Die Grünerle erobert die Alpen

Verschwindet der Mensch, kommt die Grünerle: Das Gebüsch breitet sich in den Alpen derart stark aus, dass die Biodiversität und das Landschaftsbild gefährdet sind. Ziegen und Engadiner Schafe könnten die Grünerlen zurückdrängen.

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Das Engadiner Schaf ist das einzige Schaf, das die Grünerle wirksam bekämpfen kann. (Bild: SNF)

Das Engadiner Schaf ist das einzige Schaf, das die Grünerle wirksam bekämpfen kann. (Bild: SNF)

(hof.)

Für einmal warnt die Wissenschaft nicht vor einer invasiven, sondern vor einer einheimischen Pflanze. Die Grünerle erobert die Alpen. Dort, wo der Mensch aufhört, die Weiden zu bewirtschaften, breitet sich nicht nur Wald, sondern auch Gebüsch aus. Um die Fläche von 1000 Hektaren wächst der Gebüschwald jährlich. Das Gebüsch setzt sich aus bis zu 85 Prozent Grünerlen zusammen – was gravierende Folgen zeitigt, wie die Akademien der Wissenschaften Schweiz mitteilen.

Klimaschädigende Pflanze

Die Grünerle wächst so gut, weil sie mithilfe eines Bakteriums den Stickstoff aus der Luft zur eigenen Düngung nutzt. Doch dadurch verändert sie auch das sie umgebende Ökosystem. Pflanzen, die diese Düngung nicht vertragen, werden zurückgedrängt und damit die sie bevorzugenden Insekten und Vögel. Die Biodiversität, die auf Alpwiesen und -weiden besonders hoch ist, nimmt ab. Wächst eine Fläche zur Hälfte mit Grünerlen zu, so wird die Vielfalt an Pflanzen halbiert.

Das Stickstoff im Boden wird zudem als Nitrat ausgewaschen: Der Boden versauert. Damit nicht genug. Grünerlen weisen 35-mal höhere Emissionsraten an Lachgas auf als Wiesen. Lachgas ist ein starkes Treibhausgas. Gemäss den Akademien sind die jährlichen Emissionen einer Hektare Grünerlengebüschs gleich schädlich wie der CO2-Ausstoss von 15 000 mit dem Auto gefahrenen Kilometern.

Engadiner Schafe helfen

Die wuchernden Grünerlen verändern das Landschaftsbild stark. Undurchdringliches Gebüsch werde von Einheimischen und Touristen als weniger schön und wertvoll als eine gepflegte Kulturlandschaft betrachtet, meinen die Wissenschafter. Die neue Agrarpolitik, die von 2014 bis 2017 gelten wird, setzt zwar Anreize, um die Kulturlandschaft im Alpenraum offenzuhalten. Allerdings genügen diese Massnahmen wohl nicht, um die Verbuschung zu stoppen. Besonders artenreiche Flächen müssten daher schweizweit speziell geschützt werden, schreiben die Akademien.

Die mechanische Beseitigung der Grünerlen ist sehr aufwendig und in steilem Gelände kaum möglich. Tiere könnten aber helfen: Ziegen und das Engadiner Schaf mögen die Triebe und die Rinde von Grünerlen und könnten das Gebüsch zurückdrängen. Deshalb sollte die Haltung dieser Tiere im Sömmerungsgebiet gefördert werden, fordern die Akademien.

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