projekte „Einsatz Demenz“ und „Demenz.Aktivgemeinde“, die vom Zentrum für Demenzstudien an der Donau Universität in Kooperation mit dem E-Learning-Centre des Innenministeriums entwickelt wurden. Die Forschungsgruppe rund um Dr. Lucas Paletta (Joanneum Research Graz) organisierte zum zweiten Mal im Rahmen der Kremser Demenzkonferenz das Symposium AIDEM II 2021 (Artificial Intelligence for Prevention & Intervention in Dementia). Hier stand der Einsatz intelligenter Hilfstechnologien für Pflegekräfte und ältere Erwachsene mit kognitiven Defiziten im Mittelpunkt. Weltbekannte Expertinnen und Experten wie Dr. Lorenz Granrath von der Tohoku Universität in Japan und Univ.-Prof. Dr. Craig Stark von der Universität in Kalifornien gaben einen Einblick in die aktuelle Forschung. Weitere wichtige Themen der Konferenz waren: Folgen von COVID-19 in den Pflegeheimen oder die Situation der 24-StundenPflege in Österreich, die einen dringenden Handlungsbedarf aufgezeigt hat. < * 3. Kremser Demenzkonferenz, 28.–30. Oktober 2021, Universität für Weiterbildung Krems (Hybrid-Format)

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INFO

Die Abstracts und das Programm der Kremser Demenzkonferenz finden Sie unter: door.donau-uni.ac.at/o:1427. Die nächste Konferenz findet vom 14. bis 16. November 2022 statt.


Hausärzt:in informativ

Zertifizierte Schwindel-App von Schwabe

Gezielte Übungen gegen Schwindel

© Hersteller

Leistungen der App Die App richtet sich an Patienten, die unter diagnostiziertem gutartigem Lagerungsschwindel, akutem vestibulä-

Abb. 1: Beispiele aus der Schwindel-App: Übungen zur Blickstabilisierung und Gangübungen

Übungsprogramm Das Übungsprogramm besteht zum einen aus Elementen zur Behandlung des gutartigen Lagerungsschwindels des hinteren Bogengangs rechts, links oder beidseits mittels des entsprechenden Epley-Manövers. Zum anderen bietet es Übungsblöcke zur Behandlung des akuten vestibulären Syndroms oder des chronischen Schwindels mit jeweils einer Übung zur Blickstabilisierung, einer Standübung und einer Gangübung (siehe Abb. 1). Kann eine Übung gut durchgeführt werden, wählt die App bei der nächsten Übung eine jeweils schwierigere Variante, sodass der Patient immer gefordert wird. Um auch langfristig Abwechslung beim Training zu bieten, wechselt die App auf der hohen Schwierigkeitsstufe automatisch zwischen verschiedenen Übungsvarianten. Anwendungsdauer und -häufigkeit Die App leitet den Patienten – je nach Diagnose und Trainingsfortschritt – zu zwei- bis dreimal täglichem Üben an. Bei gutartigem Lagerungsschwindel werden die Übungen zweimal täglich bis zur Beschwerdefreiheit durchgeführt, bei akutem vestibulärem Syndrom wird das

Abb. 2: Oberfläche der Schwindel-App

Training über mindestens drei Monate (3 x täglich), bei chronischem Schwindel das langfristige Training (3 x täglich) empfohlen. Eine Übungseinheit dauert im Schnitt 15–20 min. Weiterführende Informationen Sie können die App „Übungen gegen Schwindel – präsentiert von Schwabe“ über den Apple App Store oder Google Play Store herunterladen. Als behandelnder Arzt bekommen Sie einen Abreißblock mit allen für Ihre Patienten nötigen Informationen zur App. Bei Fragen steht Ihnen sehr gerne Frau Freystetter von Schwabe zur Verfügung: Schwabe Austria GmbH Iris Freystetter Richard-Strauss-Straße 13, 1230 Wien Tel.: +43 1 616 26 44-56 Mail: iris.freystetter@schwabe.at Quelle: Jatros Pneumologie & HNO 5/2021

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CEB_S.APPPR_2110_F

„Übungen gegen Schwindel – präsentiert von Schwabe“ ist eine umfassende App für Smartphones und Tablets (siehe Abb. 2), die Patienten mit verschiedenen Arten von Schwindel eine Anleitung zum eigenständigen Üben für zu Hause bietet. Unter der wissenschaftlichen Beratung von PD Dr. Andreas Zwergal vom Deutschen Schwindel- und Gleichgewichtszentrum am Klinikum der Universität München hat Schwabe mit dieser App ein Medizinprodukt entwickelt, das die ärztliche Behandlung ergänzt.

rem Syndrom oder chronischem Schwindel leiden. Abgestimmt auf die ärztliche Diagnose liefert die zertifizierte App neben Informationen zum Krankheitsbild ein evidenzbasiertes Übungsprogramm mit Übungsvideos und akustischer Übungssteuerung. Beim akuten vestibulären Syndrom oder chronischen Schwindel führt die App den Patienten entsprechend dem Therapiefortschritt durch Übungen mit steigendem Schwierigkeitsgrad. Sie erinnert Ihre Patienten durch eine Erinnerungsfunktion an das regelmäßige Üben und dokumentiert die Übungsintensität sowie den Therapieerfolg. Bei Patienten ohne ärztliche Diagnose, Demenzkranken, Patienten mit deutlich erhöhtem Frakturrisiko und pädiatrischen Patienten unter 18 Jahren ist die App kontraindiziert.

BEZAHLTE ANZEIGE

„Übungen gegen Schwindel – präsentiert von Schwabe“ ist eine als Medizinprodukt zertifizierte App zur Therapieunterstützung, die Schwindelpatienten hilft, ihre Übungen einfach zu Hause durchzuführen.

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Hausärzt:in politisch

Haus Ärzt:in

DIALOGTAG

PräsenzFortbildung Sa., 21. Mai 2022

IN WIEN

Von Jung bis Alt: Generationsübergreifende Medizin Niedergelassene Mediziner:innen im Dialog mit Kliniker:innen – Vorträge und Diskussionen

Programm und Anmeldung: meinmed.at/dialogtag-wien 7 DFP-Punkte in Planung Teilnahmegebühr WIGAM-Mitglieder/ Mitarbeiter:innen Vinzenz Gruppe 60€ Nichtmitglieder 80€ JAMÖ-Mitglieder/Student:innen kostenlos Rückfragen an info@meinmed.at Veranstalter:

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Februar 2022 Änderungen vorbehalten.


Hausärzt:in informativ

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Hausärzt:in medizinisch

„An COVID sterbende Menschen sind lebende Menschen“

OA Dr. Dietmar Weixler, Präsident der Österreichischen Palliativgesellschaft, über schmerzliche und schützende Grenzen am Lebensende

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der Gemeinschaft angehören und sie unbedingten Wert haben, unabhängig von Leistungsfähigkeit und Ansehen. Jeder Mensch hat ein Recht auf ein Sterben unter würdigen Bedingungen, muss darauf vertrauen können, in der letzten Lebensphase mit seinen Vorstellungen, Wünschen und Werten respektiert zu werden.

+++ Gemeinschaftliche Werte befinden sich im Wandel +++ Grenzverschiebung am Lebensende +++ Einsamkeit in existenziellen Grenzsituationen in der Pandemie +++ Raum für Palliativ- und Hospizkultur schaffen +++ HAUSÄRZT:IN: Das Motto des diesjährigen Österreichischen Interprofessionellen Palliativkongresses, der leider abgesagt werden musste, lautete: „GrenzWerte“ . Wie sind Sie auf dieses Thema gekommen? OA WEIXLER: Palliativ- und Hospizkultur versteht sich seit den Anfängen als Sorgekultur: Jenen gilt die Sorge, die verletzlich und vom Tode bedroht sind, unabhängig von Alter oder Erkrankung. Diese Menschen kommen aus unserer Gemeinschaft und sollen auch in für sie schwierigen Zeiten auf Schutz und Achtung der Gemeinschaft vertrauen dürfen. Nun konfrontiert uns die Zeit, in der wir leben, mit vielen Grenzen, auch mit schmerzlichen, die Selbstbestimmung und die Gesundheit betreffend: sei es durch die Pandemie, seien es Grenzen der Machbarkeit oder Grenzen der Belastbarkeit unseres Planeten.

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Genauso gibt es aber Grenzen, die Werte schützen, Anderes und Fremdes abwehren, Entwicklung ermöglichen sowie Ordnung und Struktur schaffen können. Gemeinschaftliche Werte sind im Wandel begriffen … Eine besondere Grenze hat der Verfassungsgerichtshof Ende 2020 aufgehoben und damit den assistierten Suizid ermöglicht. Wie sehen Sie das? Als wir das Motto dieses Kongresses gewählt haben, konnte noch niemand ahnen, welche Aktualität das Thema „GrenzWerte“ erfahren sollte. Diese Grenzverschiebung am Lebensende stellt uns vor große Unwägbarkeiten. Gerade in Zeiten großer Bewegung sollte der Blick auf dem Festen und Sicheren ruhen: Palliativ- und Hospizkultur muss Raum schaffen können und jenen, die es brauchen, die Sicherheit vermitteln, dass sie weiter

Könnten Sie uns das eine oder andere Beispiel dafür nennen? Wenn von „Würde“ oder „Menschenwürde“ gesprochen wird, lohnt es sich stets, ein Gegenüber zu fragen, wie die andere Person den Begriff versteht. Der Psychiater Dr. Harvey Chochinov gilt als der Begründer der würdezentrierten Therapie. Er hat die dignity question vorgestellt: „Was muss ich über Sie als Person wissen, damit Ihnen die bestmögliche Versorgung zuteilwerden kann?“ Welche Werte einen Menschen leiten, kann ich nicht in einer Fünf-Minuten-Anamnese erheben, in der ich vielleicht sogar noch den häufigen ärztlichen Fehler mache, mehr Redezeit zu beanspruchen als mein Gegenüber. Das braucht wirklich Zeit, in der sich Vertrauen entwickeln kann. Vertrauen ist ein Geschenk. Die Hausärztin wird auch als lebensbegleitende Ärztin verstanden – in diesem Beziehungskontext hat man sicher oft Einblick in das umfassende Wesen eines Menschen und seines sozialen Umfelds. Wie ist die Palliative Care – speziell auch in der Pandemie – gefordert? Sterben findet zurzeit im Spannungsfeld der herrschenden Pandemie statt und ist für Menschen, die im Gesundheits- und Sozialbereich arbeiten, und für Angehörige pflegebedürftiger Menschen besonders belastend. Es muss uns gelingen, Hospizkultur und Palliative Care in allen Versorgungsformen und -einrichtungen des Gesundheitswesens zu ver-


Hausärzt:in medizinisch

© Bauer

ankern. Als größtes Problem der Pandemie im medizinischen Betrieb sehe ich die Einsamkeit in existenziellen Grenzsituationen. Wie wir erfahren durften, können auch Barrieren, die zum Schutz anderer errichtet wurden, auf kreative Weise überwunden werden: Z. B. ist in voller Schutzausrüstung auch eine Umarmung möglich! Es braucht Mut, gepaart mit Verantwortungsgefühl. Angst ist ein schlechter Ratgeber.

reduzieren, d. h. konkret, jede Diagnostik und Therapie auszuräumen, die für den konkreten Menschen nicht zielführend sein kann oder ihm sogar im Weg ist, sei es eine Infusion, ein Zugang, eine Drainage u. v. m. – diese Aufgabe stellt sich täglich. Welche kontroversiell diskutierten Themen wären beim Kongress noch behandelt worden? Die Verantwortung im kommunalen Bereich/Stichwort Sorgekultur, die Grenzen der Dialysetherapie, Palliative Care bei Migrantinnen und Migranten, der freiwillige Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit u. v. m. Kontroversen gibt es, wohin man blickt – und hoffentlich auch Synthesen und Lösungsideen.

Welche besonderen Herausforderungen ergeben sich rund um den sterbenden COVID-Patienten? An COVID sterbende Menschen sind lebende Menschen. Was wir gelernt haben: Sie haben Atemnot, Angst und sind meistens im Delir. Auf der Ebene der Symptomtherapie Auf welche Programmpunkhaben wir alle Mittel zur Verte hätten Sie sich persönlich fügung. Ein besonderer Irrnoch besonders gefreut? weg, den man therapeutisch Auf die Sitzung mit den Thegehen kann, sind Unterstelmen „Der perfekte Palliativlungen im emotionalen Bearzt“, „Die perfekte Palliativreich, wie „Sterbende haben schwester“ sowie „Ansprüimmer Angst.“ Da muss man che und Grenzen der Zuwirklich zum Äußersten greiEXPERTE: mutbarkeit“ zum Beispiel. fen, will heißen: das Gespräch OA Dr. Dietmar Weixler FA für Anästhesie Zum einen wird bereits suchen. Menschen im Sterben und Intensivmedizin, mit dem Titel in Hinblick haben immer auch existenLandesklinikum Horn auf Rollen- und Genderzielle und/oder spirituelle klischees provoziert, der Begriff der Fragen, viele sehnen sich nach Nähe zu Perfektion auf Lebenstauglichkeit gevertrauten Personen. Es gibt aber auch prüft. Zum anderen kommt es zum immer wieder Menschen, die Ruhe und Blick in den Spiegel: Was ist für mich/ Alleinsein brauchen. Als Palliativmeuns eine Zumutung, welche Ansprüdizinerin bzw. -mediziner hat man die che habe ich mir bzw. haben wir uns Aufgabe, den „medizinischen Lärm“ zu

selbst auferlegt, was erwartet man von außen? Eine zu hohe Erwartung an sich selbst ist häufig der Weg zum geplanten Scheitern, wenn man will: ins Burnout. Ein Thema, das in unserem Bereich sehr häufig vorkommt. Weitere persönliche Highlights wären die Uraufführung von „Kasperl, Pezi und die Patientenverfügung“ von Prof.in Dr.in Eva Masel sowie die humorvollen Pausen dazwischen gewesen. Ihr dringlichster Appell an Politik und Gesellschaft? It's not funny, when you are next! Gesellschaft und Politik hätten es heute in der Hand, Rahmenbedingungen für ihr eigenes gutes Sterben zu schaffen. Die Mortalität beträgt 100 Prozent. Das Interview führte Mag.a Karin Martin.

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INFO Die Österreichische Palliativgesellschaft (OPG) versteht sich als interprofessionelle wissenschaftliche Vereinigung aller Berufsgruppen, die mit der Betreuung schwerkranker Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittenem Leiden befasst sind. Der 8. Österreichische Interprofessionelle Palliativkongress, der heuer vom 1. bis 3. März angesetzt war, musste leider Coronabedingt abgesagt werden. Infos: palliativ.at

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Hausärzt:in politisch

KAMMERWAHLEN im 3. Coronajahr

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Die großen Themen: Personal- und Nachwuchsmangel – herausfordernde Arbeits- und Ausbildungsbedingungen – mangelnde Wertschätzung

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Hausärzt:in politisch

+++ Tirol wählt als erstes Bundesland +++ drängende Fragen zu ungelösten Themen +++ Stimmungstief in der Ärzteschaft +++ Corona und Personal- bzw. Nachwuchsmangel nach wie vor prägend für ärztliche Arbeitsbedingungen +++ Wahltermine stehen großteils fest +++ kurzer Wahlkampf erwartet +++ hohe Wahlbeteiligung erhofft +++

Alle Blicke auf Tirol In Tirol, das als erstes Bundesland wählt, steht der Termin am 22. Februar 2022 schon länger fest, und die Wahlvorschlä-

erhielten die Kandidatinnen und Kange sind veröffentlicht worden (siehe didaten die Möglichkeit, sich vorzuaektirol.at). Der amtierende Ärztekamstellen und für ihre Vorschläge zu wermerpräsident, Dr. Artur Wechselberger, ben. „Durch alle Sektionen der Kurien der aufgrund des frühen Wahltermins hindurch erweist sich die Arbeitsverim Februar schon mitten in den Vordichtung und dabereitungsarbeiten mit die physisteckte, jedoch sche und psychiselbst nicht mehr sche Belastung der als SpitzenkandiÄrztinnen und dat seiner FraktiÄrzte als ein zenon „Verein unabtrales Thema. Dahängiger Tiroler zu passen natürÄrzte“ antritt, unlich auch die terstreicht im GeSchwierigkeiten, spräch mit der eine ‚Work-LifeHausärzt:in:„Wir Balance‘ zu leben, wünschen uns sowie einige der eine hohe WahlDr. Artur Wechselberger Auslöser der Mibeteiligung und sere, wie der Personal- und Nachwuchsdamit ein deutliches Signal der Anmangel oder die Arbeitsbedingungen, gehörigen des freien Berufs der welche Angebote im Ausland attrakÄrztinnen und Ärzte für die Selbsttiver machen. Nahtlos schließt sich verwaltung.“ Traditionell gebe es in an die Arbeitsbedingungen die fehlenTirol keinen „Wahlkampf“, wie man de Wertschätzung durch Krankenhauses von politischen Parteien gewohnt träger, Sozialversicherungsträger und sei, sondern „eine Wahlwerbung, in Politik an – ebenso die Ausbildungsder die Problemfelder der verschiedebedingungen, bei denen immer noch nen Arztgruppen aufgeworfen und – so die Erbringung der Arbeits- und Verweit möglich – auch Lösungskonzepte sorgungsleistung vor der Ausbildung angeboten werden“, wie der langjährirangiert.“ ge Kammerfunktionär betont. Zudem >

„Durch alle Sektionen der Kurien hindurch erweist sich die Arbeitsverdichtung und damit die physische und psychische Belastung der Ärztinnen und Ärzte als ein zentrales Thema.“

Wollen Sie mehr über Gentherapien erfahren? Herr DDr. Reinisch und Frau Prof. Pabinger beleuchten in diesem eLearningVideo auf verständliche Art und Weise das Thema Gentherapien aus verschiedenen Richtungen. Der Zugang ist ganz einfach über den QR-Code oder den unten angeführten Link.*

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https://www.vielgesundheit.at/fortbildungen/dfp/ grundlagen-gentherapie *Der Link zur Website www.vielgesundheit.at ist als Service für unsere Kunden gedacht. Pfizer ist für den Inhalt dieser Website nicht verantwortlich. Das eLerarning Grundlagen der Gentherapie wurde in Zusammenarbeit mit Pfizer erstellt.

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PP-FID-AUT-0006/04.2021

Eine Vorschau auf die Ärztekammerwahlen 2022 bringt einige vorsichtige Stimmen und vieles, das es noch abzuwarten gilt. Es ist offensichtlich: Die Ärzteschaft ist derzeit anderweitig intensiv beschäftigt und steht vor noch größeren Herausforderungen als in den vergangenen Jahren. Corona lässt immer noch grüßen. Eine hohe Wahlbeteiligung erhoffen sich jedenfalls alle. Die Themen, welche die heimische Ärzteschaft beschäftigen, überraschen wohl kaum. Neben der großen Pensionierungswelle mit all ihren Folgen, der Abwanderung frisch ausgebildeter Ärztinnen und Ärzte und dem Bemühen um lebenswerte Arbeitsbedingungen trotz sich intensivierender Anforderungen wird auch um ein besseres Klima in der Kommunikation mit anderen Stakeholdern im Gesundheitswesen gerungen. Dazu kommen zahlreiche offene Wunden, die im Zuge der Coronapandemie und ihres (Miss-)Managements entstanden sind.


Attraktive Angebote für müde Ärzteschaft gefragt Veränderungen in diesen Bereichen zu erreichen, erfordert „das Bohren harter Bretter“, wie Dr. Wechselberger zu bedenken gibt. Er ergänzt: „Aber dazu ist die Interessenvertretung ja aufgerufen. Voraussetzungen für den Erfolg sind letztlich das Wissen um die Probleme, gute Umsetzungskonzepte, Überzeugungskraft in der Kommunikation mit Verhandlungspartnern und schließlich Ausdauer und Hartnäckigkeit.“ Die vergangenen zwei Jahre der Pandemie haben laut dem Präsidenten etwas verändert: Die Ärzteschaft ist müde geworden. „Die Diskrepanz zwischen faktenbasiertem, medizinischem Wissen sowie ärztlichen Erfahrungen und politischen Entscheidungen, die oft jeglicher Evidenz entbehrten, hat die Kollegenschaft weitgehend desillusioniert“, so Dr. Wechselberger. „Die Mängel in der Krisenkommunikation, die sprunghaften, oft inkonsistenten Gesetze und Verordnungen haben für Verunsicherung gesorgt. Ich glaube, dass vielen Ärztinnen und Ärzten klar geworden ist, dass es bei ihnen selbst liegt, Krisen zu managen, und sie keine besonderen Erwartungen an die Politik haben dürfen. Ich glaube, dass viele auch erkannt haben, dass für dieses Selbstmanagement die Unterstützung ihrer Standesvertretung wichtig ist“, so der Kammerfunktionär.

Politische Forderungen Für die Zukunft des Berufsstands hat Dr. Wechselberger – der seit 1990 Präsident der ÄK für Tirol ist und von 2012 bis 2017 zudem ÖÄK-Chef war – eine Reihe von Erwartungen: „Wesentliche Bereiche, die Ärzteschaft betreffend, werden vom Ärztemangel bestimmt werden. Wer – die Krankenhäuser oder die Sozialversicherungen – in der erwarteten Mangelsituation die besseren Konzepte und die attraktiveren Angebote machen kann, wird ausreichend Ärztinnen und Ärzte, aber auch Pflegepersonal haben“, gibt er zu bedenken. „Damit wird auch entschieden,

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ob sich die fachärztliche Versorgung in der Bundeshauptstadt antreten werim Rahmen der sozialen Krankenverden, wird erst am 28. Februar im Rahsicherung weiterentwickeln oder in men einer Sitzung der Wahlkommissidie Krankenhäuser verlagert werden on final feststehen“, so Dr. Hans-Peter wird. Es ist zu hoffen, dass die Politik Petutschnig vom Referat für Öffentlichendlich die Bedeutung der Allgemeinkeitsarbeit. Das werde dann natürlich medizin erkennt, und deren entsprechend kommuniziert flächendeckendes Angebot (aekwien.at). Kolportiert sicherstellt – dies gemäß den wurde bereits das Antreten regionalen Verhältnissen und der impfkritischen Partei dem Angebot der Ärztinnen MFG mit einer Fraktion, und Ärzten in Form von Zuwie MFG-Bundesobmann Dr. sammenschlüssen oder EinMichael Brunner die Medien zelpraxen. Die Politik muss wissen ließ. Die Wahlgewinaber auch erkennen, dass solner von 2017 mit entspreEXPERTE: che Versorgungsformen keichend hohen MandatsgeDr. Artur Wechselberger ne Selbstläufer sind, sondern winnen werden sich wohl Arzt für Allgemeinmedizin in Innsbruck, entsprechend – finanziell und auch 2022 der Wahl stellen, Präsident der ÄK organisatorisch – unterstützt während kleinere Gruppiefür Tirol und zum Teil auch gemanagt rungen nicht mehr antreten werden müssen. Bei den privat- und oder durch neue ersetzt sein werden. wahlärztlichen Versorgungsangeboten Einzig die Hoffnung, die alle Wahlbeund den Verschränkungen von kranteiligten in ganz Österreich eint, lebt kenhausgebundenen und extramuralen auch in Wien: „Wohl alle erhoffen sich Versorgungsformen wird eine Weitereine hohe Wahlbeteiligung“, sagt Dr. entwicklung im Sinne der Zunahme der Petutschnig. Versorgungsrelevanz zu erwarten sein.“ Auch noch im März, nämlich am 30., wird laut KAD Mag. Thomas Bauer im Burgenland gewählt. Die WahlVon Wien bis Vorarlberg kommission hat den Termin in einer konstituierenden Sitzung Mitte Jänner In den restlichen Bundesländern sind fixiert. Aber: „Traditionell beginnt der die Vorbereitungen auf die Wahl noch Wahlkampf im Burgenland sehr spät. nicht so weit fortgeschritten wie in TiEs gibt derzeit auch noch keine wahlrol. Wien bestätigte den Wahltermin werbenden Gruppen“, so Mag. Bauer. am 19. März 2022. „Welche Fraktionen

WAHLTERMINE Burgenland

30. März 2022

Kärnten

1. April 2022

Niederösterreich

2. April 2022

Oberösterreich

6. April 2022

Salzburg

8. April 2022

Steiermark

7. April 2022

Tirol

22. Februar 2022

Vorarlberg

2. April 2022

Wien

19. März 2022

Bundeswahlen

Konstituierende Sitzung voraussichtlich im Juni

© Bezirksmedien, RMA

Hausärzt:in politisch


Hausärzt:in politisch tuierenden Sitzung im Juni 2022 statt. Ob aufgrund der Wahlergebnisse in den Bundesländern Überraschungen im ÖÄK-Präsidium zu erwarten sind, wird wohl erst thematisiert, nachdem die großen gewählt haben. Schon sicher war bei Redaktionsschluss, dass in Wien sowohl der amtierende Ärztechef Dr. Thomas Szekeres („Team Szekeres“) als auch Vizepräsident Dr. Johannes Steinhart („Vereinigung österreichischer Ärztinnen und Ärzte“) den Chefsessel anstreben. Die Wahl verspricht also spannend zu werden. Mag.a Birgit Weilguni, Mag.a Karin Martin

© shutterstock.com/ ProStockStudio

In Kärnten ist die Wahl am 1. April, Niederösterreich und Vorarlberg folgen am 2. April. Dr. Burkhard Walla, Vizepräsident der ÄK Vorarlberg geht davon aus, dass dabei „das Bemühen um Stabilität und Kontinuität im Vordergrund stehen wird. Deshalb wird es im Ländle eine gemeinsame Wahlliste der angestellten und niedergelassenen Ärzte geben, die möglichst breit die zu vertretenden Ärzte repräsentieren soll.“ Ob im Ländle neben dieser noch andere Listen zur Wahl stehen werden, ist vor Ablauf der Fristen noch nicht abschätzbar. „Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen aber, dass eine Liste, die von vornherein die verschiedenen Interessen integriert, eine hervorragende Arbeit an der Sache ohne politisches Taktieren ermöglicht“, ergänzt Dr. Walla. Last but not least rufen die ÄK Oberösterreich am 6. April, die ÄK Steiermark am 7. April und die ÄK Salzburg am 8. April zur Urne. Mag. Christoph Schwab von der Pressestelle der ÄK Salzburg gibt zu bedenken: „Die letzten Jahre waren so herausfordernd wie in keiner Periode zuvor. Die Pandemie hat die Gefahr der Polarisierung auch unter Ärzten in vielerlei Hinsicht erheblich befördert.“ Auch deshalb erhoffen sich alle Standesvertreter eine hohe Wahlbeteiligung.

Oberster Chefsessel Die Bestellung der obersten Standesvertreter auf Bundesebene findet dann voraussichtlich in einer konsti-

LIM

Ärztekammerwahlen in Österreich 2022 Liste Integrative Medizin LIM

Sehr viele österreichische Patient*Innen wünschen sich ein Miteinander von konventioneller Medizin und komplementärer Medizin. Psychosomatische Entspannungsmethoden, Akupunktur, Homöopathie, Neuraltherapie, traditionelle europäische und asiatische Medizin incl. TCM sollen sowohl außerhalb als auch innerhalb stationärer Einrichtungen ärztlicherseits angeboten und fair honoriert werden. www.listeintegrativemedizin.at Integration und Zusammenarbeit – statt Ausgrenzung und Spaltung wenigstens in der Ärzteschaft Interessierte Kandidatinnen für die Landes-ÄK aller Bundesländer und aufgeschlossene Turnus Ärzt*innen aus ganz Österreich bitte unter xilef1948@gmail.com melden

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Geben wir der komplementären Medizin in den Ärztekammern endlich eine Stimme!


Hausärzt:in politisch

„Ich erwarte mir von der Österreichischen Ärztekammer einen entschlossenen Einsatz für die Ziele, die ich auch im Österreichischen Hausärzteverband mit voller Energie verfolge. Zu diesen zählt u. a. die Erhaltung der Freiberuflichkeit der niedergelassenen Medizinerinnen und Mediziner. Durch das Korsett, das uns angelegt und von allen Seiten immer enger geschnürt wird, wird daDr. Angelika Reitböck Allgemeinmedizinerin von bald nichts mehr übrigbleiben. Zudem und Dermatologin müssen wir gemeinsam auf überregionaler mit Praxis in Steyrling (OÖ) ist sowie regionaler Ebene mit aller Macht dem Präsidentin des immer größer werdenden Hausärztemangel Österreichischen Hausärzteverbands entgegenwirken! Dazu gehört eine zeitgemäße Entlohnung ohne leistungsfeindliche Limitierungen, wie sie bereits in allen anderen Berufsgruppen selbstverständlich ist. Dabei gilt es die Einkommensunterschiede zwischen Allgemeinmedizinern und Fachärzten aufzuheben. Wir haben eine ständig zunehmende, überbordende Bürokratie. Weitere wichtige Punkte sind daher die Vereinfachung und Verschlankung. Auch müssen sich unsere Spitzeninstitutionen viel mehr um unsere Studienabgänger bemühen, damit absurden Fehlentwicklungen Einhalt geboten wird. Dazu zählt die Tatsache, dass bis zu 40 Prozent aller Absolventen des Medizinstudiums nicht in Österreich ärztlich tätig werden. Um entsprechende Maßnahmen effektiv vorantreiben zu können, braucht es eine stärkere Einbindung der niedergelassenen Kassenärzte in diesbezüglich richtungsweisende Entscheidungen im politischen Bereich.“

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© Anna_Rauchengerger

„Die Ärztekammern setzen sich für die Interessen der Ärztinnen und Ärzte ein. In der aktuellen Funktionsperiode wurden etwa von den Ärztekammern und den Kurien Meilensteine wie die Ausgleichszahlungen nach dem ersten COVID-Lockdown, die Lehrpraxisfinanzierung, die Visitationen in Spitälern zur Qualitätskontrolle und die Möglichkeit der Anstellung von Ärzten bei Ao. Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres Ärzten erreicht. Darüber hinaus bieten die Präsident der ÖÄK Ärztekammern auch in Einzelfällen Beund der ÄK Wien, tritt wieder als Spitzenratung und Unterstützung. Das ist für jede kandidat des „Team Ärztin und jeden Arzt ein großer Vorteil, Szekeres“ an auch wenn man noch nie mit der Ärztekammer zu tun hatte – dieser Service kann im Laufe des Berufslebens für jede und jeden auch persönlich wichtig werden. Ebenso wichtig ist die Teilnahme an den Ärztekammerwahlen. Wegen der geringeren Zahl der Wahlberechtigten ist eine Stimme deutlich mehr wert als bei Nationalrats- oder auch Landtagswahlen und kann über Mandatsverteilungen entscheiden. Im Sinne einer aktiven Partizipation und einer entsprechend starken und lebendigen Interessenvertretung wünsche ich mir eine möglichst hohe Wahlbeteiligung und möchte daher alle Kolleginnen und Kollegen gerne einladen, ihre Stimme abzugeben.“

© Andrea Hausmann

© Foto Walter

© ÖÄK_Christian Leopold

Nachgefragt: Was erwarten Sie sich von den Kammerwahlen 2022? „Mein Team der Vereinigung österreichischer Ärztinnen und Ärzte kann auf wesentliche Erfolge in den letzten Jahren zurückblicken. In welcher anderen Berufsgruppe ist beispielsweise eine Honorarsteigerung um 30 Prozent innerhalb von drei Jahren ausverhandelt worden? Ich möchte solche Meilensteine auch für die gesamte Ärzteschaft möglich machen – deshalb plädiere ich MR Dr. Johannes Steinhart für einen Wechsel an der Spitze und kandiVizepräsident der ÖÄK diere für das Amt des Präsidenten. Ich weiß und der ÄK Wien, ist Spitzenkandidat der natürlich, dass Zustimmung bei Wahlen vor „Vereinigung österreiallem durch Vertrauen der Wählerinnen und chischer Ärztinnen und Ärzte“ und möchte Wähler in die Zukunft erreicht wird. Desneuer Ärztechef halb stehe ich gemeinsam mit unserer dynawerden mischen Spitzenkandidatin für die Sektion Allgemeinmedizin, Dr.in Naghme Kamaleyan-Schmied, vor allem für zwei Versprechen: Unter meiner Präsidentschaft wird die Ärztekammer nach außen, also für alle Hausärztinnen und Hausärzte, intensiv für mehr Wertschätzung unseres Berufes inklusive weiterer deutlicher Honorarerhöhungen kämpfen und Wert auf Beachtung unserer Work-Life-Balance legen, Stichwort Parkpickerl oder Bürokratiestopp. Und nach innen – also strukturell in der Ärztekammer – muss deutlich gespart werden.“ „Gegenwärtig beobachten wir eine Überdosis an Politik und parteipolitischer Einflussnahme bei medizinischen Entscheidungen. Die Unzufriedenheit mit dieser Gepflogenheit merkt man auch daran, dass sich selbst parteipolitisch orientierte Fraktionen in der Ärztekammer ein ,Unabhängigkeitsmäntelchen‘ umstülpen. Die Ärzteschaft lässt sich jedoch durch solche fadenscheinigen AblenDr. Piero Lercher ist Kandidat der Wahlkungsmanöver nicht täuschen und hat die gemeinschaft „Ärzt* ewigen, leeren Versprechungen satt, die sich innen für Ärzt*innen“ für die Sektion niederregelmäßig bei Wahlen wiederholen. Gegelassene Allgemeinrade im niedergelassenen Bereich bedarf mediziner:innen und Approbierte Ärzt:innen es neuer Arbeitsmodelle und Ideen, um die Work-Life Balance und Lebensqualität deutlich zu steigern. Wie wichtig diese Forderung ist, zeigt die Tatsache, dass immer weniger Medizinstudenteninnen und -studenten Hausärzte werden wollen. Auch wird es immer schwieriger, vakante Hausarztstellen nachzubesetzen. Die bloße Erhöhung etwaiger Abrechnungsposten wird hier zu wenig sein. Die moderne Hausarztpraxis versteht sich nicht nur als Einrichtung der Grundversorgung, sondern auch als Kompetenzzentrum des familienmedizinischen Gesundheitsmanagements und als Anlaufstelle für Prävention und Lebensstilmedizin. Um bestmögliche Arbeits- und Lebensbedingungen für alle Ärztinnen und Ärzte in Wien zu erreichen, wurde die Wahlgemeinschaft Ärzt*innen für Ärzt*innen gegründet. Politisch unabhängig, kompetent und vor allem sympathisch und voller Tatendrang.“


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Ein Lösungsansatz bei Reizdarm? © shutterstock.com/Katt_Polyakova, neoncat

Empfehlungen bezüglich der LowFODMAP-Diät

Für Patientinnen und Patienten mit Reizdarmsyndrom gibt es individuelle Ernährungsempfehlungen, die sich an den jeweiligen Beschwerden orientieren. So sollte etwa bei Schmerzen, Blähungen und Diarrhoe als dominantes Symptom die LowFODMAP-Diät angeraten werden.1

Personalisiertes Vorgehen FODMAP steht für fermentierbare Oligo-, Di- und Monosaccharide sowie Polyole – dabei handelt es sich um kurzkettige Kohlenhydrate, die im Dünndarm schlecht absorbiert werden. Spätestens im Dickdarm werden diese osmotisch aktiv und rasch fermentiert, was zu Bauchschmerzen, Blähungen und wei-chem, voluminösem Stuhlgang führt. Ein ausschlaggebendes Charakteristikum der Low-FODMAP-Diät ist ihr dreiphasiger Aufbau: Phase der Elimination: FODMAP-reiche Lebensmittel werden für sechs bis acht Wochen strikt gemieden1, optimalerweise bis unterhalb der Toleranzschwelle. Die Initialphase stellt gleichzeitig einen diagnostischen Test in Bezug auf die FODMAP-Sensibilität des Patienten dar: Kommt es innerhalb von vier bis sechs Wochen zu keiner Besserung der Symptome, sollte ein Umstieg auf eine andere Intervention erfolgen.2 Phase der Toleranzfindung: In zunehmenden Mengen werden Lebensmittel, die ein einzelnes FODMAP enthalten, über drei Tage hinweg wieder zugeführt, um die individuellen Toleranzschwellen herauszufinden. Zwischen den „Challenges“ liegt mindestens eine ein- bis zweitägige Pause. Diese Phase erstreckt sich über sechs bis zehn Wochen.2 Langzeiternährung: Auf Basis der aus Phase zwei gewonnenen Erkenntnisse wird eine personalisierte Low-FODMAP-Diät für eine Langzeitanwendung entwickelt. Der dreiphasige Verlauf ist wesentlich, um die diätetische Vielfalt möglichst zu erhalten und einen negativen Einfluss auf die Nährstoffversorgung und potenziell auf das Darmmikrobiom einzugrenzen. Daher sollte die Low-FODMAPDiät von medizinischen Ernährungsberatern begleitet werden, nicht zuletzt, damit auch ortho- oder anorektische Patienten identifiziert werden können. Anna Schuster, BSc Literatur: 1 Layer P et al., Update S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom (AWMF 021/016), Juni 2021. 2 Chey WD et al., Gastroenterology 2021;160:47–62.

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Hausärzt:in medizinisch

Einladung zur Darmkrebsvorsorge

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Ein Rückblick auf pandemiebedingte Versäumnisse zeigt auf, wie groß der Optimierungsbedarf ist

Für gewöhnlich sind weniger Krebsdiagnosen eine erfreuliche Nachricht. Wenn sich jenes Minus allerdings durch verabsäumte Vorsorgeuntersuchungen erklären lässt, gibt das Anlass zur Sorge. „Darmkrebs kennt keinen Lockdown!“ war das Thema des Pressegespräches im Jänner* in Wien, bei welchem Expertinnen und Experten zu den problematischen Versäumnissen während der Pandemie Stellung nahmen. „2020 kam es aufgrund von COVID-19 zu einer drastischen Reduktion der VorsorgeKoloskopien um 14,82 % gegenüber 2019!“, machte Mag.a Gaby Sonnbichler, Geschäftsführerin der Krebshilfe Wien, aufmerksam. Gründe dafür seien teils verkürzte Öffnungszeiten, teils Vorbehalte von Patientinnen und Patienten gewesen, diese Untersuchungen in Pandemiezeiten in Anspruch zu nehmen. Während der Lockdowns wurden sogar Rückgänge um rund 70 % verzeichnet. Prinzipiell sind die Sorgen der Patienten zwar nachvollziehbar, aber unbegründet.

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Chirurgin und Darmvorsorge-Spezialistin Dr.in Katayoun Tonninger-Bahadori aus Wien 21 verwies in diesem Zusammenhang auf die sehr hohen Hygienestandards in Ordinationen und Spitälern.

5–17 % mehr Todesfälle erwartet „Ob COVID-19-Infektion oder Früherkennung von Krebs: Was man nicht untersucht oder testet, erhöht die Dunkelziffer mit entsprechenden gefährlichen Konsequenzen für die Patienten“, brachte es Franz Bittner, Patientenombudsmann der Ärztekammer Wien, auf den Punkt. Derzeit sind die Folgen noch nicht abschätzbar, Spezialisten gehen aber von schwerwiegenden Auswirkungen aus. Bereits 2020 prognostizierte eine Lancet-Studie1 einen deutlichen Anstieg der Sterberate für die kommenden fünf Jahre – hervorgerufen durch die verzögerte Diagnose von Krebserkrankungen.

Die Wissenschaftler erwarten 5–17 % mehr Todesfälle bei Brust-, Darm-, Lungenund Speiseröhrenkrebs. Ähnliche Befürchtungen äußerte Dr. Friedrich A. Weiser, MSc, Facharzt für Chirurgie, Wien, beim Pressegespräch: „Wir finden jetzt vermehrt größere, fortgeschrittenere Polypen und registrieren auch einen Anstieg der Darmkrebs-Diagnosen.“ Aufgrund der langen Entstehungsgeschichte von Darmkrebs lasse sich aber erst in ein bis zwei Jahren beurteilen, ob dies eine Nachwirkung der zu spät wahrgenommenen Vorsorgeuntersuchungen sei. Bisher konnte man den Rückstau der Untersuchungen nicht aufholen. Möglichkeiten, dem beizukommen sowie die Angst vor Ansteckung zu reduzieren, bieten Zentren mit Wochenendöffnung. „Viele nahmen das Angebot, ihre Koloskopie auf die etwas ruhigere Zeit am Samstag oder Sonntag zu verlegen, gerne an“, schilderte Dr. Weiser seine bisherige Erfahrung.


Möglichkeiten zur Gegensteuerung Die Zahlen sprechen für sich. In den letzten 20 Jahren habe die Vorsorgekoloskopie die Darmkrebs-Inzidenz von knapp über 80 auf mittlerweile 52 senken können, berichtete Doz.in Mag.a Dr.in Bonni Syeda, Präsidentin des Berufsverbandes Österreichischer Internisten. Diese Untersuchung könne tausenden Betroffenen große Operationen, monatelange ChemotherapieZyklen und sehr viel Leid ersparen, hob Helga Turnher, Obfrau der Selbsthilfe Darmkrebs, die Bedeutung für die Altersgruppe 50 plus hervor. Dennoch bleibt dieses Angebot leider viel zu oft ungenutzt und seine Bedeutung unterschätzt. Lediglich 18 % der Zielbevölkerung (Menschen zwischen 50 und 80 Jahren) nähmen in Österreich das Angebot der Vorsorgekoloskopie in Anspruch, gab Doz.in Syeda zu bedenken. „Somit braucht es eine Aufklärungskampagne, um die Menschen von einer Vorsorgekoloskopie zu überzeugen. Es geht darum, verständlich zu erklären, dass Darmkrebs durch diese Untersuchung nicht nur früh erkannt, sondern durch Abtragung von Polypen sogar verhindert werden kann.“ Jüngere Menschen können ebenfalls von der Erkrankung betroffen sein. Mag.a Sonnbichler verwies diesbezüglich auf eine mehrjährige Studie. Die Daten ließen darauf schließen, dass das Risiko einer frühen Darmkrebserkrankung bei fettleibigen X

Menschen im Vergleich zu normalgewichtigen etwa doppelt so hoch sei. Die Österreichische Krebshilfe und die Österreichische Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie (ÖGGH) machen sich bereits seit längerem für ein organisiertes Darmkrebs-Früherkennungsprogramm stark, das eine Einladung zur Koloskopie ab dem 50. Lebensjahr inkludiert. Ähnlich wird beim Mammografie-Screening-Programm vorgegangen. Impulse dazu könnte auch das Anfang 2021 eingerichtete „Nationale Screening-Komitee auf Krebserkrankungen“ geben. Ein weiterer Ansatz, die Vorsorgeuntersuchungsrate zu erhöhen, ist wohl die Leistungsharmonisierung im niedergelassenen Bereich. Doz.in Syeda zeigte in diesem Zusammenhang die in den Bundesländern unterschiedlichen Kassenleistungen auf: „In Wien wird z. B. der Dämmerschlaf inklusive Überwachung bei der Endoskopie von den Krankenkassen übernommen. In Niederösterreich hingegen ist diese Leistung keine Kassenleistung, sodass der Patient die Kosten selbst übernehmen muss.“ Hier, aber auch in einigen anderen Bereichen sei ein einheitlicher Leistungskatalog längst überfällig. PA/InR * Dieser Artikel bezieht sich auf das Pressegespräch „Darmkrebs kennt keinen Lockdown!“ am 19. Jänner 2022 im Haus der Ärzte, Wien.

Quellen: 1 Maringe C et al. Lancet Oncol. 2020 Aug;21(8):10231034.

DARMKREBSSCREENING

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2020

750 500

Goldstandard Studie

Für eine bessere Verträglichkeit der Chemotherapie Wissenschaftlich bestätigt: – Weniger Therapieabbrüche – Reduziert Nebenwirkungen – Stärkt den Darm & die Leber

Einschränkungen

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MED THERAPY PRO

250 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 Quelle: Hinterberger A et al, Endosc Int Open. 2021 Aug 16;9(9): E1315-E1320.

Kalenderwoche

Ein Vergleich der Jahre 2019 und 2020 zeigt die Reduktion der wahrgenommenen Vorsorgekoloskopien zu Beginn der Pandemie.

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Hausärzt:in DFP

Praxiswissen: Stuhlinkontinenz

Über Herausforderungen, Lösungen und neue Behandlungsansätze DFP-Punktesammler

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L I T E R AT U R

Stuhlinkontinenz ist als der unkontrollierbare Verlust von Gas oder Stuhl definiert – mit Episoden, die zumindest einmal pro Monat bei vorheriger Beschwerdefreiheit auftreten.1 Der Schweregrad der Stuhlinkontinenz variiert beträchtlich, beeinträchtigt die Lebensqualität der betroffenen Patientinnen und Patienten signifikant und geht mit einem Verlust an Lebensqualität, mit sozialer Isolation, negativen psychosozialen Aspekten, herabgesetztem Selbstwertgefühl und sozialer

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Stigmatisierung einher. Es gibt im Wesentlichen drei Schweregrade, wobei die Übergänge fließend sind: Grad I: Inkontinenz für Winde; Grad II: Inkontinenz für flüssigen Stuhl; Grad III: Inkontinenz für festen Stuhl.

Ursachen und Therapieziele Die Ätiologie der Stuhlinkontinenz ist zumeist multifaktoriell. Risikofaktoren sind: höheres Alter, weibliches Geschlecht, Ge-

burtstraumata, Sphinkterverletzungen, postoperative Komplikationen, Obstipation und Diarrhoe. Die Prävalenz beläuft sich in westlichen Ländern auf etwa 5 % (1,4–18 %) und kann in Pflegeeinrichtungen über 50 % betragen.1-3 Primäres Therapieziel der Stuhlinkontinenz ist eine Reduktion und/oder Milderung der Inkontinenz-Episoden. Dies kann durch eine Verbesserung der Stuhlkonsistenz, eine Förderung des Stuhlganges, eine Stärkung des


Hausärzt:in DFP

Konservative Therapie Obstipation Die Stufentherapie der Obstipation gemäß der Sk2-Leitlinie ist hierfür handlungsanleitend und sollte immer multidisziplinär erfolgen.2 Aufgrund der Stuhlretention im Rektum ist mit der Obstipation häufig eine Stuhlinkontinenz assoziiert. Laxantien, Suppositorien und Makrogole können in diesem Fall einzeln oder kombiniert verabreicht werden. Oft müssen gemeinsam mit den Patientinnen und Patienten die Dosierung und das Timing der Therapie ermittelt werden. Bei regelmäßiger Anwendung sind Laxantien sichere und sehr wirksame Medikamente, welche die Lebensqualität positiv beeinflussen. Es spricht nichts gegen eine Langzeittherapie, dabei sollte die Dosierung niedrig sein.

Diarrhoe Als initialer diagnostischer Schritt ist immer eine Unverträglichkeit bezüglich bestimmter Nahrungsmittel auszuschließen. Liegt diese nicht vor, so ist es zunächst möglich, nach der mikrobiologischen und nach einer endoskopischen Abklärung vorübergehend Loperamid zu verabreichen. Zusätzlich sollten nicht blähende Ballaststoffe wie Flohsamen oder lösliche Ballaststoff-Konzentrate in individueller Dosierung angewendet werden.

führende Evaluierung der anorektalen Funktion mittels konventioneller oder MR-Defäkographie, endoanalen Ultraschalls und einer Sphinkterdruckmessung vorzunehmen.

Sphinkter Repair

Die Sphinkterplastik oder der sogenannte „Sphinkter Repair“ ist mittlerweile schon ein älteres, aber ein immer noch etabliertes Verfahren zur chirurgischen Therapie der Stuhlinkontinenz. Wenn der anale Sphinkterdefekt weniger als 120° ausmacht – speziell Entleerungsstörung, Beckenbodenbei jüngeren Patientinnen und Patiensenkung und Sphinkterschwäche ten mit einer rezenten SphinkterverBei einer Entleerungsstörung im Sinne letzung –, kann als primäre Therapie einer unvollständigen Entleerung sowie eine überlappende Sphinkbei der Überlaufinkontinenz terplastik/ein Sphinkter Reist als initiale Therapie immer pair durchgeführt werden. zunächst ein Toilettentraining Die Ergebnisse sind für feszu empfehlen und Betroffenen ten Stuhl initial gut, etwas zu vermitteln, auf zu heftiges weniger gut für flüssigen Pressen zu verzichten. HilfStuhl und eher unbefriedireich ist es auch, den Patienten gend für Gas. In Fällen, bei nahezulegen, Klysmen zu dedenen die Stuhlinkontinenz finierten Zeiten sowie kohlenAUTOR: wieder auftritt, sollte eher dioxidbildende Suppositorien Prim. Priv.-Doz. Dr. an eine sakrale Neuromoduanzuwenden. Christoph Ausch Vorstand der Chirurgie lation gedacht werden als an Für die Beckenbodensenkung Göttlicher Heiland eine Rezidivoperation. Die gilt, dass BeckenbodengymKrankenhaus, Ordination: Chirurgie Ergebnisse des Sphinkter nastik und Sphinktertraining am Küniglberg, Wien, Repairs sind bei jüngeren mit Biofeedback die Symptochirurgiekueniglberg. Patienten deutlich besser als matik wesentlich verbessern wien bei älteren Patienten, bei dekönnen. Das Biofeedbacktrainen die Anwendung dieser Methode ning mit und ohne Elektrostimulation ist kritisch zu hinterfragen ist.5 auch die initiale Therapie der Wahl bei der Sphinkterschwäche. Therapieoptionen wie der Anal Plug und Sakrale Neuromodulation (SNM) die Vaginale Darmkontrolle bei Frauen haben sich bisher nicht durchgesetzt und Die sakrale Neuromodulation funktisind Ausnahmesituationen vorbehalten. oniert mittels elektrischer Stimulation der sakralen Nervenwurzeln. Dadurch kommt es zu einer Unterstützung der Wenn die Betroffenen zumindest nach drei Kontraktionskraft des analen SphinkMonaten einer diätetischen und medikatermuskels, zusätzlich werden spinale mentösen und/oder einer physikalischen und supraspinale Nervenaktivitäten Therapie weiterhin keine Besserung ihrer für die Darm- und Blasenfunktion beSymptome und Lebensqualität verspüren, einflusst. Initiale prospektive Studien sollte an operative Therapiemöglichkeiten gedacht werden. haben vielversprechende Ergebnisse geliefert. Die genaue Wahl geeigneter Patientinnen und Patienten ist essenziell für den Therapieerfolg. Wenn Chirurgische Therapie die Methode korrekt angewendet wird, sind Erfolgsraten im Sinne einer Vor der chirurgischen Therapie ist es Verbesserung der Stuhlinkontinenz notwendig, – neben der Basisabklärung von bis zu 70 % möglich. Die sakrale mittels Anamnese, rektaler UntersuNeuromodulation ist ein zweistufiges > chung und Endoskopie – eine weiter-

© Alek Kawka

Beckenbodens und eine kontrollierte geplante Stuhlentleerung erreicht werden. Ein weiteres wesentliches Therapieziel sind eine Verbesserung der Lebensqualität und die Wiederherstellung der sozialen Integration der betroffenen Menschen. Scoring-Systeme erweisen sich im Rahmen der Evaluierung als hilfreich. Es gibt unterschiedliche Scores, zu den am häufigsten validierten gehört der sehr einfach anzuwendende praktikable Cleveland Clinic Florida-Fecal Incontinence Score.4 Die Abklärung der Patienten sollte immer multidisziplinär und auch multiprofessionell (Psychologie) erfolgen sowie eine ausführliche Anamnese, ein Scoring und als weiterführende Untersuchung eine Spiegelung des Dickdarmes beinhalten. Soll der Schließmuskel näher untersucht werden, so sind eine Druckmessung und eine Ultraschalluntersuchung notwendig. Um eine Beckenbodensenkung und einen rektoanalen Prolaps nachzuweisen, wird zumeist eine konventionelle Defäkographie herangezogen. Es gibt heute auch ergänzend die dynamische Beckenboden-MR. Diese ist wichtig, wenn präoperativ für eine Operationsplanung die lokale anatomische Morphologie dargestellt werden soll.

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Hausärzt:in DFP Verfahren mit einer initialen Testphase, gefolgt von einer Implantation eines permanenten Stimulationssystems. Nur wenn die Testphase erfolgreich die Stuhlinkontinenz beeinflusst, ist ein permanentes Implantat sinnvoll. Die Ergebnisse der SNM für die Behandlung der Obstipation waren widersprüchlich, sodass das Verfahren bei dieser Indikation eher wieder in den Hintergrund getreten ist. Die sakrale Neuromodulation liefert gute Ergebnisse bei Vorliegen eines Sphinkterdefektes oder einer NervusPudendus-Schädigung und kann auch nach initialem Sphinkter Repair angewendet werden. Die Amerikanische Gesellschaft für Colorektale Chirurgie (ASCRS) empfiehlt die Anwendung der SNM als chirurgische Erstlinientherapie bei Sphinkterschäden mit einem hohen Empfehlungsgrad (siehe Tabelle).4

Perkutane tibiale Nervenstimulation (PTNS) Diese Form der neuromuskulären Stimulation kann im Gegensatz zur SNM als ambulante Therapie durchgeführt werden und ist deutlich kostengünstiger. Es wird das gleiche sakrale Nervensegment stimuliert und sollte daher ähnliche Ergebnisse wie die SNM liefern. Bisher wurden insgesamt drei randomisierte Studien durchgeführt und keine konnte die PTNS im Vergleich zur SNM als klinisch relevant einstufen – wenn auch alle drei Studien bei einigen ausgewählten Patienten eine Verbesserung der Stuhlinkontinenz nachweisen konnten (siehe Tabelle).

Stammzellentherapie Zum jetzigen Zeitpunkt handelt es sich hierbei um ein experimentelles Verfahren. Initiale Tierexperimente waren vielversprechend, sodass Studien an Menschen durchgeführt wurden.6 Das Rational hinter diesen Studien besteht darin, dass die Sphinkterfunktion durch die Regeneration von zuvor geschädigten quergestreiften Sphinktermuskelzellen verbessert werden kann und dass es zu einer Reinnervation

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neu gebildeter myofibroblastischer Zellen kommt. Eine Studie aus dem Jahr 2015, in deren Rahmen zwölf Patienten Myoblasten in den Sphinkter injiziert wurden, konnte eine Verbesserung des Cleveland Clinic Incontinence Scores zeigen.6,7 Die Injektion von Stammzellen dürfte ein sicheres Behandlungsverfahren sein und es wurde von keinen schwerwiegenden Nebenwirkungen berich-

DFP-Pflichtinformation Fortbildungsanbieter: Göttlicher Heiland Krankenhaus Wien Lecture Board: Univ.-Prof. Dr. Harald Rosen, FEBS Privatklinik Wien, Facharzt für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Spezialisierung: Kolorektale Chirurgie Dr.in Johanna Holzhaider 2. Vizepräsidentin der OBGAM Gruppenpraxis Sandl, Oberösterreich

tet. Es scheint zu einer Verbesserung der Klinik der Stuhlinkontinenz zu kommen. Allerdings fehlen noch Ergebnisse von Phase-III-Studien sowie Vergleiche mit der sakralen Neuromodulation, um den Stellenwert dieses Verfahrens festzulegen (siehe Tabelle). <

Referenzen 1 Paquette IM et al. The American Society of Colon and Rectal Surgeons Clinical Practice Guidelines for the Treatment of Fecal Incontinence. Dis Colon Rectum 2015; 58(7):623-36. 2 Frieling T. Stuhlinkontinenz: Ursache Diagnostik und Therapie. Dtsch Med Wochenschr 2016; 141: 1251-60. 3 Bharucha AE et al. Epidemiology, pathophysiology and classification of fecal incontinence: state of science summary for the National Institute of Diabetes and Digestive and Kidney Diseases (NDDK) Workshop. Am J Gastroenterol 2015; 110:127-36. 4 Da Silva G et al. Recent advances in managing fecal incontinence (Version 2; Peer Review: 3 approved). F1000 Research 2019; 8(F1000 Faculty Rev):1291 Last updated 23 AUG 2019. 5 Ivatury SJ et al. Surgical Treatment Alternatives to Sacral Neuromodulation for Fecal Incontinence: Injectables, Sphincter Repair, and Colostomy. Clinics in Colon and Rectal Surgery 2021; 34(1):40-48. 6 Bisson A et al. Restoration of anal sphincter function after myoblast cell therapy in incontinent rats. Cell Transplant 2015;24(2):277-86. 7 Boyer O et al. Autologous Myoblasts for the Treatment of Fecal Incontinence: Result of a Phase 2 Randomized Placebo controlled Study (MIAS). Ann Surg 2018; 267(3):443-50.

TABELLE Neuere Ansätze hinsichtlich der Therapie der Stuhlinkontinenz

Therapieansatz

Randomisierte Studien vorhanden?

Kommentare

Sakrale Neuromodulation (SNM)

Ja

Auch bei Sphinkterdefekten als chirurgische Erstlinientherapie anwendbar

Perkutane tibiale Nervenstimulation

Ja

Nicht besser als SNM

Stammzellentherapie

Ja

Anal Plug

Nein

Noch nicht genug Daten, um eine Empfehlung abzugeben

Vaginale Darmkontrolle bei Frauen

Nein

Noch nicht genug Daten, um eine Empfehlung abzugeben

• Überlegenheit des Behandlungsarmes im Vergleich zu konservativer Behandlung • Vergleich mit SNM fehlt noch • Noch keine Zulassung


Hausärzt:in DFP

Hausärzt:in DFP – Das Wichtigste in Kürze Heutzutage kann den Patientinnen und Patienten bei der Behandlung der Stuhlinkontinenz eine Reihe von medikamentösen und konservativen Therapieverfahren bis hin zu mehr invasiven Therapien angeboten werden. Einen wesentlichen Fortschritt im therapeutischen Angebot der letzten Jahre stellt vor allem die sakrale Neuromodulation (SNM) dar. Spannend sind die Studien zur Stammzelltherapie der Stuhlinkontinenz.

Nicht jede Therapie ist für jeden Patienten geeignet. Eine genaue Auswahl der Patientinnen und Patienten sowie der korrekte Therapieplan sind entscheidend. Bei milden Symptomen der Stuhlinkontinenz sind konservative und nicht invasive Methoden angebracht. Patienten mit moderater bis schwerer Stuhlinkontinenz sollten hinsichtlich sakraler Nervenmodulation evaluiert werden.

DFP-Literaturstudium HAUSÄRZT:IN

L I T E R AT U R

So machen Sie mit: Entsprechend den Richtlinien der ÖÄK finden Sie im Anschluss an den Fortbildungsartikel Multiple-Choice-Fragen. Eine Frage gilt dann als richtig beantwortet, wenn Sie von den vorgegebenen Antworten alle richtigen angekreuzt haben. Für eine positive Bewertung ist erforderlich, dass Sie 2 der 3 Fragen richtig beantworten. In diesem Fall wird 1 DFP-Fachpunkt angerechnet. Online lesen und beantworten: Dieser Fortbildungsartikel inkl. Test steht online auf meindfp.at noch 2 Jahre zur Verfügung. Wenn Sie dieses elektronische Angebot nutzen, erhalten Sie auch die Teilnahmebestätigung elektronisch. Per E-Mail oder Post: Schicken Sie den beantworteten Fragebogen bitte per Mail als Scan-Dokument an office@gesund.at oder per Post an Redaktion HAUSÄRZT:IN/RMA Gesundheit GmbH, Am Belvedere 10 / Top 5, 1100 Wien. Einsendeschluss: 31. August 2022.

DFP-Fragen zu „Praxiswissen: Stuhlinkontinenz“

Die Anzahl der richtigen Antworten ist nach jeder Frage in Klammern ange­geben.

1

Welcher Faktor zählt nicht primär zur Ätiologie der Stuhlinkontinenz? (1 richtige Antwort)

Sie haben ein Fortbildungskonto?

Ein hohes Alter.

JA – dann buchen wir Ihre DFP-Punkte automatisch!

Entzündungen des Schließmuskels.

Dazu brauchen wir Ihre ÖÄK-Ärztenummer und E-Mail-Adresse:

Ein Geburtstrauma. Das weibliche Geschlecht.

2

Welche der folgenden Aussagen über die Abklärung der Stuhlinkontinenz trifft zu? (2 richtige Antworten)

NEIN – ich möchte meine Teilnahmebestätigung

Als initiale Untersuchung wird bei der Abklärung immer eine Defäkographie durchgeführt.

per Post erhalten

Die Abklärung soll zunächst durch eine Disziplin an einem ruhigen Ort erfolgen. Die Abklärung ist immer multidisziplinär und multiprofessionell.

per E-Mail erhalten Bitte gut leserlich ausfüllen und E-Mail-Adresse angeben:

Die Abklärung ist nie standardisiert und beinhaltet für jede Patientin und jeden Patienten unterschiedliche Schritte.

3

Welcher der angeführten Faktoren ist für die Erreichung des primären Therapiezieles bei Stuhlinkontinenz nicht relevant? (1 richtige Antwort)

Name

Anschrift

Die Verbesserung der Stuhlkonsistenz. Die Förderung des Stuhlganges.

PLZ/Ort

Die Stärkung des Beckenbodens. Eine ungeplante Stuhlentleerung zu jeder Zeit.

E-Mail

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Hausärzt:in medizinisch

Tückische Lungenembolie

Unterschiede in der Behandlung je nach Schwere und Ursache Centrums für Thrombose und Hämostase der Universitätsmedizin Mainz.

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Anwendungsdauer von Antikoagulanzien

Herzinfarkt und Schlaganfall stellen die häufigsten Todesursachen unter den kardiovaskulären Erkrankungen dar, gefolgt von der akuten Lungenembolie. „Die Lungenembolie ist ein Paradebeispiel für die vielen Wechselwirkungen zwischen Herz und Lunge. Viele Menschen wissen nicht, dass Lungenerkrankungen zu lebensbedrohlichen Belastungen für Herz und Kreislauf werden und umgekehrt viele Erkrankungen des Herzens die Lunge bedrohen können“, betont Kardiologe Prof. Dr. Thomas Meinertz vom Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung in einer Aussendung*. Eine Aufklärung von Patientinnen und Patienten über die Lungenembolie sei daher dringend notwendig. Insbesondere bei Frauen im Alter zwischen 15 und 55 Jahren ist die akute Lungenarterienembolie für bis zu 13 von 1.000 Todesfällen verantwortlich, bei Schwangeren gehört sie zu den häufigsten Todesursachen. Die Gesamtzahl der Todesfälle von älteren Menschen über 80 Jahre liegt bei über 80 Fällen pro 100.000 Einwohner.

Häufig diffuse Symptome Tückisch an der Lungenembolie ist bekanntlich Folgendes: Sie verläuft oft-

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mals ohne merkliche Beschwerden und kann – im Einzelfall – zum kardiogenen Schock führen. Die Symptome einer Lungenembolie seien vielfältig und recht uneindeutig, berichtet DDr. Lukas Hobohm vom Zentrum für Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz. „Häufig stehen Luftnot, Schmerzen in der Brust und Schmerzen beim Einatmen, eine Herzfrequenz von über 100 Herzschlägen pro Minute oder eine Synkope im Vordergrund.“ Die Akutbehandlung unterscheidet sich je nach Schwere der Lungenembolie. Bei Patienten mit kardiogenem Schock ist eine systemische Thrombolyse erforderlich. Alternativ kommen eine kathetergestützte Thrombolyse oder eine chirurgische Embolektomie in Frage. Bei stabilen Patienten mit nachgewiesener Lungenembolie reichen Antikoagulanzien aus, meistens in Tablettenform oder vorübergehend subkutan in die Bauchhaut. „Die gerinnungshemmende Medikation sollte Patienten nach erstmaliger akuter Lungenarterienembolie mindestens drei bis sechs Monate lang verabreicht werden. Dann wird die Fortführung der Therapie erneut sorgfältig geprüft“, erklärt Prof. Dr. Stavros Konstantinides, Ärztlicher Direktor des

Die Dauer der antikoagulativen Behandlung gestaltet sich individuell unterschiedlich. Die Therapie kann binnen drei Monaten nach Entlassung aus dem Krankenhaus beendet werden, wenn die akute Lungenembolie durch bestimmte Risikofaktoren einer Thrombose ausgelöst wurde – beispielsweise durch Operationen mit einer Narkosedauer von mehr als 30 Minuten oder durch ein schweres Trauma mit Knochenfrakturen. Oder aber es bedarf einer dauerhaften Therapie auf Basis von Neuen Oralen Antikoagulanzien (NOAK), etwa Apixaban, Dabigatran, Edoxaban und Rivaroxaban. Diese Behandlung auf unbestimmte Zeit ist aufgrund des verbesserten Sicherheitsprofils der NOAK und des Ziels, das Wiederauftreten von Thrombosen zu verhindern, gerechtfertigt. Bei aller Notwendigkeit einer Behandlung mit einem NOAK sollte mitbedacht werden: Eine unbefristete blutgerinnungshemmende Therapie birgt ein Blutungsrisiko. Es ist im ersten Monat der Therapie erhöht, nimmt dann ab und bleibt über die weitere Zeit hinweg stabil. Als typische Risikofaktoren für Blutungskomplikationen gelten ein Lebensalter über 75 Jahre, frühere Blutungen oder Schlaganfälle, aktive onkologische Erkrankungen, eine bereits länger bestehende (chronische) Niereninsuffizienz oder eine anderweitige blutverdünnende Therapie, z. B. Thrombozytenhemmung. PA/AS * Deutsche Herzstiftung e. V., 20. Dezember 2021. Literatur: Konstantinides S et al. (2019): The 2019 ESC Guidelines on the Diagnosis and Management of Acute Pulmonary Embolism. European Heart Journal. doi: 10.1093/ eurheartj/ehz726 Keller K, Hobohm L et al. (2020): Trends in thrombolytic treatment and outcomes of acute pulmonary embolism in Germany. European Heart Journal. doi: 10.1093/ eurheartj/ehz236


Hausärzt:in medizinisch

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Hausärzt:in medizinisch

Wenn Schlafstörungen den Atem rauben

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Hypoglossusnerv-Stimulation als Alternative bei CPAP-Intoleranz

Nach operativer Platzierung der Stimulationselektrode an Protrusorästen des

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Entwicklungen der letzten Jahre Seit Juni 2017 steht das neue Modell Inspire IV™ zur Verfügung, welches deutlich kleiner, flacher und somit leichter ist und eine MRT-Kompatibilität besitzt. Auch die Implantationstechnik wurde weiterentwickelt und seit Mai 2021 sind statt der üblichen drei Inzisionen (siehe Abb. 2) nur noch zwei Inzisionen notwendig, da die Sensorelektrode im Bereich des Pulsgenerators im zweiten bis dritten Interkostalraum positioniert wird. Daraus resultieren kürzere OP-Zeiten und für

© Birte Bender

Aufzeichnung der Druckschwankungen der Atemzyklen

N. hypoglossus und nach Überprüfung der gewünschten Zungenbewegung unter Stimulationsbedingungen erfolgt die Implantation eines Piezo-Atemsensors im Interkostalraum. Dieser zeichnet die Druckschwankungen eines jeden Atemzyklus (Inspiration und Exspiration) auf, um die elektrische Nervenstimulation zu synchronisieren. Sowohl das Elektrodenkabel als auch das Sensorkabel werden mit einem Führungsdraht unter der Haut getunnelt und bis zur rechten Brustseite geführt, wo sie am dort platzierten Schrittmacher (Impulsgenerator) fixiert werden. Durch die muskulöse Verbindung von Zunge und Weichgaumen über den M. palatoglossus wird bei Stimulation nicht nur eine Protrusion der Zunge, sondern auch eine Öffnung des Atemweges auf Höhe des Velopharynx erreicht.

© Birte Bender

Die funktionelle Druckluftschienung der oberen Atemwege während des Schlafes mittels Continuous Positive Airway Pressure (CPAP) stellt seit über 30 Jahren die Goldstandardtherapie beim OSAS dar. Allerdings beträgt die Therapieadhärenz und Compliance aus medizinischen und psychologischen Gründen meist nur 30–70 Prozent.1,2 So rücken alternative operative und nicht operative Therapien des obstruktiven Schlafapnoesyndroms (OSAS) in den Fokus weltweiter Forschungsaktivitäten, um die allnächtliche CPAP-Maskennutzung zu umgehen. Seit 1994 wird an der Entwicklung einer Hypoglossus-Schrittmacher-Technologie gearbeitet, welche in der Lage ist, atemsynchron den N. hypoglossus zu stimulieren, ohne die Schlafqualität zu beeinträchtigen. Um als Therapie für OSAS-Patienten in Frage zu kommen, musste ein Zungenschrittmacher-System entwickelt werden, welches voll-implantierbar durch Hals-NasenOhren-Ärzte sowie vom Schlaflabor einzustellen ist und vor allem vom Patienten leicht bedient werden kann. Eines dieser Stimulationssysteme ist das der Firma Inspire Medical Systems, Minneapolis, Minnesota, USA. Es setzt sich aus Atemsensor, Schrittmacheraggregat und Stimulationselektrode zusammen und erfüllt die besagten Anforderungen (siehe Abb. 1).

Seit 2015 werden auch an der Univ.-HNOKlinik der Med Uni Innsbruck Behandlungen mit der Hypoglossusnerv-Stimulation durchgeführt. Die Zuweisung erfolgt hauptsächlich durch das Schlaflabor der Uniklinik für Neurologie. Bisher haben in Tirol zwanzig Patienten diese Therapie erhalten. Nach vorheriger Prüfung der Einschlusskriterien mittels Polysomnographie und Schlafvideoendoskopie wird die rund dreistündige Operation vorgenommen. Von leichten Wundheilungsstörungen abgesehen, wurden postoperative Komplikationen nur sehr selten beobachtet. Nach einer Einheilungsphase von vier bis acht Wochen wird das System aktiviert und nach einer weiteren Testphase schließlich im Schlaflabor therapeutisch im Rahmen einer Polysomnographie titriert.

Abbildung 1: Eine postoperative Röntgen-Thorax-Aufnahme zeigt die implantierten Systemkomponenten (Stim = Stimulationselektrode, Sens = Sensorelektrode).

Abbildung 2: Planung der Inzisionen submental für die Stimulationselektrode, infraklavikulär für den implantierbaren Pulsgenerator und an der rechten Thoraxwand für die Atemsensorelektrode.


Hausärzt:in medizinisch wies erhebliche positive Effekte auf den OSAS-Schweregrad wie auch auf die Lebensqualität über einen Nachsorgezeitraum von zwölf Monaten nach.10 Der vorhandenen klinischen Evidenz zur Leitlinien-Empfehlungen Hypoglossusnerv-Stimulation folgend, hat die Deutsche Gesellschaft für SchlafforIn Hinblick auf die Leistungsfähigkeit schung und Schlafmedizin die Methode der Therapie in der Routineanwendung 2017 in die S3-Leitlinie „Nicht liegen u. a. Veröffentlichungen erholsamer Schlaf/Schlafstözu Untersuchungen an großen rungen – Kapitel SchlafbezoKohorten bis 1.800 Patienten gene Atmungsstörungen“ aufund zu einem Kontrollzeitraum genommen.11 Das Behandvon drei Jahren vor.3,4 Alle Studien belegen konsistent, dass lungsverfahren wird hiernach die Methode nachhaltig den für die Therapieoptimierung Schweregrad der Schlafapnoe bei geeigneten Patienten mit verringert und die LebensquaOSAS empfohlen, wenn die AUTORIN: lität der Betroffenen anhaltend Erstlinientherapie CPAP nicht OÄ Dr.in Birte Bender Univ.-HNO-Klinik, verbessert sowie exzessive Tatoleriert wird oder keine ausreiMed Uni Innsbruck gesschläfrigkeit signifikant rechende Reduktion des OSASduziert.5,6 Vergleichende Studien zeigen Schweregrades bzw. der klinischen Symptomatik erzielt werden kann. eine deutliche Überlegenheit gegenüber klassischen chirurgischen Verfahren, die bislang bei CPAP-Intoleranz angewandt Fazit wurden.7-9 Eine 2020 veröffentlichte Studie, in der die Stimulationstherapie Die selektive Hypoglossusnerv-Stimulamit Nichtbehandlung verglichen wurde, tion mit dem Inspire-System stellt ein zu-

© Peter Bauer

den Patienten eine bessere Wundheilung durch den Wegfall der oft als schmerzhaft empfundenen thorakalen Inzision.

verlässiges chirurgisches Verfahren mit einer niedrigen Nebenwirkungsrate dar, das für ausgewählte Patienten mit OSAS bei CPAP-Versagen und -Intoleranz geeignet ist. Die nachhaltige OSAS-Kontrolle spiegelt sich auch in den patientenrelevanten Endpunkten einer normalisierten Tagesschläfrigkeit und verbesserten Tagesaktivität wider.

Referenzen: 1 Rotenberg BW et al., J. Otolaryngol. – Head Neck Surg 2016; doi: 10.1186/s40463-016-0156-0. 2 Schoch OD et al., Respiration 2014; doi: 10.1159/000354186. 3 Suurna MV et al., Laryngoscope 2021; doi: 10.1002/ lary.29755. 4 Steffen A et al., Sleep Breath. Schlaf Atm. 2019; doi: 10.1007/s11325-019-01933-0. 5 Kompelli AR et al., World J. Otorhinolaryngol. – Head Neck Surg 2019; doi: 10.1016/j.wjorl.2018.04.006. 6 Costantino A et al., Sleep Breath. Schlaf Atm 2019; doi: 10.1007/s11325-019- 01923-2. 7 Huntley C et al., Ann. Otol. Rhinol. Laryngol. 2020; doi: 10.1177/0003489420953178. 8 Huntley C et al., The Laryngoscope 2019; doi: 10.1002/ lary.27484. 9 Yu JL et al., The Laryngoscope 2019; doi: 10.1002/ lary.27487. 10 Mehra R et al., Ann. Am. Thorac. Soc. 2020; doi: 10.1513/AnnalsATS.202001-015OC. 11 Mayer G et al., Somnologie 2017; doi: 10.1007/s11818017-0136-2.

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Hausärzt:in medizinisch

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„Die PoundYears sind entscheidend“

Sowohl das Ausmaß der Adipositas als auch ihre Dauer sind im Hinblick auf Folgeerkrankungen von Bedeutung

© MedUni Wien-Matern

einer chronischen Inflammation des gesamten Körpers gesehen werden und führt letztendlich zu Zuckerkrankheit, Gefäßverkalkung und sogar zu Krebserkrankungen.

Univ.-Prof. Dr. Gerhard Prager, Leiter der Spezialambulanz Speiseröhre – Magen – Adipositas von MedUni Wien und AKH Wien, im Gespräch.

HAUSÄRZT:IN: Wann sollten niedergelassene Mediziner:innen ihre Patient:innen in eine Spezialambulanz überweisen? Prof. PRAGER: Wenn wiederholte Abnehmversuche – vorzugsweise strukturiert – zu keiner dauerhaften Gewichtsreduktion geführt haben und Adipositas mit einem BMI über 30 kg/m2 vorliegt. Was kann vorab „versucht“ werden? Ist es z. B. sinnvoll, den Patient:innen eine Kur oder Reha nahezulegen? Es geht um eine nachhaltige Veränderung des Lebensstils. Als Unterstützung oder Initialzündung ist eine mehrwöchige Kur oder Reha durchaus sinnvoll. Wichtig ist es jedoch, den Lebensstil – in puncto Ernährung und Bewegung – dauerhaft zu ändern. Gib es neue wissenschaftliche Erkenntnisse den Zusammenhang zwischen Adipositas und den häufigen Folgeerkrankungen betreffend? Während Fettgewebe früher als reiner Energiespeicher angesehen wurde, wissen wir heute, dass es das größte hormonell aktive Organ des Menschen darstellt. Im Fettgewebe wird eine Vielzahl von Botenstoffen ausgeschüttet, die „Adipocytokine“, die als Schnittstelle zwischen Immunsystem und Stoffwechselsystem fungieren. Adipositas kann als Zustand

Studienergebnisse zum Magenbypass zeigen, dass es sich dabei um die effektivste Behandlung der höhergradigen Adipositas handelt. Was bewirkt er kurz zusammengefasst? Wir wissen heute aus Studien mit einer Nachbeobachtungszeit von bis zu 30 Jahren, dass die Adipositaschirurgie lebensverlängernd ist, die Lebensqualität erhöht, Krebserkrankungen und Krebstodesfälle verhindert und vermindert, eine Zuckerkrankheit rückgängig machen und Herzinfarkte/Schlaganfälle verhindern kann. Stimmt es, dass mit innovativen Medikamenten bariatrische Eingriffe in Zukunft weniger oft notwendig sein könnten? Neue Medikamente versuchen, die hormonellen Veränderungen nachzuahmen, die wir nach Magenbypass-Eingriffen sehen. Derzeit ist die erste Generation dieser Medikamente am Markt, welche nur den Effekt eines Hormons nachahmen. Wir werden aber in den nächsten Jahren Medikamente sehen, die zwei oder sogar drei Hormone nachahmen können.Während heute mit konservativer Therapie ein max. Gewichtsverlust von 5–10 % des Körpergewichts erreicht werden kann, können die neuen Medikamente 15–20 % erzielen. Zum Vergleich: Mit dem Magenbypass liegen wir langfristig bei ca. 30 %. Ich glaube nicht, dass diese Medikamente Operationen überflüssig machen, wir werden einen ganz anderen Effekt sehen ... Und welchen? Derzeit gibt es für Menschen mit einem BMI von 30–35 kg/m2 keine effiziente Therapie – diese Lücke wird in Zukunft hoffentlich durch die neuen Medikamente geschlossen werden. Und wir werden eine Kombination von minimalinvasiven chirurgischen Techniken und Medikamenten sehen.

Was sollten niedergelassene Kolleg: innen über das Zusammenspiel von Adipositas und Hormonen wissen? Das Zusammenspiel von Adipocytokinen und Hormonen aus dem MagenDarm-Trakt, der Leber, dem Pankreas, dem Gut-Mikrobiom und dem Gehirn ist sehr komplex. Als grobes Gerüst könnte man Adipositas als chronisch entzündlichen Zustand sehen, der ursächlich verantwortlich bzw. mitverantwortlich für eine Vielzahl von Wohlstandserkrankungen wie Diabetes, Fettleber, Herzinfarkt, Schlaganfall und Krebs ist. Wir wissen heute, dass sowohl das Ausmaß als auch die Dauer der Adipositas von Bedeutung im Sinne der Organschädigung sind: Analog zu den „PackYears“ beim Rauchen kann man hier von „PoundYears“ sprechen. Eine langfristige Gewichtsreduktion kann viele dieser Erkrankungen (teilweise) rückgängig machen oder aber die Entstehung derselben verhindern. Könnten Sie uns ein Beispiel nennen? Vielleicht als einfachstes und markantestes Beispiel sei hier die Remissionsrate von bis zu 80 % für Typ-2-Diabetiker nach Magenbypass angeführt. Wir wissen, dass viele Hormone sofort nach der Operation hinaufreguliert werden, etwa GLP-1, PYY3-36 etc., sodass es sogar Patienten gibt, die eine Woche nach der Operation kein Insulin mehr brauchen. Wie lange die Diabetesremission anhält, hängt natürlich wiederum von Faktoren wie der Diabetesdauer, dem Alter > TERMIN Online-Event zum Adipositastag am 4. März 2022 (17–19 Uhr): „Übergewicht erfolgreich behandeln – Folgeerkrankungen vermeiden. ExpertInnen informieren und beantworten Ihre Fragen.“ Link zum Stream: meduniwien.ac.at/adipositastag

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des Patienten, dem C-Peptid-Spiegel, der die funktionelle Reservekapazität des Pankreas widerspiegelt, etc. ab. Welche Erkenntnisse gibt es hinsichtlich eines schweren Krankheitsverlaufs von COVID-19 und Adipositas? Patienten mit Adipositas haben eine dreimal höhere Wahrscheinlichkeit, mit COVID wegen schwerer Verläufe hospitalisiert zu werden. Die Wahrscheinlichkeit für Hospitalisierung, Intensivstation, Beatmung und Tod korreliert mit steigendem BMI – dies gilt insbesondere für Menschen unter 65 Jahren. Adipositas ist mit einer Störung der Immunantwort vergesellschaftet. Weiters wirkt sich eine viszerale Fettansammlung – wie auch erhöhter intraabdomineller Druck – negativ auf die Lungenkapazität aus und kann eine etwaige Beatmung erschweren. Das gilt auch für adipöse Kinder und Jugendliche? Ja, sogar sie haben einer Studie zufolge ein dreifach erhöhtes Risiko einer Hospitalisierung und ein 1,42-fach erhöhtes Risiko eines schweren Verlaufs: Intensivstation, Beatmung, Tod. Während der COVID-Pandemie zeigte sich in Österreich und Deutschland ein weiterer Anstieg von Adipositas unter Jugendlichen.

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Ihr abschließender Appell an die Gesundheitspolitik? Adipositas sollte als eigene Erkrankung anerkannt werden, wie schon in einigen europäischen Ländern, wie Deutschland, Italien, Großbritannien. Adipositas ist keine freie Wahl – jemandem zu sagen: „Iss weniger und bewege dich mehr!“, ist, als würde man zu jemandem mit einer Depression sagen: „Lach doch einfach mehr!“ Menschen mit Adipositas werden in unserer Gesellschaft ausgegrenzt, belächelt und zu Unrecht mit Willensschwäche in Verbindung gebracht. Statistisch betrachtet, kommen sie eher aus bildungsferneren Schichten – mit Migrationshintergrund und geringerem Einkommen. Gerade diese benachteiligten Menschen verdienen doch – von „Health Care Professionals und Politik“ – besondere Zuwendung, um die bestehende ChancenUNgleichheit im Leben erst gar nicht entstehen zu lassen oder aber bestmöglich zu korrigieren. Damit sollte ein freier Zugang zu effektiver Therapie verbunden sein. Derzeit werden Medikamente nicht erstattet und Operationen müssen einzeln bewilligt werden. Es braucht eine ganzheitliche Sicht auf die Patient:innen? Ja, es geht nicht nur um den BMI, sondern darum, den Menschen in seiner Gesamtheit mit seinem Gesundheits-/metabolischen Profil zu erfassen. Daraus lässt sich dann eine personalisierte Therapie ableiten. In diese Richtung geht z. B. der validierte EOSS-Score (Edmonton Obesity Staging System). Dieser schließt neben dem BMI auch Laborparameter, psychische, körperliche und metabolische Begleiterkrankungen und funktionelle Einschränkungen ein, sowie Quality of Life, Beweglichkeit oder Arbeitsfähigkeit. Das Interview führte Mag.a Karin Martin.


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Polyvalente Wirkung nutzen

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Medikamentöse Therapie bei neuropathischen Schmerzen

le Patienten nicht korrekt abgeklärt sind“, so der Experte. „Anschließend durchlaufen die Patienten Therapieebenen mit einer Behandlungsdauer von jeweils vier bis sechs Wochen.“ Das sieht Prof. Ilias kritisch: „Kommt man bei Ebene sechs an, dann ist der Patient fast schon ein Jahr in Behandlung und davon wahrscheinlich fünfmal unzureichend.“ Im Detail umfasst die erste Therapieebene trizyklische Antidepressiva „Der neuropathische Schmerz ist die (TZA), Serotonin-Noradrenalin-WieKonsequenz einer Läsion oder Erderaufnahmehemmer (SNRI), Gabakrankung des somatosensorischen pentinoide und topische TheNervensystems. Die Schmerrapien. Auf der zweiten Stufe zen können spontan – ohne steht ein Opioid (Tramadol) peripheren Stimulus – oder oder eine Kombination von evoziert – durch Berührung, Medikamenten aus der ersten Druck, Hitze oder Kälte Linie. Auf der dritten The– auftreten“, erklärt Prof. rapiestufe – spätestens hier Ilias. „Die meisten Patienten sollte eine Überweisung zum mit chronischen Schmerzen Spezialisten erfolgen – stehen haben einen sogenannten EXPERTE: selektive Serotonin-Wieder‚mixed pain‘ – dabei hanUniv.-Prof. Dr. Wilfried Ilias aufnahmehemmer (SSRI), delt es sich um multimodale FA für Anästhesiologie Antikonvulsiva, NMDA-ReSchmerzen und das ist die und Intensivmedizin Wiener Privat Klinik zeptorantagonisten sowie eine therapeutische Herausforinterventionelle Therapie. derung, der wir uns entspreAuf der vierten Stufe schlägt chend stellen müssen“, betont er und Bates die Neuromodulation vor zitiert einen rezenten Algorithmus von und auf der fünften niedrigdosierte Bates et al.1 „Demzufolge ist zunächst Opioide. Prof. Ilias: „Wir wissen, dass subtile Diagnostik erforderlich, da vie-

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Die meisten Patienten mit chronischen Schmerzen leiden an multimodalen Schmerzen. Univ.-Prof. Dr. Wilfried Ilias von der Wiener Privat Klinik plädierte im Rahmen des 28. Kongresses der Österreichischen Schmerzgesellschaft* nicht nur für eine subtile Diagnostik in dieser therapeutisch herausfordernden Entität, sondern auch für Medikamente mit polyvalenter Wirkung.

Opioide sehr gut wirken, und ich sehe in den Opioiden nichts Problematisches, wenn sie ordentlich verschrieben und kontrolliert werden.“ Auf der sechsten Stufe steht eine „gezielte Pharmakotherapie“. „Was waren also die Stufen davor?“, so Prof. Ilias kritisch.

Antikonvulsiva/Gabapentinoide Sowohl Gabapentin als auch Pregabalin greifen nicht am GABA-Rezeptor an, sondern an der Alpha-2-delta-Einheit von Kalziumkanälen an. „Gabapentinoide wirken bei Arthritis, wenn eine sekundäre Hyperalgesie auftritt, aber auch bei einer zentralen Sensibilisierung mit Hyperalgesie sowie bei Vermehrung und Modifikation von WDR-Neuronen, welche z. B. auf Druck reagieren“, weiß Prof. Ilias. Wobei die Wirksamkeit bei mechanischer Allodynie (sekundär) besser ist als bei Hitze-Allodynie (primär). Bei Arthritis ohne sekundäre Hyperalgesie wirken Gabapentinoide dagegen nicht.

Natriumkanalblocker Ein traditioneller Vertreter, der bei Trigeminusneuralgie gegeben wird, ist Carbamazepin.Von den I.-v.-Lokalanästhetika

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Hausärzt:in medizinisch wird vorzugsweise Lidocain verabreicht. „Mexiletin gilt als orales Lokalanästhetikum; wenn Lidocain-Infusionen wirksam sind, kann auch hier ein guter Therapieerfolg erwartet werden“, so Prof. Ilias. Die Number Needed to Treat (NNT) liegt bei 10 (vgl. Statine: NNT = 68!). Valproinsäure blockt präsynaptische Natriumkanäle und postsynaptische Kalziumkanäle. Sie verhindert GABAWiederaufnahme und -abbau in GBA-ergen Neuronen und wirkt zudem NMDA-antagonistisch“, informiert

„Wir wissen, dass Opioide sehr gut wirken, und ich sehe in den Opioiden nichts Problematisches, wenn sie ordentlich verschrieben und kontrolliert werden.“ Prof. Dr. Wilfried Ilias

der Experte. Mit Phenytoin i. v. könne innerhalb von fünf Tagen eine Schmerzerleichterung erzielt werden und bis sieben Tage ließen sich einschießende Schmerzen hemmen, so Prof. Ilias. Phenytoin ist auch topisch als Creme verfügbar. CAVE: Kumulation mit Carbamazepin, Tolperison, Topiramat, Antidepressiva oder Conazolen!

Topische Analgetika An topischen Analgetika stehen beispielsweise CapsaicinPflaster (mit 4,8 mg/Pflaster oder mit 179 mg/Pflaster) oder Natriumkanalblocker (Lidocainpflaster, Lidocainsalben, Phenytoinsalbe 10 % und 5 %) zur Verfügung.

Antidepressiva TZA wirken auf mehrere Rezeptorklassen (alpha-, NMDA-, H1- und mACH-Rezeptoren). „Daher ist ihr Wirkspektrum breiter, wodurch bei dem nicht nur auf einem Mechanismus beruhenden neuropathischen Schmerz ein besserer Erfolg erzielt werden kann – denn der klassische Schmerzpatient hat mindestens drei Schmerzarten“, unterstreicht Prof. Ilias. Beispielsweise wirkt Orphenadrin – es wurde primär als Anti-Parkinson-Mittel entwickelt – als mACH-Kanal-Antagonist, H1-Rezeptor-Antagonist, NMDA-Rezeptorantagonist, Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer sowie Natriumkanalblocker. Der einzige Nachteil ist seine Eigenschaft als HERG-Kaliumkanalblocker (CAVE: EKG-Kontrolle). Zu SNRI und SSRI sagt Prof. Ilias: „Häufig kann man anhand der Befindlichkeit der Patienten bereits abschätzen, was ihnen wirklich fehlt.“

Opioide Reine µ-Antagonisten (Morphin, Fentanyl, Hydromorphon) sind bei neuropathischen Schmerzen weniger gut wirksam.

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Hausärzt:in medizinisch Werden dagegen von einer Substanz mehrere Rezeptoren gehemmt – etwa bei Oxycodon, Methadon, Tramadol, Tapentadol, Buprenorphin, Cebranopadol oder Levorphanol –, so steigt die Wirksamkeit und damit auch der Behandlungserfolg. Prof. Ilias: „Bei Schmerzzuständen scheint Buprenorphin anderen Opioiden überlegen zu sein.“

NMDA-Rezeptor-Antagonisten Riluzol wurde primär für die symptomatische Therapie der amyotrophen Lateralsklerose entwickelt und wirkt als NMDA-Rezeptor-Antagonist, Natriumkanal-blocker sowie TREK-1-Kaliumkanalblocker. Und es reguliert P2X7R herab, eine Schlüsselkomponente der inflammatorischen Kaskade. „Bei Knochenschmerzen – z. B. im Zusammenhang mit Osteoporose oder Tumoren – und bei Rückenmarksverletzungen wirkt Riluzol sehr gut und ist daher das Mittel der Wahl in diesen Indikationen“, betont Prof. Ilias. Amantadin, das erste Virustatikum und derzeit bei M. Parkinson ein-

gesetzt, wirkt gut bei Postmastektomieund Tumorschmerzen. Memantin (primär für die Alzheimertherapie entwickelt) wird bei Phantomschmerz und zur Vorbeugung eines Post-Surgery-Syndroms eingesetzt. Nicht wirksam ist es laut dem Experten jedoch bei diabetischer Neuropathie. Dextromethophan (in Österreich nur als Hustensaft verfügbar; es wurde ursprünglich gegen Hustenreiz entwickelt) wirkt auch bei diabetischer und chemotherapeutischer Neuropathie. Die Wirksamkeit von Ketamin (S-Ketamin) wird kontrovers diskutiert. „Eine I.-v.-Testung bei Neuropathien wird empfohlen, da im Falle einer Wirksamkeit auf Memantin oder Dextromethorphan umgestiegen werden kann“, so Prof. Ilias.

Cannabinoide Durch die Zugabe von Cannabinoiden kann die Schmerzkontrolle gesteigert werden. Cannabinoide wirken als Add-on-Therapie, aber nicht alleine2.

Botulinumtoxin Botulinumtoxin wirkt bei zentralem neuropathischem Schmerz3, postherpetischer Neuropathie4, nicht odontogenem Gesichtsschmerz5 und Narbenschmerz6. Neben der direkten Hemmung der Acetylcholinfreisetzung hemmt Botulinumtoxin direkt und indirekt die Freisetzung von Glutamat, Substanz P und Calcitonin Gene-related Peptide (CGRP). Abschließend hebt Prof. Ilias hervor: „Im Laufe der Zeit hat sich gezeigt, dass jene Medikamente, die auf mehrere Schmerzsysteme zielen, insgesamt wesentlich besser wirken als gezielte Schmerzmedikamente. Daher sind Medikamente mit polyvalenter Wirkung vorzuziehen.“ Mag.a Nicole Bachler * 28. Wissenschaftlicher Hybrid-Kongress der Österreichischen Schmerzgesellschaft, 23.–25. September 2021, Villach. Referenzen: 1 Bates et al., Pain Medicine 2019; 20(Suppl 1):S2-S12. 2 Nurmikko et al., Pain 2007; 133(1-3):210-220. 3 Park & Chung, Toxins (Basel) 2018; 10(6); 224. 4 Jain et al., J Assoc Physicians India 2018; 66(7):48-49. 5 Kim et al., Maxillofac Plast Reconstr Surg 2018; 40(1):21. 6 Schuler A et al., J Drugs Dermatol 2019; 18(9):937-938.

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Stress kann die Symptome verstärken

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Wie psychische Faktoren bei Allergien und Asthma mitwirken

Häufige Triggerfaktoren In Hinblick auf psychischen Stress zeigt unter anderem eine finnische Studie einen möglichen Zusammenhang mit allergischen Atemwegserkran-

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kungen und Asthma auf. Dazu meint terscheidet man Th2- von Non-Th2OÄ Dr.in Monika Kaufmann, Leiterin vermitteltem Asthma, wobei das allergische zum Th2-vermittelten der Pneumologischen AmbuAsthma zählt. Stressbedinglanz, Klinik Floridsdorf: tes Asthma lässt sich hier „Prinzipiell sind allergische nicht wirklich einordnen, Atemwegserkrankungen eidenn diese Kategorisierung ne Form des Asthmas. Asthstammt noch aus früheren ma kann durch verschiedene Zeiten.“ Faktoren getriggert werden. Dr.in Lea Sator MSc, MBA, Dazu gehört auch Stress. Zusätzliche typische TriggerFachärztin für LungenerkranEXPERTIN: faktoren können Kälte, kungen mit Praxis in Wienin OÄ Dr. Monika körperliche Belastung, viSimmering, ergänzt: „Die Kaufmann Leiterin der Pneumorale Infekte oder Allergien finnische Studie hat ergeben, logischen Ambulanz, sein. Den Begriff allergidass psychosozialer Stress Klinik Floridsdorf sche Atemwegserkrankungen das Risiko, an Asthma zu erkranken, erhöhen kann. Insbesondere verwendet man als Synonym von alwenn es sich um allergisches Asthma lergischem Asthma, was aber nur handelt, also wenn das Leiden nicht > eine Form des Asthmas ist. Heute un-

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Psyche, Immun- und Nervensystem sind miteinander verbunden und können auf Grund diverser Botenstoffe miteinander kommunizieren. Das erklärt die Auswirkungen psychologischer Prozesse auf verschiedenste Funktionen unseres Körpers. So liegt es nahe, dass Stress auch allergische Reaktionen bei Asthma sowie Allergien beeinflussen kann. Beide Krankheitsformen treten bekanntlich sehr oft gemeinsam auf.


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durch einen Infekt, Anstrengung oder Kälte bedingt ist.“ Dass psychischer Stress Asthma verursacht, muss nach aktuellem Stand der Wissenschaft jedoch verneint werden. Allerdings kann Stress die Symptome verschlimmern und einen Anfall auslösen. Denn Stress verändert das biologische Gleichgewicht unseres Körpers mit Konsequenzen für den gesamten Organismus.

Stress unser Immunsystem schwächen kann, was die Heftigkeit einer Allergie noch steigert.

Asthma ist Stress pur

Wer schon einmal einen Asthmaanfall erlitten oder einen solchen bei einem Betroffen miterlebt hat, der weiß, dass dieses akute Symptom Stress pur bedeutet. Und das ist kein Wunder, denn die einsetzende Atemnot stellt ein stark angstbesetztes Symptom dar. Die GePsyche im Blick bei Allergien fahr zu ersticken löst Todesängste aus. OÄ Kaufmann: „Bei jedem Menschen Allergiker berichten davon, dass sich verursacht das Gefühl, nicht gut Luft zu ihre Symptome durch Stress, Angst sobekommen bzw. zu ersticken, Stress. In wie Konflikte in Partnerschaft oder der Folge können AtemwegsBeruf verschlimmerten. Und erkrankungen – nicht nur Untersuchungen haben ergeAsthma! –, die zu einem Sauerben, dass sowohl bei Neurostoffmangel führen, auch Dedermitis als auch bei Heupressionen nach sich ziehen. schnupfen psychische KonflikDer Begriff psychischer Stress te die Beschwerden verschlimist sehr allgemein gehalten. mern oder sogar KrankheitsIn der Regel äußert er sich schübe heraufbeschwören durch Angststörungen und können. OÄ Kaufmann: „PsyDepressionen.“ Dr.in Sator chischer Stress kann einen EXPERTIN: in Dr. Lea Sator, MSc MBA Asthmaanfall auslösen, aber ergänzt: „Hat jemand in der Fachärztin für keine Allergien. Allergien Vergangenheit Atemnot oder Lungenerkrankungen, 1110 Wien sind gekennzeichnet durch einen Asthmaanfall erlitten, die genetische Prädisposition, dann hat er Angst, dass so auf ein bestimmtes Allergen mit einer ein Problem wieder auftritt. Und Angst IgE-Antikörperbildung zu reagieren. bedeutet Stress für unseren Körper.“ Diese IgE-Bildung bedeutet aber noch nicht, dass eine Allergie vorliegt. Von eiStress bekämpfen ner solchen spricht man erst dann, wenn zusätzlich Symptome bestehen. Sonst Wer unter Stress auf Grund von Atemnennt man es Atopie.“ Kurzum: Allerwegserkrankungen oder Allergien leidet, gien können durch psychische Faktokann mit diversen Entspannungstheren nicht verursacht werden. Allerdings rapien dagegen ankämpfen. „Entspankönnen Letztere die Symptome vernungsübungen und in weiterer Folge schlimmern und eventuell Krankheitsdurchwegs auch psychosomatische Theschübe auslösen. Grund dafür ist, dass rapien als Ergänzung zu medikamen-

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tösen können Allergien und Asthma positiv beeinflussen. In der alleinigen medikamentösen Behandlung liegt in vielen Fällen nicht die Lösung“, gibt Dr.in Sator zu bedenken. Mit diversen Übungen kann der Teufelskreis von negativem Stress und seinen Auswirkungen auf das körperliche und seelische Gleichgewicht unterbrochen werden. Zusätzlich zu den medikamentösen Therapien sind sie sehr erfolgversprechend. Psychosomatische Therapieoptionen gibt es viele. Etwa das Autogene Training, bei dem durch an sich selbst gerichtete „Befehle“, also durch Autosuggestion, das vegetative Nervensystem beeinflusst wird. Dabei wird die Gehirnaktivität verändert und Stress abgebaut. Auch andere mentale Techniken, Meditation oder spezielle Bewegungsformen wie Qigong oder Tai-Chi können unseren Körper entspannen und den Stress mindern. Interessant ist auch die progressive Muskelentspannung nach Jacobson – dabei empfinden viele Patienten den Wechsel von Anspannung und Lockerlassen als hilfreich, weil Herzschlag und Atmung ruhiger werden und damit die innere Ausgeglichenheit steigt. Auch Hypnose hat sich als hilfreich erwiesen – ebenso wie die Führung eines AntiAllergie-Tagebuchs, in dem festgehalten wird, in welcher psychischen Verfassung die Symptome am schwächsten bzw. am stärksten sind. Damit kann – langfristig gesehen – eine Strategie entwickelt werden, um „negative“ Situationen zu vermeiden. Auch ein stressfreier Umgang mit der Allergie, also wenn den auslösenden Faktoren entspannt gegenübergetreten wird, kann die Auswirkungen positiv beeinflussen. Gabriella Mühlbauer


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Fortbildung

Allergiediagnostik in der allgemeinmedizinischen Praxis

Allergien im Vormarsch Laut der österreichischen Gesundheitsbefragung 2019 ist rund ein Viertel der Österreicher ab 15 Jahren durch irgendeine Form von Allergie beeinträchtigt, wobei jüngere Bevölkerungsgruppen häufiger betroffen sind als ältere (15–59 Jahre: 25,1%; 75+ Jahre: 13,4%)1. Ein Anstieg allergischer Erkrankungen ist jedoch weltweit zunehmend auch bei Kleinkindern und älteren Menschen jenseits des 70. Lebensjahres mit immer schwereren und komplexeren Krankheitsverläufen zu beobachten2. Risikofaktoren und Symptome Für die Entstehung allergischer Erkrankungen sind neben genetischen Faktoren auch Umwelt- und Lebensstileinflüsse von Bedeutung. Die wichtigsten Risikofaktoren sind Rauchen und Passivrauchen, intensive Allergenexposition, Schimmel oder Luftschadstoffe wie Dieselruß oder Ozon sowie virale Infekte. Die Symptome einer Allergie können mild (z. B. Urtikaria) oder schwer (z. B. Asthma) ausgeprägt und manchmal sogar lebensbedrohlich (z. B. Anaphylaxie) sein. Bei folgen-

den Symptomen sollte im Zuge der Anamnese immer auch eine allergische Erkrankung in Betracht gezogen werden: • Haut: Ekzem, Juckreiz, Erytheme, Urtikaria • Magen/Darm: Diarrhoe, Abdominalgie, Erbrechen, Kolik, Obstipation, Flatulenz, Blutstühle • Augen/Nase/Mund: Juckreiz im Rachen und am Gaumen, Schwellung von Lippen, Zunge und Augenlidern, Augenrötung (rezidivierend), nasale Obstruktion, Niesen und nasale (klare) Sekretion • Lunge: rezidivierendes Giemen/Brummen, Husten (meist trocken-unproduktiv speziell bei Belastung, beim Herumtollen, durch emotionale Stimuli), Atemnot, Thoraxengegefühl • Gedeih- oder Entwicklungsstörung beim Kleinkind Frühzeitige Diagnosestellung essenziell Eine frühzeitige Diagnose und Einleitung einer adäquaten Behandlung sind essenziell, um eine Chronifizierung der Beschwerden zu vermeiden. Dabei kommt Ärzten für Allgemeinmedizin eine Schlüsselfunktion zu, da sie als die meist ersten Ansprechpartner bei allergischen Beschwerden die gezielte Anamnese und Symptomabklärung einleiten. Das diagnostische Prozedere umfasst neben Anamnese, Hauttests und/oder In-vitro-Verfahren (z. B. CAP-Test) sowie Provokationstests zur Relevanzprüfung, wobei letztere in

AM PLUS Online Webinar „Allergiediagnostik in der allgemeinmedizinischen Praxis“

17. März 2022 | 18:00 – 19:00 Uhr Dr. Erwin Rebhandl, Präsident von AM PLUS, Arzt für Allgemeinmedizin, Haslach Prim. i.R. Dr. Gert Wurzinger, Facharzt für Lungenkrankheiten, Graz Anmeldelink: https://allergiediagnostik.eventbrite.at Die Teilnahme ist kostenfrei. Anmeldeschluss: 16. März 2022

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allergologisch spezialisierten Zentren durchgeführt werden. Auch Vorsorgeuntersuchungen sollten unbedingt zur Frage nach allergischen Erkrankungen oder Symptomen genutzt werden.

Grundsätzlich ist es empfehlenswert, selbst kurz dauernde allergische Situationen abklären zu lassen, da die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten weiterer Allergien groß ist.

Molekulare Allergiediagnostik – CRD Wird mit Routinemethoden, d. h. Allergenextrakten kein eindeutiges Ergebnis erzielt, ermöglicht die molekulare Diagnostik mittels Tests mit spezifischen Allergenkomponenten (Component-Resolved Diagnostics/CRD) in manchen Fällen eine präzisere Diagnostik, die individuelle Sensibilisierungsmuster erfasst. Dabei werden einzelne, meist rekombinant hergestellte allergene Proteine, sogenannte Allergenkomponenten, eingesetzt, welche die Bestimmung von spezifischen IgE-Antikörpern gegen Haupt-, Neben- und Pan-Allergene und die Ermittlung von Kreuzreaktionen mit einem anderen Allergen ermöglichen. In der Hand von Allergieexperten dienen sie zur Abschätzung des Risikos eines Patienten für eine systemische Reaktion oder eine mildere Reaktion3. Weiterführende Informationen bietet das Experten-Statement „Diagnostik und Therapie von Allergien in der Primärversorgung – Nahtstellenmanagement zwischen Primärversorgung und allergologisch spezialisierten Fachärzten“ von AM PLUS – Initiative für Allgemeinmedizin und Gesundheit, das unter der Faxnummer 01/402 13 41-18 oder E-Mail: office@update.europe.at kostenfrei angefordert werden kann. Referenzen: 1 Statistik Austria: Österreichischer Gesundheitsbericht 2019 (2020). 2 Schwarz B, et al. Aktuelle Versorgungssituation allergischer Atemwegserkrankungen und Ausblick zur allergenspezifischen Immuntherapie in Österreich, 2019. 3 Canonica GW, et al. A World Allergy Organization Journal 2013;6(1):1-17.

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Trotz hohen Erkrankungsraten und teils erheblichen Einbußen an Lebensqualität werden allergische Erkrankungen in ihren patientenindividuellen, gesellschaftlichen und ökonomischen Auswirkungen immer noch häufig bagatellisiert, obwohl sie chronifizieren und sogar tödlich verlaufen können.


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Fachkurzinformation siehe Seite 70

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„Krankheitsawareness der gesamten Familie ist wichtig“ Expertin im Gespräch: Kindgerechtes Vorgehen bei Hausstaubmilbenallergie

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ten, ist die strenge Indikation der Untersuchung wichtig und sollte nur bei eindeutiger Klinik erfolgen, aber dann dem Kind nicht vorenthalten werden.

Wenn Hausstaubmilben Kinder quälen, muss der Teddybär manchmal in der Tiefkühltruhe schlafen ... PDin Dr.in Susanne Diesner-Treiber, Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde und Leiterin des Spezialbereichs Pädiatrische Allergologie und Pulmologie des Kindergesundheitszentrums Donaustadt, schildert im Interview mit der Hausärzt:in, was bei pädiatrischen Patientinnen und Patienten mit Hausstaubmilbenallergie zu tun ist. HAUSÄRZT:IN: Gibt es Besonderheiten bei Kindern mit Hausstaubmilbenallergie, die im Rahmen der Abklärung zu beachten sind? Dr.in DIESNER-TREIBER: Im Kindesalter ist die Hausstaubmilbenallergie eine der häufigsten inhalativen Allergien und tritt meist schon in den ersten sechs Lebensjahren auf. Die ersten Anzeichen sind ständiges Niesen und Rhinitis – Symptome, die sehr leicht mit einer Erkältung verwechselt werden können. Um hier eine

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Unterscheidung treffen zu können, bedarf es einer ausführlichen Anamnese. Treten fortdauernde Beschwerden wie Rhinitis, Niesen, Husten, Juckreiz an Augen oder Nase typischerweise nachts oder in den Morgenstunden auf, ist eine genaue Allergiediagnostik indiziert. Diese kann in jedem Alter durchgeführt werden und umfasst einen Hauttest und eine Blutuntersuchung auf allergenspezifisches IgE, welches gegen die europäische (Dermatophagoides pteronyssinus) und/oder die amerikanische Hausstaubmilbe (Dermatophagoides farinae) gerichtet ist. Jedoch ist die Allergiediagnostik erst angezeigt, wenn die eingehende Anamnese einen plausiblen Zusammenhang der Beschwerden mit dem Allergen aufweist. Da Kinder sich generell vor Blutabnahmen oder Hauttestungen fürch-

Mit welchen Einschränkungen haben die Kinder im Alltag zu kämpfen? Vorwiegend äußert sich die Hausstaubmilbenallergie bei Kindern durch morgendliche Symptome einer allergischen Rhinokonjunktivitis. Kinder mit gleichzeitiger atopischer Dermatitis berichten häufig von einem starken nächtlichen Juckreiz und einer Verschlechterung des Ekzems. Bei manchen Kindern können Husten und Atemnot im Rahmen eines Asthma bronchiale im Vordergrund stehen. Das Charakteristische einer Hausstaubmilbenallergie ist, dass diese nicht saisonal, sondern das ganze Jahr über auftritt – wobei die Symptomatik im Herbst/ Winter, also während der Heizperiode, besonders stark ausfallen kann. Durch die nächtlichen Beschwerden können die betroffenen Kinder Schlafprobleme haben, wodurch die Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist. Zudem wird gerade in Pandemiezeiten eine Symptomatik wie ständige Rhinitis oder fortwährender Husten von vielen Mitmenschen als störend oder alarmierend empfunden und kann zu einer Stigmatisierung des Kindes führen. Welche Konsequenzen für die Behandlung ergeben sich daraus? Die therapeutischen Maßnahmen umfassen drei Säulen: Reduktion der Hausstaubmilbenbelastung, symptomatische Therapie und kausale Allergieimmuntherapie. Zunächst sollten sogenannte Hausstaubmilbensanierungsmaßnahmen zu Hause durchgeführt werden. Diese betreffen vor allem den Schlafbereich des Kindes, da die Exposition im Bett am höchsten

„Gerade in Pandemiezeiten kann die Symptomatik zu einer Stigmatisierung des Kindes führen.“


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ist. Überzüge, sogenannte Encasings, können die nächtliche Allergenbelastung deutlich reduzieren. Weiters sollten Staubfänger wie Teppiche und Vorhänge beseitigt werden. Stofftiere müssen in regelmäßigen Abständen (z. B. monatlich) über Nacht in den Tiefkühler, wodurch die Hausstaubmilbe abgetötet wird. Die Optimierung des Raumklimas durch mehrmaliges Lüften und durch die Reduktion der Luftfeuchtigkeit kann ebenso zu einer Verbesserung führen.

lich. Diesbezüglich befinden sich zwei unterschiedliche Anwendungsformen am Markt. Bei der subkutanen Immuntherapie (SCIT) wird der Allergenextrakt in steigenden Konzentrationen subkutan in den Oberarm injiziert. Das Aufdosierungsprotokoll ist präparatabhängig und umfasst jedenfalls eine Erhaltungsdosis, welche monatlich appliziert wird. Eine Alternative, die vor allem im Kindesalter von hohem Interesse ist, stellt die sublinguale Immuntherapie (SLIT) dar. Hierbei wird das Allergen entweder in Tropfenform oder in Tablettenform täglich unter die Zunge appliziert. Beiden gemeinsam ist die empfohlene Therapiedauer von drei Jahren. Die Entscheidung über die Art der Allergieimmuntherapie sollte immer mit der Patientenfamilie getroffen werden, da eine gute Therapieadhärenz ausschlaggebend für die Wirksamkeit der Allergietherapie ist.

Was zeichnet die symptomatische Therapie bei einer Hausstaubmilbenallergie aus? Naturgemäß richtet sie sich gezielt gegen die Symptome. Eine allergische Rhinokonjunktivitis sollte bevorzugt mit intranasalem Kortikosteroid behandelt werden. Bei schwerer Symptomatik können Kombinationspräparate eines intranasalen Kortikosteroids und Stichwort Familie ... Welche Rolle Antihistaminikums verordnet werden. spielen die Angehörigen des Kindes? Ist die Applikation des Nasensprays Allergien betreffen nicht nur den Paaufgrund mangelnder Compliance tienten selbst, sondern können auch nicht möglich, kann alternativ ein oraeine Auswirkung auf die geles Antihistaminikum der samte Familie haben. So sind neueren Generation gegegehäuft andere Familienmitben werden. Steht Atemnot glieder ebenso von Allergien oder Husten im Rahmen betroffen. Andererseits führen eines Asthma bronchiale die gesetzten Maßnahmen im Vordergrund, sollte die zu einer Einschränkung im Therapie entsprechend dem Familienalltag. Die HausAsthma-Stufenplan, wie sie staubmilbensanierungsmaßin der GINA-Empfehlung nahmen sollten im gesamten oder der Nationalen VersorEXPERTIN: PDin Dr.in Susanne Haushalt umgesetzt werden. gungsleitlinie „Asthma“ beDiesner-Treiber, PhD Die Urlaubsplanung könnte schrieben ist, erfolgen. Die Leitung Spezialbereich Pädiatrische Allergobeinhalten, dass DestinatioInhalationstherapie beinhallogie und Pulmologie, nen ausgewählt werden, wo tet die Anwendung eines Kindergesundheitszentrum Donaustadt, Wien die Belastung geringer ist. inhalativen Kortikosteroids, Zum Beispiel ist in höheren eines inhalativen kurzwirkLagen oder nördlicheren Gebieten das samen Beta-2-Mimetikums und/oder Klima für die Hausstaubmilbe nicht idevon Kombinationspräparaten. Die real. Weiters muss immer daran gedacht gelmäßige Evaluierung des Therapiewerden, die Medikamente mitzuführen. erfolgs und der Symptomkontrolle ist Vor allem dann, wenn es durch eine notwendig und sollte ab dem fünften Staubbelastung zu akuten AsthmaGeburtstag auf jeden Fall eine LunExazerbationen mit Atemnot komgenfunktion umfassen. men kann. Insofern ist eine gewisse Krankheitsawareness der gesamten Ab welchem Alter wird eine AllergieFamilie wichtig, um dem allergischen immuntherapie empfohlen? Kind einen halbwegs beschwerdeEine spezifische Immuntherapie, welche freien Alltag zu ermöglichen. gegen die Hausstaubmilbe gerichtet ist, ist ab dem fünften Geburtstag mögDas Gespräch führte Anna Schuster, BSc.

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Fehlendes X-Chromosom

Lebenslange Begleitung von Mädchen und Frauen mit Turner-Syndrom

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sprechenden Kontroll- oder ScreeningUntersuchungen müssen nicht nur im Kindes-, sondern auch im Erwachsenenalter regelmäßig durchgeführt werden. Ein multidisziplinäres Patientenmanagement durch Ärztinnen und Ärzte an spezialisierten Kliniken und im niedergelassenen Bereich sowie durch therapeutische Berufe ist gefordert.

Psychosoziale Faktoren

und Füße als Anzeichen für ein TS. MädIn etwa eines von 2.500 Mädchen wird chen mit Turner-Syndrom können durch mit einem teilweise oder vollständig häufig vorkommende Merkfehlenden X-Chromosom gemale wie ein Pterygium colli boren. Damit stellt das Turneroder eine weite Brust mit weit Syndrom (TS) bzw. Ullrichauseinanderstehenden MamilTurner-Syndrom eine Seltene len und eingezogenen BrustErkrankung, jedoch gleichzeiwarzen auffallen. „Red Flags“, tig die häufigste angeborene die Haus- oder KinderärztinGeschlechtschromosomenanonen und -ärzte jedenfalls an malie dar. Die Kombination ein Turner-Syndrom denken von Wachstumsstörung und lassen sollten, sind laut Prof.in Ovarialinsuffizienz wurde erstEXPERTIN: in in Univ.-Prof. Dr. mals von Dr. Henry Turner Häusler eine WachstumsstöGabriele Häusler und Dr. Otto Ullrich beschrierung sowie eine ausbleibenLeitung Ambulanz für Pädiatrische ben, daher der Name. Der oft de Pubertätsentwicklung bei Endokrinologie und gebrauchte Begriff MonosoMädchen. Bestehe ein starker Osteologie, MedUni mie X bezieht sich auf den Verdacht, solle eine direkte Wien typischen genetischen Befund Zuweisung zur Chromosobei Mädchen mit TS. Diesen Karyotyp menuntersuchung (Zytogenetik) oder haben ca. die Hälfte der Betroffenen, an eine Spezialambulanz für Pädiatrider Rest weist ein Mosaik oder eine sche Endokrinologie erfolgen. strukturelle Veränderung eines der XChromosomen in allen Körperzellen Vielzahl von Komorbiditäten auf. Die phänotypische Ausprägung variiert stark und ein engmaschiges Moni„Prinzipiell werden Mädchen und Frautoring des Verlaufes ist erforderlich. en mit Turner-Syndrom an spezialisierten Zentren betreut“, schildert die Expertin. Die Anforderungen an den endokrinoloDiagnostische Wegweiser gischen und internistischen Bereich sind komplex. Zwar besteht bei Mädchen „Meist wird die Diagnose nach der Gemit TS kein Wachstumshormonmangel, burt oder im Kleinkindalter gestellt“, erjedoch kann die Behandlung mit Wachsklärt Univ.-Prof.in Dr.in Gabriele Häusler, tumshormon die Endgröße positiv beLeiterin der Ambulanz für Pädiatrieinflussen. Um die Pubertät einzuleiten, sche Endokrinologie und Osteologie, bedarf es in den meisten Fällen einer ÖsUniv.-Klinik für Kinder- und Jugendtrogenersatztherapie. Zudem ist das TS heilkunde, MedUni Wien, Vienna Bone in hohem Maße mit Komorbiditäten verand Growth Center. Bei Neugeborenen gesellschaftet (siehe Infobox). Die entgelten dorsale Lymphödeme der Hände

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„Die Patientinnen müssen neben vielen körperlichen Schwierigkeiten auch psychosoziale Einschränkungen mit Auswirkungen auf ihre zukünftige Lebensqualität bewältigen“, so Dr.in Caroline Culen, Dr.in Diana-Alexandra Ertl und Prof.in Häusler in einem Fachartikel zum Thema.1 Beispielsweise sei das Risiko erhöht, neuropsychologische Symptome, etwa Aufmerksamkeitsdefizite oder eine Hyperaktivität, zu entwickeln. Damit einhergehen könnten Lernschwierigkeiten und Schulprobleme. Später rücken oftmals Themen wie Sexualität, unerfüllter Kinderwunsch sowie Ausbildung und Beruf in den Vordergrund der Betreuung. Anna Schuster, BSc Literatur: 1 Culen C, Ertl AD & Häusler G, J. Klin. Endokrinol. Stoffw. 11, 27–29 (2018).

INFO Zu häufigen Komorbiditäten des TurnerSyndroms – neben Wachstumsstörung und Ovarialinsuffizienz – gehören: angeborene Herzfehler, z. B. Aortenisthmusstenose und bikuspidale Aortenklappe Fehlbildungen an Nieren und Nierengefäßen Hashimoto-Thyreoiditis Zöliakie Hörstörungen Diabetes mellitus Typ 2 Osteoporose bei ungenügender Östrogensubstitution


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Der bestmögliche Schutz

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Österreichischer Impftag 2022 – eine Gesamtschau

„Studien zeigen: Der ärztliche Rat ist nach wie vor der wichtigste Einflussfaktor bei der Impfentscheidung“, eröffnete Gesundheitsminister Dr. Wolfgang Mückstein den diesjährigen Impftag. Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse rund um die COVID-19-Impfungen wurden bei der Hybridveranstaltung* am 22.1.2022 von namhaften Expertinnen und Experten präsentiert sowie diskutiert. Nachfolgend eine Zusammenfassung.

Status der COVID-19-Impfstoffe und Ausblick Univ.-Prof. Dr. Franz X. Heinz Alle bislang in Österreich zugelassenen Vakzine (siehe Tabelle) basieren auf dem Spike-Protein. Dieses Virusprotein ist deshalb von so großer Bedeutung, weil (1) das Virus mit dieser Struktur an die Wirtszelle andockt und (2) gegen das Protein die neutralisierenden Antikörper

gebildet werden. Das Spike-Protein induziert im Körper sowohl die Bildung von Antikörpern als auch eine zelluläre Immunantwort.

Subunit-Impfstoffe

Impfstoff (Hersteller)

Impfstofftyp

Phase-III-Zulassungsstudien

Comirnaty® (BioNTech/Pfizer)

mRNA

Polack et al, 2020, NEJM1

Spikevax® (Moderna)

mRNA

Baden et al, 2021, NEJM2

Nuvaxovid® wurde Ende 2021 als erster proteinbasierter Impfstoff in der EU zugelassen. Die ersten Dosen werden für spätestens Ende Februar in Österreich erwartet. Das Vakzin enthält reines Spike-Protein, welches gentechnisch in Insektenzellen hergestellt wird. Für eine ausreichende Aktivierung des Immunsystems ist ein Adjuvans (Matrix M) zugesetzt. In den Zulassungsstudien zeigte das Serum von Novavax eine ähnlich hohe Wirksamkeit wie die mRNA-Impfstoffe.5 Weitere Subunit-Vakzine befinden sich in fortgeschrittenen Entwicklungsstadien: z. B. von Clover6 und Sanofi/GSK7.

Vaxzevria® (AstraZeneca)

Vektorbasiert

Voysey et al, 2021, The Lancet3

Inaktivierte Vakzine

COVID-19 Vaccine Janssen® (Johnson & Johnson)

Vektorbasiert

Sadoff et al, 2021, NEJM4

Nuvaxovid® (Novavax)

Subunit-Impfstoff

Dunkle et al, 2022, NEJM5

TABELLE Zugelassene COVID-19-Vakzine in Österreich

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Weltweit sind bereits drei „Totimpfstoffe“ am Markt: Sinovac und Sinopharm (in China) sowie ein Produkt von Bharat (in Indien). Der Impfstoff von Valneva wird derzeit in Europa ent-


Hausärzt:in medizinisch wickelt und befindet sich seit Anfang Dezember 2021 im Rolling-ReviewVerfahren der EMA. Im Unterschied zu den bislang verfügbaren Vakzinen enthalten inaktivierte Impfstoffe neben dem Spike-Protein auch andere Antigene (v. a. das Nukleokapsid-Protein). Diese können ebenfalls eine Immunantwort auslösen, ihre Rolle beim Gesamtschutz ist unklar.

Weiterentwicklung Adaptierte Impfstoffe könnten zukünftig rascher zugelassen werden – vergleichbar mit den jährlichen Adaptierungen bei der Influenza-Schutzimpfung. Der Aufwand für die Anpassungen ist je nach Kategorie unterschiedlich groß. BioNTech und Moderna haben bereits angekündigt, dass modifizierte Impfstoffe in Kürze verfügbar sein werden.

INFO Dritt- und Viertstich

Abweichende Intervalle und nach Infektion

Alle Personen ab 18 Jahren sollten nun bereits 4 Monate nach der 2. Impfung geboostert werden.

Bei versäumten Impfungen wird folgende Vorgehensweise vorgeschlagen:

12- bis 17-Jährigen wird der Booster 6 Monate nach der 2. Impfung angeraten, in Einzelfällen schon nach 4 Monaten.

Wenn zwischen 1. und 2. Impfstoffgabe mehr als 6 Monate vergangen sind, so wird die zweite als erste angesehen.

Für Kinder unter 12 Jahren gibt es derzeit keine Empfehlungen hinsichtlich des Drittstichs.

Wenn das Intervall zwischen 2. und 3. Impfung überzogen wurde, so sollte die 3. möglichst rasch nachgeholt werden. Es ist aber kein Neubeginn der Impfserie notwendig.

Mangels wissenschaftlicher Daten wird eine 4. Impfung momentan nicht allgemein empfohlen. Im Hochrisikobereich kann sie ab 6 Monaten nach der 3. Injektion erwogen werden.

Neue Empfehlungen gibt es auch bezüglich der Impfschemata nach einer PCR-bestätigten Infektion. Details sind den Anwendungsempfehlungen8 zu entnehmen.

Aktuelle Anwendungsempfehlungen Priv.-Doz.in Mag.a Dr.in Maria Paulke-Korinek „Impfempfehlungen sind nichts Starres, sondern müssen laufend reevaluiert und angepasst werden“, machte Priv.-Doz.in Paulke-Korinek aufmerksam. Zuletzt wurden die Anwendungsempfehlungen des Nationalen Impfgremiums (NIG)8 am 23.12.2021 aufgrund der Omikron-Welle aktualisiert. Die wichtigsten Neuerungen sind der Infobox unten zu entnehmen.

Keine Bestimmung von Antikörpern Das NIG rät explizit von einer Überprüfung des Impferfolgs mittels Titerkontrolle ab. Es ist bislang nicht möglich, von einem individuellen Wert auf eine Schutzwirkung zu schließen. Zudem sind Antikörper nur ein Surrogatparameter für die gesamte Immunantwort.

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Hausärzt:in medizinisch Die einzige Situation, in der eine Bestimmung von Antikörpern derzeit sinnvoll erscheint, ist bei Personen mit einer unklaren immunologischen Reaktionsfähigkeit.

SARS-CoV-2 und seine Varianten Univ.-Prof. Dr. Elisabeth Puchhammer-Stöckl In den vergangenen zwei Jahren hat sich das SARS-CoV-2-Virus ständig genetisch weiterentwickelt. In den meisten Fällen haben Mutationen keine Konsequenzen und verlaufen weitgehend unbemerkt. Mitunter kann das Virus aber auch Vorteile daraus ziehen, beispielsweise durch: • eine höhere Infektiosität, • eine höhere Virusreplikation, • eine bessere Umgehung der Immunantwort. in

in

Varianten, die diese Fähigkeiten besitzen, werden als „Variants of Concern“ (VOC) bezeichnet und ständig beobachtet. „Vermutlich entstehen Virusvarianten zu einem Großteil in immunsupprimierten Personen“, so Prof.in Puchhammer-Stöckl. „Denn diese Menschen werden das Virus häufig nicht mehr los und bieten ihm die Gelegenheit, sich ununterbrochen zu replizieren.“ Es gibt Hypothesen, die davon ausgehen, dass sich Omikron im südlichen Afrika in einem HIV-Patienten entwickelt hat.

Wie ist Omikron zu bewerten? Omikron ist deutlich infektiöser als alle bisher bekannten Varianten. Insbesondere im oberen Respirationstrakt vermehrt sich das Virus mit

beeindruckender Geschwindigkeit. Die Infektionsverläufe sind jedoch weniger schwer: Erste klinische Daten aus Südafrika zeigen keine erhöhte Todesrate.9 Mag.a Dr.in Irene Senn * Dieser Artikel bezieht sich auf ausgewählte Vorträge des Österreichischen Impftages, welcher am 22. Jänner 2022 im Van Swieten Saal der MedUni Wien stattgefunden hat.

Quellen: 1 Polack FP et al., N Engl J Med 2020;383(27):2603-2615. 2 Baden LR et al., N Engl J Med 2021;384(5):403-416. 3 Voysey M et al., Lancet 2021;397(10269):99-111. 4 Sadoff J et al., N Engl J Med 2021;384(19):1824-1835. 5 Dunkle LM et al., N Engl J Med 2021. DOI:10.1056/ NEJMoa2116185. 6 Liang JG et al., Nat Commun 2021;12(1):1346. 7 Wrapp D et al., Science 2020;367(6483):1260-1263. 8 Nationales Impfgremium, Anwendungsempfehlungen zur Covid-19-Impfung, Version 8.0. 9 Abdullah F et al., Int J Infect Dis 2021;116:38-42.

Weitere Neuerungen im Impfplan 2022 © shutterstock.com/ Marco Ritzki

Wissenswertes abseits von COVID-19

Im Impfplan Österreich 2022 finden sich viele Ergänzungen um Details, jedoch abseits von COVID-19 nur wenige große Neuerungen. Zu letzteren zählen: • Ab 2022 stehen HPV-Nachholimpfungen an öffentlichen Impfstellen der Bundesländer bis zum vollendeten 18. Lebensjahr zum Selbstkostenpreis zur Verfügung. Bisher gab es dieses Angebot nur bis zum 15. Lebensjahr. Für eine hinreichende Immunantwort sind ab dem vollendeten 15. Lebensjahr drei (statt zwei) Dosen notwendig. Zusätzlich können vergünstigte Nachholimpfungen in diesem Alter im Rahmen einer gemeinsamen Impfaktion von Ärzte- und Apothekerkammer nun auch im niedergelassenen Bereich in Anspruch genommen werden. • Das inaktivierte Herpes-Zoster-Vakzin Shingrix ist seit Herbst 2021 in

Österreich verfügbar. Allen Erwachsenen ab dem 50. Lebensjahr werden zwei Impfungen im Abstand von zwei Monaten nahegelegt. Bei entsprechender Indikation, etwa einer schweren Grunderkrankung oder Immundefekten, wird die Immunisierung schon ab dem 18. Lebensjahr empfohlen. • Für das kostenfreie Kinderimpfprogramm Influenza wurde die frühere Altersbegrenzung (zwischen sechs Monaten und 14 Jahren) aufgehoben, da noch genügend Dosen für die aktuelle Saison verfügbar sind. Fluenz tetra kann bis zum vollendeten 18. Lebensjahr verimpft werden, Fluarix tetra ohne obere Altersgrenze (die Umsetzung ist allerdings in den Bundesländern unterschiedlich). Bei der Erstimpfung von Kindern bis zum vollendeten achten Lebensjahr soll-

ten zwei Impfungen im Abstand von mindestens vier Wochen erfolgen, die beiden Impfstoffe dabei nicht gemischt werden. Auch für Alten- und Pflegeheime stehen wieder Influenza-Impfstoffe zur Verfügung. • Der Pneumokokken-Impfstoff Synflorix ist in Österreich nicht mehr verfügbar. Mit Synflorix angeimpfte Kinder können aber problemlos mit Prevenar 13 fertig geimpft werden. Die Impfstoffhersteller kündigten für 2022 die Zulassung weiterer Impfstoffe mit einer anderen Subtypen-Zusammensetzung (15- bzw. 20-valent) an. • Bei Haemophilus influenzae Typ B sind die Indikationen und das Impfschema für Risikogruppen präzisiert worden. • Nachholimpfungen gegen Meningokokken bei Kindern werden bis zum 25. Lebensjahr empfohlen, die Impfindikation wurde leicht angepasst. Quellen: Empfehlungen bezüglich der Influenza-Impfung für die aktuelle Saison: sozialministerium.at/influenza Der Impfplan online:

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Hausärzt:in pharmazeutisch

Medikamentös gegen COVID-19 vorgehen

© shutterstock.com/ART STOCK CREATIVE

Antivirale Optionen: Die individuelle Krankheitsgeschichte steht immer im Vordergrund

Neben der Impfung, der primären Maßnahme zur Pandemiebekämpfung, gewinnen auch antivirale Behandlungsmöglichkeiten bei COVID-19 an Bedeutung. Manche der Arzneimittel sind in Österreich bereits zugelassen, andere kommen im Sinne des „Compassionate Use“ zur Anwendung, weitere befinden sich in der Pipeline. Ihr Einsatz ermöglicht es, Risikogruppen zu schützen, Spitalsbettenbelegungen und letztendlich Todesfälle zu verhindern. Die Prämisse: Betroffene müssen identifiziert und die entsprechenden Medikamente zum passenden ehestmöglichen Zeitpunkt gegeben werden. Eine Aufgabe, die sich in Bezug auf die ständige Arzneimittelentwicklung als keine leichte erweist. Ende Jänner veranstaltete der Verein „AM PLUS – Initiative für Allgemeinmedizin und Gesundheit“ ein Hintergrundgespräch* über den Status quo.

Wann kommen die neuen Arzneimittel zum Einsatz? „Wenn die supportive Therapie mit Sauerstoffgabe, Bauchlage etc. beginnt, dann endet die antivirale Option“, stellte Prim. Univ.-Doz. Dr. Christoph Wenisch, 4. Med. Abteilung mit Infektions- und Tropenmedizin der Klinik Favoriten, Wien, am Beginn seines Statements klar. Man müsse beim Krankheitsbild zwischen viraler und inflammatorischer Phase differenzieren. „Das sind zwei Situationen, die eine unterschiedliche therapeutische

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Vorgehensweise erfordern“, fügte er hinzu. Nach etwa einer Woche ende die virale Phase, die antivirale Therapie müsse aber bereits davor erfolgen, um eine Besserung zu bewirken. Bei den klinischen Szenarien unterschied der Mediziner zwischen der Prä- und der Postexpositionsprophylaxe (z. B. in der nosokomialen Situation), der ambulanten und der stationären Therapie (siehe Infobox 1).

Antivirale Therapie in der ambulanten Versorgung Vor allem im ambulanten Bereich komme für Ärztinnen und Ärzte ein gewisser Aufwand hinzu, so Prim. Wenisch weiter. Man müsse entscheiden können, wer sich für eine antivirale Therapie qualifiziere: X

INFO 1

Antivirale Behandlungsoptionen bei COVID-19 Präexpositionsprophylaxe/ Postexpositionsprophylaxe Xevudy® (Sotrovimab)1 1 x i. v. Ambulante Therapie Xevudy® (Sotrovimab) 1 x i. v., Lagevrio® (Molnupiravir)1 5 Tage p. o., Paxlovid® (Nirmatrelvir/Ritonavir) 5 Tage p. o., Veklury® (Remdesivir) 3 Tage i. v. Stationäre Therapie Veklury® (Remdesivir) 5 Tage i. v., Xevudy® (Sotrovimab)1 1 x i. v. Quelle: Präsentation von Prim. Univ.-Doz. Dr. Christoph Wenisch

„Das sind Patienten, die ein Risiko haben, im Krankenhaus aufgenommen zu werden und an der Krankheit zu sterben.“ Im Rahmen des Gesprächs wurden einige Faktoren und Vorerkrankungen genannt, die es zu beachten gilt: Alter, Höhe des Body-Mass-Index, Diabetes mellitus, Organtransplantationen, antineoplastische Therapien und HIV-Infektionen. Zum Zeitpunkt des Hintergrundgespräches waren drei Substanzen für die ambulante Therapie zugelassen, eine konnte off Label eingesetzt werden (siehe Infobox 1). Der Experte stellte in diesem Zusammenhang auch aktuelle Empfehlungen des National Institute of Health (NIH) vor (siehe Quelle). Dieses führt Paxlovid® – für nicht hospitalisierte Erwachsene mit milder bis moderater COVID-19-Infektion und hohem Risiko – als Medikament erster Wahl an. Dann folgen die Arzneimittel Xevudy®, Veklury® und an letzter Stelle Lagevrio®. Die Reihung basiert auf den Kriterien Effizienz und Praktikabilität. Ein „Asset“ von Lagevrio® sei jedoch die Virusfreiheit der Nase am fünften Tag der Behandlung, fügte der Infektiologe hinzu. Letztlich stünden bei der Indikation aber immer die Individualität der Betroffenen und Co-Medikationen im Vordergrund.

Vorsicht bei Wechselwirkungen und Kinderwunsch Von den bereits erwähnten Präparaten ist Veklury® das älteste. Lagevrio® zählt – wie


Hausärzt:in pharmazeutisch auch Veklury® – zu den Nukleosidanaloga. Das Medikament kommt in Tablettenform (800 mg – das sind vier Tabletten zwei Mal täglich) zur Anwendung. Xevudy®, ein gentechnisch hergestellter monoklonaler Antikörper, wird als einzelne intravenöse Infusion verabreicht. Prim. Wenisch hob jenes Arzneimittel als ein besonders nebenwirkungsarmes hervor. Erst vor kurzem wurde das Medikament Paxlovid® zugelassen. Ein Risiko stellt bei diesem die Kombination mit Ritonavir dar, welches den Metabolismus des Wirkstoffes Nirmatrelvir hemmt. „Das Problem dabei ist, dass auch andere Medikamente über diesen Weg verstoffwechselt und deshalb für den Zeitraum der Gabe pausiert werden müssen“, so der Mediziner. Es handle sich dabei z. B. um Blutdrucksenker oder Statine, eine Nichtbeachtung der Interaktionen könne diletär enden. Prim. Wenisch verwies auf den Nutzen eines „Drug Interactions Checkers“, um Wechselwirkungen auszuschließen. Aufgrund des mutagenen Potenzials ist im Fall einer Schwangerschaft die Gabe von Paxlovid® oder Lagevrio® kontraindiziert. Auch bei Männern mit Kinderwunsch werden deshalb drei Monate nach Einnahme Verhütungsmaßnahmen empfohlen.

Datenschutz als Hürde Die Aufgabe der Medikamentenverteilung und der Identifikation der „richtigen“ Patienten hätten die Gesundheitsbehörden der einzelnen Bundesländer bekommen, berichtete ÄrztekammerPräsident a. o. Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres. Er ergänzte: „Prinzipiell würden wir uns wünschen, dass Hausärztinnen und -ärzte erfahren, welche ihrer Patienten positiv getestet wurden.“ Aus datenschutzrechtlichen Gründen sei dies derzeit leider nicht der Fall. Die Gesundheitsbehörde gebe die Information nur an den Bürgermeister weiter. Eine Einbindung der niedergelassenen Ärzte würde jedoch die rasche Identifizierung der Risikopatienten erleichtern. Diesbezüglich wies Dr. Erwin Rebhandl, Präsident von AM PLUS, auf die Notwendigkeit detaillierter Informationen über Wirkung und Indikation der neuen Substanzen für Hausärzte hin. „Wir brauchen klare Profile für jene Patientinnen und Patienten, bei denen diese Medikamente letztendlich indiziert sind. Erleichtert wird uns diese

Aufklärungsarbeit, wenn es zusätzlich gut aufbereitete Patienteninformationen gibt, die wir zur Verfügung stellen können“, so Dr. Rebhandl.

Auch gegen Omikron wirksam Mag.a Gunda Gittler, a. H. P. h., Leiterin der Anstaltsapotheke der Barmherzigen Brüder Linz, berichtete, dass die Verfügbarkeit der neuen Arzneimittel derzeit gewährleistet sei. Für die Verteilung im extramuralen Bereich kämen insbesondere die oralen Medikamente in Frage. Entscheidend sei vor allem auch die Compliance. Die große notwendige Tablettenanzahl von Lagevrio® (acht Stück am Tag) könne manche Patienten verunsichern. Sie lasse sich darauf zurückführen, dass die niedrigsten Dosierungen – bereits parallel zu den Studien – von den Firmen in großen Mengen erzeugt worden seien, um die Versorgung schnell zu sichern. „Höhere Dosen haben sich jedoch als therapeutisch wirksam erwiesen“, erklärte die Pharmazeutin. Zur Bedeutung für das Infektionsgeschehen und Wirksamkeit gegen Virusmutationen äußerte sich schließlich Univ.-Prof. Dr. Florian Thalhammer, Infektiologe an der Univ.-Klinik für Urologie der MedUni Wien. Eine neue Publikation aus Japan habe gezeigt, dass die drei derzeit verfügbaren Virustatika – Veklury®, Lagevrio® und Paxlovid® – gegen die momentan bekannten Mutationen hochwirksam seien. „Die neuen Therapieoptionen sind für das Individuum sehr hilfreich, werden aber in das epidemiologische Geschehen wahrscheinlich nicht mehr wirklich eingreifen“, gab der Experte zu bedenken. Um bei diesen Medikamenten Resistenzen zu vermeiden, müsse man sich jeweils exakt an die empfohlene Dosierung und Einnahmedauer halten. Mag.a Ines Riegler, BA * Dieser Artikel bezieht sich auf ein AM PLUSHintergrundgespräch über das Thema „Bedeutung medizinischer Therapien gegen COVID-19“ am 31. Jänner 2022. Die Veranstaltung hat online stattgefunden. 1­. Diese Arzneimittel sind (Stand: 31.1.22) für die jeweilige Behandlung noch nicht zugelassen. 2. Änderungen vorbehalten, Stand: 14.2.22

Quelle: NIH: Therapeutic Management of Nonhospitalized Adults With COVID-19: covid19treatmentguidelines.nih.gov

INFO 2 Medikamentenverteilung am Beispiel Lagevrio® Das orale COVID-19-Medikament kommt in Österreich derzeit im Rahmen des Compassionate Use Programms zum Einsatz. Die Verteilung funktioniert über die sogenannten SPOC-Krankenhausapotheken in den einzelnen Bundesländern. Dieser Prozess ist jedoch unterschiedlich weit fortgeschritten:2 Wien: Die MA 15 kontaktiert relevante positiv getestete Personen. Es erfolgt eine Aufklärung und in weiterer Folge die Lieferung via Fahrradbote. In Zukunft sollen auch Pflegeeinrichtungen und niedergelassene Ärzte relevante Patienten zu einer Therapie bei der MA 15 anmelden können. Niederösterreich: Patienten erhalten einen Absonderungsbescheid und werden von der Bezirksverwaltungsbehörde über Therapiemöglichkeiten informiert. Der Betroffene muss sein Interesse an der Therapie über ein Online-Formular kundtun. Es scheint ein Vertrieb via Botendienst geplant zu sein. Link zum Formular: www.144.at/covid-medikament Oberösterreich: Patienten erhalten gemeinsam mit dem Absonderungsbescheid Informationen über Risikofaktoren für einen schweren COVID-19-Verlauf. Sie bekommen außerdem den Hinweis als Risikopatient den Hausarzt zu kontaktieren. Salzburg: Derzeit läuft alles über die Krankenhausambulanz, es gibt Überlegungen für den extramuralen Bereich. Tirol: Der betroffene Patient muss sich über eine Hotline (0512 508 9692) oder per Mail (medikamente.corona@tirol.gv.at) melden, die Koordination erfolgt über das Krankenhaus. Vorarlberg: Die Verschreibung und die Einholung der Einverständniserklärung erfolgt über den behandelnden Arzt in Absprache mit dem neuen COVID-19 Behandlungszentrum im Messequartier Dornbirn. Die erkrankte Person kann das Medikament in der Apotheke abholen lassen. Steiermark: Noch in Prozessfindung. Eine Kooperation mit einigen Allgemeinmedizinern ist geplant. Burgenland: Interessierte werden ersucht an folgende Mail-Adresse zu schreiben: covidmedikamente@bgld.gv.at. Es folgt eine Abklärung und eine Überprüfung durch einen Epidemiearzt. Anschließend wird die Person informiert, ob sie die Voraussetzungen erfüllt. Die Tabletten werden nach Hause geliefert. Kärnten: Es gibt bereits Gespräche mit der Landessanitätsdirektion, Hausärzte sollen etwa im Rahmen des Aufklärungsgespräches miteinbezogen werden. Quelle: Lagevrio ® u. a.

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Hausärzt:in pharmazeutisch

„Die Dosis macht das Gift“

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Wie die Mikronährstoffversorgung in der Erkältungssituation optimiert werden kann

© H. Kranewitter

Die Aufnahme von Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen hängt von verschiedensten Faktoren ab. Dem Thema immunspezifische Mikronährstoffe widmete sich Pharmazeutin Mag.a Marlene Pribyl-Kranewitter im zweiten Teil ihres Gespräches mit der Hausärzt:in.

Wodurch wird die Aufnahme von immunspezifischen Mikronährstoffen unterstützt bzw. verhindert? Lebensmittel können Substanzen enthalten, welche die Bioverfügbarkeit von Nährstoffen eventuell verringern. Die Phytinsäure, die in der äußeren Schicht des Getreidekorns oder in Hülsenfrüchten vorkommt, bildet gerne Komplexe mit Zink, Eisen und Magnesium. Deshalb ist bei der Einnahme ein großer zeitlicher Abstand empfehlenswert. Die Resorption von Eisen kann bei gleichzeitigem Genuss von Kaffee oder Tee negativ beeinflusst werden. Durch Vitamin C wird sie hingegen begünstigt, während die Selenresorption bei Anwesenheit von Vitamin C oder Zink abgeschwächt werden kann.

Auf was ist bei Qualität und Zusammensetzung der Präparate zu achten? Unterschiede gibt es hinsichtlich der Rohstoffqualität, der Überprüfung auf HAUSÄRZT:IN: Warum ist die MikSchwermetalle und Pflanzenschutzmitronährstoffzufuhr über Lebensmittel tel sowie der Herstellungsstandards häufig unzureichend? (GMP-Zertifizierung). Hierbei ist auf Mag.a PRIBYL-KRANEWITTER: Die die genaue Zusammensetzung zu achten. Nährstoffversorgung der Menschen in Hypoallergene Formulierungen, die auf Österreich ist oftmals lückenhaft, viele erkünstliche Farbstoffe, Laktose, nähren sich von Fast Food oder Gluten und unnötige Konserzu einseitig. Auch für Personen vierungsstoffe verzichten, sind mit erhöhtem Mikronährstoffvon Vorteil. Auch im Hinblick bedarf (Anm.: siehe Infobox) auf die Bioverfügbarkeit und kann es ratsam sein, zusätzlich Verträglichkeit bestehen grozur normalen Nahrung Präpaße Unterschiede. Oft gibt es rate einzunehmen. In Bezug biologisch aktive Formen eines auf die Verwertung gibt es im Vitamins, welche die optimale Grunde keinen Unterschied, EXPERTIN: Resorption auch bei Menschen ob Vitamine über die Nahrung a Mag. Marlene Pribylmit einem Enzymdefekt eroder über ein Präparat aufgeKranewitter Apotheke im Stadion möglichen. nommen werden. Letztere sind Center, Wien aber lediglich als Ergänzung zu Und wie groß ist die Gefahr einer sehen. Im Gegensatz zu Lebensmitteln Überdosierung? lassen sie sich jedoch zielgerichtet dosieGrundsätzlich kann man sagen, dass die ren. Nahrungsmittel können aufgrund Dosis das Gift macht. Fettlösliche Vitaunsachgemäßer oder zu langer Lagerung, mine wie Vitamin D werden im Fett- und falscher Zubereitung oder wegen einer inMuskelgewebe gespeichert und können dustriellen Aufbereitung einen geringeren bei einer falschen Dosierung zur IntoxikaGehalt von Mikronährstoffen aufweisen. tion führen. Tiefkühlprodukte enthalten zum Beispiel Wer dauerhaft zu viel Selen einnimmt, mehr Mikronährstoffe als zu lange gelaläuft Gefahr, eine Selenose zu bekomgertes Gemüse.

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men, die sich u. a. durch neurologische Störungen, Müdigkeit und im späteren Verlauf einen knoblauchartigen Geruch der Atemluft äußern kann. Eine akute Selenvergiftung führt im schlimmsten Fall zu Kammerflimmern oder Herzversagen. Vitamin C gehört zur Gruppe der wasserlöslichen Vitamine und wird daher über den Urin ausgeschieden. Zu hohe Dosen führen unter Umständen zu Verdauungsstörungen wie Durchfall. Darüber hinaus müssen Personen mit einer Nierenschädigung, einer Veranlagung zu Harn- oder Nierensteinen oder mit einer Störung der Verwertung von Nahrungseisen auf die Dosierung von Vitamin C achten. Jedoch ist auch für sie die Zufuhr von bis zu einem Gramm pro Tag ohne schädliche Nebenwirkungen möglich. Menschen mit eingeschränkter Nierenfunktion sollten außerdem bei einer zusätzlichen Einnahme von Zink Vorsicht walten lassen. Die Vergiftungserscheinungen reichen von Übelkeit und Durchfall bis hin zu einem metallischen Geschmack im Mund. Der aus zu hohen Zinkgaben resultierende verminderte Kupferspiegel kann des Weiteren zu Blutarmut führen. Das Interview führte Mag.a Ines Riegler, BA.

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INFO

Personengruppen mit einem erhöhten Mikronährstoffbedarf Schwangere und Stillende ältere Personen Patienten mit entzündlichen Erkrankungen, im Besonderen im Darmbereich (z. B. Colitis ulcerosa, Morbus Crohn) oder mit Erkrankungen des Magens (z. B. atrophische Gastritis) Jugendliche in der Wachstumsphase Raucher Alkoholkranke Personen, die Medikamente über einen längeren Zeitraum einnehmen Leistungssportler Personen mit erhöhter Stressbelastung Vegetarier, Veganer oder Personen mit einseitiger Ernährung


Hausärzt:in informativ

Kaloba® – bei Bronchitis & Erkältung

Gegen Symptome und Ursache: Pflanzliche Dreifach-Wirkung

Obwohl der Wurzelextrakt aus der Pelargonium sidoides EPs® 7630, der gegen Erkältungen sowie gegen Bronchitis wirksam ist, längst zu einem der am besten untersuchten pflanzlichen Arzneiwirkstoffen der Welt gehört, bringen zusätzliche Forschungen immer neue Erkenntnisse über seinen breiten Wirkmechanismus: Dass der in dem Präparat Kaloba® enthaltene Extrakt aus der Kapland-Pelargonie die meisten respiratorischen Pathogene – wie beispielsweise das Influenza A Virus (H1N1, H3N2, H5N1), Respiratorische-Synzytial-Viren (RSV) und Humane Coronaviren – hemmt1, ist schon länger bekannt. Pflanzlich: Antivirale Wirkung Die häufigsten Erkältungsauslöser sind jedoch Rhinoviren, die ebenso von EPs ® 7630 gehemmt werden. Kürzlich konnte in Untersuchungen zusätzlich gezeigt werden, dass der einzigartige Pelargonium-Extrakt gegen den Rhinovirus RV16 das Überleben menschlicher Bronchialepithelzellen nach einer Infektion signifikant verlängert. Parallel dazu werden die Andockproteine ICOS, ICOSL sowie C1qR gehemmt und die Wirtsabwehrproteine beta-Defensin-1 und

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Dreifach-Wirkmechanismus Bei Erkältungen sowie Bronchitis agiert Kaloba® dreifach: Es wirkt direkt antiviral, schützt die Zellen vor Viruszerstörung, aktiviert natürliche Killerzellen und verhindert durch die Hemmung des Enzyms Neuraminidase die Vermehrung der Viren.6 Gleichzeitig wirkt es nachweislich antibakteriell sowie sekretomotorisch!

SOCS-1 gesteigert.2 Da rund 90 % aller grippalen Infekte durch Viren ausgelöst werden, kommt der antiviralen Wirkung von EPs® 7630 eine ausnehmend wichtige Rolle in der verträglichen und sicheren Behandlung von Atemwegsinfekten zu. Diese Behandlung sollte bereits am Anfang der ersten Erkältungssymptome begonnen werden, da ansonsten selbst an sich harmlose Erkältungen zum Teil komplizierte Folgen – wie eine bakterielle Sekundärinfektion – nach sich ziehen können. Antibakteriell und sekretomotorisch EPs® 7630 setzt auch dabei mit seinem einzigartigen Dreifach-Wirkmechanismus nachhaltig an. Denn neben seiner antiviralen Wirkung verhindert der Extrakt sowohl die Anhaftung von Bakterien an gesunde Schleimhautzellen als auch das Eindringen von Bakterien in ebenjene. Er steigert außerdem das Anhaften von Bakterien an abgestorbene Epithel­zellen um ein Vielfaches3 und trägt damit zur Reduktion komplizierter Erkältungsverläufe bei. Gleiches gilt für die sekretomotorische Wirkung: Kaloba® stimuliert die Schlagfrequenz des respiratorischen Flimmerepithels. Durch die so verstärkte Zilientätigkeit wirkt das Präparat schleimlösend. So werden Erreger aus den Atemwegen transportiert. Bakterien wird damit der Nährboden entzogen. Gleichzeitig reduziert sich die Zahl und die Vermehrung der Erreger durch den erhöhten Erregertransport.4 Für die ganze Familie Mit Kaloba® steht demnach ein pflanzliches Arzneimittel zur Verfügung, das nicht nur die lästigen Symptome wie Schnupfen, Halsweh und Husten lindert, sondern gleichzeitig die Ursache der Erkältung an der Wurzel packt. Eine weitere Besonderheit zusätzlich zu dem einzigartigen Dreifach-Wirkmechanismus von Kaloba® ist darüber hinaus die ausgezeichnete klinische Studienlage, die zu dem in unterschiedlichen Darrei-

chungsformen erhältlichen Präparat vorhanden ist. Die Wirksamkeit, Sicherheit sowie auch gute Verträglichkeit wurde in über 30, zum großen Teil placebo­ kontrollierten Studien an mehr als 10.000 Probandinnen und Probanden bestätigt. Unter den Studienteilnehmenden waren insgesamt über 4.000 Kinder, weshalb EPs® 7630 in Form von Tropfen sowie als Sirup bereits für Kinder ab einem Jahr zugelassen ist. Kaloba® ist demnach ein wertvolles pflanzliches Präparat gegen Erkältungen und Bronchitis für die gesamte Familie, das überdies die Krankheitsdauer nachweislich um zwei ganze Tage verkürzt.5 Referenzen: 1 Michaelis M. et al., Investigation of the influence of EPs 7630, a herbal drug preparation from Pelargonium sidoides on replication of a broad panel of respiratory viruses.Phytomedicine 2011; 18: 384 -386. 2 Roth et al., Pelargonium sidoides radix extract EPs 7630 reduces rhinovirus infection through modulation of viral binding proteins on human bronchial epithelial cells. PLoS One 2019; 14 (2): 1–18. 3 Conrad A. et al., Extract of Pelargonium sidoides (EPs ® 7630) inhibits the interactions of group A streptococci and host epithelia in vitro. Phytomedicine 2007; 14 (Supl. VI): 52-59. 4 Neugebauer P. et al., A new approach to pharmacological effects on ciliary beat frequency in cell cultures exemplary measurements under Pelargonium sidoides extract (EPs 7630). Phytomedicine 2005; 12: 46-51. 5 Matthys H. et al., Efficacy and safety of an extract of Pelargonium sidoides (EPs 7630) in adults with acute bronchitis. Phytomedicine 2003; 10 (Suppl.4): 7-17. 6 Koch E et al., Naunyn-Schmiedeberg‘s Arch Pharmacol 2002;365(Suppl.1):R75 4 Theisen LL and Müller CP. Antiviral Res 2012;94(2):147 -156.

Die Kapland-Pelargonie Die Kapland-Pelargonie (Pelargonium sidoides) ist eine der herausragendsten Heilpflanzen unserer Zeit, die seit Langem Teil der evidenzbasierten Medizin ist. Die südafrikanische Pflanze wurde in ihrer Heimat ursprünglich als Arznei bei Atemwegsbeschwerden verwendet und kam früher in Europa sogar in der Tuberkulose-Therapie zum Einsatz.

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Die Mariendistel gehört zur Familie der Korbblütler (Asteraceae). Ihren deutschen Namen verdankt sie einer Legende. Der zufolge entstand die weiße Marmorierung der Blätter, nachdem die Milch der Jungfrau Maria auf die Stelle getropft war. Schon im Altertum kannte man die Mariendistel als Heilpflanze, die vielseitig Verwendung fand. Die besondere Bedeutung als Lebertherapeutikum wurde durch J. C. Rademacher im 18. Jahrhundert erkannt. Nach dem intensiven Studium der Pflanze wendete er sie bei chronischen Leber- und Milzleiden, akuter Hepatitis aber auch Ikterus und Gallensteinkolik an. Heute

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besitzt die Mariendistel eine hohe wissenschaftliche Evidenz und überzeugt durch ein einzigartiges Wirkspektrum. Bislang ist es nicht gelungen, mit synthetischen Wirkstoffen vergleichbare Effekte zu erzielen.

Inhaltsstoffe Zur arzneilichen Anwendung kommen die Früchte der Pflanze (Silybi Mariani Fructus). Diese enthalten in der Fruchtwand 1,5-3 % Silymarin, ein Gemisch aus Flavolignanen. Die Hauptkomponenten Silybinin und Isosilybinin liegen beide als Diastereomerenpaare vor (Silybin A und B, Isosilybin A und B) und machen ca. 50 % des Wirkstoffkomplexes aus. Der Anteil an Sily-

christin A und Silydianin (Isosilychristin) beträgt jeweils etwa 25 %. Daneben finden sich geringe Mengen an Silybin C und D, Silychristin B und Derivate des Silybins. Zusätzlich zu Silymarin kommen in den Mariendistelfrüchten Flavonoide wie z. B. Quercetin, Apigenin, Kämpferol, Naringenin und Taxifolin vor. Weiters enthält die Droge 20-30 % fettes Öl mit einem hohen Anteil an Linolsäure und Ölsäure.1,2

Wirkmechanismen von Silymarin Silymarin zeigte in diversen pharmakologischen Studien hepatoprotektive und antihepatotoxische Wirkungen, indem es die Stabilität der Zellmembran


Hepatoprotektiv

Verminderte Lipidanreicherung in Leberzellen

Senkung des Blutzuckerspiegels

Antifibrotisch Zytoprotektiv

Verbessertes Lipidprofil

Antioxidativ Verbesserte Leberwerte

Abb. 1: Wirkungen von Mariendistel bzw. Silymarin

Die antiinflammatorische und immunomodulatorische Wirkung von Silymarin beruht auf der Hemmung der 5-Lipoxygenase in den Kupfferzellen der Leber. Dadurch werden weniger Entzündungsmediatoren wie etwa Leukotrien B4 gebildet, die an den Prozessen der Leberzellschädigung beteiligt sind. Von Bedeutung ist auch die silymarininduzierte Hemmung von NF-κB, wodurch die Expression von TNF-α und IL-1β vermindert wird. Des Weiteren hemmt Silymarin die HMG-CoA-Reduktase und reduziert

die Fetteinlagerung durch Downregulation adipogener Faktoren (u. a. PPARγ). Die zuvor beschriebenen antioxidativen Eigenschaften wiederum wirken sich positiv auf die LDL-Oxidation aus.1-3

Wirkung bei toxischen Lebererkrankungen In klinischen Studien wurden die leberschützenden und -regenerierenden Study or Subgroup

Effekte sowohl bei nicht-alkoholischer Fettleber (NAFLD) als auch bei alkoholinduzierten oder arzneimittelbedingten Leberschäden bestätigt. Eine aktuelle Metaanalyse zu Silymarin und NAFLD aus 2021 inkludierte acht randomisierte Studien mit insgesamt 622 Teilnehmern. Im Vergleich mit Placebo führte Silymarin zu einer signifikant stärkeren Senkung

Mean Difference IV, Random, 95% Cl

Hashemi 2009 Masoodi 2013 Taghvaei 2013

Rund -15 IU/I ALT Senkung

Solhi 2014 Memon 2015 CW Kheong 2017 Anushiravani 2019

-50 -25 Favours [Silymarin]

0

25 50 Favours [Placebo]

Total (95% CI)

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gegenüber Toxinen erhöht. Silybinin besetzt Bindungsstellen an der Leberzellmembran und inaktiviert Transportproteine, wodurch die Aufnahme von Giftstoffen in die Hepatozyten verhindert wird. Über eine Stimulierung der Proteinsynthese kommt es außerdem zu einer verbesserten Regenerationsfähigkeit der Leberzellen. Für Silymarin wurden darüber hinaus auch antioxidative Eigenschaften nachgewiesen. Es werden sowohl freie Radikale abgefangen (HO-) als auch die Aktivität antioxidativer Systeme gesteigert (Glutathion und Superoxiddismutase).

Heterogeneity: Tau2 = 12.32; Chi2 = 9.85, df = 6 (P = 0.13); I2 = 39% Test for overall effect: Z = 6.47 (P < 0.00001) Abb. 2: Überlegenheit von Silymarin in allen Studien gegenüber Placebo. Minderung von ALT um durchschnittlich –15 IU/l.4

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Anwendung beim metabolischen Syndrom

100%

Das metabolische Syndrom bezeichnet einen Beschwerdenkomplex, der sämtliche Risikofaktoren für Diabetes und kardiovaskuläre Erkrankungen vereint. Darunter fallen etwa ein gestörter Kohlenhydratstoffwechsel, Hypertonie, Dyslipoproteinämie und Adipositas. Auch die NAFLD stellt einen Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen dar und gilt als die hepatische Manifestation des metabolischen Syndroms.7

Anteil der Patienten mit Laborwerten im Normbereich

80%

60%

40%

20%

0%

ALT (n=141) Vor Therapiebeginn

AST (n=143)

GGT (n=129)

AP (n=109)

Nach ca. 2 Monaten

TBIL (n=105)

Nach ca. 4 Monaten

Abb. 3: Zunehmende Normalisierung der durch leberschädigende Medikamente verschlechterten Laborwerte unter Silymarin. (ALT: Alanin-Aminotransferase, AST: Aspartat-Aminotransferase, GGT: Gamma-Glutamyltransferase, AP: Alkalische Phosphatase, TBIL: Gesamtbilirubin. Alle p < 0,001 (Baseline vs Monat 4)6

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Ein weiterer systematischer Review samt Metaanalyse aus 19 qualitativ hochwertigen Studien zeigte die Effektivität von Silymarin auch bei alkoholischen Leberschäden. Bei den größtenteils alkoholbedingten Leberzirrhosen kam es unter Gabe von Silymarin zu einer signifikanten Senkung der leberassoziierten Mortalität (i. e. aufgrund von Leberversagen und/oder Blutung im oberen Gastrointestinaltrakt). Diese lag in der Silymaringruppe bei 10,0 % vs. 17,3 % unter Placebo (p = 0,01).5 Auch bei medikamenteninduzierter Leberschädigung zeigt Silymarin Wirkung. In einer offenen, prospektiven multizentrischen Beobachtungsstudie wurden 190 Patienten eingeschlossen, die dauerhaft potenziell leberschädigende Medikamente einnehmen mussten und erhöhte Transaminasewerte hatten. Alkoholabusus galt als Ausschlusskriterium. Die Teilnehmer erhielten über einen Zeitraum von vier Monaten 3-mal täglich 140 mg Silymarin.

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Bereits nach zwei Monaten kam es zu einer signifikanten Verbesserung der Leberenzymwerte (ALT, AST, GGT, AP und Gesamtbilirubin) und der leberbedingten Symptome wie Oberbauchbeschwerden, Blähungen und Lethargie. Die Werte verbesserten sich im Verlauf noch weiter (p < 0,001). Insgesamt beurteilten die Ärzte die Wirksamkeit für 86,8 % der Patienten mit sehr gut bis gut.6

Senkung der Cholesterin- und Triglyceridspiegel 20

Durchschnittliche Abnahme in [mg/dl]

der Transaminasewerte. Unter Silymarin nahm die Alanin-Aminotransferase (ALT) im Durchschnitt um 14,86 IU/L (p < 0,00001) ab, die Aspartat-Aminotransferase (AST) um 7,11 IU/L (p < 0,05).4

In den letzten Jahren verdichteten sich die Studiendaten zu Silymarin und seinen positiven Effekten hinsichtlich verschiedener Komponenten des metabolischen Syndroms. Bei Typ-2-DiabetikerInnen konnten durch die tägliche Einnahme eines standardisierten Mariendistelextraktes sämtliche antioxidative Parameter [Superoxiddismutase (SOD), Gluthationperoxidase (GP) und der Wert für die gesamte antioxidative Aktivität (TAA)] verbessert werden. Zudem waren die Marker für akutes Entzündungsgeschehen und oxidativen Stress [hochsensitiven C-reaktiven Protein (hsCRP) und Malondialdehyd (MDA)] gesenkt.8 Die Anwendung von Mariendistel als Add-on zu einer bestehenden Diabetestherapie ist, so konnte gezeigt werden, effektiver als eine Standardmedikation allein. In der Gruppe mit

0 -20

Silymarin -40

Placebo

-60 -80 -100

Gesamtcholesterin

Triglyceride

Abb. 4: Signifikante Senkung des Gesamtcholsterins und des Triglyceridspiegels unter Silymarin im Gegensatz zu Placebo nach 45 Tagen.10


Weiters hat Mariendistel auch eine positive Wirkung auf die Blutlipide. In einer randomisierten, dreifach verblindeten und placebokontrollierten Studie mit PatientInnen mit Typ-2-Diabetes senkte Silymarin im Vergleich zu Placebo neben Nüchternblutzucker, Seruminsulin und HOMA-IR auch die Serumglyceride sowie das HDL-LDL-Verhältnis. Der HDL-Spiegel stieg um 6,9 % (p < 0,05), während das Gesamtcholesterin um 7,9 % (p = 0,001) und die LDL-Konzentration um 7,2 % (p = 0,02) signifikant abnahmen.10

Vergleichbarer Effekt wie synthetische Arzneimittel Insbesondere im Rahmen einer NAFLDBehandlung werden verschiedene Arzneistoffe eingesetzt, die klassisch zur Behandlung von Diabetes verwendet werden. Hier erzielt die Mariendistel bzw. Silymarin vergleichbar gute Effekte, wie in einer randomisierten, doppelblinden und placebokontrollierten Studie gezeigt wurde. Die TeilnehmerInnen mit bestehender NAFLD-Diagnose mussten eine kalorienreduzierte Diät halten und erhielten zusätzlich entweder Silymarin 140 mg/Tag, Metformin 500 mg/Tag, Pioglitazon 15 mg/Tag, Vitamin E 400 IU/Tag oder ein Placebo.

Nach drei Monaten kam es in allen Gruppen zu einer Verminderung von Taillenumfang und BMI, aber nur in den Verumgruppen kam es auch zu einer signifikanten Verbesserung der Leberenzyme und der Fastenblutglucose. Dabei war die Wirkung von Mariendistel durchwegs mit der von Metformin und Pioglitazon vergleichbar.11

Anwendung Silymarin ist kaum wasserlöslich, eine Anwendung von Mariendistelfrüchten als Arzneitee macht demzufolge keinen Sinn. Fertigarzneimittel enthalten Trockenextrakte, die auf Silymarin standardisiert sind. Als Auszugsmittel dienen Aceton, Ethylacetat, Ethanol oder Methanol.12 Mariendistelpräparate werden zur Unterstützung der Leberfunktion verwendet. Es gibt Positivmonographien sowohl seitens der HMPC als auch von der ESCOP und der WHO. Fertigarzneimittel zur oralen Einnahme sind für die unterstützende Therapie von chronischentzündlichen Lebererkrankungen und der Leberzirrhose zugelassen.1 Die mittlere Tagesdosis der Mariendistelfrüchte beträgt 12-15 g Droge, entsprechend 200-400 mg Silymarin, berechnet als Silybinin.2

Sicherheit

Silymarin (bis zu 800 mg/Tag) über 6 Monate führte nicht zu unerwünschten Effekten. Nur nach Einnahme sehr hoher Dosen wurden vereinzelt eine leicht laxierende Wirkung und Überempfindlichkeitsreaktionen beobachtet.3 Gemäß Arzneimittelmonografien sind bei gleichzeitiger Einnahme von anderen Medikamenten keine Wechselwirkungen bekannt.12

Fazit Die Mariendistel stellt eine sichere Arzneipflanze mit umfassenden Studienbelegen dar. Ihr Hauptindikationsgebiet sind Leberschäden und erhöhte Leberwerte, die entweder medikamentös oder alkoholinduziert sind, aber vielfach auch Folge eines hohen Konsums von Fett und Zucker (Saccharose, Fructose) sein können. Da dieser Lebensstil häufig mit einem metabolischen Syndrom einhergeht, stellt Mariendistel auch hier eine wirksame Unterstützung dar. Aufgrund der schlechten Wasserlöslichkeit des Wirkstoffkomplexes Silymarin sind Teezubereitungen nicht gebräuchlich. Daher kommen in Arzneimitteln getrocknete Extrakte zum Einsatz, die auf den Gehalt von Silymarin eingestellt werden. Nur so kann die notwendige Dosis für eine therapeutische Wirkung erreicht werden. Mariendistel-Extrakte sollten über einen längeren Zeitraum eingenommen werden.

Mariendistelfrüchte haben ein sehr gutes Sicherheitsprofil. Nebenwirkungen treten äußerst selten auf. Selbst die Verabreichung hoher Dosen von

REFERENCES: 1Blaschek W, Wichtl M, Bauer R, et al., eds. Wichtl - Teedrogen und Phytopharmaka: Ein Handbuch für die Praxis. 6th edn. Stuttgart: WVG Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 2016.; 2Bäumler S. Heilpflanzenpraxis heute: Arzneipflanzenporträts. 3rd edn. München, Deutschland: Elsevier, 2021.; 3Abenavoli L et al. Milk thistle in liver diseases: past, present, future. Phytother Res 2010; 24 (10): 1423–32.; 4Kalopitas G et al. Impact of Silymarin in individuals with nonalcoholic fatty liver disease: A systematic review and meta-analysis. Nutrition 2021; 83: 111092.; 5Saller R et al. An updated systematic review with meta-analysis for the clinical evidence of silymarin. Forsch Komplementmed 2008; 15 (1): 9–20.; 6Gillessen A et al. Einfluss von Silymarin auf Lebergesundheit und Lebensqualität. MMW - Fortschritte der Medizin 2014; 156 Suppl 4 (S21): 120–6.; 7Vanni E et al. From the metabolic syndrome to NAFLD or vice versa? Dig Liver Dis 2010; 42 (5): 320–30.; 8 Ebrahimpour Koujan S et al. Effects of Silybum marianum (L.) Gaertn. (silymarin) extract supplementation on antioxidant status and hs-CRP in patients with type 2 diabetes mellitus: a randomized, triple-blind, placebo-controlled clinical trial. Phytomedicine 2015; 22 (2): 290–6.; 9Elgarf AT et al. Effect of Silymarin Supplementation on Glycemic Control, Lipid Profile and Insulin Resistance in Patients with Type 2 Diabetes Mellitus. International Journal of Advanced Research 2015; 2015 (3): 812–21.; 10Ebrahimpour-Koujan S et al. Lower glycemic indices and lipid profile among type 2 diabetes mellitus patients who received novel dose of Silybum marianum (L.) Gaertn. (silymarin) extract supplement: A Triple-blinded randomized controlled clinical trial. Phytomedicine 2018; 44: 39–44.; 11Anushiravani A et al. Treatment options for nonalcoholic fatty liver disease: a double-blinded randomized placebo-controlled trial. European journal of gastroenterology & hepatology 2019; 31 (5): 613–7.; 12European Medicines Agency Committee on Herbal Medicinal Products. European Union Herbal Monograph on Silybum marianum (L.) Gaertn., fructus - Final, 2018.

SECHS MARKENZEICHEN FÜR QUALITÄT:

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zusätzlicher Mariendistelgabe wurden Nüchternblutzucker, HbA1c, MDA und hsCRP signifikant gesenkt. Die Verbesserung von HOMA-IR und der Insulinresistenz war deutlich stärker als durch die Monotherapie.9


Hausärzt:in pharmazeutisch

Medikament trifft auf Mikrobiom

Zusammenhänge, die es zu Das menschliche Mikrobiom enthält mehrere hundert Bakterienspezies. untersuchen gilt Viele davon sind nicht oder nur sehr Viele Medikamentenklassen beeinflusschwer kultivierbar und wurden erst sen die Zusammensetzung des Mikrokürzlich genetisch identifiziert. Aufbioms: Protonenpumpenhemmer, Stagrund seiner genetischen Vielfalt und tine, Antibiotika, Blutdrucksenker und großen Stoffwechselkapazität wird das Antidepressiva gehören laut Mikrobiom heute als eigenes Analysen großer Kohorten zu Organ gesehen. Der größte den am stärksten mikrobiomTeil der biologischen Masse verändernden Arzneimitteln. befindet sich im Dickdarm, Kürzlich konnte gezeigt weraber auch der gesamte restden, dass jedes vierte Mediliche Verdauungstrakt, der kament einen großen Einfluss Urogenitaltrakt, die Haut auf das Wachstum und die und sogar die Atemwege Funktion von wichtigen Baksind von einem Mikrobiom AUTORIN: terienstämmen des menschlibesiedelt, das jeweils eine Assoz. Prof.in Priv.chen Mikrobioms hat. Manspezifische Zusammensetin in Doz. Dr. Vanessa Stadlbauer-Köllner che Therapeutika können die zung und Funktion aufweist. Fachärztin für Innere Diversität des Mikrobioms Das Darmmikrobiom ist ein Medizin, Graz vermindern, wodurch die wichtiger Teil der DarmbarriKolonisationsresistenz (Resiere (Grafik 2). Zwischen ihm lienz) gegenüber pathogenen Keimen und dem menschlichen Körper besteht abnimmt und potentiell pathogene eine enge anatomische und funktioKeime bessere Wachstumsbedingungen nelle Beziehung. In den letzten Jahren vorfinden. Folgen können eine Darmzeigten sich bei vielen Erkrankungen barrierestörung, vermehrte bakterielle relevante Zusammenhänge zwischen Translokation, Inflammation sowie megesundheitlichen Problemen, Medikatabolische Auswirkungen und dadurch menteneinnahme und Mikrobiom. Sie eine Dysbiose sein. deuten darauf hin, dass das DarmmiOb der Einfluss von Medikamenten krobiom einerseits eine reiche Quelauf das Mikrobiom in allen Fällen nele für Biomarker zur Erkennung von gativ ist oder vielleicht die WirksamErkrankungen oder Nebenwirkungen keit mancher Arzneimittel maßgeblich von Therapien darstellen, andererseits durch die Effekte auf das Mikrobiom als therapeutisches Ziel dienen kann. 62

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mitbestimmt wird, muss noch im Detail untersucht werden. Für Metformin konnte zum Beispiel belegt werden, dass die bakterielle Metabolisierung einen Einfluss auf die Wirksamkeit des Arzneistoffes hat. Jedenfalls zeigen diese Daten klar, dass sich Medikamente und das Mikrobiom wechselseitig beeinflussen und dadurch sowohl deren Wirksamkeit als auch deren Nebenwirkungen verändert werden können (Grafik 1). Diese Wechselbeziehung muss daher in Zukunft systematisch und bereits parallel zur Arzneimittelentwicklung bedacht und untersucht werden, um eine optimale Wirksamkeit bei niedrigem Nebenwirkungspotential zu erzielen.

Gefürchtete Clostridioidesdifficile-Infektion Bei Antibiotika rechnet man damit, dass sie das Darmmikrobiom beeinflussen. Antibiotikaassoziierte Durchfallerkrankungen treten in 5–25 % aller Antibiotikabehandlungen auf, abhängig vom Alter der Patientinnen und Patienten sowie von der verwendeten Substanzgruppe. Grafik 1: Einflüsse auf das Mikrobiom und Möglichkeiten seiner Modulation

Einflüsse auf das Mikrobiom

Lebensstil Medikamente Grunderkrankung Geburtsmodus

Mikrobiommodulation

Stuhltransplantation

Probiotika

Präbiotika

pharmakologische Substanzen

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© Christian Jungwirth

© shutterstock.com/LuckyStep

Die Wechselbeziehung kann auch die Arzneimittelwirkung betreffen


Hausärzt:in pharmazeutisch Grafik 2: Aufbau der Darmbarriere*

der Antibiotikagabe erfolgen, am besten ab dem Beginn der Antibiotikaeinnahme, aber auf jeden Fall innerhalb von zwei Tagen nach jenem. Damit lässt sich das Risiko einer Infektion mit Clostridioides difficile um 60 % reduzieren. Wenn man erst nach dem Ende einer Antibiotikaeinnahme eine Prophylaxe mit Probiotika startet, wird die Regeneration des Darmmikrobioms nicht beschleunigt, sondern möglicherweise sogar verzögert, wie eine experimentelle Arbeit an gesunden Probanden zeigte.

in Verbindung gebracht wurde. PPI sind mit dem Auftreten von Infektionen, zum Beispiel mit Clostridioides difficile, mit anderen Darminfektionen, Pneumonien oder Pilzinfektionen vergesellschaftet. Es gibt auch Hinweise darauf, dass die Langzeiteinnahme von PPI mit einer erhöhten Mortalität assoziiert sein könnte. Eine besonders vulnerable Patientinnenund Patientengruppe sind Menschen mit Leberzirrhose, da bei ihnen bereits schwerwiegende Mikrobiomveränderungen und eine Immundysfunktion vorliegen. Bei Leberzirrhose konnte nachgewiesen werden, dass PPI durch die vorbestehende Dysbiose ausgeprägtere negative Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Mikrobioms haben. Diese Dysbiose geht mit einer Inflammation im Darm, einer Störung der Darmbarriere und einer vermehrten bakteriellen Translokation einher. Das führt zu einem Fortschreiten der Lebererkrankung, zu vermehrten Komplikationen und möglicherweise auch zu einem früheren Tod. Es ist daher wichtig, insbesondere bei Risikopatientinnen und -patienten zu überprüfen, ob die Gabe eines PPI wirklich indiziert ist. Bei indizierter PPI-Gabe ist es sinnvoll, Strategien zur Vermeidung der Nebenwirkungen auf das Mikrobiom zu erforschen. Diesbezüglich sind Probiotika in Entwicklung begriffen und erste Ergebnisse vielversprechend. Dennoch ist noch viel Forschungsarbeit notwendig, um ein zielgerichtetes Probiotikum zu entwickeln, welches die Oralisierung des Darmmikrobioms durch PPI verhindern kann.

Nebenwirkungsarme PPI?

Fazit für die Praxis

Protonenpumpenhemmer (PPI) gehören zu den Medikamenten mit dem größten Einfluss auf die Zusammensetzung des Mikrobioms. Durch die Erhöhung des Magen-pH-Wertes können Keime, die wir über die Nahrung aufnehmen und aus dem Mundraum schlucken, nicht mehr abgetötet werden und gelangen in tiefe Darmabschnitte. Die Folge ist neben der Reduktion der Diversität des Mikrobioms eine Oralisierung – eine Zunahme von Mundkeimen im Darm –, die wiederum mit vermehrter Inflammation und bakterieller Translokation sowie einer verminderten Infektionsabwehr

Medikamentenbedingte Einflüsse auf das Darmmikrobiom stellen ein häufiges Phänomen dar, das noch weiterer Forschungsanstrengungen bedarf. Die Wechselwirkung von Medikamenten und Mikrobiom ist relevant für die Therapieeffektivität und das Nebenwirkungsprofil. Probiotika sind eine wirksame Strategie, um Schädigungen des Darmmikrobioms durch Antibiotika und möglicherweise auch durch generell als nebenwirkungsarm eingestufte Medikamente wie PPI zu verhindern.

Darmlumen

Äußere Mukusschicht

Innere Mukusschicht

Darmepithel

Darmimmunsystem

* erstellt von Prof. in Stadlbauer-Köllner mit biorender.com

Diese Medikamente führen zu einer starken Reduktion der Diversität des Darmmikrobioms, dadurch nimmt die Kolonisationsresistenz gegenüber pathogenen Keimen ab. Besonders gefürchtet ist die Überwucherung durch Pathogene wie Clostridioides difficile. Die Vermeidung der antibiotikaassoziierten Diarrhoe ist als Einsatzbereich von Probiotika gut untersucht. Eine Metaanalyse der Cochrane-Gruppe hat 2017 gezeigt, dass diese in der Lage sind, einer Infektion mit Clostridioides difficile vorzubeugen, wenn Antibiotika genommen werden. Die Studienlage ist insgesamt leider noch sehr heterogen, vor allem unterscheiden sich die in den Studien verwendeten Produkte sehr stark. Daher ist die Empfehlung der Cochrane-Gruppe noch vorsichtig formuliert: Insbesondere in Hochrisikosituationen (Alter über 65, hohes Clostridioides-difficile-Infektionsrisiko) soll die Verwendung eines Probiotikums erwogen werden. Welches Probiotikum am besten wirkt, ist noch nicht ganz klar. Metaregressionsanalysen ergaben aber, dass es sinnvoll ist, ein Präparat zu wählen, das aus mehreren Stämmen mit einer hohen Keimzahl besteht. Die Einnahme sollte in einem Abstand von zwei bis drei Stunden vor oder nach

Die Autorin ist an der Med Uni Graz (Abt. f. Gastroenterologie & Hepatologie), sowie im Zentrum für Biomarkerforschung (CBmed) in Graz tätig.

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Hausärzt:in extra

„Massen-Exodus“ verhindern

© unsplash.com/Luke Jones

In der Pflege ist es bereits zehn Minuten nach zwölf! Was tun?

Die Pflege ist aus einer Gesellschaft nicht wegzudenken, weil sie die Antwort auf das Urbedürfnis des Menschen nach Hilfe und Unterstützung gibt. Die Aufgabe der professionellen Pflege besteht darin, pflegebedürftige Menschen zu stärken, zu begleiten, anzuerkennen und ihre Potentiale zu fördern. Dies gelingt durch Beziehung und Sorge. Das Besondere an der Pflege stellt ihre Zielsetzung dar. Im Unterschied zu an-

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deren medizinischen Berufen zielt sie nicht auf Heilung ab, sondern auf Integritätsstiftung in einem umfassenden Sinn – als Ausdruck der Balance von körperlichem und seelischem Wohlbefinden und des Vertrautwerdens des pflegebedürftigen Menschen mit sich selbst. Die Interaktionsform der Pflege ist die leibliche. Ohne Körperkontakt kann Pflege nicht stattfinden. Die sich daraus ergebende Nähe und Intimität

bietet Chancen tiefer persönlicher Erfüllung, birgt aber auch die Gefahr von Grenzüberschreitungen, was die Pflege vor spezifische ethische Herausforderungen stellt. Der Arbeitsmodus der Pflege unterscheidet sich grundlegend von dem vieler anderer Berufe. Pflegearbeit ist nicht planbar. In der jeweiligen Situation muss kreativ eine passende Reaktion auf die Befindlichkeit, die Stimmung und die Bedürfnisse des


Hausärzt:in extra pflegebedürftigen Menschen gefunden werden. Neben einem rein kognitiven Zugang braucht es zu einer gelungenen Pflegearbeit auch viel Intuition und Erfahrung.1

AUTORINNEN-TEAM:

Der richtige Skill- und Grade-Mix „Um den Kollateralschaden so gering wie möglich zu halten, brauchen wir bessere Arbeitsbedingungen, neue Strukturen und Denkweisen. Die Institutionen, wie wir sie haben, sind nicht mehr zeitgemäß“, betont Markus Golla, diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger und Pflegewissenschaftler, Leiter des Instituts für Pflegewissenschaft sowie des Studiengangs Gesundheits- & Krankenpflege am IMC FH Krems, in einem Gespräch. Es geht also in erster Linie darum, den Rahmen, in dem Pflege passiert, neu zu gestalten. „Denn“, so Golla weiter, „Pflege ist mit allen Altersgruppen eine wunderbare Aufgabe. Pflegerische Versorgung von Kindern bringt ehrliche Lebensfreude, von Erwachsenen interessante Situationen und alte Menschen bringen so viele Geschichten und Weisheit mit.

Mag.a Dr.in Judith Goldgruber Leiterin des Albert Schweitzer Instituts der Geriatrischen Gesundheitszentren Graz

© Furgler

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Aufgrund der demografischen Entwicklung, der Zunahme chronischer Erkrankungen und der steigenden Zahl multimorbider Menschen werden immer höhere Anforderungen an das Gesundheits- und Sozialwesen gestellt. Die altersdemografischen Zahlen zeigen, dass der Pflegebedarf weiter steigen wird. Der Bedarf an qualifizierten Pflegekräften nimmt stetig zu und gleichzeitig steigen immer mehr Menschen aus dem Pflegeberuf aus. Derzeit stehen Führungskräfte von Gesundheitseinrichtungen vermehrt vor der Herausforderung, ausreichend qualifiziertes Personal zu rekrutieren bzw. dieses durch geeignete Strategien und Attraktivierungsmaßnahmen langfristig im Beruf zu halten. Gemäß der Pflegepersonal-Bedarfsprognose werden in Österreich bis 2030 um 75.700 Pflegepersonen mehr benötigt als 2017.2 Der International Council of Nurses (ICN) warnt davor, dass es – bedingt durch die COVID-19-Pandemie – zu einem weltweiten „Massen-Exodus“ der Pflegenden kommen wird. Denn die bereits bestehende Arbeitsbelastung erhöhte sich im Rahmen der Pandemie für Pflegepersonen auf der ganzen Welt enorm. Ein massenhafter Ausstieg von Pflegepersonal hätte dabei fatale Folgen für die globale Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Schon zu Beginn der Pandemie fehlten weltweit sechs Millionen Pflegende. Der ICN prognostiziert weitere vier Millionen, die bis 2030 altersbedingt ausscheiden werden.3 Wie kritisch die Situation ist, verdeutlicht auch eine aktuelle Studie mit alarmierenden Erkenntnissen zur Lage der Pflegefachkräfte im Akutbereich in Österreich. 45 Prozent der Pflegekräfte denken regelmäßig an einen Jobausstieg, in absoluten Zahlen sind das mehr als 27.700. Fast 90 Prozent der Befragten gaben eine starke Verschlechterung ihrer Arbeitssituation durch die Corona-Pandemie an. 85 Prozent leiden unter der erhöhten psychischen Belastung – unter Stress, Ängsten, Schlaflosigkeit. Die Gründe: das erhöhte Arbeitspensum, mehr organisatorischer Aufwand, das stundenlange Tragen der Schutzausrüstung, Personalmangel.4

© Karl Schrotter

Fatale Folgen der Corona-Pandemie

Waltraud Haas-Wippel, MA Pflegedirektorin der Geriatrischen Gesundheitszentren Graz

Lydia Hasenbichler BSc, MSc, MA Pflegedienstleiterin der Albert Schweitzer Klinik I, Geriatrische Gesundheitszentren Graz

Es ist in allen Bereichen eine Bereicherung, von der auch wir als Pflegepersonal profitieren können, wenn die Arbeitsbedingungen uns endlich Zeit dafür geben würden.“ Eine bessere Entlohnung, mehr Wertschätzung, eine optimierte Onboarding-Phase, eine angemessene Zeit für Praxisbegleitungen der Auszubildenden, höhere Dienstplansicherheit und ausreichend qualifiziertes Personal sind erste Schritte, um den Beruf für neue Kräfte attraktiver zu gestalten, aber auch, um bestehendes Pflegepersonal zu halten. Wir brauchen nicht nur ausreichend Personal, sondern auch ausreichend qualifiziertes Personal, denn der richtige Skill- und Grade-Mix ist für die Pflegequalität wesentlich und beeinflusst die Sterblichkeit maßgeblich5. Es braucht daher Ausbildungsoffensiven, mehr Studienplätze und eine Vielzahl von Fort- und Weiterbildungen, um den Herausforderungen speziell auch im Langzeitbereich begegnen zu können.

Pflegereform umsetzen Unser Appell an die Politik: Seit Jahren wird vom Rechnungshof auf die Problemstellungen in der Pflege hingewiesen. Von den politisch Verantwortlichen wurde eine Pflegereform versprochen – diese ist jedoch nie richtig in die Gänge gekommen. Der Ergebnisbericht der Taskforce Pflege6 liegt seit Monaten auf dem Tisch. Darin sind Ziele und Maßnahmen niedergeschrieben, die es braucht, um die Situation in der Pflege zu verbessern. Es ist bereits zehn Minuten nach zwölf – die Politik ist daher dringend gefordert, umgehend und ernsthaft die Weichen für eine gute Zukunft der Pflege in Österreich zu stellen. Quellen: 1 Maio G. (2017). Mittelpunkt Mensch. Lehrbuch der Ethik in der Medizin. Mit einer Einführung in die Ethik der Pflege. 2. überarb. Aufl. Schattauer: Stuttgart. 2 Rappold E. & Juraszovich B. (2019). Pflegepersonal-Bedarfsprognose für Österreich. Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz, Wien. 3 International Council of Nurses (2021). Policy Brief. The Global Nursing shortage and Nurse Retention. Verfügbar unter: icn.ch (10.11.2021). 4 Gferer A. & Gferer N. (2021). Gesundheits- und Krankenpfleger*innen während der Covid19-Pandemie in Österreich. Österreichische Pflegezeitschrift 4. 5 Aiken L. H. et al., (2017). Nursing skill mix in European hospitals: cross-sectional study of the association with mortality, patient ratings, and quality of care. BMJ Qual Saf. 26(7): 559-568. 6 Rappold E., Juraszovich B., Weißenhofer S. & Edtmayer A. (2021). Taskforce Pflege. Begleitung des Prozesses zur Erarbeitung von Zielsetzungen, Maßnahmen und Strukturen. Ergebnisbericht. Gesundheit Österreich, Wien. Auszug aus: Goldgruber J., Hasenbichler L. & Haas-Wippel W. (2021). ProCare, 26(10): 40-43.

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Hausärzt:in extra

„Über das Tabuthema Flatulenz sprechen“

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Eine humorvolle Buchvorstellung des Autors

© Anton Pruntsch, privat

Der Furz – Alarmsignal des Körpers Ein humorvolles Plädoyer für mehr Esskultur und gesündere Verdauung Von Anton Pruntsch, Verlagshaus der Ärzte 2021

Während wir Allgemeinmediziner oft bis an die Grenze der Belastbarkeit mit unseren unzähligen Aufgaben beschäftigt sind, wagen Patientinnen und Patienten es tatsächlich immer wieder, unsere Zeit mit der Schilderung ihrer Flatulenzen zu stehlen! Erst als ich selbst einmal unter massiven Blähungen litt, weil ich zur Vorbereitung auf eine Leistenbruchoperation ein Laktulosekonzentrat einnehmen musste und dazu viel zu wenig getrunken habe, konnte ich mich in diese bauchschmerzgeplagten Patienten hineinversetzen. Dann fand sich glücklicherweise in meinem Körper eine Öffnung, aus der dieses Gas halbwegs unauffällig entweichen konnte ... So beschloss ich, ein möglichst lustiges Lehrbuch zu diesem Thema zu schreiben. Als ich bei der Internetrecherche bemerkte, dass es kein einziges Buch zum Thema Furz gab, aber zu jedem „Furz“ bereits Bücher geschrieben worden waren, wurde mir klar, dass ich es der Menschheit schuldig war, dieses Werk zu vollbringen.

Das Problem an der Wurzel packen Es gibt kein Wundermittel gegen Blähungen. Das beste Darmflorapräparat, das wirksamste Entschäumungsmittel

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bringen. Die schnellste Methode, um verstärkte Blähungen effizient zu behandeln, ist meinen Erfahrungen nach die Colon-Hydro-Therapie. Hier wird der Dickdarm mittels eines hygienisch einwandfreien Systems in einer Stunde von Gasen, Kotablagerungen und Schlacken befreit. Das geniale Prinzip dieser Methode liegt darüber hinaus darin, dass die Therapeutin oder der Therapeut dabei die Möglichkeit hat, eine Stunde lang mit dem Patienten zu sprechen. Indem bisherige Essgewohnheiten analysiert und Verbesserungsmöglichkeiten besprochen werden, wird nicht nur diese Darmwäsche, sondern auch die notwendige Gehirnwäsche durchgeführt.

Hinweise zur Buch-Verordnung

usw. werden langfristig versagen, wenn das Übel nicht an der Wurzel gepackt Ein ernstes Lehrbuch zu schreiben, und beseitigt wird. Hier gilt es, in jedem wäre eine sinnlose Verschwendung Einzelfall die Gründe für die vermehrte meiner Energie gewesen, da ich daDarmgasbildung zu finden. Wir Ärztindurch viel zu wenige Menschen ernen und Ärzte haben die Aufgabe, mereicht hätte – zumal sich kein Laie die dizinische Ursachen verstärkZeit nehmen wird, ein trocketer Blähungen zu erkennen nes medizinisches Lehrbuch – etwa Laktose- oder Frukzu lesen. So, wie ich mir meitoseintoleranzen, Nahrungsne in der Kindheit erworbene mittelunverträglichkeiten, LeUnsitte, Unmengen an Zuberparenchymschäden oder cker zu verwenden, nach der Krebserkrankungen – sowie Lektüre eines Buches über dafür zu sorgen, dass die von die schädlichen Auswirkununs verschriebenen Medikagen des Zuckers schlagartig AUTOR: mente den Patienten nicht (fast) abgewöhnt habe, erDr. Anton Pruntsch schaden. Obwohl die Einfühwarte ich mir, dass auch die Allgemeinmediziner in Villach, Spezialist rung von Pantoprazol ein rieLeserinnen und Leser meifür Colon-Hydrosiger Segen für gastritisgeplagnes Buches in Zukunft ein Therapien und F.X. Mayr-Medizin te Patienten war und seitdem größeres Augenmerk auf die die Zahl der Magenresektiorichtige Esskultur nach den nen drastisch gesunken ist, führt jenes Prinzipien von F.X. Mayr richten werMittel die Liste der blähungsfördernden den. Im Rahmen einer Kassenpraxis Medikamente mit Abstand an. ist es nahezu unmöglich, den Patienten Zu den Ursachen für verstärkte Blähunalte Angewohnheiten abzugewöhnen. gen gehören natürlich auch individuelle Daher hoffe ich, dass möglichst viele falsche Angewohnheiten. Obwohl eine Kolleginnen und Kollegen ihren darmDarmwäsche, speziell bei chronischer gasgeblähten Patienten mein Buch naObstipation, kurzfristig Linderung helegen werden. Nicht zuletzt deshalb, bringen kann, wird langfristig nur um die Luftqualität für die Mitmeneine „Gehirnwäsche“ einen Erfolg schen zu verbessern. <


Hausärzt:in informativ

Arzneipflanze des Jahres 2022 Der gelbe Enzian (Gentiana lutea L.) wurde zur Arzneipflanze des Jahres gekürt. Traditionell wählt die Herbal Medicinal Products Platform Austria (HMPPA) – bestehend aus Expertinnen und Experten österreichischer Universitäten – die Pflanze aus. Die Enzianwurzel zeichnet sich vor allem durch stark bitter schmeckende Pflanzenstoffe aus. Sie binden an spezifischen Bitterstoffrezeptoren in den Geschmacksknospen am Zungengrund und regen dadurch reflektorisch die Speichel- und Magensaftsekretion an.

Aufgrund dessen wird Gentiana lutea L. zur Unterstützung der Verdauungsfunktion eingesetzt. Des Weiteren wirken die Bitterstoffe an der Lunge krampflösend und erleichtern das Abhusten. An der Haut fördern sie die Ausbildung einer intakten Hautbarriere. Eine neue Studie belegt außerdem die entzündungshemmende Wirkung von äußerlich angewendetem Enzianextrakt an der Haut und bei Neurodermitis. Es ist davon auszugehen, dass die Entdeckung der BitterstoffRezeptoren im ganzen Körper nicht nur

Foto: © Hans Braxmeier

HMPPA: Gelber Enzian zeigt Potenzial für zahlreiche Einsatzmöglichkeiten

eine Rationale für die traditionelle Verwendung des gelben Enzians liefert, sondern auch neue Einsatzmöglichkeiten aufzeigt. Quelle: Herbal Medicinal Products Platform

Fortbildungsveranstaltung Anfang April

Die Veranstaltungsleiter a.o. Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr. Harald Vogelsang und Prim. Univ.-Prof. Dr. Ivo Graziadei laden zum „16. UPDATE Chronisch entzündliche Darmerkrankungen und

Hepatologie“ ein. Das Event findet am 1. und 2. April 2022 im Falkensteiner Hotel Leoben statt. Die Vorträge beginnen am Freitag, 1. April, um 17:00 Uhr. Der Abend wird traditionell bei einem gemeinsamen Abendessen ausklingen. Am Samstag sind die Vorträge von 9:00 bis 13:00 Uhr angesetzt. Die Veranstaltung wird für das DiplomFortbildungs-Programm der Österreichischen Ärztekammer eingereicht.

Weitere Informationen zu den Vortragsthemen und den Referenten sowie eine Anmeldemöglichkeit stehen unter folgendem Link zur Verfügung: gastroupdate.at AT -GAST-2202-0201-DE

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Gastro Update: Neuigkeiten rund um chronisch entzündliche Darmerkrankungen und Hepatologie

Quelle: Ferring Arzneimittel Gesellschaft m.b.H.

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