Knapp fünftausend Menschen haben ihren Hauptwohnsitz in Neudörfl

Erstellt am 10. Februar 2024 | 12:00
Lesezeit: 4 Min
Neudörfl Luftansicht
Die Einwohnerzahl Neudörfls (hier zu sehen die Mittelschule und das Rathaus im Hintergrund) ist 2023 gegenüber dem Jahr davor leicht angestiegen.
Foto: Gemeinde Neudörfl
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Jährlich veröffentlicht die Marktgemeinde Neudörfl zu Jahresbeginn unter anderem die Einwohnerbilanz per Stichtag 31. Dezember des jeweiligen Vorjahres im Mitteilungsblatt. Die Daten bezieht die verantwortliche Mitarbeiterin von der Statistik Austria. Zumindest eine Angabe sticht darin auf den ersten Blick ein wenig hervor: Auch eine obdachlose Person scheint in der Tabelle auf.

4.973 Menschen hatten mit Stichtag 31. Dezember 2023 ihren Hauptwohnsitz in Neudörfl gemeldet. Das sind um 48 Personen (knapp ein Prozent) mehr als zum selben Zeitpunkt im Jahr 2022. Auch die Zahl der Nebenwohnsitze in Neudörfl ist leicht angestiegen: Von 594 auf 606. In der Statistik werden somit 5.580 Einwohner angeführt (Anm.: Die tatsächliche Einwohnerzahl wird allerdings auf 5.530 korrigiert, da 50 Personen doppelt berücksichtigt wurden. Das heißt, sie haben sowohl einen Haupt- als auch Nebenwohnsitz in Neudörfl).

Seit einigen Jahren lebt ein Obdachloser in Neudörfl

Summiert man die Anzahl der Haupt- und Nebenwohnsitze und stellt diese der Zahl von 5.580 Einwohnern gegenüber, merkt man, dass eine Differenz offen bleibt; eine Person scheint zu fehlen. Neben Hauptwohnsitz und Nebenwohnsitz gibt es allerdings noch eine dritte Kategorie: „Obdachlos“. Hierunter wird eine Person aufgelistet, die somit die Rechnung zum richtigen Ergebnis führt. Für Bürgermeister Dieter Posch ist das keine Neuigkeit. „Ich kenne den Herren“, sagt er. „Er ist meines Wissens aus Kärnten und hat diese Form der Lebensweise offenbar selbst für sich in dieser Weise gewählt.“ Er sei also nicht jemand, der durch unglückliche Umstände auf der Straße gelandet ist. „Ich weiß, dass manche ihm auch Decken und dergleichen angeboten haben. Er lehnt das allerdings ab und sagt, er brauche keine Hilfe.“ Hilfe würde ihm selbstverständlich von der Gemeinde angeboten werden. „In Neudörfl muss niemand unverschuldet auf der Straße leben“, sagt Bürgermeister Dieter Posch. „Dafür gibt es Präventionsmaßnahmen, ein enges soziales Netz und Sozialhilfeangebote.“ Am Sitz der Gemeindeverwaltung, dem Rathaus, hat der Mann eine postalische Adresse, ein Mitarbeiter der Gemeinde bringt ihm amtliche Schriftstücke. „Das quittiert er zwar meistens mit den Worten 'das interessiert mich nicht“. Im Rathaus werfen wir diese Zusendungen dennoch nicht zum Altpapier.“ In irgendeiner Weise auffällig sei er bisher nicht geworden. 2022 wird er ebenfalls schon als obdachlos vermerkt. Der Bürgermeister denkt, dass er seit ungefähr drei Jahren auf Neudörfls Hotter kampiert. Das Grundstück befindet sich allerdings nicht im Eigentum der Gemeinde.

Anteil der Neudörfler ohne österreichische Staatsbürgerschaft beträgt knapp 14 Prozent

Neben Haupt- und Nebenwohnsitz wird unter anderem auch die Verteilung zwischen „Inländern“ und „Ausländern“ in der Statistik berücksichtigt. Der Anteil der Ausländer beträgt mit Ende 2023 in Neudörfl 13,94 Prozent (in absoluten Zahlen: 778; 2022 waren es 748). Auf die Frage, ob dieser Prozentanteil eine gute Integration in Neudörfl ermögliche, antwortet der Bürgermeister mit der Gegenfrage, ob man Unruhen oder Proteste diesbezüglich wahrnehmen würde. Dem sei nicht so. Bürgermeister Dieter Posch glaubt auch nicht, dass in diesem Prozentbereich oder darüber der Punkt entstehen könnte, an dem etwas ins Kippen gerät. „Die Gemeinde hat kein Mitspracherecht, wer an wen sein Haus bzw. seine Eigentumswohnung vermietet oder verkauft. Wir können nur für ein Klima der Toleranz und der gegenseitigen Wertschätzung sorgen, und das schaffen wir offensichtlich ganz gut. Menschen oder Parteien, die meinen, kollektive Feindbilder schaffen zu müssen, sind bei uns dank aufgeschlossener Politik nicht mehrheitsfähig.“

Statistik Neudörfl 2023
Die Daten stammen vom Statistischen Zentralamt und wurden in der Jännerausgabe der Gemeindezeitung veröffentlicht.
Foto: Gemeindezeitung

Eine Zahl in der Kategorie Einwohnerbewegung könnte man ebenfalls noch versuchen genauer zu analysieren: 17 Personen mit ukrainischem Pass sind 2023 aus Neudörfl wieder weggezogen (acht kamen im selben Jahr nach Neudörfl). Ist das ein Zeichen dafür, dass Menschen aus der Ukraine wieder verstärkt in ihre Heimat zurückkehren? Dieter Posch meint, dass das nicht notwendigerweise der Fall sein muss. Er kenne die Geflüchteten aus der Ukraine, die in Neudörfl zu Beginn des Krieges ankamen. „Vier junge Leute haben zum Beispiel gesagt, sie wollten ohnehin nach Kanada oder die USA ausreisen. Der russische Angriff hat den Zeitpunkt vorverlegt, Neudörfl war also nur Zwischenstation. Eine Frau hat in Salzburg eine Saisonsarbeit gefunden und ist dorthin gezogen. Einige ältere Damen haben sich die Sache offensichtlich anders vorgestellt und sind zurückgekehrt. Wieder andere sind zu größeren Communities in Städte wie Wien gerzogen. So gibt es hinter jeder Zahl eine eigene Geschichte.“

Fünf Prozent der Gesamtfläche Neudörfls sind Baufläche

Auch die Flächennutzung in Neudörfl wird gesondert angeführt. Manchmal wird das Argument vorgetragen, es werde zu viel gebaut in der Gemeinde. Rein faktisch gesehen sind 5,1 Prozent oder 56 ha der insgesamt 9,68 km² Gesamtfläche Neudörfls Baufläche. Der größte Teil der Marktgemeinde ist landwirtschaftliche Nutzfläche (31,5 %, 284 ha) und Wald (29,7 %, 268 ha). Von Flächenfrass könne also keine Rede sein: „Wir versuchen zunehmend auch alte Häuser, in denen vielleicht früher einmal eine Witwe alleine gewohnt hat, umzubauen in Wohnungen, in denen mehrere Leute Platz zum Leben finden können. Die verbaute Fläche bleibt damit im Grunde gleich, aber wir setzen das um, was alle Zukunftsforscher anraten, nämlich verdichtet und kurze Wege schaffen, anstatt in die Breite zu wachsen.“