Image-Tour der Bauern: „Wir sind keine Krisenprofiteure!“

Erstellt am 27. September 2023 | 13:30
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Mit den Feldtafeln sollen Hintergründe für die Bevölkerung veranschaulicht werden. Wie das in der Praxis aussieht, sah sich Kammerobmann Fritz Schechtner (8.v.l.) in Großmeiseldorf genauer an.
Foto: Sandra Frank
Auf Feldtafeln werden den Spaziergängern verschiedene Kulturen und somit die bäuerliche Arbeit erklärt. Besonders engagiert beim Aufstellen waren Thomas Roch und sein Sohn Gabriel aus Großmeiseldorf. Darum lud die Bauernkammer in die Ziersdorfer Katastralgemeinde zu einem Rundgang, um sich das Best-Practice-Beispiel genauer anzusehen.

„Die Tafeln sind super, sie sollten an Rad- und Spazierwegen angebracht werden, dann bringt es der Bevölkerung mehr und hebt das Image der Landwirtschaft“, meinte Leader-Obmann Peter Steinbach bei einem Rundgang auf den Großmeiseldorfer Fluren.

Dort stehen Feldtafeln, die kurz und bündig die jeweilige Kultur erklären. Die Bezirksbauernkammer Hollabrunn lud zu diesem Rundgang ein. Warum ausgerechnet in Großmeiseldorf? „Die waren besonders engagiert“, hob Kammerobmann Fritz Schechtner die Landwirte der Ziersdorfer Katastralgemeinde hervor. Besonders Thomas Roch und seinen Sohn Gabriel. Die veranstalteten sogar eine Begehung für die Bevölkerung, zu der über 40 Personen kamen. „Es hat uns sehr gefreut, dass im Juni viele Jungfamilien dabei waren“, erzählt Thomas Roch.

Unterwegs von Feld zu Feld

Bei der Feldbegehung wurden Mais, Zuckerrübe, Erdäpfel, eine Blüh- sowie eine Begrünungsfläche gezeigt und besprochen. Auf der Kulturtafel für Mais wird darüber informiert, welche Arten es gibt, was produziert wird und mit welchen Schädlingen der Kukuruz - Drahtwurm und Maiswurzelbohrer - zu kämpfen hat.

Schechtner blickt mehr auf die Maiskolben als auf die Tafeln und bemerkt: „Bei euch sind sie viel größer als bei uns.“ „Wir hatten das Glück, dass es bei uns oft g'schickt g'rengt hat“, entgegnet Roch. Der Mais braucht gerade im Juni den Regen, wenn er wachsen soll. Da regnete es in Großmeiseldorf; im Retzer Land, Schechtners Heimatregion, blieben die Niederschläge zu dieser Zeit aus.

Generell sei der Mais eine Kultur, die an Fläche gewinne, weil sie gut mit der Trockenheit umgehen kann. „Besser als die Sommergerste“, bedauert der Kammerobmann. Dennoch, mit der Sommerhitze hat auch der Mais zu kämpfen, wie Roch betont: Trocknen die Narben aus, gibt es keine Befruchtung.

Über den Blühstreifen gleich neben dem Maisfeld informierte Gottfried Fischer. „Biodiversität bedeutet Artenvielfalt“, schickte er voraus. Die Fläche wird nicht gedüngt, darf nicht einmal befahren werden. Nur einmal im Jahr darf sie gemäht werden, um das Wild nicht zu stören.

Das funktioniere nur bedingt, wie Pflanzenbauberater Hermann Dommaier-Bachl weiß: „Leider glaubt die Bevölkerung, dass das super Flächen sind, um dort mit dem Hund spazieren zu gehen.“ Das gehe natürlich am Sinn dieser Flächen vorbei. „Dort soll Ruhe einkehren, das müssen wir mit den Tafeln erklären“, so der Großnondorfer.

„Die Zuckerrübe war das Gold des Weinviertels. Das ist heute leider nicht mehr so“, berichtete Schechtner über die nächste Kultur, die besichtigt wurde. Warum, erklärte Jungbauer Gabriel Roch: „Die Zuckerrübe ist die schwierigste Kultur, was den Pflanzenschutz betrifft.“ Die Neonicotinoide, kurz Neonics, sind verboten. Mit diesem Pflanzenschutzmittel wurde die Saat gebeizt, um dem Rübenrüsselkäfer Einhalt zu gebieten. „Wir hatten großes Glück, bei uns war er heuer nicht“, sagte Roch.

Landwirte können Neonic-Verbot bei Zuckerrüben nicht nachvollziehen

Er erklärte auch, wo das Verbot seinen Ursprung hat: Das Raps-Saatgut wurde ebenfalls mit Neonics gebeizt, da könnte es passieren, dass - durch den Saftstrom - das Mittel in die Blüte gelangt und Bienen damit in Kontakt kommen - in der Theorie jedenfalls. „Ich hab noch nie eine Zuckerrübe gesehen, die blüht“, schüttelt der Großmeiseldorfer Landwirt den Kopf.

Schuld seien vor allem Hobbyimker, die hier am lautesten geschrien hätten. „Wir haben mit Profi-Imkern gesprochen, die sagen, die Neonics sind den Bienen egal.“ Das wollte ein Hobbyimker in der Runde nicht so stehen lassen: „Ich bin für die Beize“, machte er klar. Er ist nämlich überzeugt, dass das mehrmalige Spritzen den Bienen viel mehr Schaden zufüge als die Beize im Boden.

Dommaier-Bachl weiß, dass von den 3.700 Hektar, auf denen heuer Rüben angepflanzt worden sind, tatsächlich noch 3.200 stehen, 500 sind dem Rüsselkäfer, dem Rübenderbrüssler, zum Opfer gefallen. „Das Problem ist, dass ab einer gewissen Ebene nur noch politische Entscheidungen gefällt werden, wo die Fachmeinungen nicht mehr zählen“, bedauert Schechtner.

Die Zuckerrübe war das Gold des Weinviertels. Das ist heute leider nicht mehr so Bauernkammerobmann Fritz Schechtner

Der Aspersdorfer Landwirt Edmund Rauchberger trat bei Sonnenuntergang am Erdäpfelacker, der gerade gerodet wurde, als Gastreferent in Erscheinung. Sein Betrieb arbeite mit hiesigen Bauern zusammen und tausche Flächen, um das Risiko breiter zu streuen und einen Totalausfall zu vermeiden.

Der Flächentausch, den Rauchberger betreibt, mache viel Sinn, denn die Erdäpfeln seien ein wertvolles Glied in der Fruchtfolge, betonte der Kammerobmann. „Die Erdäpfel sind die wichtigste Kultur für unsere Ernährung. Sie schmecken aber nicht nur uns, sondern auch den Insekten.“

Mäuse sind heuer ebenfalls ein Thema. Doch gegen diese Schädlinge bekommen die Bauern immer weniger Werkzeuge in die Hand. Und: „Der Drahtwurmbefall ist ganz unterschiedlich, das ist ein Lotteriespiel, das hast du nicht in der Hand“, weiß Rauchberger. Sind die Erdäpfel stark befallen, dann „hast du Substrat für die Biogasanlage produziert - eine reine Entsorgungsmaßnahme“, sprach Rauchberger vom Worst Case.

Feldbegrünung ist das Steckenpferd der Rochs

Bei Einbruch der Dunkelheit marschierte die Truppe zu einem Feld mit Zwischenfrucht. „Es ist die nachhaltigste Möglichkeit zu wirtschaften“, fasste Gabriel Roch zusammen. Wasser werde gespeichert, Stickstoff produziert, Hummus gebildet. Durch die Begrünung hat der Landwirt Schatten auf seinem Acker, die Bodentemperatur ist geringer und dadurch überleben die Mikroorganismen. „Bei einem blanken Acker tun sie das nicht“, machte Roch deutlich.

„Das hat er von mir, ich bin ein glühender Freund der Begrünung“, musste Thomas Roch über den Enthusiasmus seines Sohnes schmunzeln. Begrünung ist das Steckenpferd des Betriebs. Das machten die beiden zurück beim Treffpunkt, dem Heurigenlokal Panholzer, deutlich. Dort war nämlich ein Erosionstester aufgebaut.

Kammerobmann: „Wir wollen nur gerecht behandelt werden“

Da gab's drei Felder: Bearbeiteter Boden, Boden mit Zwischenfrucht und Wiesenboden. Darauf leerten die Landwirte je drei Liter Wasser und es zeigte sich: Begrünung und Wiese saugten das Wasser auf, auf der bearbeiteten Fläche staute es sich. „Man kann sich vorstellen, was bei einem Gewitter passiert“, so die Rochs, die zugeben müssen: Während Berufskollegen über zu trockene Böden klagen, „kämpfen wir mit zu feuchten Böden, weil wir begrünen“.

Kurz sprachen die Vertreter der Landwirtschaft die Preissituation an. Der „Grüne Bericht 2022“ besagt nämlich, dass Landwirte ein Einkommensplus von 30 Prozent verzeichnen. „Darum müssen wir uns den Vorwurf gefallen lassen, dass wir Preistreiber und Krisenprofiteure sind, aber das stimmt nicht“, sprach Schechtner von einem Einkommensminus in den vorangegangenen Jahren. Und: 2023 seien die Preise für die Rohstoffe in den Keller gerasselt, trotzdem sei keine Semmel billiger geworden. Die Landwirte wollen nicht jammern, betonte Schechtner, bevor die Bauernkammer zu einer Abschlussjause einlud, „wir wollen nur gerecht behandelt werden“.