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Sphärische Geometrie | SpringerLink
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Zusammenfassung

Das vierte Kapitel zur sphärischen Geometrie thematisiert Inhalte, die teilweise seit einigen Jahrhunderten bekannt waren, aber in der Vergangenheit nicht als nichteuklidisch interpretiert wurden. Wichtige Formeln der sphärischen Trigonometrie werden auf unterschiedlichen Wegen hergeleitet. Es wird erarbeitet, dass die Berechnung eines kleinen sphärischen Dreiecks näherungsweise durch die eines ebenen Dreiecks möglich ist. Diese lokale Approximation einer nichteuklidischen Geometrie durch die euklidische Geometrie wird in unterschiedlichen Kontexten der Hochschulmathematik aufgegriffen. Die Anwendungen der Formeln der sphärischen Trigonometrie führen zu ausgewählten Inhalten der Astronomie, Nautik und Kartografie. Dabei ergeben sich Anforderungen zur Transformation von Koordinaten auf natürliche Weise.

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Correspondence to Jürgen Wagner .

Appendices

Anhang 4.1 Loxodrome – die Kurve gleichen Kurses

Die Punkte A und B auf der Erdoberfläche sollen durch eine Loxodrome , d. h. eine Kurve mit gleichem Kurswinkel, verbunden werden. In Abb. 4.29 haben wir die Erdkugel mit folgenden Stücken dargestellt:

Abb. 4.29
figure 29

Loxodrome auf der Erdkugel

  • Mittelpunkt M, Radius R, Nordpol NP, Südpol SP, Äquator CD,

  • Punkte A und B mit den geografische Koordinaten \( A\left( {\varphi_{A} \,,\;\lambda_{A} } \right) \) und \( B\left( {\varphi_{B} \,,\;\lambda_{B} } \right) \) mit \( \varphi_{B} - \varphi_{A} = \Delta \varphi \) und \( \lambda_{B} - \lambda_{A} = \Delta \lambda \),

  • Kurswinkel \( \gamma = {\text{const}} \) in den Punkten A und B,

  • Breitenkreis durch A (der Schnittpunkt F dieses Breitenkreises mit dem Meridian durch B besitzt dieselbe geografische Breite wie A),

  • Lot von A auf den Radius \( \overline{MC} = R \), deshalb gilt nach Benennung des Lotfußpunkts mit E: \( \overline{ME} = \rho_{A} = R \cdot \cos \varphi_{A} \),

  • Punkt \( P_{1} \) auf der Loxodrome zwischen A und B.

Wir entnehmen der Abb. 4.29 folgende Zusammenhänge:

  • Länge des Bogens zwischen A und F: ,

  • Länge des Bogens zwischen F und B: ,

  • Länge der Loxodrome zwischen A und Bs.

Um die Loxodrome analytisch beschreiben zu können, betrachten wir das in Abb. 4.30 dargestellte ebene differenzielle Dreieck \( P_{1} HP_{2} \) (wir haben es stark vergrößert wiedergegeben). Wenn wir die Differenziale so wählen, wie in dieser Abbildung angegeben, dann können wir das differenzielle Dreieck \( P_{1} HP_{2} \) so positionieren, dass der Punkt \( P_{2} \) „in unmittelbarer Nähe“ der Loxodrome liegt. Deshalb dürfen wir die Seite \( \overline{{P_{1} P_{2} }} \) als Differenzial der Bogenlänge \( {\text{d}}s \) der Loxodrome auffassen.

Abb. 4.30
figure 30

Differenzielles ebenes Dreieck zur Berechnung der Loxodrome

Den Übergang von differenziellen zu makroskopischen Längen vollziehen wir wie üblich durch Summation der Differenziale, d. h. durch Integration.

Nach diesen Vorüberlegungen können wir die Berechnungen für die Loxodrome vornehmen.

Berechnung der Größe des konstanten Kurswinkels

$$ \begin{aligned} &\tan \gamma = \frac{{R \cdot \cos \varphi \cdot {\text{d}}\lambda }}{{R \cdot {\text{d}}\varphi }} \hfill \\ &{\text{d}}\lambda = \tan \gamma \cdot \frac{{{\text{d}}\varphi }}{\cos \varphi } & \left| {\int {} } \right. \hfill \\ \end{aligned} $$
$$ \int\limits_{{\lambda_{A} }}^{{\lambda_{B} }} {{\text{d}}\lambda } = \tan \gamma \cdot \int\limits_{{\varphi_{A} }}^{{\varphi_{B} }} {\frac{{{\text{d}}\varphi }}{\cos \varphi }} . $$

Wir haben \( \gamma = {\text{const}} \) berücksichtigt. Das zu bestimmende Integral entnehmen wir einer Formelsammlung, oder wird verwenden ein Computer-Algebra-System:

$$ \lambda_{B} - \lambda_{A} = \tan \gamma \cdot \left[ {\ln \tan \left( {45^\circ + \frac{\varphi }{2}} \right)} \right]_{{\varphi_{A} }}^{{\varphi_{B} }} $$
$$ \tan \gamma = \frac{{\lambda_{B} - \lambda_{A} }}{{\ln \tan \left( {45^\circ + \frac{{\varphi_{B} }}{2}} \right) - \ln \tan \left( {45^\circ + \frac{{\varphi_{A} }}{2}} \right)}} . $$
(4.35)

Berechnung der Länge der Loxodrome

$$ \begin{aligned} &\cos \gamma = \frac{{R \cdot {\text{d}}\varphi }}{{{\text{d}}s}} \hfill \\ &{\text{d}}s = \frac{R}{\cos \gamma } \cdot {\text{d}}\varphi & \left| {\int {} } \right. \hfill \\ &\int\limits_{{s_{A} }}^{{s_{B} }} {{\text{d}}s} = \frac{R}{\cos \gamma } \cdot \int\limits_{{\varphi_{A} }}^{{\varphi_{B} }} {{\text{d}}\varphi } \hfill \\ \end{aligned} $$
$$ s = s_{B} - s_{A} = \frac{R}{\cos \gamma } \cdot \left( {\varphi_{B} - \varphi_{A} } \right) . $$
(4.36)

Wir wenden die gefundenen Beziehungen für die Größe des Kurswinkels und die Länge der Loxodrome auf ein Beispiel an.

Beispiel

  • Gegeben:

  • Geografische Koordinaten von Recife in Brasilien: \( {\text{Lat}} = 8^\circ 3^{\prime}S \), \( {\text{Lon}} = 34^\circ 52^{\prime}W \)

  • (engl. latitude für Breite, longitude für Länge),

  • geografische Koordinaten von Belém (Stadtteil in Lissabon): \( {\text{Lat}} = 38^\circ 42^{\prime}N \), \( {\text{Lon}} = 9^\circ 13^{\prime}W \),

  • \( R = 6371{,}0\;{\text{km,}} \)

gesucht:

  1. 1.

    Kurswinkel für die Fahrt von Recife nach Belém,

  2. 2.

    Entfernung von Recife nach Belém auf der Loxodrome durch diese Orte,

  3. 3.

    Entfernung von Recife nach Belém auf der Orthodrome durch diese Orte.

Lösung:

Wir ermitteln zunächst die geografischen Koordinaten im dezimalen Winkelmaß, die wir bei den folgenden Berechnungen benötigen:

Recife: \( \varphi_{A} = - \left( {8^\circ + 3^{\prime} \cdot \frac{1^\circ }{{60^{\prime}}}} \right) = -8{,}05^\circ \); \( \lambda_{A} = - \left( {34^\circ + 52^{\prime} \cdot \frac{1^\circ }{{60^{\prime}}}} \right) = -34{,}87^\circ \),

Belém: \( \varphi_{B} = 38^\circ + 42^{\prime} \cdot \frac{1^\circ }{{60^{\prime}}} = 38{,}70^\circ \); \( \lambda_{B} = - \left( {9^\circ + 13^{\prime} \cdot \frac{1^\circ }{{60^{\prime}}}} \right) = -9{,}22^\circ \).

Zu 1. Kurswinkel für die Fahrt von Recife nach Belém

Aus (4.35) ergibt sich zunächst:

$$ \begin{aligned} \tan \gamma &= \frac{{\lambda_{B} - \lambda_{A} }}{{\ln \tan \left( {45^\circ + \frac{{\varphi_{B} }}{2}} \right) - \ln \tan \left( {45^\circ + \frac{{\varphi_{A} }}{2}} \right)}} \\ &= \frac{{ -9{,}22^\circ - \left( { -34{,}87^\circ } \right)}}{{\ln \tan \left( {45^\circ + \frac{38{,}70^\circ }{2}} \right) - \ln \tan \left( {45^\circ + \frac{ -8{,}05^\circ }{2}} \right)}} \\ &= \frac{25{,}65^\circ }{\ln \tan 64{,}35^\circ - \ln \tan 40{,}975^\circ } \\ &= \frac{25{,}65^\circ }{{0{,}73357 - \left( { -0{,}14096} \right)}} \\ \end{aligned} $$
$$ \tan \gamma = \frac{25{,}65^\circ }{0{,}87453}. $$

Wir müssen den Winkel im Zähler des Bruches ins Bogenmaß umrechnen, um den Kurswinkel bestimmen zu können:

$$ \tan \gamma = \frac{25{,}65^\circ }{0{,}87453} \cdot \frac{\uppi}{180^\circ } = 0{,}51191 $$
$$ \gamma = 27{,}11^\circ . $$

Zu 2. Entfernung von Recife nach Belém auf der Loxodrome durch diese Orte

Aus (4.36) erhalten wir

$$ \begin{aligned} s_{\text{Loxodrome}} &= \frac{R}{\cos \gamma } \cdot \left( {\varphi_{B} - \varphi_{A} } \right) \\ &= \frac{{6371{,}0\;{\text{km}}}}{\cos 27{,}11^\circ } \cdot \left( {38{,}70^\circ - \left( { -8{,}05^\circ } \right)} \right) \\ &= \frac{{6371{,}0\;{\text{km}}}}{\cos 27{,}11^\circ } \cdot 46{,}75^\circ \cdot \frac{\uppi}{180^\circ } \\ \end{aligned} $$
$$ s_{\text{Loxodrome}} = 5840\;{\text{km}} . $$

Zu 3. Entfernung von Recife nach Belém auf der Orthodrome durch diese Orte

Wenn die Punkte A und B auf der Erdoberfläche auf einer Orthodromen liegen sollen, dann müssen diese Punkte durch einen Großkreis miteinander verbunden werden. In Abb. 4.31 haben wir die Erdkugel mit folgenden Stücken dargestellt:

  • Mittelpunkt M, Radius R, Nordpol NP, Südpol SP, Äquator CD,

  • Punkte A und B mit den geografische Koordinaten \( A\left( {\varphi_{A} \,,\;\lambda_{A} } \right) \) und \( B\left( {\varphi_{B} \,,\;\lambda_{B} } \right) \) mit \( \varphi_{B} - \varphi_{A} = \Delta \varphi \) und \( \lambda_{B} - \lambda_{A} = \Delta \lambda \),

  • Orthodrome zwischen A und B,

  • kartesisches Koordinatensystem mit Ursprung in M, x-Achse durch Punkt C und z-Achse durch NP (damit liegt die y-Achse durch einen Punkt Y des Äquators fest),

  • Lote von A bzw. B auf den Radius \( \overline{MC} = R \) bzw. \( \overline{MD} = R \), deshalb gilt nach Benennung der Lotfußpunkte mit E bzw. F: \( \overline{ME} = \rho_{A} = R \cdot \cos \varphi_{A} \) bzw. \( \overline{MF} = \rho_{B} = R \cdot \cos \varphi_{B} \).

Abb. 4.31
figure 31

Orthodrome auf der Erdkugel

Der Zentriwinkel \( \varepsilon \) des Großkreises, dessen Ebene durch die Punkte A, B und M festgelegt ist, kann mit dem Skalarprodukt der Vektoren

\( \overrightarrow {MA} = \left( {\begin{array}{*{20}c} {R \cdot \cos \varphi_{A} } \\ 0 \\ {R \cdot \sin \varphi_{A} } \\ \end{array} } \right) \) und \( \overrightarrow {MB} = \left( {\begin{array}{*{20}c} {R \cdot \cos \varphi_{B} \cdot \cos \Delta \lambda } \\ {R \cdot \cos \varphi_{B} \cdot \sin \Delta \lambda } \\ {R \cdot \sin \varphi_{B} } \\ \end{array} } \right) \) berechnet werden:

$$ \cos \varepsilon = \frac{{\overrightarrow {MA} \, \bullet \,\overrightarrow {MB} }}{{\left| {\overrightarrow {MA} } \right| \cdot \left|{\overrightarrow {MB}}\right|}} = \frac{{R^{2} \cdot \cos \varphi_{A} \cdot \cos \varphi_{B} \cdot \cos \Delta \lambda + 0 + R^{2} \cdot \sin \varphi_{A} \cdot \sin \varphi_{B} }}{{R^{2} }} $$
$$ \cos \varepsilon = \cos \varphi_{A} \cdot \cos \varphi_{B} \cdot \cos \Delta \lambda + \sin \varphi_{A} \cdot \sin \varphi_{B} $$
$$ \cos \varepsilon = {\cos} {\left( { -8{,}05^\circ } \right)} \cdot \cos 38{,}70^\circ \cdot \cos 25{,}65^\circ + {\sin} {\left( { -8{,}05^\circ } \right)} \cdot \sin 38{,}70^\circ $$
$$ \varepsilon = 52{,}48^\circ = 52{,}48^\circ \cdot \frac{\uppi}{180^\circ } = 0{,}91595. $$

Mit (4.1) erhalten wir

figure af

Der Vergleich mit dem Ergebnis der zweiten Teilaufgabe zeigt, dass die Länge der Orthodrome selbst bei einer Überquerung des Atlantiks nur geringfügig kleiner als diejenige der Loxodrome sein kann.

Bemerkung

Werden die Achsen einer Karte der Erde so eingeteilt, wie in (4.35) angegeben, dann ist das Bild einer Loxodrome eine Gerade. Derartige Darstellungen werden als Mercator-Karten (nach Gerhard Kremer, latinisiert Mercator, 1512–1594) bezeichnet. Sie spielen eine große Rolle bei der Festlegung von Kursen in der See- und Luftfahrt. Wir kennen analoge Linearisierungen von Kurven aus unterschiedlichen Verwendungen von Funktionspapier, insbesondere aus dem Einsatz von

  • halb-logarithmischem Papier zur Linearisierung der Graphen von Exponential- und Logarithmusfunktionen,

  • doppelt-logarithmischem Papier zur Linearisierung der Graphen von Potenzfunktionen,

  • Wahrscheinlichkeitspapier (oder Quantil-Quantil-Plots) zur Linearisierung der Graphen der parametrisierten Verteilungsfunktionen der Normalverteilung.

Die Linearisierung wird genutzt für einen Test, ob Messwerte einen vermuteten funktionalen Zusammenhang erfüllen, sowie für die grafische Bestimmung von Parametern. Diese Anwendungen sind für die Lösung naturwissenschaftlich-technischer und stochastischer Aufgabenstellungen von großer Bedeutung.

Um unsere Rechenergebnisse miteinander vergleichen zu können, haben wir uns bei der Längenbestimmung auf der Loxodrome bzw. Orthodrome jeweils auf den mittleren Erdradius bezogen, den wir in der Einheit Kilometer angegeben haben. In der Nautik ist es üblich, für Entfernungen die Einheit Seemeile (nautische Meile) zu verwenden. Seit 1992 gilt per Definition: \( 1\;{\text{sm}} = 1852\;{\text{km}} \). Mit dieser Festlegung wurde an die ursprüngliche Definition angeknüpft, welche die Seemeile als Bogenlänge eines Zentriwinkels von einer Winkelminute auf dem Äquator betrachtete. Bis heute wird die Seemeile näherungsweise als Bogenlänge auf einem beliebigen Großkreis aufgefasst, die zu einem Zentriwinkel von einer Winkelminute gehört (diese Interpretation basiert auf dem Kugelmodell der Erde). Komplizierter werden die Zusammenhänge bei der Landvermessung, die auf Referenzellipsoiden als Modelle für den Erdkörper beruht. Wir überlassen nähere Ausführungen der Fachausbildung an der Hochschule.

Anhang 4.2 Zeitbestimmung auf astronomischer und physikalischer Grundlage

Die Messung von Zeiten erfolgt sowohl auf physikalischer als auch auf astronomischer Grundlage:

Ausgangspunkt der Zeitbestimmung auf physikalischer Grundlage ist die Definition der SI-Einheit Sekunde, die zurzeit mithilfe der Strahlung eines Cäsiumisotops erfolgt und mit Atomuhren gemessen wird. Atomuhren, die sich an unterschiedlichen Orten der Erde befinden, weisen kleine Zeitunterschiede auf, die wegen des unterschiedlichen Abstands zum Schwerezentrum und wegen unterschiedlicher Bahngeschwindigkeiten aufgrund der Erdrotation (die Bahngeschwindigkeit ist von der geografischen Breite des Standortes der Atomuhr abhängig) durch relativistische Effekte verursacht werden. Deshalb wird zunächst ein Mittelwert aus den Anzeigen unterschiedlicher Atomuhren gebildet, welcher als Internationale Atomzeit TAI (frz. temps atomique international) bezeichnet wird, und es erfolgt eine Umrechnung auf ein einheitliches Schwerezentrum (dafür wird die allgemeine Relativitätstheorie genutzt). Im Ergebnis ergibt sich eine gleichförmig ablaufende dynamische Zeit. Bei Verwendung des Erdmittelpunkts als Schwerkraftzentrum und der Erdoberfläche auf Meereshöhe als Abstand von diesem Schwerkraftzentrum wird die dynamische Zeit als TDT bezeichnet (engl. Terrestrial Dynamical Time, frz. temps dynamique terrestrique), seit 1991 allerdings als TT.

Die Zeitbestimmung auf astronomischer Grundlage basiert auf der Messung der Zeitdauer zweier aufeinanderfolgender oberer Meridiandurchgänge desselben astronomischen Objekts. Daraus wird rechnerisch eine mittlere Sonnenzeit bezüglich des Nullmeridians bestimmt, welche nach Korrektur von Polschwankungen mit einer Periode von mehr als sieben Tagen als UT1 (Universal Time 1) bezeichnet wird. Trotz dieser Korrektur verläuft UT1 nicht vollkommen gleichförmig.

Sowohl für die Zeitbestimmung auf physikalischer als auch auf astronomischer Grundlage ist ein kompliziertes Zusammenspiel von Messungen und Berechnungen charakteristisch. Die auf unterschiedlicher Grundlage ermittelten Zeiten werden aufeinander bezogen und an früher übliche Zeitskalen angepasst (dabei handelt es sich insbesondere um die Ephemeridenzeit, welche die Ephemeridensekunde als Teil eines Jahres definierte). Diese Anpassung führte auf folgende Beziehung zwischen TAI und TT:

$$ {\text{TAI}} = {\text{TT}} - 32{,}184\;{\text{s}} . $$
(4.37)

Durch eine Verknüpfung von UT1 und TAI erfolgt die Verbindung zwischen der „astronomischen und der physikalischen Welt“. Dabei wird die Differenz zwischen diesen Zeiten durch eine ganzzahlige Anzahl von Schaltsekunden dAT und einen verbleibenden Rest \( {\text{d}}\,{\text{UT1}} \le 0{,}9\;{\text{s}} \) beschrieben:

$$ {\text{UT1}} = {\text{TAI}} - {\text{dAT}} + {\text{dUT1}} . $$
(4.38)

Das Einfügen von Schaltsekunden erfolgt nach Bedarf am 30.06. oder 31.12. (falls erforderlich auch am 31.03. oder 30.09.). Am 1. Juli 2015 galt: \( {\text{d}}\,{\text{AT}} = 36\;{\text{s}} \).

Die mithilfe von Schaltsekunden an die „astronomische Zeit“ UT1 angepasste Atomzeit TAI ist die koordinierte Weltzeit UTC (engl. Universal Time Coordinated), die per Funk als Zeitzeichen übertragen wird:

$$ {\text{UTC}} = {\text{TAI}} - {\text{dAT}} . $$
(4.39)

UTC ersetzt die früher gebräuchliche Greenwich Mean Time (GMT) und wird zuweilen wie diese auch als UT (Universal Time) bezeichnet. Diese Gepflogenheit kann zu Verwechslungen mit der ursprünglichen Verwendung der Abkürzung UT führen, bei der die Dauer einer Sekunde an die astronomisch beobachteten Bewegungen angepasst wurde, während aktuell diese Anpassung über Schaltsekunden konstanter Länge erfolgt.

Die ganzzahlige Anzahl von Schaltsekunden dAT, der aktuelle Rest dUT1 und die Differenz \( \Delta T = {\text{TT}} - {\text{UT}}1 \) werden regelmäßig veröffentlicht. In der Literatur sind für die Differenz \( \Delta T \) unterschiedliche Schreibweisen üblich, die alle aus den von uns angegebenen Gleichungen hergeleitet werden können, z. B.:

$$ \begin{aligned} \Delta T &= {\text{TT}} - {\text{UT}}1 = \left( {{\text{TAI}} + 32{,}184\;{\text{s}}} \right) - {\text{UT}}1 = 32{,}184\;{\text{s}} + \left( {{\text{TAI}} - {\text{UT}}1} \right) \\ &= 32{,}184\;{\text{s}} + \left( {{\text{dAT}} - {\text{dUT1}}} \right) = 32{,}184\;{\text{s}} + \left( {{\text{TAI}} - {\text{UTC}}} \right) - \left( {{\text{UT1}} - {\text{TAI}} + {\text{dAT}}} \right) \\ \end{aligned} $$
$$ \Delta T = 32{,}184\;{\text{s}} + \left( {{\text{TAI}} - {\text{UTC}}} \right) - \left( {{\text{UT1}} - {\text{UTC}}} \right). $$

Seit der Verfügbarkeit sehr genauer Atomuhren kann nachgewiesen werden, dass die Dauer eines Sterntages, auf der gegenwärtig die „astronomische Zeitmessung“ basiert, nicht konstant ist. Die Unterschiede zwischen verschiedenen Sterntagen sind viel kleiner als diejenigen zwischen unterschiedlichen Sonnentagen, doch sie lassen sich nicht „wegdiskutieren“. Insbesondere

  • gibt es eine langfristige Tendenz zur Verlangsamung der Erdrotation, die auf die Gezeitenreibung im Wasser der Ozeane zurückgeführt werden kann,

  • machen sich Magmabewegungen, die Gletscherschmelze und der Vegetationswechsel großer Waldgebiete bemerkbar, da sie mit einer Verlagerung des Schwerpunkts rotierender Teilmassen verbunden sind („Pirouetteneffekt“).

Deshalb bleibt auch in Zukunft die präzise Bestimmung der Zeit eine große Herausforderung. Gegenwärtig werden Forschungen betrieben, um die Sekunde neu zu definieren, und auch hinsichtlich der Präzision astronomischer Beobachtungen ist weiterhin eine stürmische Entwicklung zu erwarten, z. B. könnten künftig eventuell Millisekundenpulsare für eine sehr gute Reproduzierbarkeit der Messungen sorgen. Es bleibt also spannend mit der Messung der Zeit, unabhängig von der Frage, was Zeit eigentlich ist und wie sie mit dem Raum zusammenhängt …

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Wagner, J. (2017). Sphärische Geometrie. In: Einblicke in die euklidische und nichteuklidische Geometrie. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-54072-5_4

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