Haus, Dame, Hausbesuch, Wohnen
Foto: Harald Eisenberger

Hausbesuch in Oberndorf an der Melk

Renate Habinger suchte eigentlich nur einen schönen Garten. Dabei fand sie ganz nebenbei in Oberndorf an der Melk
in Niederösterreich ihr Traumhaus.
Text: Susi Biró, Fotos: Harald Eisenberger

Alle im Ort nennen das Gebäude „Schneiderhäusl“. Bis heute hat Hausherrin Renate Habinger nicht herausgefunden, warum. Ursprünglich wohnten hier nämlich gar keine Schneider, sondern Schuster. „Vielleicht heißt es ja so, weil die Schuhe aus Leder geschneidert wurden“, sagt Renate und lacht.

Die Fantasie kommt nicht von ungefähr: Renate Habinger ist in der Kreativbranche tätig – als vielfach ausgezeichnete Illustratorin von Kinderbüchern. Vermutlich ist es auch ihrer Vorstellungsgabe zuzuschreiben, dass sie jetzt in einem Haus wohnt, das sie eigentlich gar nicht gesucht hat.

Anzeige

Das kam so: „Meine Schwester lebt hier in Oberndorf an der Melk. Und ich, als ewig Reisende, wollte in ihrer Nähe einen Garten“ – als Fixpunkt und Rückzugsgebiet. „Und dann stand da in diesem schönen Garten dieses charmante alte Haus und hat mich gefangen genommen.“

Auf den ersten schnellen Blick und aus der Entfernung „sah es eigentlich klein aus. Später, im Zuge der Renovierung, hab ich die wahren Dimensionen erkannt.“ Drei Stockwerke, 360 Quadratmeter. „Spätestens dann war klar, dass ich hier alles vereinen kann, was ich liebe, wenn ich hierher aufs Land ziehe“, schwärmt Renate.

Servus Mondpost

Entfaltung auf drei Etagen

„In mir wohnen zwei Seelen“, erklärt die Hausherrin, während wir in ihr Reich eintauchen. „Einerseits suche ich Geborgenheit und Rückzug, andererseits brauche ich als Künstlerin offene, helle Räume und den weiten Blick.“

Das Erdgeschoß ist jener Bereich, der die erste Seele zärtlich krault: Es wurde bereits im 17. Jahrhundert erbaut, eine knorrige Tür führt in einen kleinen Vorraum. Bäuerliche Atmosphäre, niedrige Räume, gemütliche Grundstimmung. Eine gut erhaltene geschnitzte Holzdecke von 1811, ein Biedermeier-Bett (ein Geschenk der Schwester), ein offener Kamin und die kleinen Fenster laden zur Entspannung ein. „Ich habe bei der Renovierung darauf geachtet, dass der ursprüngliche Charakter erhalten bleibt“, obwohl natürlich die Haustechnik auf den Stand von heute gebracht wurde. Für Wärme sorgt etwa eine unsichtbare Wand- und Fußbodenheizung.

Wenn Renate Habinger hingegen nach mehr Offenheit ist, nach hellen, sonnendurchfluteten Räumen und nach einem Ausblick, der im Süden ins Alpenvorland und im Norden fast bis ins Waldviertel reicht, dann muss sie nur über die hölzerne Wendeltreppe in den zweiten Stock gehen. Da, wo einst der Stadl war, hat sie alles neu machen lassen. Die großen Fenster, die Böden – alles luftig, hell und modern. Die bewusst funktionell gestaltete Küche und der Wohn- beziehungsweise Arbeitsbereich bilden hier eine Einheit. Dabei sind Wohnen und Arbeiten für Renate Habinger sowieso ein und dasselbe. Sie ist es von jeher gewohnt, daheim zu arbeiten.

Auf dem großzügig bemessenen Tisch sehen wir Entwürfe für ihre Illustrationen. Hier schaut sie aus dem Fenster in den herrlichen Garten oder weit in die Landschaft, die das Haus umgibt. Das verleiht Kraft und fördert den Einfallsreichtum.

Im Inneren des Hauses

Kreative Pausen im Grünen

Bekannte Werke wie „Das Buch, gegen das kein Kraut gewachsen ist“ sind an diesem Platz entstanden. Und damit sie mit dem Garten immer verbunden ist, hat Renate eine kleine Terrasse mit einer Außentreppe nach unten bauen lassen. Kreative Pausen verbringt sie nämlich gern im Grünen.

Bleibt noch, vom ersten Stock zu erzählen: Dort hat Renate Habinger eine groß angelegte Begegnungszone eingerichtet – das sogenannte „Kinderbuchhaus“ (Infos: www.kinderbuchhaus.at). Hier hält sie im Rahmen eines von ihr gegründeten Vereins Seminare und Kurse ab. Natürlich auch für Erwachsene.

Das Haus

Aber vor allem für Kinder. Sie können zum Beispiel die Menschen kennenlernen, die hinter der Produktion eines Kinderbuchs stecken. Oder in der Bibliothek, die rund 1.200 Bücher umfasst, ein wenig gustieren und schmökern. Jedes Jahr gibt es darüber hinaus eine liebevoll gestaltete Ausstellung zum Thema Kinderbücher.

Es ist Renate Habinger sichtlich ein Anliegen, die Kleinen für Bücher im Allgemeinen und kreative Arbeit im Speziellen zu begeistern. Schön, wenn Leidenschaft den richtigen Raum bekommt!

Anzeige