Alles Gute! Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden zeigen eine Ausstellung von und für Gerhard Richter.
Foto: EPA / WALTER BIERI

Der große deutsche Künstler wird 2022 nicht nur 90 Jahre alt. Er hätte heuer auch 60 Jahre künstlerische Tätigkeit gefeiert, 2020 beendete er jedoch offiziell seine malerische Karriere. "Irgendwann ist eben Ende", hatte er mit einem Schmunzeln vermeldet. 1962 begann der 1932 in Dresden geborene Richter offiziell als Künstler zu arbeiten. Sein umfangreiches Werkverzeichnis umfasst heute beinahe 1000 Arbeiten.

Er gilt als einer der bedeutendsten Künstler der Gegenwart, seine Kunstwerke zählen zu den teuersten des Kunstmarkts (Spitzenwert: 41 Millionen Euro). Das hatte den scheuen Maler aber nie wirklich interessiert. Er selbst bezeichnet sich als Bildermacher, gibt ungern Interviews und zog sich in den letzten Jahren immer mehr zurück. Der Stil des Ausnahmekünstlers bestand stets darin, sich auf keinen festzulegen. Ein kleiner Streifzug:

1. Übermalte Akte

Wenige Monate vor dem Bau der Berliner Mauer floh Gerhard Richter mit seiner damaligen Frau Ema aus der DDR in die Bundesrepublik. Das Bild Ema (Akt auf der Treppe) entstand 1966 und gilt als erstes farbiges "Fotobild" in Richters Werk. Die private Aufnahme, die angeblich an einem Sonntag im Stiegenhaus seines Düsseldorfer Ateliers entstand, übertrug er auf eine großformatige Leinwand, verwischte die Farbe mit einem trockenen Pinsel und ließ sie so in seinem typischen verschwommenen Stil erscheinen.

Die Technik wurde zum Markenzeichen des Künstlers und das Gemälde zu einem seiner bekanntesten Arbeiten. Weibliche Aktdarstellungen entwickelten sich Ende der 1970er-Jahre zu einem seiner Schwerpunkte.

2. Poppige Farbfelder

Seine ersten Farbtafeln malte Richter – von der Pop-Art inspiriert – noch von echten Farbmusterkarten ab. In den 70er-Jahren setzte er diese Auseinandersetzung mit Farben und ihren Abstufungen, beispielsweise 1974 mit 1096 Farben, und in seinem späteren Werk mit Rastern und minimalistischen horizontalen Streifen fort. Diese geometrischen Abstraktionen gipfelten 2007 in der Gestaltung des Südfensters im Kölner Dom, das er aus 11.500 Glasquadraten und 72 Farben entwarf und von einem Computerprogramm nach Zufallsprinzip festlegen ließ.

Richter kommentierte, dass er nie einen Farbrausch erschaffen wollte, sondern etwas Alltägliches: "Nicht zu warm, nicht zu kalt, zurückhaltend, so neutral, wie es geht."

3. Ikonische Kerzen

Als der Künstler Anfang der 1980er-Jahre in Düsseldorf die Abstraktion erforschte und diese bis Ende der Dekade seine Praxis dominieren ließ, entwickelte er zeitgleich eines seiner bekanntesten figurativen Sujets: die Kerze. 1982 und 1983 entstand eine Werkreihe aus knapp 30 Gemälden mit einer bis drei brennenden Kerzen. Vor reduziertem Hintergrund flackern diese realistischen Darstellungen in verschwommener Schattierung – und sind auch als Symbol für den stillen Protest der DDR-Bürgerinnen und -Bürger gegen das sozialistische Regime zu interpretieren.

Als zu Beginn der Pandemie sein Werk Klorolle als Sinnbild verwendet wurde, zeigte er sich irritiert. Eher würde er seine Kerzen als Motiv der Krise und Zeichen des Trosts sehen.

4. Historische Aspekte

Immer wieder setzte sich Richter mit historischen und politischen Aspekten auseinander. Als Ergebnis seiner Beschäftigung mit der zu Beginn der 1970er-Jahre aktiven linksradikalen Terrorvereinigung Rote-Armee-Fraktion (RAF) schuf er Ende der 1980er den 15-teilige Zyklus 18. Oktober 1977, dessen Titel auf den Todestag der RAF-Mitglieder Gudrun Ensslin und Andreas Baader Bezug nimmt.

Früh und intensiv befasste er sich auch mit dem Holocaust und der Frage, wie dieser in der Kunst dargestellt werden könne: 2014 entstand der Bilderzyklus Birkenau, wofür er vier Fotografien aus dem Konzentrationslager vergrößerte und abstrakt übermalte. Ab 2023 sollen sie in einem eigenen Raum in der Berliner Nationalgalerie permanent unterkommen.

5. Ewige Landschaften

Eines der konsequentesten Motive in Richters malerischem Schaffen ist die Landschaft, besonders von Mitte der 1960er bis in die 2000er-Jahre. Landstriche, Seeblicke und Himmelsausschnitte machen etwa ein Fünftel seines Werks aus, wurden aber immer eher als Stiefkind seines Œuvres behandelt.

Es sind einfache Szenen, die ebenfalls stets auf Fotovorlagen basieren: Wiesen, Felder, Bäume, Berge. Immer wieder kehrte Richter zu ihnen zurück und erweiterte sie. In seinen jüngsten Landschaftsbildern flossen mehr abstrakte Elemente ein, Schleier aus Ölfarbe ziehen über Farbfotografien.

Richter nennt sie "Kuckuckseier": Ihre Motive sind der deutschen Romantik entlehnt, ohne ihre geistige Tradition fortzusetzen. (Katharina Rustler, 6.2.2022)