Erwin Steinhauer mit Tochter Iris: "Ihr seid allein gelassen, weil die Großeltern noch arbeiten. Außerdem bin ich sicherlich nicht das Idealbild des Großvaters. Ich bin zu wenig verfügbar."

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Iris Steinhauer über Erziehung: "Was ich von meinem Vater sicher nicht übernehmen werde, ist dieses typisch Elternhafte: Das ist so, weil ich es sage!"

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Erwin Steinhauer erinnert sich: "Wenn ich abends. nach Hause kam, hatten mir die Kinder oft Liebesbriefe auf die Fußmatte gelegt: 'Papi, wie war heute dein Publikum? Ich schicke dir tausendeinundsiebzigundhundertdreimillionen Bussi.'"

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derStandard.at: Herr Steinhauer, sie haben das Bildungssystem als Vater dreier Kinder erlebt und jetzt noch als dreifacher Großvater. Ist es besser geworden?

Erwin Steinhauer: Es hat sich zumindest viel getan. Aber keine Frage: Es ist immer noch weit davon entfernt, ideal zu sein. So führt meines Erachtens an der gemeinsamen Schule der Zehn- bis 15-Jährigen kein Weg vorbei. Was mir auffällt: Wir mussten noch viele überflüssige Sachen stur auswendig lernen. Ich bin ja ein 1951er-Jahrgang, bei uns haben sie noch in der achten Klasse nachgemessen, ob der Seitenrand auch wirklich 2,5 Zentimeter beträgt.

Iris Steinhauer: Pfuh, das gab es bei mir nicht mehr.

Erwin Steinhauer: Immerhin! Eine Verbesserung! Der Seitenrand ist weggefallen.

derStandard.at: Frau Steinhauer, Ihr dreijähriger Sohn geht noch in den Kindergarten. Denken Sie schon über die Schulwahl nach?

Iris Steinhauer: Ich habe da noch Zeit. Was mich aber schon beschäftigt, ist die Frage, wie das Kind am Nachmittag betreut wird und wie wir die langen Sommerferien schaffen. In den Ferien sind Eltern weitgehend allein gelassen.

Erwin Steinhauer: Weil die Großeltern keine Zeit haben.

Iris Steinhauer: Als mein Bruder und ich Kinder waren, hatten meine Eltern das Glück, dass die Großeltern immer da waren.

Erwin Steinhauer: Meine Eltern waren tatsächlich permanent greifbar. Sie haben sogar zwei Stockwerke unter uns gewohnt. Außerdem war mein Vater Beamter und ging schon mit 55 in Pension.

Iris Steinhauer: Und was machen wir?

Erwin Steinhauer: Ihr seid allein gelassen, weil die Großeltern noch arbeiten. Außerdem bin ich sicherlich nicht das Idealbild des Großvaters. Ich bin zu wenig verfügbar.

Iris Steinhauer: In den Ferien haben wir jedenfalls keine Hilfe. Für Leon brauche ich dann dringend eine gute Ganztagsschule.

Erwin Steinhauer: Leider wird mit dem Thema Bildung nicht gut umgegangen. Es hat offenbar keinen hohen Stellenwert, denn sonst dürfte niemals durch Einsparungen bei der Bildung das Budget saniert werden. Das Geld von den Gesamtschulen wegzunehmen, das sind Signale! Schrecklich.

derStandard.at: Wird Ihr Sohn in eine öffentliche oder eine private Schule gehen?

Iris Steinhauer: Ich hoffe, dass bis zu Leons Schuleintritt die Gesamtschule endlich breit umgesetzt ist.

Erwin Steinhauer: Meine älteren zwei Kinder, also Iris und Matthias, sind in eine katholische Privatschule gegangen, weil dort auch der Kindergarten war. Ich musste nur, weil beide nicht getauft sind, eine Bestätigung unterschreiben, dass ich zu Hause nicht gegen den Religionsunterricht arbeite. Später wurde mir dann aber mitgeteilt, ich möge die Iris aus dem Religionsunterricht nehmen, weil sie so blöde Fragen stellt.

Iris Steinhauer: Das hatte ich schon vergessen.

derStandard.at: Haben Sie viel vom Erziehungsstil Ihres Vaters übernommen, oder versuchen Sie die Dinge anders zu machen?

Erwin Steinhauer: Ha! Auf die Antwort bin ich jetzt gespannt.

Iris Steinhauer: Was ich von dir immer gehört habe, war dieses "Nein!", also die Dinge in Frage zu stellen und nicht als gegeben hinzunehmen. Das war meinem Vater wichtig.

Erwin Steinhauer: "Nein" ist das wichtigste Wort im Leben.

Iris Steinhauer: Ich versuche bei Leon alle Fragen zu beantworten, solange das möglich ist. Momentan ist es das ständige "Warum?". Was ich von meinem Vater sicher nicht übernehmen werde, ist dieses typisch Elternhafte: Das ist so, weil ich es sage!

Erwin Steinhauer: Okay, es kürzt aber vieles wahnsinnig gut ab.

Iris Steinhauer: Es ist nur bequem.

Erwin Steinhauer: Der Leon hat jetzt schon einen starken eigenen Willen. Da bin ich gespannt.

derStandard.at: Wie ist es, Erwin Steinhauer als Vater zu haben?

Iris Steinhauer: In der Schule war es teilweise eher ein Nachteil. Mein Vater ist einmal von einem Elternsprechtag zurückgekommen, und da war das Feedback: Die glaubt, sie ist etwas Besonderes. Der werden wir es zeigen.

Erwin Steinhauer: Das empfindet mein jüngstes Kind, der Stani, auch oft so.

derStandard.at: Haben Sie sich als Kind die Kabarettprogramme angesehen?

Iris Steinhauer: Ja. Aber dadurch, dass die sehr politisch waren, habe ich damals als Kind nicht so viel damit anfangen können. Ich habe mir einzelne Figuren gemerkt. Was ich sehr gern hatte, war, wenn er gesungen hat. Ich habe ihn jetzt auch jahrelang getriezt, dass er endlich wieder singt.

derStandard.at: Kabarett ist für Sie aber kein Thema mehr, oder?

Erwin Steinhauer: Sag niemals nie! Im Herbst kommt ein Programm von mir mit dem Titel "Hand aufs Herz". Das ist ein rein musikalisches Programm, in dem ich aber sicherlich meine künstlerische Heimat, woher ich komme, nicht verleugnen kann.

derStandard.at: Was ist die bessere Rolle: Vater oder Großvater?

Erwin Steinhauer: Mein jüngster Sohn Stani ist 14 Jahre alt, und er braucht mich eigentlich rund um die Uhr. Das und die Rolle als Opa unter einen Hut zu bringen ist schwer. Aber ich muss gestehen, dass mir die Vaterrolle lieber ist. Man hat zwar mehr Verantwortung, aber kann auch mehr bewirken. Mit Kindern ist es ja manchmal auch ein Kampf. Ich lese heute noch manchmal Briefe von der Iris. Schrecklich!

Iris Steinhauer: Ja, zeitweise habe wir es uns schon richtig gegeben. Es gab sogar Zeiten, wo wir nicht miteinander geredet, sondern nur per Brief kommuniziert haben.

Erwin Steinhauer: Aber die Kommunikation war aufrecht. Immerhin. Ein großer Punkt der Auseinandersetzung war das Telefon. Ich habe in meiner grenzenlosen Idiotie jedem meiner Kinder ein eigenes Telefon ins Zimmer gestellt. Iris hatte dann einen Freund in Neapel. Nach einer Mega-Telefonrechnung habe ich das Telefon sperren lassen, aber Iris hat einen Weg gefunden, diese Sperre zu umgehen. Das war sehr, sehr teuer.

derStandard.at: Sie waren eine Zeitlang Alleinerzieher.

Erwin Steinhauer: Iris und Matthias zogen mit etwa zwölf Jahren zu mir. Ich hatte damals oft wochenlang am Abend Auftritte und hatte eine Babysitterin. Wenn ich nach Hause kam, hatten mir die Kinder oft Liebesbriefe auf die Fußmatte gelegt: "Papi, wie war heute dein Publikum? Ich schicke dir tausendeinundsiebzigundhundertdreimillionen Bussi."

derStandard.at: Wenn Sie eine Erziehungsbilanz ziehen müssten: Haben Sie alles richtig gemacht?

Erwin Steinhauer: Um Gottes willen! Ich fühle mich privat eher total gescheitert, weil ich schon der Meinung bin, dass die ideale Form der Familie ist, wenn Kinder bei Mutter und Vater aufwachsen.

derStandard.at: Das ist eine sehr konservative Einstellung.

Erwin Steinhauer: Absolut. Ich bekenne mich auch dazu.

Iris Steinhauer: Ich sehe das nicht so streng. Viele Bezugspersonen unterschiedlichen Alters können für Kinder auch eine Bereicherung sein.

derStandard.at: Ist Österreich kinderfreundlich?

Erwin Steinhauer: Ich glaube, dass Haustiere in Österreich immer noch wichtiger sind als Kinder. Dass man sich eher von Kinderlärm gestört fühlt als vom Bellen der Hunde.

Iris Steinhauer: Mein Sohn hat vor zwei Tagen einen Tobsuchtsanfall im Supermarkt bekommen, und ein alter Mann hat sich sofort fürchterlich über den Lärm aufgeregt. Ich habe nur gesagt: "Gehen Sie in die Sauna, dort ist a Ruah!" Es wäre schön, wenn es auch bei uns normaler wäre, dass Kinder einmal laut sind, etwas umwerfen. Denn wenn man sich als Eltern als eine Art Störenfried vorkommt, dann geht man nicht überall hin.

derStandard.at: Sie haben sich beide auch für die SPÖ engagiert. Frau Steinhauer, hatten Sie je Ambitionen, Politikerin zu werden?

Iris Steinhauer: Mich hat eigentlich mehr interessiert, wie das politische System funktioniert. Ich habe als Juristin im SPÖ-Klub im Parlament gearbeitet, den Wunsch, Politikerin zu werden, hatte und habe ich aber nicht.

Erwin Steinhauer: Es ist schon so, dass du in diesem Klima aufgewachsen bist. Sozialdemokratie und Steinhauer ist ja eine lange Geschichte. Mein Großvater, der wie mein Vater bei der Feuerwehr war, hat im 1934er-Jahr bei Löschungen mit dem weißen Löschschaum immer rote Nelken in den Schaum geworfen. Ihm ist nichts passiert. 1938 musste er dann, weil er mit einer Jüdin verheiratet war, bei der Feuerwehr aufhören - oder sich scheiden lassen. Da gab es den ersten wirklichen Einbruch im Verhältnis zur Sozialdemokratie. Der Mann, der die "Politische", also den kleinen illegalen Beitrag für die damals verbotene SPÖ, kassiert hat, stand nach dem Einmarsch der Nazis neben meiner Großmutter, die als Jüdin das Trottoir reinigen musste, und blickte auf sie herab. Ich war zwar SPÖ-Mitglied, weil ich mit einer Studienkollegin eine Arbeit geschrieben hatte, für die man Zutritt in die Archive brauchte. Und da wäre ich ohne Parteibuch damals nicht hineingekommen. Aber 1983 bin ich anlässlich der rot-blauen Koalition ausgetreten.

derStandard.at: Wissen Sie schon, wen Sie bei der EU-Wahl wählen? Ist die SPÖ noch eine Option?

Erwin Steinhauer: Nein. Für mich ist das klar. Ich wähle die Grünen.

Iris Steinhauer: Ich habe noch keine Wahl ausgelassen. Das war bei uns zu Hause auch wichtig. Es wurden richtige Events daraus gemacht.

Erwin Steinhauer: So ein Wahltag war bei uns ein richtiger Familientag, damit jeder das Bewusstsein hat, dass dies ein wichtiger Tag ist, an dem man teilhaben muss. Das haben die Kinder eingeimpft bekommen. Oft hatten wir sogar selbstgebastelte Parteifahnen.

Iris Steinhauer: Genau. Mit denen haben wir bei den Hochrechnungen immer gewachelt. Nur die FPÖ-Fahne, die wollte nie jemand halten. (Peter Mayr, derStandard.at, 24.5.2014)