Perschling

Peter Nussbaumer

Perschling

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Perschling in römischer Zeit

Das römische Piro torto könnte mit dem Ort Perschling gleichzusetzen sein: Dr. Richard Hübl, Geschichtsprofessor und Leiter des heimatlichen Arbeitskreises für die Stadt und den Bezirk Tulln schreibt in den Mitteilungen XIX auf Seite 28:

„Der früher angenommene Name Piro torto bezieht sich auf die Straßenstation bei Perschling“

Folgende Beweise führt er an:

Die Entfernung von Tulln (Comagenis) nach Piro torto beträgt auf der Tabula Peutingeriana 14 römische Meilen, das sind 21 km. Piro torto war nach Ansicht von Dr. Hübl damals schon eine römische Pferdewechselstation (mutatio oder mansio), denn die Verbindungsstraße von Tulln (Comagenis) nach St. Pölten (Cetium) wird aller Wahrscheinlichkeit nach vor 2000 Jahren den ungefähren Verlauf der heutigen Straße genommen haben.

„Der Standort von Piro torto ist mit Sicherheit Perschling im Perschlingtale (und nicht beim römischen Lager in Zwentendorf, das nur 14 km von Tulln entfernt ist), denn 8 römische Meilen weiter (12 km) erreicht die Straße die Station Trigisamo, die am heutigen Traisenübergang bei St. Pölten gelegen war und sicher nicht Traismauer, für das nur der Name Augustianis belegt ist.

Man kann annehmen, dass Perschling und seine Umgebung in der Römerzeit (Christi Geburt bis 500 n. Chr.) von keltischer bzw. romanischer Bevölkerung besiedelt war. Davon zeugen Gräberfunde aus Haselbach aus dem Jahr 1968. Der Bestattungsplatz lag unmittelbar an der römischen Reichsstraße Vindobona-Cetium, deren Verlauf auf Grund von Funden über Nitzing, Michelhausen, Murstetten und Pottenbrunn angenommen wird. Die Besiedelung zur Römerzeit wird auch durch den Fund eines Sesterz (röm. Münze) des K Antonius Pius (138 – 161 n. Chr.) bestätigt.

In „Darstellung des Erzberzogthums Oesterreich Unter der Ens“, erschienen 1836 in Wien, heißt es: „… Das Dorf ist uralt, und hat den Namen von dem hier vorbeifließenden Bache erhalten. Perschling war übrigens immer in eigenes Gut, und wurde erst im Jahre 1719, durch Kauf, von Anna Gräfin von Kuefstein ihren Herrschaften einverleibt. Schon unter Carl dem Großen bestand der Ort, und im Jahre 823 wurde er Persinach genannt, dann im Jahre 1320 Persnick….“ (Seiten 286, 287).

Erstnennung Perschlings im Jahr 834:

Die Erstnennung Perschling erfolgte in einer sogenannten „Traditionsnotiz“ und ist überliefert in KL Regensburg St. Emmeram, das Original befindet sich im Bayerischen Hauptstaatsarchiv in München. Auf Seite 120, ober in der 2. Zeile steht „Bersnicha“.

834: Graf Wilhelm schenkt dem Kloster Emmeram zu Regensburg sein Aigen zu Perschling (im Perschlingtale) für den Fall, dass er kinderlos bliebe.

Entwicklung des Ortsnamens

Im historischen Ortsnamenbuch von Niederösterreich, herausgegeben von Dr. Heinrich Weigl kann man die Entwicklung des Orstnamens unter anderem nachlesen:

834: ecclesia, casa, curtis in loco nominato Bersnicha
893: ad Persnicha (Fluss)

1108/1116: Persnich (Fluss)

1187: de Bersnich

1303/1306: Persnich

1475: Persing in Kapeller pharr

1591: Perschling

Entstehung und geschichtliche Entwicklung Perschlings:

Die Anfänge Perschlings als Siedlung reichen in die Zeit Karls des Großen zurück (768 – 814). Vermutlich als eine fränkische Kolonie gegründet, ist Perschling demnach eine der ältesten Ortschaften der Umgebung. Unter der im Jahr 834 beschriebenen Schenkung erwähnten „ecclesia“ ist wohl Weißenkirchen zu verstehen, wozu der „curtis“ (Hof) Bersnicha gehörte. Perschling besaß damals wie heute nur eine Kapelle (Oratorium), nicht eine eigene Pfarrkirche. Im Jahr 893 wird der gesamte Besitz zu Perschling dem Kloster Kremsmünster vermacht.

Während der Ungarneinfälle (um 900) ging Perschling zugrunde. Nach der Vertreibung der Ungarn aus dem Landstrich zwischen der Enns und dem Kahlenberg hatte Markgraf Leopold I. Mehrere da selbst früher der Kirche von Passau gehörige Güter (Kremsmünster war Passauer Besitz) eingezogen, von denen unter anderen Persnicha wieder an das Bistum Passau zurückgegeben werden musste. 1045 war die Gegend um Perschling bereits Königsgut. Bis 1719 war Perschling Herrschaftssitz unterschiedlichster Adelsgeschlechter. 1722 erscheint dann die Poststation, die vermutlich aus dem früheren Edelmannssitz umgebaut worden war.

Kriegsgeschehnisse im Ort und seiner nächsten Umgebung

In den „Geschichtlichen Beilagen der Konsistorialkurrenden der Diözese St. Pölten“ aus dem Jahr 1880 heißt es: „Die Bewohner der Ortschaften, welche im flachen Lande und an der Landesstraße gelegen sind, hatten seit urdenklichen Zeiten sehr viel unter feindlichen Einfällen, Einquartierungen, Kontributionen (Zwangsauflagen in besetzten Gebieten während eines Krieges) und Brandschatzungen zu leiden. Die Bewohner entlang der Post- bzw. Reichsstraße werden damals viele Soldaten zu Fuß und zu Pferd aber auch Plünderer und Wegelagerer gesehen haben. Im 15. Jahrhundert litt diese Gegend durch die Wirren des Bürgerkrieges zwischen Kaiser Friedrich III. Und seinem Bruder Herzog Albrecht VI. 1529 wurden im Verlauf der Türkenkriege die Kirchen in Weißenkirchen und Kapelln eingeäschert. Auch 1683 drangen die Türken in die Gegend von St. Pölten und Wilhelmsburg vor, errichteten ein Lager und verursachten Brand und Verwüstung. Als Napoleons Truppen in der Jahren 1805 und später 1809 ein zweites Mal gegen Wien marschierten, werden diese sicherlich auch durch Perschling gezogen sein. Perschling wurde selbst wenig in Mitleidenschaft gezogen, dafür aber umso mehr das benachbarte Murstetten, wo die Eindringlinge durch Plünderung, Brandlegung und Mord Schrecken verbreiteten. Auch das Innere der Pfarrkirche Weißenkirchen wurde arg verwüstet. In Murstetten wurde schließlich die Goldburg völlig zerstört aus Anlass dessen, dass man einen Soldaten beim Morgenappell zunächst vermisste und anschließend erstochen unter einer Brücke fand. Einige Überreste vom Park und der Gartenanlage wurden vom Postmeister in Perschling zur Ausschmückung seines Gebäudes nach Perschling geholt. Von den Kriegsjahren des ersten und zweiten Weltkrieges sind neben einer Reihe von gefallenen oder vermissten Soldaten, deren Namen am Kriegerdenkmal in Weißenkirchen aufgeführt sind, auch zivile Opfer durch Bombenabwurf oder Unfällen mit Sprengkörpern zu beklagen. Am 13. und 14. April 1945 kamen die Russen in die Gemeinden Weißenkirchen und Umgebung. Die Brücken über den Perschlingfluss in Kapelln und Perschling waren von den Truppen der Deutschen Wehrmacht gesprengt worden, die Brücke bei Reiserhof blieb jedoch unversehrt, was einem deutschen Unteroffizier wegen Befehlsverweigerung die Todesstrafe einbrachte. Der Vorstoß der russischen Truppen wurde im Perschlingtal/Heiligenkreuzer Wald vorübergehend gestoppt. In den folgenden Jahren wurden in Perschling russische Pferde eingestellt, Lazarette eingerichtet und Einquartierungen vorgenommen. Leute aus dem Ort wurden zu Diensten herangezogen. Von größeren Übergriffen der Besatzungssoldaten ist in Perschling im Gegensatz zu Langmannersdorf, wo am 11. Mai 1945 der Bürgermeister Karl Würschinger von heimkehrenden polnischen Arbeitern ermordet wurde, nichts bekannt. In Haselbach hatte sich ein russischer Stab einquartiert, was sich als Segen für Haselbach herausstellte, da in Folge Haselbach von Plünderern und Marodeuren verschont wurde.

[Vieles wurde der Festschrift „1150 Jahre Erstnennung Perschling“, Verfasser HOL Gerhard Weninger, 1984, entnommen, bzw. zitiert.]