Überall zu Hause – so der Titel ihrer aktuellen 8. CD – ist Christina Stürmer derzeit auf ihrer großen Deutschland-Tour mit Abstechern in Österreich und Südtirol. Am Dienstag, den 14. Mai kommt sie nach München in die TonHalle. Wie immer bei großen Karrieren – bei Christina Stürmer hält sich der Hype schon im 16. Jahr – fragen sich die Sterndeuter des Pophimmels, woran das liegen mag: dass diese „gecastete“ Sängerin, die textlich und musikalisch mit vielen anderen im selben Pop-Surrogat zu schwimmen scheint, langlebiger ist als so manches Industrieprodukt der Pop-Schlager-Industrie. Ihr Stern ging zusammen mit Juli, Silbermond und Revolverheld Anfang des neuen Jahrtausends auf. Da hatte Max Giesinger – ebenfalls ein Casting-Start Up – noch nicht mal sein Abitur gemacht. Mit Nena, die als Mutter ihrer fünf Kindern auch Christinas Mutter sein könnte, verbindet sie ein ewig Mädchenhaftes. Und vielleicht liegen ihre Wurzeln auch in dieser Mainstream-Abteilung der Neuen Deutschen Welle, begann sie doch mit ihren ersten CD´s gitarrenlastig und rockig und verband wenigstens ästhetisch und auf eine geniale Weise Punk und Pop. (Dem echten Punk mag dies zum Haaresträuben dienen) Nun ist das aber anders geworden. Zusammen mit eigener Song-Writer-Crew hat man unter der Soundregie von Eki von Nice (Juli, Polarkreis 18, Stanfour, Helene Fischer, Michael Schulte, Tim Kamrad, Callejon) die Gitarren aus dem Klangbild verbannt. Drum-Computer, Keyboards und Synthesizer dominieren. Und obwohl viele Textpassagen sich wie Sinnsprüche für Alltagsbewältigung anhören, ist da offensichtlich noch etwas, was sie abhebt von der Generation der neuen Pop-Poeten, die sich chronisch in der Welt und Regen am Strand so lockig süß verloren haben. „Überall zu Hause“ ist wohl in Zeiten des Heimat-Kults auch eine Aufforderung sich dem Fremden, der Migration unserer Tage zu stellen. Und wenn man in dieser fulminanten Karriere zurückblickt, dann stolpert man über ihr Lied „Mama Ana Ahabak“, das Kriegseindrücke eines Kindes im Irak beschreibt. Da war ihr Erfolg nach 9 Wochen Platz eins der österreichischen Charts mit „Freier Fall“ bereits programmiert. Sportfreunde Stiller hatten recht gehabt, die Fans heute wohl auch.
Text: Michael Wüst