Interview

Erwin Steinhauer: "Wir haben es richtig krachen lassen"

Der Schauspieler und Kabarettist Erwin Steinhauer verwandelte sich vom oft hemmungslosen Hedonisten in einen kontrollierten Trinker; inzwischen ist er durchgehend Asket.

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Welcher Art von Trinkstil frönen Sie heute?
Steinhauer
Ich bin inzwischen tatsächlich totaler Asket, was den Alkohol betrifft. Übergangsweise habe ich es mit alkoholfreiem Bier versucht. Ich konnte mir aber nicht sehr lange einreden, dass es schmeckt.
Wie haben Sie das Ihrem inneren Hedonisten beigebracht?
Steinhauer
Das war nicht einfach. Aber mein Körper hat mir zunehmend Signale geschickt, dass ich das mit dem Alkohol besser lassen sollte. Ich habe tatsächlich wahnsinnig gerne getrunken. In meinen Kabarettanfängen haben wir auch unfassbar viel getrunken, egal was. Dann haben sich meine Trinkgewohnheiten auf einer höheren Kulturstufe eingependelt. Ich wurde zum begeisterten Rotweinsammler und Trinker. Vergleichende Önologie, das war's für mich viele Jahre! Ich habe mir eingeredet, dass ich die unterschiedlichen Jahrgänge von der gleichen Traubensorte miteinander vergleichen muss. Was natürlich nichts als eine Ausrede war. Die Menge des Leerguts bei mir zu Hause wurde mir dann langsam verdächtig. Heute werde ich sehr gerne eingeladen, weil ich die übrigen Flaschen aus meinen Rotweinbeständen als Geschenk mitbringe.
Womit wir bei der heftigsten Feuerprobe für Menschen, die nicht mehr trinken wollen, angelangt sind: Alkohol ist ein soziales Gleitmittel. Nach einer gelungenen Vorstellung mit einem Glas Wasser?
Steinhauer
Ich bin ja meist mit sehr viel jüngeren Musikern unterwegs. Und gehe dann halt sehr brav mit meinem iPad ins Bett, wenn es bei denen gerade erst lustig wird. Am nächsten Tag sitze ich munter und fit beim Frühstück und warte auf die Burschen, die dann natürlich nicht kommen.
Gab es ein Schockerlebnis, das Sie regelrecht in die Askese gezwungen hat?
Steinhauer
Prägend war, als ich bei einer Vorstellung im Volkstheater 2004, ich spielte Raimunds "Bauer als Millionär", nach dem Abgang der "Jugend" plötzlich 150 Puls hatte. Meine Pumpe ist einfach stehen geblieben. Damals hatte ich auch 130 Kilo. Die Theaterärztin hat das damals sehr runtergespielt. "Sie san halt a bisserl stark", hat sie nur gemeint. Zur Beruhigung trank ich danach Rotwein, was ein fataler Fehler war. Tatsächlich habe ich danach noch jahrelang meine gesundheitlichen Probleme übergangen-auch mithilfe von Ärzten, die meinten, das sei alles nicht so schlimm. 2008 habe ich mich vom Rotwein verabschiedet, aber mich dann noch freudig in die Weißweine gestürzt.
Ich erinnere mich an unser Gespräch. Sie nannten das damals "kontrolliertes Trinken". 
Steinhauer
Die Regel war: nicht mehr als drei Achtel Weiß, im Lauf der Zeit wurde es immer weniger, bis ich gar kein Bedürfnis mehr verspürte.
Und das funktionierte ohne jeden therapeutischen Beistand?
Steinhauer
Da bin ich ganz von selber draufgekommen, dass ich ein gestörtes Verhalten habe. Ich würde mich prinzipiell als Gourmetmand bezeichnen, also von allem gut und viel. Mein Suchtverhalten und mein Kampf dagegen haben sich heute auf Schokolade verlagert. Zucker ist ja eine tatsächliche Droge.
Hat das Klischee, demzufolge Künstler und Kreative besonders trinkfreudig seien, seine Berechtigung?
Steinhauer
Ich kenne auch etliche Piloten und Ärzte, die viel trinken. Prinzipiell hat der Konsum von Alkohol stark mit Angst zu tun. Das konnte man auch an Kollegen beobachten, oft sehr prominenten. In einem Stück an der Burg trank der Hauptdarsteller eine ganze Flasche Port während der Vorstellung. Nach jedem Abgang hat ihm der Garderoberer ein Glas hingestellt. Mein Kollege und ich mussten ihn einmal halten, damit er nicht ins Publikum stürzte. Aber mit jeder gelungenen Vorstellung verflog seine Angst.
Dass sich in der Kunst-und Kulturszene in Wien in den 1980er-und 1990er-Jahren viele äußerst produktive Trinker und auch Alkoholiker befanden, ist bekannt. Hat sich das geändert?
Steinhauer
Sehr. Heute gibt es so wenige Alkoholiker unter den Kollegen, dass man sie fast alle kennt. Früher waren nahezu alle Alkoholiker. Heute wird viel weniger getrunken. Die jungen Menschen hängen alle im Handy und nehmen die Welt außerhalb gar nicht mehr wahr. Das geht natürlich auch stark auf Kosten der Fantasie.

Erwin Steinhauer, 71

ist Schauspieler und Kabarettist, hat von Burgtheater über Josefstadt und Volkstheater alle Bühnen bespielt. Am 18. März ist Steinhauer mit Joseph Roths Erzählung "Leviathan" in Begleitung des Akkordeonisten Andrej Serkov im Wiener Theater Akzent zu sehen.

Angelika   Hager

Angelika Hager

leitet das Gesellschafts-Ressort