Lichtgemälde

"Das Haus muss Leben!"

Jahrhundertealte Schlossmauern und moderne Fotovoltaik-Paneele, eine gesunde Fruchtfolge auf dem Feld und die Vision eines klimafitten Waldes. Unsere Autorin Mag. Dr. Maria Harmer besuchte den Präsidenten des „Vereins Historische Gebäude Österreich“ und Versicherungsexperten Alexander Graf Kottulinsky in Schloss Neudau in der Oststeiermark

Die Einfahrt, der Torborgen. Dort im Vorschloss haben damals seine Großeltern gewohnt. Die alte Linde. Da hing die riesige Schaukel, und dort drüben im Gebüsch stand das kleine „Hexenhaus“. Alexander Graf Kottulinsky reißt mich aus meinen Erinnerungen und begrüßt mich mit einem strahlenden Lächeln.

Der 56-jährige Hausherr von Neudau führt mich zum Schloss, gemeinsam gehen wir in den ersten Stock. Seine Mutter, Brigitte Gräfin Kottulinsky, empfängt uns, bietet uns köstlichen Hollersaft an. In einem der gemütlich eingerichteten Salons erinnern die beiden an die Geschichte der ehemaligen Wasserburg, die 1371 erstmals urkundlich erwähnt wurde. Sie liegt nahe der Lafnitz an der ehemaligen Grenze zu Ungarn und war daher lange Zeit Zufluchtsort für die Bevölkerung. 1706 wurde die Anlage von den aus Schlesien stammenden Grafen Kottulinsky erworben; sie beauftragten den Architekten Josef Carlone mit der Barockisierung. Damals wurde anstelle der Wassergräben, Bastionen und Wehrmauern der große Park angelegt, in dem wir als Kinder gemeinsam viel gespielt haben. Die Außenfassade wurde im Stil des Klassizismus gestaltet, wohingegen das Vorschloss seine ursprünglichen Renaissancemerkmale zum Teil behalten hat.

Landschafts- und Denkmalschützer

Das Schloss sei das Herzstück des Besitzes, der aus 630 Hektar Forst, 140 Hektar Landwirtschaft und 30 Hektar Teichen bestehe, erzählt Alexander Graf Kottulinsky. Vater Franz Karl hat ihn schon vor Jahren an den ältesten seiner drei Söhne übergeben, den Fruchtgenuss aber behalten. Der 84-Jährige führt den Betrieb in Neudau.

Die Hauptfeldfrüchte sind Mais, Soja und Weizen. „Eine stabile Fruchtfolge in der Steiermark“, bekräftigt der jetzige Eigentümer. „Ich sehe meine Aufgabe darin, den Gutsbetrieb in eine klima- und krisensichere Zukunft zu führen. Das ist eine große Herausforderung! Man muss sich sehr genau überlegen, wie man mit den vorhandenen Ressourcen umgeht. Die Flächen sollen ertragreich sein, aber ein Windrad direkt vor der Haustüre möchte ich vermeiden. Ich bin mit ganzem Herzen und aus Überzeugung Landschafts- und Denkmalschützer!“

Alexander Graf Kottulinsky und seine Frau Anna geborene Prinzessin v. u. zu Liechtenstein haben vor 30 Jahren in Kärnten geheiratet und fünf Kinder. Die Weiterentwicklung des Betriebes ist ihnen ein großes Anliegen.

Beatus v. Zenker

Klimafitter Wald und Solarstrom

„Auf 60 Prozent unserer Forstfläche stehen Fichten, die gehören da nicht hin“, sagt der groß gewachsene Mann mit dem gepflegten Dreitagebart. „150 Jahre hat das gut funktioniert, und als Forstwirte haben wir auch gut davon gelebt, aber nun sind die Borkenkäfer allgegenwärtig, und die Niederschlagsmengen gehen beständig zurück. Diesen Fichtenbestand wird es in Zukunft nicht geben. Doch ein Waldumbau braucht Zeit. Es dauert Jahrzehnte, bis ein Wald klimafit ist.“

Beim Stichwort „klimafit“ bleiben wir thematisch bei der Nutzung der Ressourcen, wechseln aber zu erneuerbaren Energieformen, konkret zur Fotovoltaikanlage, die Alexander Graf Kottulinsky vor einiger Zeit in Betrieb genommen hat.

„11,5 Hektar Landwirtschaft betreiben wir nun in einer Art Doppelfunktion, d. h., wir halten dort 85 Mutterschafe mit aktuell 30 Jungtieren und erzeugen 11 Megawattpeak Solarstrom. Die Flächen sind an eine Betriebsgesellschaft verpachtet, an der wir beteiligt sind. Die Pacht ist eine wichtige Einnahme für unseren Betrieb.“

Die „Energie Steiermark“ gewährleiste die Abnahme des Stroms, insgesamt könnten 3500 Haushalte versorgt werden, erläutert der Geschäftsmann und schaut aus dem Fenster über den Park auf den Ort Neudau mit rund 1500 Haushalten.

Helene Baronin v. Gugelberg

Ohne Investitionen keine Zukunft

Ein Schloss wie seines zu beheizen ist eine eigene Aufgabe. Es zu bewohnen, in drei Generationen zu bewohnen, sei eine Freude. Das große Gebäude wird rein privat genutzt mit der Problematik, dass Investitionen in Privathäuser in Österreich – anders als in Deutschland – steuerlich nicht absetzbar sind. Eines der vielen Themen, die Graf Kottulinsky als Präsident des Vereins Historische Gebäude Österreich (früher: Österreichischer Burgenverein) auf der Agenda hat. „Ich arbeite an vernünftigen Steuermodellen (Stichwort: Liebhaberei) und bin daher nicht überall ein gern gesehener Gesprächspartner“, sagt er mit einem Augenzwinkern. Doch sein Gesicht wird gleich wieder ernst, wenn er berichtet, dass der beschränkte Investitionswille die Gefahr in sich berge, immer mehr Häuser nicht länger in privater Hand halten zu können oder im schlimmsten Fall sogar dem Verfall preiszugeben, weil sich diese Investitionen für einen Privaten einfach nicht rechnen. „Ich bin der Überzeugung, dass die Familie, die in einem solchen Gebäude lebt, die Kinder, die dort aufwachsen, für den Erhalt und den Fortbestand unerlässlich sind!“, sagt der im Jahr 2012 gewählte Präsident. „In England stellen wir fest, dass Häuser ihre Seele verlieren, auch wenn sie einen netten musealen Charakter beibehalten."

Schloss Gröditz

Doch ein Haus muss leben!

Der Governor der European Historic Houses Association erinnert an Zehntausende historische Objekte, die derzeit u. a. in Frankreich und Spanien am Markt sind, und beklagt, dass langfristiges Denken in der Politik nicht Standard sei. Ein ganz besonderes Anliegen ist ihm, im Rahmen des sogenannten „Green Deal“, der gerade in Brüssel diskutiert wird, nicht nur denkmalgeschützte Objekte auszunehmen. Alexander Graf Kottulinsky engagiert sich dafür, auch Nebengebäude etc. einzubeziehen, da die Gefahr bestehe, dass historic houses, die man nicht dämmen kann oder aus denkmalschützerischen Gründen nicht dämmen darf, in Zukunft nicht mehr gewerblich nutzbar, d. h. vermietbar etc. und für die Besitzer eine unzumutbare Belastung sind. „Denn gerade in Bezug auf die Verwertung auch der Nebengebäude unserer Denkmäler ist es wichtig, dass sie wirtschaftlich nutzbar sind. Das ist ein großer Bereich, und sie wären schwer gefährdet, wenn die Erstformulierung in Brüssel durchgegangen wäre!“ Und nicht ohne Stolz fügt er hinzu: „Nun ist es uns gelungen, alle historischen Objekte in den Ausnahme-Paragrafen hineinzubekommen! Meine Aufgabe ist nun weiter, dass diese Formulierung aus Brüssel in Österreich ihren Niederschlag findet und wir eine vernünftige zeitliche Grenze einziehen. Man könnte zum Beispiel alle Gebäude da hineinrechnen, die vor 1920 gebaut worden sind.“

„Wir sind Beschützer!“

… sagt er und bezieht seine Eltern mit einem liebevollen Blick mit ein. „Ich bin mit meinen drei Brüdern und meiner Schwester sowie mit meinen Cousins hier in Neudau aufgewachsen. Immer haben hier mehrere Generationen gelebt. Ich erinnere mich an meine Urgroßmutter – mit ihr waren es vier Generationen unter einem Dach – das ist ein unglaublich positiver Aspekt!“ Und fügt hinzu: „Betriebe und Häuser wie meiner in Neudau haben theoretisch Nachkommen“, sagt der fünffache Familienvater und bietet mir noch ein Glas Hollersaft an, „aber auch dann ist nicht gewährleistet, dass der Partner bzw. die Partnerin dort leben und es bespielen will. Wir merken da eine echte Nachfolger-Problematik, weil viele keine Erben finden.“

Versicherung für LW-Betriebe historische Gebäude und Kunst

Sein Ziel ist es, dass der Betrieb das Haus erhält. Dennoch liegt sein Lebensmittelpunkt gemeinsam mit seiner Frau und den Kindern im Alter zwischen 15 und 26 Jahren in Wien. „Mein Vater ist ein begnadeter Landwirt, und ich habe ihm die Führung des Betriebes überlassen und mir eine separate Einnahmequelle geschaffen, die den Betrieb entlastet und die Familie erhält“, erläutert er. 1994 hat Alexander Graf Kottulinsky ein Versicherungsunternehmen gegründet, das sich auf land- und forstwirtschaftliche Betriebe sowie die Versicherung von historischen Gebäuden und Kunst spezialisiert hat. „Ich kenne die Eigentümerseite und die Versicherungsseite“, bekräftigt der geschäftsführende Gesellschafter der Firma Kotax Versicherungssysteme GmbH. „Es geht um eine sinnvolle Gebäudeversicherung, die den Denkmalschutz berücksichtigt, um ein Verständnis der Bauordnung und um die Tatsache, dass Werte, die von früheren Generationen erworben wurden, von den jetzigen Eigentümern im Unterschied zu einem Sammler, der wertvolle Stücke selbst gekauft hat, nicht immer zum Realwert versichert werden möchten“, sagt der Unternehmer. Er kooperiert mit nationalen und internationalen Versicherungen, immer gehe es darum, eine maßgeschneiderte Variante zwischen ausreichendem Schutz und leistbarer Police anzubieten.

Drei Generationen unter einem Dach

Beim Weg hinaus zeigt mir Alexander Graf Kottulinsky stolz den neuen Lift, eine für ihn bezeichnende Investition. „Es ist mir wichtig, dass mehrere Generationen in einem Haus leben. Die Investition in den Lift ist ein Symbol dafür, meinen Eltern zu zeigen, dass sie ein nicht behindertengerechtes Haus wie ein Schloss auch im Alter gut bewohnen können.“ Quasi als Pendant zeigt er den Swimmingpool und erzählt von den Partyräumen, die seine Kinder regelmäßig dazu motivieren, mit Freunden in Neudau zu feiern. Wir gehen an einem schönen eisernen Tor vorbei. Dort stehen noch die Reste des Parkfestes, und er sagt: „Mein Großvater hat das Neudauer Parkfest im Jahr 1959 ins Leben gerufen, nach 1974 war dann nichts mehr. Nach fast 50 Jahren haben wir die Tradition wieder aufleben lassen: 1500 begeistere Besucher sind gekommen. Es war ein wunderbarer Tag und Abend, der mich an meine Kindheit erinnert hat!“ Park und Schloss werden sonst eher für Familienfeiern wie Firmungen und Hochzeiten genutzt; eine Tante hat gerade einen runden Geburtstag gefeiert, aber auch Veranstaltungen der Next Generation, der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe sowie Exkursionen fanden hier statt.

„Das Schloss bleibt ein Familienzentrum; es muss belebt werden, muss leben! Das ist wichtig, damit es nicht zum Museum wird.“ Und während wir auf dem knirschenden Kies durch den Torbogen und die Einfahrt gehen, ergänzt er mit einem Schmunzeln: „Ein Schloss ist wie ein Oldtimer – wenn man ihn nicht verwendet, geht er kaputt.“