Für die meisten ist sie eine Ikone. Ein Gesicht, das man den Millionen Opfern des Holocausts geben kann. Die Jüdin Anne Frank wurde mit ihrem Tagebuch über die Jahre des Versteckens in einem Amsterdamer Hinterhaus während der NS-Zeit weltberühmt. Sie selber konnte diesen Ruhm jedoch nicht mehr erleben. Sie verstarb im März 1945 im KZ. Ihr Vater Otto, der einzige Überlebende der Familie, veröffentlichte ihr Werk posthum.

Der israelische Regisseur Ari Folman fügt ihrem Vermächtnis seinen Animationsfilm "Wo ist Anne Frank" hinzu, der aktuell in den Kinos zu sehen ist. Auch für ihn ist das Mädchen eine Ikone. "Sie war eine großartige Autorin und hatte die Qualität, die Erwachsenen um sie herum beobachten zu können", sagt der Filmemacher zur Kleinen Zeitung. Das Tagebuch ist nicht nur eine Coming-of-Age-Story, "es sind auch nicht die Grausamkeiten des Ghettos, des Verhungerns und der Ermordung in den Camps enthalten". Dies hätte es einer breiten Masse zugänglich gemacht.

Doch so populär das Thema und die Geschichte von Anne Frank ist, so schwierig war es, den Film finanziert zu bekommen. "Die Anne Frank Foundation hatte vorgeschlagen, dass wir erst einen Graphic Novel machen." Dieser orientierte sich ungleich des Films noch streng am Tagebuch und verkaufte sich rund 1,8 Millionen Mal. Danach war es für Folman einfacher, Geld zu bekommen.

Der Film dreht sich um Annes imaginäre Freundin Kitty, an die sie ihre Tagebucheinträge gerichtet hatte. Kitty erwacht im Amsterdam der Gegenwart zum Leben und muss feststellen, dass ihre Freundin inzwischen tot ist und niemand ihr Erbe versteht. Statt den Bedürftigen zu helfen, werden nur Gebäude nach Anne Frank benannt. Kitty als Protagonistin ist ein spannender Kunstgriff und verfolgt ein klares Ziel, wie Folman erklärt. "Kitty ist ihr Alter Ego. Sie ist all das, was Anne nie sein konnte. So konnte ich mich von der ikonischen Version von Anne Frank befreien."

Regisseur Ari Folman: "Kinder sind die Opfer von Kriegen"
Regisseur Ari Folman: "Kinder sind die Opfer von Kriegen" © AP

Außerdem erlaubte es Folman, sich mit dem Teil ihrer Geschichte auseinanderzusetzen, über den weniger geredet wird. "Die Familie wurde im August 1944 festgenommen, die Schwestern starben im März 1945. Da liegen sieben Monate dazwischen."
Ein Leben, das mit 15 Jahren zu früh endete. Das ist auch die Botschaft, die Folman im Tagebuch sieht. "Kinder sind die Opfer von Kriegen, ohne dass sie bei diesen eine Position beziehen. Sie haben keine Wahl." Daran hat sich auch in den 78 Jahren seit Anne Franks Tod nicht viel geändert.