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Wie die "Flintstones" das US-Fernsehen rockten

Foto: Mary Evans Archive / imago images

60 Jahre "Flintstones" Familienbild aus der Steinzeit

Yabba Dabba Doo! Familie Feuerstein wird 60. Als zwei US-Trickfilmer den Alltag einer Spießerfamilie zur Urmenschen-Serie umformten, wollte niemand ihren Geniestreich haben. Es wurde ein Riesenerfolg.

Einer muss den Kies ja ranschaffen: Den ganzen Tag hat Kranfahrer Fred im Steinbruch geschuftet, während die treu sorgende Hausfrau Wilma zu Hause Kind und Kegel hütete, kochte und putzte. Endlich läutet der Polier den Feierabend ein. Fred springt in den Wagen, sammelt mit Vollgas Gattin, Kind und Nachbarsfamilie ein, gemeinsam fahren sie zu beschwingter Big-Band-Musik erst ins Autokino, dann auf einen Burger ins Diner. Ein typischer Familienabend in den USA der Sechzigerjahre.

Doch wir befinden uns in der Steinzeit: Freds Baukran ist ein Saurier, sein Chef liest den Feierabend an der Sonnenuhr ab, ein Urzeitvogel kräht das Signal zum Schichtende. Und die Steinräder der Familienkutsche, die sie mitsamt Nachbarn und Haustier - einem Säbelzahntiger - ins Kino bringt, laufen ganz ohne fossile Brennstoffe: Durch Löcher im Boden treiben alle das Auto zu Fuß an. Da braucht man schon den einen oder anderen "Bronto-Burger", um wieder zu Kräften zu kommen.

Die erste Folge "The Flintstones" lief am 30. September 1960 im US-Fernsehen und war eine kleine Revolution. Weil die Serie den Alltag der Sechzigerjahre mit prähistorischer Menschheitsgeschichte verknüpfte. Und weil sie Sitcom mit Trickfilm vereinte. Das Experiment sollte ein Überraschungserfolg werden - und Jahrzehnte später eine andere Zeichentricklegende inspirieren.

Vom Pleistozän in die Primetime

Als Joseph Barbera und William Hanna ihre Idee für die "Familie Feuerstein" ausarbeiteten, waren sie im Zeichentrickfilm längst zu Hause. Bereits 1939 hatten sie sich bei Metro-Goldwyn-Mayer kennengelernt und arbeiteten gemeinsam am Kurzfilm "Puss Gets the Boot", der Genregeschichte schrieb: Kater Jasper jagt den verschlagenen Mäuserich Jinx, der ihn immer wieder überlistet. Dabei geht so viel Haushaltsinventar zu Bruch, dass die Haushälterin am Ende den vermeintlich schuldigen Kater rauswirft und die Maus in Frieden leben kann. Weitaus bekannter als der Titel des oscarnominierten Neunminutenfilms sind die geänderten Namen der Hauptfiguren in den Fortsetzungen: Tom und Jerry.

Sieben Oscars gewannen die mehr als 200 "Tom and Jerry"-Kurzfilme in den Vierziger- und Fünfzigerjahren. Aber die beiden Trickfilmer strebten mehr als nur kreative Erfolge an. Der geschäftstüchtige Barbera hatte in den Dreißigerjahren für eine New Yorker Investmentbank gearbeitet - und so machten er und sein Kompagnon sich 1957 mit ihrer eigenen Firma selbstständig: Hanna-Barbera Productions.

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Foto: Mary Evans Archive / imago images

Mit ihrer Trickfilmproduktionsgesellschaft nahmen sie einen ganz neuen Markt ins Visier: Zeichentrickfilme liefen in den Vierziger- und Fünfzigerjahren üblicherweise im Kino, meist als Appetithäppchen vor dem Hauptfilm des Abends. Hanna und Barbera aber wollten erstmals in die Primetime des US-Fernsehens, aufs Sonnendeck. "The Flintstones" war stark inspiriert von der Sitcom "The Honeymooners" über zwei befreundete Paare in Brooklyn. Nur übersetzt in eine fiktive Steinzeit. Und als Zeichentrick.

Barbera erinnerte sich 1997 in einem Interview  an langwierige Experimente und Diskussionen: "Erst hatten wir eine Hillbilly-Familie ausprobiert, eine römische Familie, eine Familie von Pilgern, eine Indianerfamilie." An der Steinzeitfamilie seien sie wegen der vielen Gags hängen geblieben, die sich aus Anspielungen auf die Gegenwart ergaben. Dinge wie das "Stoneway"-Piano der Feuersteins hätten die Macher auf Touren gebracht: "Man konnte alles Gegenwärtige nehmen und in die Steinzeit übersetzen - Kleiderhaken wurden etwa Vögel, die ihre Schnäbel öffneten, damit man die Kleidung daran aufhängt."

"Niemand wollte es haben"

Anfangs teilten Geldgeber ihre Begeisterung für das neuartige Konzept keineswegs: "Niemand wollte es haben", so Barbera. "Ich versuchte es acht Wochen am Stück: Pitch, Pitch, Pitch, manchmal fünf am Tag." Erst am letzten Tag der Werbetour seien Vertreter des Senders ABC in seinem Hotel aufgetaucht - sie kauften die Sendung direkt nach einer Viertelstunde Gespräch. "Ich sollte mittags im Flieger sein. Wenn sie es nicht gekauft hätten, hätte ich alles genommen und ins Archiv gepackt. Und dort holt man nie wieder eine Sendung heraus."

Vor genau 60 Jahren ließ der Sender die "Flintstones" auf die Welt los. Die Geschichten der modern stone age family drehten sich um den Alltag des dicklichen, latent gereizten, etwas ungepflegten Bauarbeiters Fred Feuerstein und seiner gertenschlanken, immer adretten Gattin Wilma. Der einfältige Fred und sein Freund und Nachbar Barney Geröllheimer (im Original: Rubble) werkelten immerzu an neuen, hoffnungslosen Plänen, an Geld zu kommen - etwa einem Urzeit-Softdrink (der sich als ungewollter Unsichtbarkeitstrank entpuppte).

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Derweil schmissen ihre Gattinnen Wilma und Betty brav den Haushalt: Sie saugten mit dem Baby-Mastodon-Staubsauger den Teppich, entsorgten Abwasch-Speisereste im Urzeitvogel-Müllzerhäcksler unter dem Spülbecken und kümmerten sich um den Steinzeitnachwuchs, Pebbles und Bamm-Bamm. Spießige Rollenbilder aus grauer Vorzeit.

Kritiker verspotteten die im Vergleich zu Kinotrickfilmen billige Machart, die "New York Times" ätzte, die Cartoons seien ein "gemaltes Desaster". Als Fernsehserie waren die "Flintstones" größerem Zeitdruck unterworfen, man musste die Animation vereinfachen. Limited animation nannten Hanna und Barbera ihr Verfahren, bei dem sie nur die jeweils absolut notwendigen Bildelemente bewegten - "Disney für Arme", höhnten Kritiker.

Millionen mit Steinzeit-Frühstücksflocken

Und doch erkannten sie die Qualität der witzigen Drehbücher an. Aus Anachronismen entstanden immer neue Gags, von Freds Rasierapparat aus einer Muschel mit summender Biene darin bis zur Tageszeitung "Bedrock Daily Slate", gehauen in 40 Kilogramm schwere Steinblöcke. Garniert wurden solche Ideen mit Auftritten gezeichneter Stargäste wie "Stony Curtis" (gesprochen von Tony Curtis) oder der italienischen Haushälterin Lollobrickida (als Anspielung auf Gina Lollobrigida). "All diese Gags", so Joseph Barbera, "waren die Schaufensterdekoration" - sie forderten Aufmerksamkeit und brachten Zuschauer dazu, genauer hinzusehen.

Der Trick funktionierte prächtig: Die "Flintstones" wurden in den Sechzigerjahren zur beliebtesten Zeichentrickserie überhaupt, sie sprachen Kinder und Erwachsene gleichermaßen an. Das Unternehmen Hanna-Barbera ließ die Steinzeit-Sitcom in 22 Sprachen übersetzen und verkaufte sie in 80 Länder; in der Bundesrepublik erschien sie erstmals 1966 auf dem Bildschirm.

Zugleich machten die Schöpfer Millionen mit Merchandising von der Pebbles-Puppe bis zu "Flintstones"-Frühstücksflocken. Die Steinzeitfamilie war jetzt eine internationale Marke - und die Serie wurde mit 166 Episoden zur langlebigsten Zeichentrickserie der TV-Geschichte. Jedenfalls für sehr, sehr lange Zeit.

Erst 1997 sollte eine andere Zeichentrickserie diesen Rekord brechen. Bezeichnenderweise ähnelte ihr Grundkonzept der "Familie Feuerstein" verblüffend: ein dümmlicher Familienvater und seine stets zum Scheitern verdammten Abenteuer, der Alltag einer Mittelstandsfamilie voll beißender Anspielungen auf den Zeitgeist, erzählt mit einem Humor, der sowohl jüngere als auch erwachsene Zuschauer ansprach. Und dazu Gastauftritte animierter Prominenter. Die "Flintstones" wurden abgelöst durch die "Simpsons".

Nach fast 31 Jahren und 685 Folgen sind die geistigen Nachfolger der Familie Feuerstein noch immer im Fernsehen. Allein Freds berühmten Schlüsselausruf "Yabba Dabba Doo!" formuliert sein Nachfolger Homer Simpson ein wenig lakonischer: "D'oh."