Kleingartenzwist in Klosterneuburg: Wie groß darf ein Baum werden?

Erstellt am 25. Mai 2023 | 11:00
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Silberpappel in der Kleingartensiedlung Pionierinsel
Der Beweis, dass Bäume in der Kleingartensiedlung Pionierinsel alt und gesund sein können, ist diese 150 Jahre alte Pappel am Treppelweg.
Foto: Hornstein, NÖN
Bäume, die mehr als fünf Meter hoch sind, müssen in der Kleingartensiedlung Pionierinsel gekürzt werden.

Wenn es um Bäume geht, reagieren die Menschen in der heutigen Zeit sehr sensibel. Viel wird getan und viel Geld ausgegeben, um den Baumbestand in Klosterneuburg gesund und vielfältig zu halten. In der Kleingartensiedlung Pionierinsel scheint das anders zu sein. Hier muss ein Baum, der mehr als fünf Meter gewachsen ist, gekürzt werden. So steht es zumindest in der Gartenordnung für Kleingärten im Bundesland Niederösterreich. Den Kleingartensiedlern ist das nicht recht. Sie kämpfen um jeden Baum.

Das Zusammenleben in einer Kleingartensiedlung ist manchmal gar nicht so leicht. Auf engstem Raum müssen viele Menschen miteinander auskommen. Daher ist auch sehr viel geregelt. Ob es nun um die Lärmentwicklung geht, die Benützung der Wege und Straßen, oder die Bepflanzung — alles ist in der sogenannten „Gartenordnung“ schriftlich festgelegt. Wer sich nicht daran hält, muss mit einer Kündigung des Pachtvertrages rechnen, oder bekommt erst gar keinen.

Pappel Pionierinsel
Foto: Hornstein, Hornstein

In Klosterneuburg herrschen in den Kleingartensiedlungen drei verschiedene Formen der Verpachtung vor. Grundeigentümer ist immer das Stift Klosterneuburg, das entweder selbst die Parzellen in Pacht vergibt, oder als Generalpächter einen Kleingartenverein oder, wie im Fall des Kritzendorfer Strombads, die Stadtgemeinde Klosterneuburg als Generalpächter auftritt. Die Stadtgemeinde und die Obleute der Vereine unterverpachten sie dann an die einzelnen Gartensiedler.

Baumschnitt, oder kein Pachtvertrag

„Dort können sich dann natürlich die Obmänner dementsprechend als kleine Capos aufführen und weitestgehend 'willkürlich' agieren. Weil ohne deren Unterschrift wird der Pachtvertrag mit den einzelnen Gartenpächtern nicht verlängert“, kreidet Sepp Wimmer, Stadtrat der Grünen Klosterneuburg dieses System an.

In einem konkreten Fall, bei dem die Kontrahenten anonym bleiben wollen, weigert sich ein verkaufswilliger Pächter, seine beiden etwa 25 Meter hohen Pappeln zurückschneiden zu lassen. So lange er das aber nicht tut, wird ihm der Verkauf vom Vereinsobmann untersagt. Die Familie, die sich für den Pachtgrund interessiert, sieht daher ihren Erwerb dieses Pachtgrundes in Gefahr. Da hilft auch ein Gutachten über die Gesundheit der Bäume nichts.

Andreas Schalek, der Obmann der Kleingartensiedlung Pionierinsel, bleibt da hart: „Die Wurzeln faulen und die Bäume fallen auf die Häuser.“ Beim letzten Hochwasser vor ein paar Tagen sei das so passiert. Und der Obmann weiter: „Wenn ich einen Garten verkaufe, muss ich mich an die Gesetze halten. “Bäume sterben, wenn sie so radikal gekürzt werdenEine kleine Gruppe von Siedlern hat beschlossen, für die hohen Bäume in der Siedlung zu kämpfen: „Wir verstehen den Sinn dieser Regelung nicht. Natürlich müssen Bäume, die alt und krank sind und daher eine Gefahr für Menschen darstellen, gefällt werden. Aber wenn ein Baum gesund ist, verstehen wir nicht, warum er vernichtet werden soll? Und Bäume, die über 20 Meter groß sind, sterben, wenn man sie auf fünf Meter kürzt.“ Wenn man diese Verordnung konsequent durchzieht, müsste man nicht nur die zwei Pappeln auf dem besagten Grundstück schneiden, sondern jeden zweiten Baum in der gesamten Kleingartensiedlung.

Der Obmann bleibt dabei: „Das Stift ist Eigentümer und wir sind Generalpächter. Wir müssen darauf schauen, dass die Gesetze eingehalten werden. Und natürlich schauen wir uns die Leute, die einen Pachtgrund erwerben wollen, genau an.“ Und abschließend beharrt Schalek auf seine Vorgangsweise: „Der alte Pächter will verkaufen. So lange nicht dem Gesetz genüge getan wird, kann er es nicht weitergeben.“

Für Stadtrat Wimmer ist diese Haltung nicht akzeptabel: „Da gibt die Stadtgemeinde viel Geld dafür aus, dass Bäume erhalten bleiben und ein paar hundert Meter weiter, werden gesunde, schöne und alte Bäume gefällt. Wenn das alle Kleingartenvereine so praktizieren, dann hat das eine enorme Dimension. Dagegen muss man etwas tun.“ Für Wimmer hat es den Anschein, als würde man hier ein Exempel statuieren: „Wenn man das ernst meint, dann müsste man alle Kleingartenbesitzer zwingen, ihr Bäume auf fünf Meter zu stutzen. Dann würde jeder zweite Baum in der Kleingartensiedlung sterben.“

Es sei offensichtlich so, dass der Kleingartenverein Pionierinsel die NÖ-Gartenordnung seines Landesvereins der NÖ-Kleingärtner anwendet und dabei auch noch den §4 „Bepflanzung“ auch für den Altbestand von Bäumen anwenden will. Das hätte aber nichts mit der gesetzlichen Vorgabe im NÖ-Kleingartengesetz zu tun und ist auch nicht dadurch gedeckt, sondern ist eine eigenmächtige Vereinsbestimmung des Vereins für NÖ Kleingärtner.

Ein Baum als Ausstellungsstück

Dass Pappeln in der Kleingartensiedlung Pionierinsel alt werden können, beweist ein Baum am Treppelweg. Er ist mehr als 150 Jahre alt und sollte gefällt werden. Schließlich wurde er von der Siedlerin Susanne Minichsdorfer gerettet. Der Baum ist nun zum Ausstellungsstück geworden und wird von allen Spaziergängern am Treppelweg staunend bewundert.