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Kraftwerksgesellschaft schließt Nutzungslücke an der Lieser KW KREMSBRÜCKE UST

Anfang Oktober letzten Jahres wurde das Kleinwasserkraftprojekt der Kraftwerksgesellschaft Kremsbrücke ans Netz genommen. Das KW Kremsbrücke Unterstufe erzeugt im Jahr durchschnittlich rund 29 GWh sauberen Strom aus der Kraft der Lieser.

Foto: Kelag

KRAFTWERKSGESELLSCHAFT KREMSBRÜCKE SCHLIESST NUTZUNGSLÜCKE AN DER LIESER

Keine zwei Jahre nachdem die Kärntner Elektrizitäts AG (Kelag) und ihre Partner aus der Privatwirtschaft das Kraftwerk Kremsbrücke Oberstufe errichtet und ans Netz gebracht hatten, ließen sie im Spätherbst letzten Jahres die direkt anschließende Unterstufe folgen. Unter erheblichem baulichem Aufwand gelang eine moderne Kleinwasserkraftanlage, die mit rund 29 Gigawattstunden durchschnittlicher Jahreserzeugung mehr als die doppelte Erzeugung des Oberliegers erreicht. Für die Umsetzung mussten sowohl die Verantwortlichen für die bauliche Umsetzung als auch jene für die maschinelle Ausrüstung auf ihre große Erfahrung zurückgreifen.

Über eine Länge von circa 50 Kilometer bahnt sich die Lieser von der Hafnergruppe in den Hohen Tauern bis zur Einmündung in die Drau bei Spittal ihren Weg durch das malerische Liesertal. Ihr Name ist laut Chronisten uralt: Er stammt aus dem Indogermanischen und bedeutet so viel wie das „Liebental“. Seit Jahrzehnten wird die Lieser über ihre gesamte Länge für die Wasserkraft genutzt. Das jüngste ist das Kraftwerk Kremsbrücke Unterstufe, ein Ausleitungskraftwerk, das nicht nur aus dem Wasser des Oberliegers gespeist wird. „Eine Besonderheit dieses Projektes liegt darin, dass wir die Möglichkeit haben, den Leobenbach mitzunutzen. Das bedeutete, dass ziemlich genau auf der Kote des Übergabebauwerks an der Lieser die Fassung am Leobenbach angelegt werden musste. Rund 500 Meter unterhalb des Übergabebauwerks mündet die Beileitung aus dem Leobenbach dann in die Druckrohrleitung. Von hier aus werden bis 7.600 l/s zu den Turbinen im Maschinenhaus geführt“, erklärt Dipl.-Ing. Jörg Friedrich, verantwortlich für die gesamte Umsetzung des Projekts. KOMPLEXE ROHRVERLEGUNGSARBEITEN In baulicher Hinsicht brachte gerade die Verlegung der Druckrohrleitung gewisse Herausforderungen mit sich. In Summe galt es, rund 5 Kilometer an Druckrohren im engen Liesertal unterirdisch zu verlegen. Dabei war das Team des beauftragten Bauunternehmens Fürstauer Bau aus dem Kärntner Mölltal voll gefordert. Dreimal musste die Lieser mit den weitlumigen Rohren DN2100 unterquert werden, über einen kurzen Abschnitt wurden die Rohre im Bachbett verlegt. „Gerade die dafür erforderliche Wasserhaltung und die

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Eine horizontale Rechenreinigungsmaschine aus dem Hause Wild Metal hält den Einlauf frei von Schwemmgut.

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Für die Passierbarkeit des Querbauwerks im Leobenbach wurde eine Fischaufstiegshilfe in Form eines Vertical-Slot-Passes angelegt.

Rücksichtnahme auf die Laichzeit gestalteten diesen Trassenabschnitt sehr aufwändig. Außerdem wurden die Rohre ja über lange Etappen in der Bundesstraße eingebaut. Dabei war vorgegeben, dass stets eine Fahrspur befahrbar bleiben musste – was es auch nicht einfacher machte“, resümiert Jörg Friedrich. Zum Einsatz kamen für den Kraftabstieg GFK-Rohre der Marke Superlit, die vom Rohrspezialisten Geotrade aus dem Mühlviertel geliefert wurden. Zum Teil wurden die erforderlichen Schrägschnitte an den Rohren bereits in der Fertigung durchgeführt, der eine oder andere aber auch direkt an der Baustelle – zweifellos ein Pluspunkt für die glasfaserverstärkten Kunststoffrohre, die eben ein sehr einfaches Handling ermöglichen. Aufgrund der Länge der Druckrohrleitung wurde die abschließende Druckprüfung gemäß ÖNORM über drei Abschnitte abgewickelt. GEMEINSAM ZUR BESTEN LÖSUNG Neben der Verlegung der Druckrohrleitung oblag dem Team von Fürstauer Bau auch die Errichtung der Wasserfassung, die durchaus die Handschrift des mittlerweile verstorbenen Senior-Chefs Günter Fürstauer trägt, wie Jörg Friedrich bestätigt: „Günter Fürstauer war fast täglich auf der Baustelle. Als erfahrener Wasserkraftexperte brachte er sehr viel von seinem Know-how speziell beim Bau der Wasserfassung ein. Zum Beispiel gelang es ihm den Wunsch nach einer naturnahen Optik des Fassungshäuschens perfekt umzusetzen. Wichtiger war aber sein Einfluss auf die Ausgestaltung der Fassung an sich: Gemeinsam mit dem Südtiroler Stahlwasserbauspezialisten Wild Metal haben wir das Konzept für eine Fassung mit horizontalem Rechen entwickelt, wie sie letztlich umgesetzt wurde.“ DI Johannes Klausner, der von Seiten der Kelag gemeinsam mit Ing. Michael Kandutsch für den Maschinenbau sowie die Inbetriebsetzung verantwortlich zeichnete, zeigt sich von der Lösung überzeugt: „Diese Variante bringt gleich mehrere Vorteile mit sich. Zum einen ersparten wir uns damit ein größeres Bauwerk für den Rechenreiniger, auch eine Spülrinne wird nicht gebraucht. Und das Schwemmgut kann ganz einfach über den Leerschuss weitertransportiert werden.“ Die gesamte stahlwasserbauliche Ausrüstung der Wasserfassung wurde vom bekannten Südtiroler Stahlwasserbauspezialisten Wild Metal geliefert, der einmal mehr seine Visitenkarte abgeben konnte. „Termintreue, Flexibilität und eine sehr gute Ausführung – damit hat uns Wild Metal überzeugt“, findet Michael Kandutsch lobende Worte.

ZENTRALE FUNKTION FÜR SCHWALLKAMMER Generell spielen die Bauwerke am Leobenbach eine zentrale Rolle im Gesamtkonzept

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Die Verlegung der Druckrohrleitung durch das enge Liesertal stellte eine der zentralen Herausforderungen für das Bauunternehmen dar. Die Befahrbarkeit einer Fahrspur der Bundesstraße musste jederzeit gewährleistet bleiben.

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der Anlage. So wurde im Hinblick auf die Regelung des Kraftwerks im Anschluss an den Doppelkammer-Entsander eine Schwallkammer mit rund 50 m2 Grundfläche errichtet. Das Schwallbecken wurde dabei hydraulisch von einem externen Planer bemessen. Um einen gewissen Durchfluss in der ebenfalls neu errichteten Fischtreppe sicherstellen zu können, wird der Pegel im Stauraum bzw. Entsander über ein überströmtes Regelschütz reguliert. „Die Maschinenregelung dagegen ist bezogen auf den Pegel im Übergabebauwerk, wobei der Pegel in der Schwallkammer noch zur Überwachung dient. Abhängig von den Zuflüssen aus dem Oberlieger und der Beileitung aus dem Leobenbach stellt sich automatisch ein Pegel in der Schwallkammer ein, der immer niedriger sein muss als jener der Bachfassung“, geht Michael Kandutsch ins Detail. Aufgrund der Länge der Druckrohrleitung spielte natürlich auch die Frage nach der Druckstoßtoleranz eine Rolle in den Überlegungen. Dazu wurde von der Firma Geppert eine Druckstoßberechnung durchgeführt, die alle im Kraftwerksbetrieb auftretenden Lastfälle umfasste. Das Ergebnis zeigte, dass die Maschinensätze – auch ohne zusätzliche Schwungmassen – über Trägheitsmomente verfügen, die, gepaart mit relativ langen Leitapparat-Schließzeiten, eine ausreichende Begrenzung des Druckstoßes sicherstellen. AUGENMERK AUF WARTUNGSFREUNDLICHKEIT Was die Auswahl der Maschinen anbelangt, setzten die Verantwortlichen auf zwei Francis-Spiralturbinen. Gefertigt, geliefert und montiert wurden die Maschinen von der Fa. Geppert aus Hall in Tirol. „Bedingt durch das saisonal stark schwankende Wasserdar- gebot haben wir uns für die Größenverteilung ‚Ein-Drittel-zu-zwei-Drittel‘ entschieden. Während die kleinere Maschine auf ein Schluckvermögen von 2,5 m3/s ausgelegt ist, kann die große 5,1 m3/s verarbeiten. Zwei gleich große Maschinen wären wohl etwas günstiger, aber energiewirtschaftlich weniger sinnvoll gewesen“, erklärt Johannes Klausner. Dabei schenkten die Ingenieure der Kelag vor allem der Langlebigkeit und der Wartungsfreundlichkeit großes Augenmerk. „Erstmalig wurden unter Regie der Kelag bei dieser Anlage die Turbinendeckel – sowohl druckseitig als auch saugseitig – in rostfreier Ausführung realisiert. Die Leitschaufellagerung ist direkt eingearbeitet und mit wartungsfreien Bronzebüchsen versehen. Die Wellendichtung ist in Form einer Labyrinthdichtung ebenfalls wartungsfrei ausgeführt“, so Michael Kandutsch. Im Sinne einer möglichst hohen technischen Lebensdauer wurden die Laufräder, die aus 13.4-Stahl gefertigt wurden, an den Radialspaltflächen mit Wolframkarbid beschichtet. Diese Form der Beschichtung habe sich – so die Verantwortlichen für den Maschinenbau – bewährt. Die Ausführung der Turbinendeckel in 13.4-Stahl ist zwar grundsätzlich etwas teurer, bietet aber den Vorteil, dass damit eigenständige Schutzwände sowie der Korrosionsschutz entfallen.

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Die Gründung des Maschinenhauses musste nicht allzu tief erfolgen. Im Bild gut sichtbar: die Verteilrohrleitung, deren dritter Abzweig als eine Art „Bypass“ fungiert. VERTEILROHRLEITUNG MIT „BYPASS“ Obgleich im Maschinenhaus nur zwei Maschinensätze installiert sind, weist die Verteilrohrleitung drei Abzweige auf. Der Grund

Foto: Kelag Für das Einheben der Maschinenspirale Einheben der Maschine wurde ein Autokran angefordert.

Im Hinblick auf die schwankende Wasserführung in der Lieser setzte man auf zwei Francis-Spiralturbinen im Größenverhältnis „Ein-Drittel-zuzwei-Drittel“. Die beiden Maschinen aus dem Hause Geppert sind in der Lage, zusammen 7.600 l/s zu turbinieren.

dafür liegt in der Zukunft, wie Johannes Klausner näher erläutert: „Die ersten beiden Abzweiger sind für die Turbinen vorgesehen, der dritte dient als 'Bypass' für den Nebenauslass. Er wurde mit einem Ringkolbenschieber versehen und ist für 3 m3/s konzipiert. Gemäß der bis 2027 umzusetzenden Wasserrahmenrichtlinie sind wir als Betreiber verantwortlich, den Abfluss des Gewässers weitestgehend konstant zu halten. Also, wenn die Maschinen abgestellt sind, kann über diesen Abzweig Wasser in die Lieser dotiert und das Schwall-Sunk-Problem behoben werden.“ Die gesamte Verteilrohrleitung wurde von den Tiroler Wasserkraftspezialisten bei Geppert CFD-optimiert. Gemeinsam wurde die Wahl der besten Geometrie für den Bauteil ausgewählt und von der Firma Geppert umgesetzt. Die eingesetzten Generatoren, die von der Firma Genet geliefert wurden, sind mit Gleitlagern und einer hydrostatischen Lageranhebevorrichtung ausgeführt. Die Kühlung der Generatoren erfolgt mittels Luft-/Wasser-Wärmetauscher und geschlossenen Kühlwasserkreisläufen zur Wärmerückgabe ins Unterwasser.

ENERGIEABLEITUNG UND BAUARBEITEN AM KRAFTHAUS Die Energieableitung erfolgt zum 3 Kilometer entfernten Umspannwerk Gmünd. Hier wird die Spannung von 20 kV auf 110 kV transformiert. Der Bau des neuen Krafthauses stellte keine allzu hohen Anforderungen an die Baufirma, heißt es von Seiten der Projektleitung. Schließlich war keine tiefe Gründung erforderlich. Dank einer sehr guten

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Die gesamte Steuerung wurde – wie schon bei der Oberlieger-Anlage – von Siemens realisiert.

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Technische Daten

• Ausbauwassermenge: 7,6 m3/s • Turbinen: Francis-Spiralturbinen

l Bruttofallhöhe: 99,5 m l Anzahl: 2 Stk. • Fabrikat: Geppert l Baujahr: 2019 • M1: Qmax: 5,1 m3/s l Drehzahl: 600 Upm l Leistung: 4.440 kW • M2: Qmax: 2,5 m3/s l Drehzahl: 750 Upm l Leistung: 2.258 kW • Generatoren: Synchron l Marke: Genet • Engpassleistung: 5,941 MW l Steuerung: Siemens • DRL: GF-UP Länge: 4,7 km l Dimensionen: DN2100/1900/1700/1300 • Druckklassen: PN6 bis PN16 l Fabrikat: Superlit / Geotrade • Stahlwasserbau: Wild Metal l Bauausführung: Fürstauer Bau • Planung: Kelag l Inbetriebnahme: Okt. 2020 • Jahresproduktion: 29 GWh

Leittechnik-Schaltschränke im Krafthaus: Die gesamte Betriebsführung liegt in den Händen der Kelag. Gebündelte Fachkompetenz in der Projektleitung der Kelag (v.l.n.r.): DI Dr. Peter Marek (Elektrotechnik), DI Johannes Klausner (Maschinenbau), DI Jörg Friedrich (Gesamtprojektleitung) und Ing. Michael Kandutsch (Maschinenbau).

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Vorbereitung verliefen Montage und Inbetriebsetzung problemlos.

MASCHINEN ARBEITEN ALS EIN SYSTEM Für die Umsetzung der Steuerungs- und Leittechnik hatten sich die Bauherren – wie zuvor schon beim Oberlieger-Kraftwerk – an das vielfach bewährte Team von Siemens Energy Salzburg gewandt. Eine gute Entscheidung, wie DI Dr. Peter Marek betont, der von Seiten der Kelag für die gesamte E-Technik verantwortlich war: „Das war sicher ein Vorteil, dass wir praktisch auf das selbe System und das selbe Team wie beim Oberstufen-Kraftwerk zurückgreifen konnten. Schließlich müssen die beiden Anlagen ja ‚miteinander kommunizieren‘. Alle Maschinen sind als ein System zusammenschaltbar, um möglichst effizient betrieben werden zu können.“ Marek verweist darauf, dass man mit Siemens bereits einen gewissen technischen Standard geschaffen habe, der nun reproduzierbar war. „Wir wissen sehr genau, was wir wollen und wie wir es wollen. Die Betriebsführung des Kraftwerks liegt – wie beim Oberlieger-Kraftwerk – bei uns. Zusätzlich wurde aber auch ein leittechnischer Abgang für die Gesellschafter eingerichtet, die in Echtzeit die Vorgänge – eben Daten, oder Kamerabilder – beobachten können“, so Peter Marek. Alle Daten laufen in der Energieleitzentrale der Kelag in Klagenfurt zusammen.

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CORONA BRINGT MEHRAUFWAND Wie bei den meisten Bauvorhaben, die in die Zeit der Corona-Pandemie fielen, brachten auch bei diesem Kraftwerksprojekt die damit verbundenen Restriktionen und Schutzmaßnahmen zusätzliche Herausforderungen für alle Beteiligten mit sich. „Gerade im Frühling 2020, als die Unsicherheit im Bezug auf die Viruserkrankung am größten war, war der Aufwand sehr groß. Die Monteure und Techniker aus Tirol und Südtirol haben wir bei der Einholung von Bescheiden von der Bezirkshauptmannschaft unterstützt, haben uns um Quartiere gekümmert und auf die Einhaltung der Schutzmaßnahmen geachtet. Dies war für uns Neuland – und daher auch sehr aufwändig“, erzählt Michael Kandutsch, der einräumt, dass dieser „Nebenbei-Aufwand“ durchaus die eine oder andere Woche im Zeitplan gekostet habe. Von Juni 2018 bis September 2020, also über mehr als zwei Jahre, erstreckten sich die Bauarbeiten für das jüngste Kraftwerksprojekt an der Lieser. Anfang Oktober letzten Jahres konnte die Inbetriebsetzung abgeschlossen werden. Noch konnten die Maschinen nicht unter Volllast getestet werden. Doch mit der bevorstehenden Schneeschmelze sollten sie erstmals ihr volles Potenzial ausschöpfen können. Die Engpassleistung der beiden Turbinen liegt immerhin bei knapp 5,9 MW. Im Durchschnittsjahr wird das Kraftwerk rund 29 GWh sauberen Strom erzeugen. Damit können in etwa 8.000 Kärntner Haushalte versorgt werden. Über den erfolgreichen Projektabschluss freuen sich die Geschäftsführer der Kraftwerksgesellschaft Kremsbrücke Frau Karoline Fürstauer und Mag. DI Christian Rupp.