Lamborghini Gallardo LP 570-4 Superleggera im Fahrbericht
Mit der Sanftheit einer Abrissbirne

Lamborghini lobt die Effizienz des Gallardo Superleggera – wie sich das gehört. Doch
spätestens bei der ersten Fahrt für unseren Fahrbericht steht anderes im Vordergrund: Power, Dynamik, Sound.

Lamborghini Gallardo LP 570-4 Superleggera - Fahrtaufnahme Seitenansicht
Foto: Hans-Dieter Seufert

Klick, einfach nur klick – es klingt so banal, als würde nur die Heckscheibenheizung eingeschaltet. Allerdings folgt auf dieses Geräusch im Lamborghini Gallardo Superleggera eine akustische Lawine, die den Alltagslärm unter sich begräbt. Dabei hat nur der kleine Finger an den Schaltpaddeln gezupft. Zugegeben, bei Volllast. Eigentlich läuft das in einem gewöhnlichen Lamborghini – sofern es so etwas überhaupt gibt – nicht anders ab. Doch während dort ein gediegenes Lederinterieur und eine Andeutung von Fahrkomfort mit der Leichtigkeit des Schaltens korrespondieren, steht im 570 PS starken Superleggera alles im heftigen Kontrast dazu.

Lamborghini Gallardo LP 570-4 Superleggera im Fahrbericht 20,5 Prozent weniger Spritverbrauch

Bereits das Einsteigen gleicht wegen der hochwangigen Schalensitze des Lamborghini Gallardo LP 570-4 Superleggera eher dem Einfädeln in einen Schlafsack aus Alcantara. Mit einer Schlaufe, die aus ihrer glattflächigen Karbonverkleidung baumelt, wird die Tür geschlossen. Weitere Werkstoffe lassen sich kaum ausmachen. Mehr als 1,80 Meter Körpergröße erfordern nun eine Art Hineinschrumpfen in den Sitz. Zwar parken dann die Lendenwirbel ungefähr dort, wo der Hintern sein sollte, doch die Gefahr von Kopfnüssen scheint vorerst gebannt.

Wem diese Prozedur zu viel Umstände bereitet, der fragt vermutlich auch nach dem Spritkonsum des hinter ihm lauernden V10-Triebwerks. Bitte schön: 13,5 L/100 km und damit 20,5 Prozent weniger als beim Vorgänger. Angesichts der sehr geringen Stückzahlen bliebe es vermutlich ohne Auswirkungen auf das Klima, wenn der Lamborghini Gallardo LP 570-4 Superleggera doppelt so viel verbrauchen würde – was im Alltag mancher Besitzer nicht auszuschließen ist.Wird der mittels modifizierter Elektronik und geänderter Luftführung aufgeputschte Saugmotor gezündet, verliert man ohnehin keine weitere Zeit an solche Fragen. Sein schnoddriges Aufbellen will als Aufforderung zum sofortigen Aufbruch verstanden werden. Es macht zum ersten Mal klick.

Lamborghini Gallardo LP 570-4 Superleggera im Fahrbericht: Der Allradantrieb durfte bleiben

Der erste Gang ist drin, etwas steif rollt der Lamborghini Gallardo LP 570-4 Superleggera auf seinen extra von Pirelli gebackenen Sportreifen vom Hof. Den Gummis ist kalt, kein Wunder bei Außentemperaturen um den Gefrierpunkt. Da beruhigt es ungemein, dass der mit einer Viskokupplung arbeitende Allradantrieb trotz der Diät an Bord bleiben durfte.

Auch so bleibt ein beeindruckendes Leistungsgewicht von 2,35 Kilogramm pro PS. Klick, Gang zwei. Das 5,2-Liter-Aggregat erhebt seine tiefe Stimme nur leicht, die Zeiger für Wasser- und Öltemperatur schleppen sich müde aufwärts. Schade, dass die orange-rot-gelbe Farbgebung der Instrumente ein bisschen improvisiert wirkt – glücklicherweise als einziges Detail im hochwertigen Interieur. Klick, Gang drei. Teure Kohlefaser dominiert nicht nur im Innenraum, auch außen wuchert sie aus allen Ecken der Karosserie des Lamborghini Gallardo LP 570-4 Superleggera. Darunter leisten zudem leichte Metalllegierungen ihren Beitrag zur Gewichtsersparnis von insgesamt 70 Kilogramm.

In 10,2 Sekunden rennt der Lamborghini Gallardo für unseren Fahrbericht auf Tempo 200

So sind beispielsweise die vorderen Antriebswellen nur noch daumendick, obwohl sie bis zu 30 Prozent des maximalen Drehmoments von 540 Newtonmeter verkraften müssen – wie jetzt, wenn das Gaspedal zum Bodenblech geschickt wird. Verriet eben noch bei gemütlicher Fahrt ein bassiges Blubbern das stattliche Zylindervolumen, künden nun hohe Frequenzen von Drehzahlregionen, die bei Turbomotoren zum sofortigen Zerbröseln des Laders führen würden. „So muss es sich anhören, wenn Elefanten und Kettensägen um die Wette musizieren“, denke ich als Redakteur des Fahrberichts. Klick, Gang vier. Die Umklammerung des unten abgeflachten Lenkrads nimmt proportional zur Beschleunigung zu. Innerhalb von 10,2 Sekunden lässt sich aus dem Stand die 200-km/h-Marke pulverisieren, verspricht Lamborghini.

Die Gangwechsel beim Lamborghini Gallardo erfolgen mit der Sanftheit einer Abrissbirne

Die Tachonadel hat sie längst passiert, als es wieder klickt. Gang fünf ist drin, was speziell im Corsa-Modus des E-Gear-Getriebes mit der Sanftheit einer Abrissbirne vonstattengeht. Nach jedem Gangwechsel folgt ein kurzer Blick in die kantigen Außenspiegel des Lamborghini Gallardo, ob der Schlag nicht vielleicht doch ein paar Zahnradpakete aus ihrem Gehäuse geschleudert hat. Natürlich passiert nichts dergleichen, weshalb der Corsa-Modus, zumindest jedoch die Sport-Stellung bevorzugt werden sollte. Dadurch verschärft sich – der trickreichen Klappen-Technik im Abgasstrang sei Dank – nicht nur die Geräuschkulisse. Die ruppigen, aber ultraschnellen Gangwechsel mildern auch ein wenig die konzeptionellen Nachteile der Halbautomatik.

Die Keramikbremsen bieten eine beeindruckende Verzögerung

Im Normal-Modus jedoch reichen die Schaltpausen fast, um einen Espresso zu sich zu nehmen. Überlässt man E-Gear die ganze Arbeit (Vollautomatik), darf es quasi ein Cappuccino sein. Klick, Gang sechs. Jenseits von 280 km/h halten die Flügel und der Diffusor den Lamborghini Gallardo fest am Boden – eine Aufgabe, der das Spoiler-Ensemble auch beim Bremsen aus solchen Geschwindigkeiten zuverlässig nachkommt. Die optional in Keramik-Verbundbauweise ausgeführten Scheiben, die an der Vorderachse von Sechskolbensätteln in die Zange genommen werden, bieten eine beeindruckende Verzögerung – wenn sie ihre Betriebstemperatur erreicht haben und der Fahrer beherzt zutritt. Ein klar definierter Druckpunkt fehlt hier ebenso wie im Basis-Gallardo. Dagegen lassen die um acht Prozent strafferen Dämpfer zusammen mit den härteren Federn die Insassen nicht im Unklaren über den aktuellen Straßenzustand. Ebenso wurden die Stabilisatoren und die Achslager verstärkt – und etwaige Komforttendenzen effektiv eliminiert.

Hinterhältigkeit ist dem Lamborghini Gallardo Superleggera fremd

Mangels Federweg bekommt der Allradantrieb speziell auf welliger Fahrbahn alle Differenziale voll zu tun, um die Motorleistung in Traktion umzuwandeln. Das gelingt so gut, dass der Fahrer selbst bei deaktiviertem ESP nicht fürchten muss, mit dem imposanten Heckflügel Begrenzungspfosten zu halbieren. Hinterhältigkeit ist dem Lamborghini Gallardo Superleggera also fremd. Auf öffentlichen Straßen fühlt sich dieser wilde Stier dennoch so wohl wie in einem Hühnerstall. Doch das war eigentlich schon klar, bevor es das erste Mal klick gemacht hat.

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Technische Daten
Lamborghini Gallardo LP 570-4 Superleggera Superleggera
Grundpreis208.726 €
Außenmaße4386 x 1900 x 1165 mm
Kofferraumvolumen110 l
Hubraum / Motor5204 cm³ / 10-Zylinder
Leistung419 kW / 570 PS bei 8000 U/min
Höchstgeschwindigkeit325 km/h
Verbrauch13,5 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 10 / 2024
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Erscheinungsdatum 25.04.2024

148 Seiten