Was die Kleidungsstücke der orthodoxen Juden bedeuten

An Hut und Schläfenlocken ist erkennbar, zu welcher Strömung der Träger gehört.

Zwei orthodoxe Juden bereiten sich mit dem Anlegen eines jüdischen Gebetsriemens (Tefillin) auf ein Gebet vor.
Zwei orthodoxe Juden bereiten sich mit dem Anlegen eines jüdischen Gebetsriemens (Tefillin) auf ein Gebet vor.picture alliance / dpa

Berlin-Wer in Berlin spazieren geht, wird nur selten auf Menschen treffen, die sich schon durch ihre Kleidung als Juden zu erkennen geben. Der Grund ist, dass viele Juden säkular leben. Nur wenn sie zum Gottesdienst in eine Synagoge gehen, setzen sich die Männer eine Kippa auf.

In der Nähe der orthodoxen Gemeinden trifft man sie dann aber schon, die Männer in durchgehend schwarzer Kleidung mit Hut und Bart und die Frauen in langen Röcken, die ebenfalls ihren Kopf bedeckt halten, meist mit einem Tuch. Das ist ihre Alltagskleidung. Der theologische Ursprung mischt sich hier mit anderen Wurzeln und Motiven wie der Tradition und bestimmten Moralvorstellungen.

Spezielle Gebetskleidung der Rabbiner

Dann gibt es noch eine spezielle Gebetskleidung, wie sie die Rabbiner im Gottesdienst tragen. Diese ist eine komplizierte Angelegenheit. Fäden hängen an den Hemden der Männer herunter. Sie tragen spezielle Tücher, Riemen und kleine Schachteln.


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Bei den Orthodoxen tragen Frauen keine Männerkleidung und auch keinen Gebetsmantel. Dies wird mit dem Talmud, einer der bedeutendsten Schriften des Judentums begründet. Demnach soll die Frau in erster Linie für Heim und Familie da sein. Auf dem Weg zur Gleichberechtigung haben sich jüdische Frauen in den vergangenen hundert Jahren allerdings auch gegen diese Vorschriften erfolgreich zur Wehr gesetzt. In Berlin wird in der Synagoge an der Oranienburger Straße zum Beispiel der Gottesdienst von einer Rabbinerin geleitet: Gesa Ederberg. Frauen und Männer wirken dort gleichberechtigt an den Ritualen mit. Gesa Ederberg trägt ebenso Gebetsmantel und Kippa wie ihre männlichen Rabbinerkollegen.

Übersicht: Kleidungsstücke der orthodoxe Juden

Tefillin

An Riemen sind zwei lederne Schächtelchen befestigt, die Pergamentstückchen mit ausgewählten Torastellen enthalten. Der eine Riemen wird bei Rechtshändern siebenmal um den linken Arm gewickelt, dreimal um die Hand und um den Ringfinger. Er erinnert daran, Gott mit aller Kraft zu dienen. Die andere Schachtel wird mit den Riemen um den Kopf gebunden und steht für geistige Loyalität.

Der jüdische Gebetsriemen (Tefillin).
Der jüdische Gebetsriemen (Tefillin).BLZ

Die Kopfbedeckung

Der Brauch, eine Kopfbedeckung zu tragen, ist weit verbreitet, wird aber nicht von allen Juden gepflegt. Heutzutage glauben die orthodoxen und viele konservative Juden, dass es ein Ausdruck der Gottesfurcht ist, sich den Kopf zu bedecken. Die bekannteste Kopfbedeckung ist wohl die Kippa.

Kippa

Bunt gehäkelt, ganz schwarz, schwarz mit goldenem Schriftzug auf dem Rand, weiß gestrickt mit kleiner Bommel – die Form der Kippa kann, muss aber nicht  zwingend etwas über die religiöse Haltung  ihres Trägers
aussagen.

Streimel/Schtreimel oder Fellhut

Nicht jeder Fellhut ist ein Schtreimel. Die Tradition des Fellhuts kommt aus Polen oder Russland und basiert auf alten Trachten des dortigen Adels. Er erinnert an eine russische Krone, die auch einen Fellbesatz hat. Unterschiedliche Fellhüte werden in fast allen Chassidischen Gemeinschaften getragen.

Grundsätzlich kann man am Hut beziehungsweise der Kopfbedeckung eines Juden die Zugehörigkeit zu seiner jeweiligen Glaubensrichtung ablesen, jedoch nicht aber den Grad seiner Religiösität. Folgende Unterscheidungsmerkmale in der Form gibt es:

  • Die Höhe des Hutes.
  • Ob der Hut abgerundet ist, oder kantig.
  • Ob der Hut oben eine Delle hat.
  • Die Art der Krümmung der Krempe.
  • Die Seite auf der das Hutband vernäht ist.

Pejes

Die markanten Schläfenlocken zu tragen, folgt einem Gebot aus dem 3. Mose. Sie sollen die Energie des Geistes kanalisieren.

Tallit (Gebetsmantel)

Ein Tallit ist ein viereckiges Tuch aus Wolle, Baumwolle oder Seide. Die Farbe ist meistens Weiß oder Creme. Oft ist der Tallit mit schwarzen oder blauen Streifen verziert. Besonderes Charakteristikum des Mantels  sind die Zizijot (Plural von Zizit). Das sind vier lange weiße Fäden aus Wolle, die mehrfach geknotet sind. Ein jüdischer Junge trägt zum ersten Mal einen Tallit  im Alter von dreizehn Jahren bei seiner Bar Mitzwa. Der große Tallit wird zum  Gebet  getragen. Viele praktizierende Juden tragen zusätzlich unter ihrer Kleidung einen Tallit Katan – einen kleinen Tallit.

Gartl (Gürtel)

Die Chassidim und viele orthodoxe Juden tragen  einen Stoffgürtel um die Taille. Der Brauch wurde eingeführt, damit der Mensch immer daran erinnert wird, dass es einen Unterschied zwischen dem oberen und dem unteren Teil des Körpers gibt.

Rekl

Diese Jacken werden von chassidischen Juden getragen. Es sind Sakkos oder bis zu zehn Zentimeter unter das Knie reichende Kaftane mit zwei Knopfreihen, deren rechte Seite über die linke geknöpft wird. Unter dem langen Kaftan sind oft
Knickerbocker zu finden, da sie im 19. Jahrhundert sehr populär waren. Während der Woche trägt man dazu schwarze Socken, samstags die feierlichen weißen.

Verheiratete Frauen

Die Frauen der ultraorthodoxen Juden scheren sich den Kopf oder bedecken ihr Haar mit einer Perücke. Orthodoxe Frauen tragen eine Mütze, einen Hut oder ein Kopftuch. Wie bei ihren Männern darf die Kleidung keinesfalls freizügig sein: Die Arme sollten bedeckt sein, die Röcke sind lang.