Es ist ein schlechtes Wochenende, um Tote in Reingers zu besuchen. Der Friedhof der kleinen Gemeinde im nördlichen Waldviertel ist gefüllt mit Lebenden. Sie drängen sich zwischen den Gräbern oder stehen auf der kleinen Friedhofsmauer. Sie sind nicht wegen der Verstorbenen hier. Vom Friedhof aus hat man den besten Blick auf das Spektakel; Schlaue haben sich deshalb schon lange vor dem Start einen guten Platz gesichert. Nicht mehr lange, dann geht es los. Das 24-Stunden-Traktorrennen von Reingers. Das ist genau das, was der Name verspricht.

Zwei Stunden dauert es, bis alle 86 Traktoren am Startfeld aufgereiht sind. Die Motoren knattern und rattern und brummen, es ist ein ziemlicher Lärm. Bianca Pieringer sitzt in einem aufgemotzten Traktor namens "Die rote Prinzessin", angespannt. Am Vormittag hat die 25-Jährige noch aufgedreht in der Box ihres Rennstalls gescherzt. Aber jetzt wird es ernst.

Menschen stehen auf einer Friedhofsmauer.
Der Friedhof der kleinen Gemeinde Reingers wird zur Zuschauertribüne.
Reiner Riedler

"Die rote Prinzessin"

Bianca Pieringer blickt konzentriert nach vorn, während ihr drei Teamkolleginnen Mut zusprechen. Den kann jeder brauchen, der einen Renntraktor auf 70 Stundenkilometer beschleunigt und damit durch die Waldviertler Pampa brettert. Sie setzt ihren Helm auf, in wenigen Minuten wird sie das Gaspedal durchdrücken. Um zwei Uhr nachmittags beginnt das Rennen, es dauert bis zwei Uhr nachmittags am nächsten Tag. Pieringer fährt die ersten sechs Stunden für ihr Team, die IHC Rennstall Weissenbach Mädels.

Kurz vor Rennbeginn redet der Sicherheitsverantwortliche der Rennleitung den Fahrerinnen und Fahrern ins Gewissen – nein, er fleht sie eher an: "Bitte, bitte", ruft er mit gefalteten Händen auf einem Heuballen stehend zu den Piloten: "Bitte! Fahrts g'scheit in den ersten drei, vier Stunden. Ihr gewinnts das Rennen nicht am Anfang."

Eine Frau sitzt in einem roten Traktor, links daneben stehen drei weitere Frauen
Christina Strack, Vanessa Pany, Lisa Winkelbauer und Bianca Pieringer (von links) sind das Fahrerinnenteam der IHC Rennstall Weissenbach Mädels.
Reiner Riedler

Ein 24-Stunden-Rennen ist ein Marathon und kein Sprint, das wissen eigentlich alle. Doch im Cockpit schießt das Adrenalin ein, die Fahrer und Fahrerinnen geben Gas, als ginge es in der ersten Runde um alles. Sie überholen riskant, fahren zu schnell in die Kurve, bremsen zu abrupt. In den vergangenen Jahren häuften sich deshalb die Unfälle.

Kreischen und Jubel

Um Punkt 14 Uhr steigert sich das Grollen der Traktormotoren in ein ohrenbetäubendes Kreischen. Tausende Menschen beobachten die Szene an Baustellengitter gelehnt, in Campingsesseln oder auf dem kleinen Friedhof. Sie jubeln, als die Fahrerinnen und Fahrer in den schweren Gefährten zu Überholmanövern ansetzen und der Schwung aus der ersten Schikane die Hinterräder zum Hüpfen bringt. Die Strecke führt zuerst über eine asphaltierte Landstraße, dann durch ein Waldstück mit engen Kurven.

Österreich; NÖ: Reingers (Waldviertel) 24 Stunden Traktorrennen
Das 24-Stunden-Traktorrennen in Reingers im Waldviertel.
Reiner Riedler

Ein paar Minuten ist es rund ums Startfeld ruhig, nachdem der letzte Traktor außer Sichtweite gefahren ist. Doch die Stille währt nur kurz: Nur sechs Minuten und 42 Sekunden braucht das Racing Team Scherzer Transporte 1 aus seiner Pole-Position für die erste Runde.

Ein kleines Stück hinter der Friedhofsmauer haben sich sieben Freunde ihre Campingsessel mit Blick auf die Rennstrecke aufgebaut. Sie sind Mitte 20, alle Motorsportfans. Der Reiz am Rennen in Reingers? "Dass es finanziell leistbar ist", sagt einer von ihnen. 32 Euro bezahlt man für den Eintritt an drei Tagen – und noch einmal 32 Euro, um Zutritt zur Boxengasse zu haben. Zahlt sich das aus? "Auf jeden Fall." Bei welchen Motorsportevents könne man sonst noch so nah an den Teams sein?

Das Dieselvernichtungsteam und ein Notar

Mit dem Boxengassenticket darf man über die Holzbrücke, die über die Rennstrecke führt und die extra für den Event gebaut wurde. Die Zahlungswilligen erwartet dort eine Mischung aus Formel 1 und Campingplatz. Die Rennställe übertrumpfen einander mit provisorischen Werkstätten und Teamquartieren: Alle haben zumindest ein großes Zelt, einen Kastenwagen oder gar einen Lkw, viele haben Container hergekarrt, einige haben darauf noch Terrassen aufgebaut. Es wird geschraubt, gegrillt, geraucht und getrunken. Die Blue Fighter campieren neben den Speedgirls, wenig weiter das Dieselvernichtungsteam, der Rennstall eines Waldviertler Notars hat seinen Platz in der Nähe der Wagram Hazza.

Warum zur Hölle fährt man einen ganzen Tag lang mit einem Traktor im Kreis? "Wir sind ein bissl reingestoßen worden", antwortet Bianca Pieringer von den IHC Rennstall Weissenbach Mädels. Der Rennstall war auf der Suche nach einem Damenteam, die Lebensgefährten der Mittzwanzigerinnen waren schon beim IHC engagiert – und die vier Freundinnen haben schnell gemerkt, wie viel Spaß der Traktorrennzirkus macht. Die Vorbereitung, das Fahren, das Feiern. Die Fahrerinnen, im Brotberuf Bankangestellte, Flugbegleiterin, Orthoptistin und Bürokauffrau, opfern diesem Spaß einen großen Teil ihrer Freizeit und ihres Urlaubskontingents.

Männer stehen auf dem Dach eines Wohnwagens.
In der Boxengasse übertrumpfen sich die Teams gegenseitig mit ihren Quartieren.
Reiner Riedler

"Man muss sich etwas trauen"

Die größte Herausforderung beim Rennen ist für Pieringer das Überholen, für Teamkollegin Christina Strack das Wetter. "Dass der Traktor hält", findet Fahrerin Vanessa Pany am heikelsten – schließlich handelt es sich um Oldtimer, die in den 70er-Jahren nicht für einen 24-Stunden-Dauereinsatz gebaut wurden. "Und man muss sich etwas trauen", ergänzt Lisa Winkelbauer, die die letzte Etappe fahren wird.

Der Mut ist vor allem mit dem schnellen Traktor ein Faktor. Zum ersten Mal fahren die vier Frauen mit einem Renntraktor der Klasse B3: drei Zylinder, 70 km/h Höchstgeschwindigkeit. Bisher stiegen sie in Gefährte, die man auch auf Bauernhöfen sieht. Höchstgeschwindigkeit im Rennen: 40 Stundenkilometer. "Der Langsame ist viel mehr original", sagt Pieringer. "Der Schnelle ist fürs Rennen aufgemotzt."

Die Kühlerhaube eines Traktors, darauf steht
Das Damenteam fährt mit der "Roten Prinzessin".
Reiner Riedler

Und mittendrin: Gottfried Waldhäusl

Und wie der aufgemotzt ist! Der Motor und der Getriebetunnel müssen echte Oldtimerteile sein – fast alles andere wurde zusammengesucht und angeschweißt oder angeschraubt. Ihre Vorderachsen haben die meisten Traktorrennfahrer aus alten VW-Bussen ausgebaut. Monatelang wird an den Gefährten gebastelt. "Die rote Prinzessin" des Damenteams wurde erst eine Woche vor dem Rennen fertig, den Fahrerinnen blieben nur ein paar Tage fürs Probefahren. Dem Rennen blicken sie deshalb mit einer kleinen Portion Sorge entgegen.

Und mittendrin, auf dem Traktorsitz: Gottfried Waldhäusl. Der FPÖ-Politiker ist wohl auch wegen rassistischer Aussagen gegenüber einer Schulklasse nicht mehr Teil der niederösterreichischen Landesregierung, genießt in Reingers aber auch als nunmehr Zweiter Landtagspräsident so etwas wie Promi-Status. Seit vielen Jahren nimmt Waldhäusl mit seinem Team "Die Patrioten" an dem Rennen teil. "Es ist ein Wettbewerb, aber am Ende halten alle zusammen", sagt er zum STANDARD. Die Seite des "Patrioten"-Traktors ziert eine Karikatur des Politikers, am Heck weht eine Österreich-Fahne.

Gottfried Waldhäusl in einem Traktor
Für Gottfried Waldhäusl ist das Traktorrennen wie Urlaub, sagt er.
Reiner Riedler

"Diese vier Tage hier in Reingers, das ist für mich wie Urlaub", sagt Waldhäusl vor dem Rennen ins Mikro der Veranstalter. Das Interview wird über Lautsprecher und Videowall auf das Festgelände übertragen. "Große Worte unseres zweiten Landtagspräsidenten", befindet der Moderator.

"Gibt's da Regularien?" 

Pauli ist mit Freunden aus Salzburg angereist, auch er hat ein Ticket für die Boxengasse. Nun steht er vor der Werkstatt des IHC Rennstalls, es ist später Vormittag und Pauli schon recht bedient. "Das ist etwas Außergewöhnliches, das gibt's sonst nirgends", sagt er mit einem Becher Bier in der Hand. Dann geht er zu einem Mann mit Cowboyhut und fragt: "Du kennst dich da ein bissl aus, oder? Gibt's da Regularien auch oder so?" Der Mann reißt die Augen auf: "Bist narrisch?" Es ist Günter Schmidt, er sitzt im Vorstand des Traktor-Oldtimer-Clubs Reingers, kurz TOC, und kennt das 13 Seiten umfassende Reglement des Rennens natürlich auswendig.

ein Mann mit einem Cowboyhut.
Günther Schmidt ist von Anfang an beim Traktorrennen dabei.
Reiner Riedler

Keine "ang'soffene G'schicht"

Schmidt ist ein Motorsportfreak, seine Augen leuchten, wenn die lauten Traktoren zu Manövern ansetzen. Seit dem ersten Rennen im Jahr 2004 ist er dabei. Geduldig erklärt er Pauli und dem STANDARD die wichtigsten Regeln: Wann Überholverbot herrscht (bei Unfällen auf der Strecke); wie der Tank eingebaut sein muss (mindestens sieben Zentimeter über der tiefsten Stelle des Traktors); wie viele Fahrer pro Team erlaubt sind (maximal vier) und wie viel Alkohol die Pilotinnen und Piloten im Blut haben dürfen (gar keinen).

"Dem haben wir gleich am Anfang einen Riegel vorgeschoben, dass das eine ang'soffene G'schicht wird", sagt Schmidt. Es gelten 0,0 Promille. Tatsächlich müssen alle Fahrer vor dem Start in ein Messgerät blasen.

Ein Alkometer zeigt 0,00 Promille.
Alkotests gehören beim Rennen dazu.
Reiner Riedler

Diesel aus Pflanzenöl

Eine neue Regel ist Schmidt besonders wichtig: Die Teams dürfen keinen fossilen Diesel tanken. Vorgeschrieben ist in diesem Jahr erstmals HVO-Diesel, das ist Kraftstoff aus hydriertem Pflanzenöl, den man auch in 50 Jahre alte Traktormotoren pumpen kann. Laut den Veranstaltern senkt das den CO2-Ausstoß der Traktoren um bis zu 90 Prozent. Um die Emissionen der restlichen Veranstaltung auszugleichen, werden in der Umgebung Bäume gepflanzt.

"Lassts uns den Spaß", appelliert der Moderator über die Tonanlage – nur für den Fall, dass sich im Publikum Zweifler oder – schlimmer noch! – Klimakleber befinden: "Ihr seht's, da raucht es nicht mehr so, wie es früher geraucht hat. Also wir allein sind es nicht, die für den Klimawandel zuständig sind."

Drei Traktoren fahren hintereinander, es wird Staub aufgewirbelt. 
Diesel aus Pflanzenöl soll das Traktorrennen zum sauberen Event machen.
Reiner Riedler

Knapp zwei Stunden nach Rennbeginn steht alles still: ein Unfall, rote Fahne, die Traktoren müssen warten, bis ein Abschlepptraktor den kleineren Kollegen von der Strecke in seine Box geschleppt hat. Es ist der Traktor der Wilden Hühner 2.0, Startnummer 32 – ein Patschen am rechten Hinterreifen. Er wird in den Unterstand geschoben, sofort stehen drei Männer um das Fahrzeug herum und heben es mit einer Hydraulikpumpe an. Immer mehr Schaulustige versammeln sich um die Werkstatt. Wie in einer Formel-1-Box schrauben die Mechaniker den Reifen ab, stecken einen neuen auf. Dann kann die Fahrerin schon wieder auf die Rennstrecke. Keine fünf Minuten sind vergangen.

Einsatz des Rettungshubschraubers

"Wir hoffen immer, dass wir verletzungsfrei durch den Bewerb kommen", tönt der Kommentar des Moderators über das Feld, "aber unfallfrei geht es nicht". Tatsächlich signalisiert die rote Fahne mehrmals pro Stunde, dass ein kaputter Traktor von der Strecke geschleppt werden muss. Am frühen Abend passierte dann, was alle zu vermeiden versuchten: Eine Fahrerin der Wilden Hühner 2.0 kollidiert mit einem Heuballen, der nachfolgende Traktor kracht von hinten hinein. Die Pilotin ist verletzt, ein Rettungshubschrauber bringt sie ins Spital nach Linz. Schleudertrauma. Die nächste Fahrerin springt für sie ein.

Eine Stunde steht der Zirkus wegen des Unglücks still. Als die Strecke wieder freigegeben ist, steht der erste Wechsel im Team der IHC Rennstall Weissenbach Mädels an. Bianca Pieringer rattert in die Box, befreit sich aus dem Sicherheitsgurt und nimmt den Helm ab. Ein Kind sagt mit einer Mischung aus Schadenfreude und Bewunderung: "Du schaust aus, als hättest du viel Staub und Dreck gefressen." – "Hab ich", antwortet Pieringer trocken.

Eine Frau in Regenmontur mit Sturzhelm steht in einer provisorischen Traktorwerkstatt.
Es ist Abend, es schüttet, und Vanessa Pany wartet auf ihren Einsatz.
Reiner Riedler

Unwetter unterbricht Rennen

Vanessa Pany, die zweite Pilotin, ist zu diesem Zeitpunkt schon wieder los. Sie hat in schwerer Regenschutzmontur auf ihren Einsatz gewartet, mittlerweile schüttet es heftig. Gerade einmal zwei Runden kann Pany fahren, dann wird das Rennen für Stunden unterbrochen: Ein Unwetter zieht über das Waldviertel, der Regen ist zu stark.

Während die Teams versuchen, unter ihren Zeltplanen trocken zu bleiben, marschieren drei Teenager in Leiberln, kurzen Hosen und Sneakers durch den strömenden Regen. Ihr Ziel: das Festzelt.

Ein Kind geht mit einem Regenschirm durch den Regen. 
Der Regen hielt zahlreiche Besucherinnen und Besucher nicht vom Feiern ab.
Reiner Riedler

Das Traktorrennen ist keine reine Sportveranstaltung, es ist ein regionaler Event. In den verstreuten kleinen Gemeinden der Gegend sind diese Feste an den Sommerwochenenden wichtige Stützen des sozialen Lebens. Ballermannparty in Großglobnitz, Feuerwehrfest in Gastern, Traktorrennen in Reingers. Gegen 21 Uhr wird die Stimmung im Zelt immer fideler. Gruppen trinkfreudiger Jugendlicher schreien "Zam, zam, zam!", während sie mit Jägermeister und Bacardi Cola anstoßen. Der DJ spielt "Livin' on a Prayer" von Bon Jovi, beim "Oh, oh" des Refrains grölt die Menge mit. Das Unwetter draußen wölbt die Zeltplane bei jedem Windstoß.

Schlafen, wann es geht

Während die Jugend im Zelt munter feiert, wird in den Boxen geschlafen, wann immer es geht. Um halb drei Uhr morgens rüsseln die Mechaniker des IHC Rennstalls in ihren Liegestühlen. Vanessa Pany dreht draußen ihre Runden, bald steht wieder ein Fahrerinnenwechsel an. Christina Strack steht schon bereit, sie übernimmt die Nachtschicht.

Um 2:53 fährt Pany in die Box und springt aus dem Fahrerkäfig, die Leute aus dem Rennstall putzen die verdreckten Scheinwerfer mit nassen Fetzen. Strack steigt ins Cockpit und fährt los. "Ich hab schon gemerkt, dass ich müde werde", sagt Pany nach ihrem Einsatz, "und Hunger hab ich." Die Strecke sei mittlerweile "gatschig, rutschig, holprig". Im Waldstück müsse man sich mittlerweile durch tiefe Schlammlöcher quälen. Die Start-Ziel-Gerade – eine einzige Rutschpartie. "Das war ein Trauma", sagt Pany – erleichtert, dass es jetzt vorbei ist.

Zwei Frauen tanzen in Umarmung.
Die Stimmung im Festzelt heizte sich gegen Abend auf.
Reiner Riedler

Im Festbereich bricht die letzte Stunde vor der Sperrstunde an. Unter den Stehtischen stapeln sich Plastikbecher, rund 150 Leute tanzen hier noch zu einem Remix von Céline Dions "My Heart Will Go on". Vor dem Parkplatz pinkelt ein junger Mann. Ein Freund umarmt ihn währenddessen von hinten oder stützt ihn, um diese Uhrzeit verschwimmen die Grenzen.

"A Bacardi Cola"

Beim Wagen der Freiwilligen Feuerwehr stehen noch vier Frauen hinter der Budel. "Jetzt red einmal Deutsch mit mir, was willst du trinken?", fragt eine davon einen Mann, der Schwierigkeiten hat, seinen Wunsch zu artikulieren. Heraus kommt unverständliches Lallen. Die Frau versucht es nochmal: "Ein Bier, einen G'spritzten?" Der Mann sammelt die verbliebene Koordination und sagt: "A Bacardi Cola." Gibt's an dem Stand nicht. "Dann gib ma an G'spritzten!" Sprit bleibt Sprit. Die Mitarbeiterinnen sind ehrenamtlich hier, die gesamte Gastronomie wird von den Freiwilligen Feuerwehren der umliegenden Gemeinden betrieben. Mit den Erlösen kaufen sie neue Atemschutzgeräte.

Menschen stehen in einem Discozelt mit bunten Lichtern. 
Mit fortschreitender Stunde wurde im Festzelt mehr und ausgelassener getanzt.
Reiner Riedler

Reparatur in Minuten

Am Vormittag überschneiden sich die Zielgruppen der Veranstaltung. Eine Frau übergibt sich beim Parkplatz ins Gebüsch, während eine Familie im Minivan gerade für den zweiten Tag des Rennens anreist. In der Box des IHC Rennstalls ist die Stimmung angespannt: Irgendetwas stimmt mit dem Traktor nicht. Das Gefährt steht auf der Strecke und muss abgeschleppt werden – was los ist, weiß das Team nicht. Bianca Pieringer und Christina Strack warten besorgt auf die "Lieferung" ihrer Kollegin Lisa Winkelbauer, der letzten Fahrerin.

Wenige Minuten später steht der Traktor samt Winkelbauer in der Box, sie schreit den Mechanikern etwas entgegen. Einer von ihnen wirft sich, Kopf voran, zu Winkelbauer ins Cockpit, in der Hand eine Klebepistole. Der Mann schwingt sich heraus, streckt einen Daumen nach oben, Winkelbauer startet den Motor. Es geht zurück auf die Rennstrecke: Das Zündschloss hat sich gelockert, der Klebstoff die Verbindung fixiert. Beim Losfahren überdrehen die Räder der "Roten Prinzessin" kurz, Schlamm schleudert meterhoch in die Luft.

Zwei Männer vor einem grünen alten Traktor
Bei den Panzerknackern steht der Spaß im Vordergrund. Aufgemotzt haben sie ihren Traktor nicht – sie sind froh, wenn er die technische Prüfung übersteht.
Reiner Riedler

Die Panzerknacker motzen nicht

Es wird Mittag, bis die Panzerknacker ihren alten Traktor wieder unter der Plane hervorholen. Zwar betreibt niemand hier diesen Sport professionell, auch wenn Sponsoren viel Geld in die Traktoren ihrer Teams buttern – aber kaum jemandem geht es so sehr um die Freude am Fahren wie dem Team Panzerknacker: einer Gruppe Männer, die sich aus der Panzerwerkstatt des Bundesheers kennen. Einmal im Jahr holen sie ihren echten Oldtimer-Traktor aus einer Scheune, richten ihn so weit her, dass er fahren kann, und nehmen am Rennen teil. Aufgemotzt ist hier nichts. Ihr einziger Fahrer ist Hannes Sommersacher. Er weiß schon, dass er Letzter sein wird. Egal. "Die Atmosphäre taugt uns einfach."

Am ersten Tag ist Sommersacher elf Runden gefahren, bis es gedämmert hat – im Dunkeln werde es ungemütlich mit dem alten Steyr-Traktor, sagt er. Der Traktor und er gehen dann schlafen, recht kurz vor Ende des Rennens steigt er wieder ein und fährt die letzten paar Runden mit. Beim Start und im Ziel dabei zu sein, das reiche ihm schon.

Eine Menschenmenge.
Die Boxengasse ist für Besucherinnen und Besucher geöffnet.
Reiner Riedler

Ja nichts verschreien

Bis 14 Uhr durchzuhalten ist für alle Teams zentrale Devise, auch wenn es ihnen natürlich darum geht, in 24 Stunden möglichst viele Runden zu fahren. Damit die gefahrene Distanz zählt, muss der Traktor zu Ende des Rennens ins Ziel fahren.

Deshalb sind die Fahrerinnen vom IHC Rennstall auch besonders vorsichtig, was Prognosen betrifft. Ja, kurz vor 14 Uhr liegen sie in der Wertung der drei Damenteams auf dem ersten Platz. "Aber es kann immer etwas passieren", sagt Strack. Tatsächlich. Der Traktor eines anderen Teams verliert auf der Rennstrecke einen Reifen – und kann vor Ende des Rennens nicht mehr repariert werden. Er hätte ein gutes Ergebnis eingefahren, ist jetzt aber disqualifiziert.

Traktoren auf einer Fahrbahn, etliche Zuschauer.
24 Stunden und tausende Kilometer fuhren die Traktoren bei dem Rennen.
Reiner Riedler

Die IHC Rennstall Weissenbach Mädels ereilt dieses Schicksal nicht: Lisa Winkelbauer, die letzte Fahrerin, rast ins Ziel. 102 Runden sind die Frauen gefahren, mehr als 700 Kilometer. Das entspricht der Distanz von St. Pölten nach Zürich, in nur einer Nacht. Sie erreichen Platz 32 in der Gesamtwertung, in der Damenwertung sogar Platz eins vor den Wilden Hühnern 2.0 und den Speedgirls. Ein Sieg. Doch 24 Stunden Anspannung lösen sich nicht so schnell, der Jubel im Team ist vorerst kontrolliert: Brav stellen sich die Leute aus dem Rennstall für Gratulationen und Umarmungen an, Panys Freund, ein Mechaniker, hebt die Fahrerin in die Luft.

Bierdusche für die Siegerinnen

Die Traktoren drehen eine Ehrenrunde, ehe sie sich in der Reihenfolge des Ergebnisses auf der Startbahn einordnen. Als alle Motoren verstummt sind, dürfen sich die Teams auf der Strecke versammeln. Erst da lösen sich die Emotionen: Pieringer, Strack und Pany laufen in Richtung ihrer Teamkollegin im Traktor – in der Hand halten sie schon geöffnete Bierflaschen, den Daumen auf die Öffnung gedrückt. Obwohl der tiefe Schlamm das Laufen erschwert, werden sie immer schneller.

Beim Traktor entlädt sich die Euphorie in Form von Schremser Bier: Die Frauen schütteln die Flaschen und bespritzen und übergießen sich mit dem Schaum, Winkelbauer bekommt die Flasche am Nacken ins T-Shirt gesteckt. Teamleitung, Fahrerinnen und Mechaniker liegen sich in den Armen und schmieren sich gegenseitig den Ruß aus dem Traktorauspuff ins Gesicht. Denn Ruß, den gibt es auch beim Pflanzendiesel. (Sebastian Fellner, 2.9.2023)