Die Bewohner von Gosdorf klaubten zusammen, was von ihrer Existenz übrig ist.
Alexander Danner

So als sei nichts gewesen. Die Sonne blinzelt durch die Wolken, der Rasen in den Gosdorfer Gärten an der steirisch-slowenischen Grenze strahlt in sattem Grün, der kleine Sassbach strudelt friedlich dahin. Und die Gasthäuser entlang der "Sterzautobahn", die von Kukuruzfeldern gesäumt ist und in Gosdorf endet, haben wieder ein paar Tische und Sessel im Freien stehen.

Alles hier im Grenzgebiet scheint seinen gewohnten Gang zu nehmen. Nur etwas irritiert an der Idylle: Aus den Kellern fast aller Häuser schlängeln sich weiße Schläuche. Auch beim ehemaligen Gosdorfer Bürgermeister Toni Vukan. "Binnen Minuten hat’s das Wasser durch die geschlossenen Kellerfenster gedrückt, es kam aus allen Ritzen und durch den Luftschacht." Vukans Garten war ein See, jetzt bleiben noch die Wassermengen im Keller, die abgepumpt werden müssen. Der laute Sauger läuft ununterbrochen. "Wir sind eh noch glimpflich davongekommen nach diesem Katastrophenregen", sagt Vukan.

Maria Saal stand am Montag noch unter Wasser.
APA/WOLFGANG JANNACH

Unwetter-Hotspot

Gosdorf ist der Hotspot des vergangenen Unwetterwochenendes. Der Sturzregen hat binnen weniger Minuten den ganzen Ort unter Wasser gesetzt. Die Feuerwehr, schildert der Murecker Kommandant Alexander Amschl, habe sich nur noch in Booten fortbewegen können, denn das Einsatzfahrzeug stand unter Wasser. Wie auch das Gosdorfer Feuerwehrhaus. Ein Feuerwehrmann, der dort in der Einsatzzentrale tätig war, musste per Boot gerettet werden.

Am Montag dann gute Nachrichten: Die Pegel in den Überschwemmungsgebieten im Süden Österreichs waren dabei, sich zu normalisieren. Die Lage bleibt dennoch instabil: Das Wasser hat das Erdreich labil gemacht, Hangrutschungen sind weiter das größte Problem.

Die Feuerwehr im Einsatz.
Alexander Danner

Ein Tisch, zwei Sessel, ein Spiel

In Gosdorf seien 120 der rund 260 Häuser vom Hochwasser betroffen, sagt Feuerwehrmann Amschl. Wobei der Begriff "betroffen" im Fall der Familie Leitgeb die Realität nicht wirklich beschreibt. "Mir ist jetzt alles wurscht. Ich hab nichts mehr zu verlieren", sagt Michaela. Sie und ihr Mann Herbert haben das alte Haus mühevoll saniert. 300.000 Euro Kredit aufgenommen, die Hälfte zurückgezahlt, und von einer Minute auf die andere: alles weg. Das kleine Anwesen ist nur noch ein Rohbau, das Wasser hat alles zerstört. "Ein Tisch, drei Sessel und ein Spiel sind intakt."

Im Hof stapeln sich die aufgefundenen Habseligkeiten: ein paar Kerzenpackungen, ein Helm, Pflanzentöpfe. Freunde, Nachbarn, Verwandte sind gekommen, um anzupacken. Böden werden rausgerissen, Putz von den Wänden geschlagen. Es wird Wochen dauern, bis es wieder einigermaßen trocken sein wird. "Wir wollen alles renovieren und hierbleiben. Haben aber keine Ahnung, wie wir das alles finanzieren können", sagen Michaela und Herbert Leitgeb.

Die Gemeinde beginnt mit ersten Schadenserhebungen. Bis der Katastrophenfonds greift, wird es dauern. "Da kommt ja noch dazu, dass viele Versicherungen für solche Elementarereignisse nur Pauschalen von einigen Tausend Euro zahlen", sagt Toni Vukan, in seinem Keller stehend.

Weiterhin drohen Hangrutsche – wie jener gewaltige in Globasnitz.
Fotos: BFK Völkermarkt, APA / Wolfgang Jannach, Alexander Danner (2), APA, Erwin Scheriau

Apokalyptische Tage

Noch immer unter dem Eindruck der vergangenen apokalyptischen Tage stehen die Feuerwehrleute in Gosdorf. Auch wegen der Hochwassertouristen, die in die Gegend kamen. "Die stehen dann auf der Brücke und schauen ins Wasser, so viele Leute hab’ ich bei uns noch nie gesehen", sagt der Gosdorfer Feuerwehrkommandant Martin Zechner. 56 Einsätze hatte er zuletzt gezählt. An Schlaf sei nicht zu denken gewesen. Dreieinhalb Stunden in der ersten Nacht. "Maximal, denn man kann nur schlummern, weil man immer Angst hat, dass das Telefon läutet zum nächsten Einsatz." Der kleine Sassbach, der von einigen Zuläufen gespeist wird, war zwei Meter und mehr über die Ufer getreten. "Kaum vorstellbar, dass dieses Bacherl derartige Ausmaße annehmen konnte".

In Gamlitz reinigte die Feuerwehr die Straßen
APA/ERWIN SCHERIAU

Vor dem Rüsthaus lädt ein buntes Plakat zum Dorfgrabenfest am 27. August. "Daran ist natürlich nicht zu denken", sagt der Murecker Kommandant Amschl. Obwohl jede Feuerwehr die Einnahmen jetzt dringend bräuchte: Ein Drittel ihrer Finanzierung werde eben durch derartige Feste reingebracht.

Auf einer Holzbank vor dem Feuerwehrhaus liegen zumindest die Ledergeldtaschen, mit denen beim Fest abkassiert worden wäre, parat – tropfnass. Langsam beginnen sie in der durchblitzenden Sonne zu trocknen. (Walter Müller, 8.8.2023)