Handel mit NS-Relikten: Ein Judenstern mitten im Ersten

Judenstern
Judenstern(c) AP (AMY SANCETTA)
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Im ersten Wiener Gemeindebezirk werden in einem Antiquitätengeschäft - ums Eck vom Jüdischen Museum - originale Judensterne verkauft. Auch sonst blüht der Handel mit NS-Relikten. Trotz oder wegen des Verbotsgesetzes.

Ist der echt?“ „Natürlich.“ „Und der kleine da?“ „Das ist ein Kinderjudenstern.“ „Den mussten die kleinen Kinder tragen?“ „Sage ich ja, ein Kinderjudenstern.“ „Und was kostet der?“ „Dreizwanzig!“ „Drei Euro zwanzig.“ „Nein, natürlich 320 Euro.“

Der winzige Judenstern wird von dem Händler in der Wiener Plankengasse mit einer Pinzette wieder vorsichtig an die Glasscheibe in der Auslage mittels Klebestreifen befestigt. In dem Sammelsurium sieht man ihn von draußen kaum, unzählige Vasen, Figuren und Kistchen stehen in der Auslage, in der ebenso wenig ein Millimeter frei ist wie drinnen, in dem winzigen Geschäft, in dem neben den beiden Eigentümern kaum mehr Platz für den potenziellen Kunden ist. „Ist es nicht verboten, das zu verkaufen?“, so die naive Frage. „Nein, überhaupt nicht, lautet die Antwort in beruhigendem Tonfall. Ist schließlich kein NS-Propagandamaterial. Über das Heft mit dem klingenden Titel „Als die Sudetendeutschen befreit wurden“ könnte man vielleicht diskutieren, aber ein Judenstern ist offenbar nur ein historisches Relikt. Ähnlich wie die anderen Erinnerungsstücke, die Gasmaske aus einem der beiden Weltkriege oder eine Kaffeetasse mit dem väterlichen Antlitz Kaiser Franz Josephs: Um die Ecke vom Jüdischen Museum Wien kann man sich eben mit Memorabilien eindecken. Ganz legal, ganz normal.


Das „schriftstellerische“ Hauptwerk Adolf Hitlers hingegen ist verboten, es zu verkaufen oder zu erwerben fällt unter Wiederbetätigung und wird somit nach dem Verbotsgesetz geahndet. Will man als historisch interessierter Leser die kruden Pläne und die wirre Welt des sogenannten Führers nachlesen, begibt man sich in die Illegalität. Das ist in Wien nicht allzu schwer, neben Trödelläden – jener in der Plankengasse ist damit ausdrücklich nicht gemeint – ist der Flohmarkt auf dem Wiener Naschmarkt der ideale Ort dafür. Wobei man da auch das eine oder andere Hakenkreuz oder SS-Abzeichen findet, wenn man die richtigen Händler kennt und unschuldig genug Geld auf den dort üblichen Tapezierertisch legt.

Dass der Handel mit NS- und vor allem Adolf-Hitler-Devotionalien nach wie vor gut geht, ließ sich am vergangenen Donnerstag beobachten. Gemalte Bilder von Adolf Hitler erzielten bei einer Auktion in England Höchstpreise. Dreizehn Bilder aus der Zeit von 1908 bis 1914 wurden für mehr als 95.000 Pfund (106.500 Euro) versteigert. In dieser Zeit lebte Hitler (bis 1913) großteils in Wien, zwei Mal wurde er von der Akademie der bildenden Künste abgelehnt. Eigentlich waren nur um die 6000 Pfund erwartet worden, hieß es im Auktionshaus Mullock's in der westenglischen Grafschaft Shropshire, doch das Interesse an Bildern mit der Signatur A. H. ist eben enorm. Die Arbeiten waren nach Angaben des Auktionators übrigens vor einigen Monaten in einer Garage gefunden worden.


Einen ausgeprägten österreichischen „Kunstmarkt“ für Hitler-Bilder gibt es aber nicht, hier sind es eher Uniformen und Abzeichen, die Käufer oder zumindest Schaulustige anlocken: Vor wenigen Jahren wurde in Klagenfurt ein kleines „privates“ Museum ausgehoben. Dort gab es verschiedene Schauräume wie einen SS-Raum, einen Russen-Raum und einen KZ-Raum. Überregional bekannt wurde die Existenz des Nazimuseums (Eigendefinition des damals, 2004, 84-jährigen „Betreibers“ und Landwirts) übrigens erst, weil Stücke im Wert von 36.000 Euro (laut Schätzung des Sachverständigen) gestohlen worden waren – von einem Bekannten. Der rechtfertigte sich vor Gericht damit, dass er die Schätze nur in Sicherheit bringen wollte, weil doch ein Besuch der Staatspolizei gedroht habe.

Die Gefahr, dass Beamte des Bundesamts für Verfassungsschutz, wie die Staatspolizei heute heißt, in Österreichs Antiquitätenläden auf die Suche nach braunen Devotionalien gehen, ist überschaubar: Vor einigen Jahren konnte man an Wiens unter Sammlern bekannten Adressen problemlos SS-Uniformen und „Mein Kampf“ kaufen. Erstgenannte sind heute kaum mehr auf dem Markt, meint ein Händler. Und „Mein Kampf“ geht bequem von zu Hause aus, die Erstauflage bei eBay gibt es um 269,9 Euro. Judensterne noch nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2009)

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