"100 Jahre Niederösterreich": Kohle aus Grünbach/Schneeberg

Erstellt am 10. Mai 2022 | 05:29
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Die Anlagen des Neuschachts in den letzten Jahren des Betriebs.
Foto: Marktgemeinde Grünbach am Schneeberg
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Das Grünbacher Steinkohlenbergwerk war einst das größte Österreichs und in über 140 Jahren ein Motor der Industrie.

In Grünbach und Umgebung wurde bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts oberflächennah Steinkohle gefunden und bald auch abgebaut. In den Folgejahren erwarb der Industrielle Alois Miesbach die meisten dieser einfachen Schurfstellen und begann mit dem Untertagebergbau im Josefi-Stollen, im Richard-Schacht und im Segen-Gottes-Schacht. Im Jahr 1857 erbte Heinrich Drasche die Firmen seines Onkels Miesbach und erwarb in weiterer Folge das gesamte Grünbacher Kohlerevier.

Nach anderen Besitzern erwarb 1915 ein Konsortium unter Beteiligung des Industriellen Fritz Mandl das Bergwerk. Zu diesem Zeitpunkt war eine grundlegende Modernisierung des Betriebs unbedingt erforderlich, da die Fördermenge von rund 80.000 Jahrestonnen nicht mehr steigerbar war, ab 1918 der Kohlebedarf der jungen Republik aber enorm war. Zu diesem Zweck wurde 1919 mit den Arbeiten am Schacht „Klaus“ begonnen, der in Grünbach bald als „Neuschacht“ bezeichnet wurde. Dieser Schacht sollte die Förderung zentralisieren und die Jahresförderung mehr als verdoppeln. Anfang der 1920er-Jahre erhielt auch der Segen-Gottes-Schacht ein Fördergerüst aus Stahlbeton. Das Grünbacher Kohlenbergwerk belieferte damals vorwiegend Industriebetriebe in der Region mit hervorragender Kesselkohle, der Transport konnte bereits ab 1897 mit der Schneebergbahn erfolgen. Im Jahr 1936 wurde mit 223.240 Tonnen die höchste Jahresförderung in der Geschichte erreicht.

Nach dem Anschluss an Nazi-Deutschland 1938 wurde das Bergwerk „arisiert“, da Fritz Mandl Jude war, und es diente sehr bald der Kriegswirtschaft. Nachdem Grünbach ein verhältnismäßig großer Betrieb war, wurde auf rasches Gewinnen aller leicht abbaubaren Flöze gesetzt. Als Grünbach im April 1945 unmittelbares Kriegsgebiet wurde, gelang es mutigen Bergleuten, die geplante Sprengung des Betriebs zu verhindern, doch weite Teile der Grube standen aufgrund des Mangels an elektrischem Strom unter Wasser.

Nach Kriegsende galt das Bergwerk Grünbach der sowjetischen Besatzungsmacht als „deutsches Eigentum in Österreich“ und wurde in den USIA-Konzern eingegliedert. Die sowjetische Verwaltung führte zwar Modernisierungen durch, sah sich aber auch mit dem Vorwurf des Raubbaus konfrontiert, so war bei der Übernahme des Betriebs in die verstaatlichte Industrie nach dem Staatsvertrag 1955 nur Kohle für wenige Wochen aufgeschlossen.

Zu Beginn der 1960er-Jahre wurde die Lage im gesamten Kohlebergbau immer schwieriger und im Grünbacher Bergwerk ganz besonders. Die hohen Förderkosten und die Konkurrenz durch das Erdöl als Energieträger führten schließlich zur Betriebseinstellung mit Oktober 1965. Das Werksgelände des Neuschachtes mit dem ehemaligen Maschinenhaus beherbergte einige Firmen und dient nach einem Umbau heute dem Verein „Lebensbogen“.