Jäger und Spender: Oligarch Sardarov ist in Rohr am Gebirge gern gesehen, auch dank Spenden für die Feuerwehr. Sein Jagdrevier ließ er komplett einzäunen und das Tor mit seinen Initialen versehen.
profil-Morgenpost

Der Oligarch, den wir liebten

Eine Geschichte vom Geld, das aus der Kälte kam und in Österreich so heimisch wurde, dass man es schon fast gar nicht mehr sehen kann.

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Frühlingsbeginn, Zeit für einen Ausflug ins südliche Niederösterreich. Mein Kollege Jakob Winter war in der vergangenen Woche im schönen Rohr im Gebirge, Bezirk Wiener Neustadt-Land, oberes Schwarzatal. Die wirklich sehenswerte Pfarrkirche zum heiligen Ulrich hat er dabei leider genauso ausgelassen wie die beiden Themenwanderwege durch die 500-Einwohner-Gemeinde, er interessierte sich nämlich fast ausschließlich für ein Privatgrundstück mitten im Wald. Dieses gehört einem russischen Geschäftsmann namens Rashid Sardarov, der sein Vermögen (geschätzte vier Milliarden Dollar) in der Öl- und Gasindustrie gemacht hat und seine Freizeit gern auf der Jagd verbringt:

"Das gusseiserne Tor im Nadelwald sieht genauso aus, wie man sich die Einfahrt zum Jagdgebiet eines Oligarchen vorstellt. In dicken Goldlettern prangen die Initialen von Rashid Sardarov auf der Pforte, hinter der sich der 600 Hektar große Nebenwohnsitz des Energie-Milliardärs in Rohr im Gebirge (Niederösterreich) erstreckt. Villa, Gästehäuser, Badeteich, drei Quellen, Schneebergblick und Jagdrecht inklusive. Wenn Sardarov nicht die Geschicke seiner South Ural Industrial Group führt oder auf seiner Ranch in Namibia nach Nashörnern jagt, kommt er in den Süden von Niederösterreich, um darauf zu warten, dass ihm Wildschweine, Steinböcke oder Rehe vor die Flinte laufen."

Das ist wohl sein gutes Recht und hier auch nur insofern interessant, als die EU ja jüngst – in Reaktion auf den Überfall Russlands auf die Ukraine – eine Reihe wirtschaftlicher Sanktionen gegen Kreml-nahe Oligarchen beschlossen hat, also jene Clique von Geschäftsleuten – überwiegend Männern –, die in der radikalprivatisierten Wirtschaft des postsowjetischen Russland zu einigem Geld und Einfluss kamen. Sardarov selbst – dem neben den Anwesen in Niederösterreich und Namibia unter anderem auch die 70-Meter-Yacht „Stella Maris“ gehört (Kaufpreis laut der Webseite www.superyachtfan.com: 75 Millionen US-Dollar; zuletzt in Nizza gesichtet) – steht seinerseits nicht auf der EU-Liste (wohl aber in den Panama Papers, aber das ist wieder eine ganz andere Geschichte). Aber selbst wenn, müsste er sich um seine hiesigen Assets womöglich auch keine ganz großen Sorgen machen, denn die österreichischen Behörden sind – wie Winter und Katharina Zwins im neuen profil ausführen – nicht gerade übereifrig in der Durchsetzung der EU-Sanktionen:

"Deutschland richtete eine Taskforce ein, bestehend aus 14 Behörden, um die Aktion scharf gegen das Vermögen des russischen Geldadels zu koordinieren. In Österreich berichtet ein auf Geldwäsche spezialisierter Beamter davon, dass mit seiner Abteilung noch niemand gesprochen hätte. Während mehrere EU-Staaten selbstbewusst und öffentlichkeitswirksam russisches Vermögen einkassieren, halten sich die österreichischen Behörden mit Erfolgsmeldungen zurück."

Yachten mögen andere beschlagnahmen, du, glückliches Österreich, warte mal ab. Und du, Rohr im Gebirge, atme auf:

"Inzwischen genießt Sardarov unter der lokalen Bevölkerung einen blendenden Ruf, auch wenn sie ihn wenig schmeichelhaft "Smirnoff", "Herr aus Moskau" oder schlicht "den Russen" nennen. "Er tut recht viel für die Gemeinde, was man so hört", sagt die Trafikantin und meint damit die Zuwendungen Sardarovs für ein neues Feuerwehrauto, für die Rettung, den Umbau des Freibads, der Volksschule, die Renovierung der Kapelle und so weiter. Insgesamt eine Million Euro soll der Milliardär in den vergangenen Jahren in der Region verteilt haben. Dazu kommt noch ein zweistelliger Millionenbetrag, den er in sein Revier investierte. "Jetzt haben unsere Leute eine Arbeit in dem Gut, vorher ist das ganze Gebiet brachgelegen", meint ein Stammgast im Wirtshaus, während er sich sein Wieselburger Bier ins Glas schenkt. Wie Sardarov zu seinem Vermögen gekommen ist, was er über den Krieg von Russlands Präsident Wladimir Putin denkt? "Über das wird im Wirtshaus nicht geredet."

Aber in der Nationalbank, nur zum Beispiel, da könnte man ja. Falls dort noch Nachhilfe bei der Verfolgung oligarchischer Vermögenswerte benötigt ist, können Stefan Melichar und Michael Nikbakhsh vielleicht helfen. Die Kollegen arbeiten schon länger im internationalen Rechercheverband OCCRP (Organized Crime and Corruption Reporting Project). In Kooperation mit Journalisten des „Guardian“, von „Le Monde“, NDR und „Miami Herald“ (u.a.) publizierten Melichar und Nikbakhsh gestern eine erste Auswahl aus ihrer jüngsten Recherche, dem „Russian Asset Tracker“:

"Ausgangspunkt der Recherche ist eine Liste mit 35 Namen, die die Organisation des – zunächst vergifteten, dann inhaftierten – russischen Oppositionspolitikers und Antikorruptionsaktivist Alexey Nawalny bereits 2021 erstellt und zur Anregung für mögliche Sanktionen veröffentlicht hat. Auf der Liste stehen russische Geschäftsleute und andere Personen, die entweder Präsident Wladimir Putin nahestehen oder von dessen politischen System besonders profitiert haben sollen."

Unter anderem geht es also um die Herren Abramowitsch, Deripaska und Shuvalov, um ein Penthouse in der Wiener Innenstadt, ein Anwesen am Fuschlsee, ein Schlössl am Attersee – und um diverse Treuhand-Firmen, Schenkungen und Briefkästen. Ja, es ist kompliziert. Aber nicht so kompliziert, dass man von Vorneherein den Hut drauf hauen müsste.

"Ziel des Journalistenkollektivs ist es, Vermögenswerte der „Nawalny 35“ im Ausland zu dokumentieren. Dies vor dem Hintergrund, dass Villen, Jets und Yachten oft nicht im eigenen Namen gehalten werden. Trotz der Komplexität ist es bereits im ersten Schritt gelungen, eine dreistellige Zahl an Besitztümern auszuleuchten – einige von ihnen in Österreich. Insgesamt wurden bisher bereits mehr als 140 Assets im Wert von mehr als 17 Milliarden US-Dollar aufgespürt beziehungsweise zugeordnet. Schon jetzt ist jedoch abzusehen, dass die Arbeit mit dieser ersten Veröffentlichung noch lange nicht beendet sein wird."

In diesem Sinne: Haben Sie einen aufschlussreichen Dienstag!

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur, ist seit 2020 Textchef dieses Magazins und zählt zum Kernteam von faktiv.