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Fahrwerk - Nachlauf bei Zweirädern



Wie leicht weniger genaues Nachfassen zu falschen Schlüssen führt, sieht man an den vielfältigen Erklärungen zum Nachlauf. Wie wird da gewöhnlich argumentiert? Na klar, die Lenkachse des Vorderrades trifft irgendwo auf die Fahrbahn und der Abstand von diesem Punkt aus zum Mittelpunkt der Reifenaufstandsfläche ist der Nachlauf. Das lassen wir jetzt erst einmal so stehen.

Der Durchstoßungspunkt der Schwenk- oder Lenkachse durch den Boden wird auch Spurpunkt genannt.

Und da erscheint es logisch, dass, je größer diese Strecke, desto höher die Rückstellkräfte. Ist das wirklich so? Um zu begreifen, muss man bisweilen übertreiben. Wir tun das hier mit dem Abdruck des berühmten Easy-Rider Motorrads aus dem gleichnamigen Film von 1969. Zunächst mag man daran erkennen, dass die Lenkachse nichts mit den beiden Feder-Dämpfer-Einheiten der Telegabel zu tun hat, sondern sich hier streng an dem Bolzen für den Lenker orientiert.

Aber das haben Sie vermutlich schon vorher gewusst. Und dass der Nachlauf zwischen den beiden senkrechten Strichen abgegriffen werden muss, vermutlich auch. So, und jetzt schwenken Sie den Lenker einmal um 90°, was bei der Original-Maschine vermutlich gar nicht möglich war. Jetzt können Sie an den beiden waagerechten Strichen erkennen, um welchen Betrag der Lenkkopf und mit ihm der ganze vordere Teil des Motorrades abgesenkt wird.


Allerdings wurde im Bild ganz oben die Reifenbreite außer Acht gelassen. Hier sehen Sie, welche wichtige Rolle sie spielt. Dieses Maß zwischen den beiden waagerechten Strichen müssen Sie von der oben ermittelten Absenkung abziehen. Hätten allerdings die vorderen Reifen die gleiche Dimension wie hinten, wäre die Differenz ganz oben deutlich geringer. Sie sehen, von wie vielen Faktoren sie abhängig ist.

Jetzt könnten Sie natürlich argumentieren, dass es sich um ein sehr seltenes Motorrad handelt und auch heutige Chopper einen nicht ganz so extremen Lenkwinkel haben. Recht haben Sie. Aber schauen Sie sich einmal den Vorderbau des Fahrrades unten an. Würden Sie den für einigermaßen repräsentativ halten? Dann ist auch hier das Absinken bei 90° Lenkeinschlag zu beobachten.

Sie können das bei fast jedem Fahrrad nachmessen. Ein normaler Zollstock gibt schon signifikante Werte. Immer, wenn Sie um 90° einschlagen, sinkt der vordere Aufbau. Warum wir darauf so beharren? Weil dies eben der Argumentation widerspricht, dass, je länger der Nachlauf, desto größer die Rückstellkräfte für die Lenkung sind.


Und dann wird auch noch der Nachlauf als sozusagen proportional zum Lenkkopfwinkel dargestellt. Man kann angeblich den Nachlauf in Grad (Lenkkopfwinkel) oder als den oben schon beschriebenen Abstand angeben. Nein, kann man nicht. In den Bildern oben und unten ist der Lenkkopfwinkel gleich, aber der Nachlauf als Längenmaß verschieden.


Das würde aber bedeuten, dass Gewicht auf den vorderen Lenkkopf den Lenker dazu veranlassen müsste, entweder zur einen oder anderen Seite zu lenken. Freihändig fahren wäre somit unmöglich. Wir müssen also hinzufügen, dass die Absenkung des Lenkkopfes bzw. Vorbau für die normal vorkommenden Lenkeinschläge absolut gering ist, sich also erst bei starkem Einschlag so bemerkbar macht.

Am besten nimmt man zu dem Lenkkopfwinkel noch den Nachlaufversatz hinzu. Der wird im Bild unten deutlich. Zu finden ist er z.B. an einem etwas schwereren, fahrbaren hydraulischen Wagenheber, bei dem sich die Rollen im gezogenen Zustand immer so ausrichten, dass sie dem Spurpunkt hinterherlaufen.


Was bewirkt nun der Nachlaufversatz, der in den drei Bildern des Fahrrad-Vorderbaus von oben nach unten immer größer wird? Wenn man wieder auf den Berührpunkt des Vorderrades mit dem Boden achtet, wird mit steigendem Versatz die Absenkung des Vorderbaus bei 90° Lenkeinschlag immer größer.

Wie wichtig der Nachlaufversatz ist, kann man lernen, wenn man mit einem Zweirad mit einem besonders großen fährt. Das muss noch nicht einmal ein Zirkusrad sein, wo man die Lenkung während der Fahrt drehen kann. Nein, der beibehaltene Lenkkopfwinkel bei zu viel Versatz macht das ganz normale Fahren fast unmöglich. Sie finden einfach die Mitte nicht mehr. Passanten halten Sie für betrunken.

Mit diesem Fahrrad kommen Sie freihändig keinen Meter weit . . .


Wenn man eine Gesetzmäßigkeit formulieren sollte, müsste der Nachlaufversatz und damit der Nachlauf mit größer werdendem Lenkkopfwinkel immer kleiner werden. Er verhindert, dass man schon bei normalen Lenkvorgängen in den Bereich stärkerer Absenkung kommt. Was wir hier gefunden haben, ist genau umgekehrt zu den meisten Veröffentlichungen über Nachlauf, nicht nur bei Zweirädern.

Jetzt wissen Sie, warum bei den Daten z.B. für ein Motorrad immer Lenkkopfwinkel in Grad und Nachlauf in Millimeter genannt werden. Aber geringer Nachlauf ist nicht allein für unerschütterlichen Geradeauslauf verantwortlich. Hinzu kommen noch die Fahrgeschwindigkeit und damit die Kreiselkräfte des Vorderrades, sowie die Aufstandsfläche des Reifens, die beim nicht treibenden Vorderrad dem Spurpunkt hinterherläuft (Reifennachlauf).

Und sollten Sie immer noch an der Darstellung oben zweifeln, hier offizielle Daten von BMW:

ModellLenkkopfwinkel   Nachlauf 
 BMW R1857,3°150 mm
 BMW R nine T   63,4°105 mm

Der Schwachsinn nimmt eher zu, wenn man zwischen einem positiven und negativen Nachlauf unterscheidet. Letzteren gibt es in der Praxis nicht.







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