Topografie & Geschichte

Die Sattnitz

Spitzach (slowenisch: Špice) existierte als Keuschensiedlung im Zeitraum zwischen 1600 und 1900 auf dem Rücken der Sattnitz. Informationen zur Topografie und Geschichte sind nachfolgend ausführlich dargestellt.

Es lag östlich der Ortschaft Lipizach und nördlich von Tutzach, gelegen in einem schmalen, vorwiegend von West nach Ost verlaufenden, Hochtal, auf ca. 640–690 Meter Seehöhe, mit einer Fläche (Kerngebiet der, in diesem Projekt beschriebenen, zehn Keuschen) von ca. 20 ha, der Perova- oder Gurnitzbach, der in weiterer Folge den Gurnitzer Wasserfall speist, durchfließt den östlichen Teil des Tals12. Die Sattnitz selbst begrenzt als markantes Massiv im Süden das Klagenfurter Becken und besteht fast vollständig aus Konglomeratgestein, das ursprünglich durch Gletscherbewegungen aus den Karawanken stammt3 und ca. 10.000.000 Jahre alt ist4. Sie hat eine Ausdehnung zwischen 30 km in Ost-West- und 3,5 km in Nord-Süd-Richtung5 und ist etwa seit der keltischen Zeit besiedelt6. Die Sattnitz war und ist zu relevanten Teilen zweisprachiges (Deutsch/Slowenisch) Siedlungsgebiet, die sich daraus ergebenden Herausforderungen, die bis in die heutige Zeit „nachwirken“ wurden z. B. von Ogris7 ausführlich beschrieben.

Drohnenflugvideo durch das Tal von Spitzach/Špice im Verlauf der Jahreszeiten | Anflug von Gurnitz (NO), ab Frühlingsbeginn in Richtung Lipizach (W), Blick zurück nach Osten im Herbst

Die Entstehung und der Name von Spitzach

Arnold vermutet, dass – obwohl mehrere Ortschaften auf der Sattnitz bereits um 1300 existierten, insbesondere Radsberg (1217, 1277), Tutzach (1270), Kossiach (1321) und Schwarz (1270) – Spitzach zur selben Zeit entstand, wie das etwas westlich gelegene Lipizach. Er gibt dafür den Zeitraum von ca. 1600 an und bezeichnet es als „neuzeitliche Streusiedlung“8.

Der Name Spitzach/Špice (auch: „Am Spiz“, „Na Špicah“) leitet sich – sowohl auf Deutsch als auch auf Slowenisch – vom spitz zulaufenden Westteil des gerodeten Bereichs des Hochtals ab9. Erste urkundliche Nennungen von Spitzach datieren zurück auf das Jahr 1622/23, hier finden sich in den Urbaren der Propstei Gurnitz erste Eintragungen zu Geburten und Besitzverhältnissen10.

Kartenausschnitt einer Karte aus dem Jahr 1752, der Spitzach, Tutzach und Lipizach umfasst.
Faksimile: Kartenausschnitt aus Surgant und Weingartner 1752, Spitzach blau unterlegt | Original im Kärntner Landesarchiv

Grundbesitzverhältnisse und wirtschaftliche Abhängigkeiten

Der Grundbesitz in diesem Teil der Sattnitz hatte geschichtlich mehrere Herr·innen in wechselnder Zusammensetzung:

In der Zeit vor der Revolution von 1848/1849 waren die Bewirtschafter·innen der Keuschen unter anderem jährlich dazu verpflichtet, Ihren Herr·innen gegenüber Frondienst (Robot) und materielle und finanzielle Abgeltung (Brennholz aus den Wäldern, „Siedlpfennig“, Geflügel) zu leisten11. Zusätzlich hatten die Keuschen in Spitzach keinen eigenen Wald, sondern waren darauf angewiesen, in den herrschaftlichen Wäldern „Klaubholz“ zu sammeln. Damit deckten sie ihren Bedarf an Brenn- und Gebrauchsholz, aus letzterem wurden in den Wintermonaten z. B. auch Besen, Körbe und Schindeln hergestellt12. Nachfolgende Tabelle gibt eine Übersicht über die finanziellen und materiellen Leistungen, die von zwei Anwesen in Spitzach an die Herr·innen in Gurnitz zu leisten waren:

PetzOnitsch
Siedlpfennig4 Pfennig8 Pfennig
Zins10 Schilling11 Schilling 2 Pfennig
Steuer30 Schilling35 Schilling
Rüst- und Hubgeld55 Schilling55 Schilling
INSGESAMT FINANZIELL1 Gulden 36 Schilling 2 Pfennig1 Gulden 44 Schilling
Eier2525
Hühner44
Kapaune33
Eier Handehrung1010
Gespunst66
Abgaben der Keuschen von Spitzach, 1643 (eigene, auszugsweise Darstellung nach Arnold, 2014, S. 28)
Kartenausschnitt einer Karte aus dem Jahr 1784-85, der den Südosten von Klagenfurt umfasst.
Faksimile: Kartenausschnitt aus der Josephinischen Landesaufnahme, 1784-85, Spitzach blau unterlegt | Original im Kärntner Landesarchiv

Landwirtschaftliche Perspektiven

Im Kerngebiet von Spitzach sind im Laufe der Jahrhunderte acht Keuschen beschrieben, zwei weitere lagen weiter südwärts in Richtung der Ortschaft Werouzach (Diese sind in diesem Projekt nicht in voller Detailtiefe dokumentiert. Der Großteil der Keuschen wurde am nordseitigen Sonnenhang des Tals errichtet, der Talgrund bot dafür schlicht nicht genug Platz13. Die Bodenbeschaffenheit auf der Radsberger Hochebene wird als nicht besonders fruchtbar, nicht ertragreich oder nicht agrarisch intensivier- und erschwert bearbeitbar beschrieben14.

Kartenausschnitt einer Hybridkarte aus 2019, der Spitzach, Gurnitz und Lipizach umfasst.
Hybrider Kartenausschnitt (Höhenkarte & „Franzi“), Spitzach blau unterlegt | Geodaten via KAGIS

Land- und Viehwirtschaft wurde in Spitzach in kleinerem Rahmen als in den umliegenden Siedlungen betrieben, die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick, die durchschnittliche Größe der Betriebe in Spitzach lag im Lauf der Zeiten bei 2,9–4 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche(LN)15.

OrtschaftLN (ha)Häuserdavon bäuerlich∅ LN
Tutzach9012127,5
Schwarz100,414147,4
Radsberg128,119187,1
Kossiach84,511108,5
Obermieger65,51297,3
Untermieger40,4858,1
Haber45,14411,3
Obitschach719710,1
Skarbin30,73310,2
Spitzach17,2552,9
Lipizach28,810102,9
Werouzach32,5665,4
Kreuth109,320205,5
Berg84,221214
Sabuatach7013135,4
Durchschnittliche landwirtschaftliche Nutzflächen der Ortschaften auf der Sattnitz (eigene Darstellung nach Arnold, 2014, S. 21)

Auf diesen Flächen wurde vorwiegend Getreide angebaut (Roggen, Hafer, Hirse, Buchweizen, Weizen, Lein, Hanf), die Bestellung der Felder erfolgte mit Ochsen (wo vorhanden), unter Einsatz von „hölzernen Ritzpfluggeräten“ (Arl)16.

Der Viehbestand setzte sich 1750 auf vier Höfen17 wie folgt zusammen:

  • Sechs Ochsen
  • Sieben Kühe
  • Sechs Kälber
  • Sieben Schweine

Die Weidetiere wurden – aufgrund der kleinen Gemeinweide von Spitzach – in die Waldweide der sogenannter „Viktringer Gmein“ getrieben.

Besitzkonzentration, Unwirtschaftlichkeit und Verkauf der Keuschen von Spitzach

Die Keuschen von Spitzach hatten im Laufe des Bestands viele verschiedene Bewirtschafter·innen/Eigentümer·innen, diese wurden von Arnold 2014 gut recherchiert sowie kenntnisreich und detailliert beschrieben. Zwei Familien sollten die Keuschen von Spitzach bis zum Verlassen der Siedlung besitzen: Die Rogaunig (auch: Ragaunigg, Rogaunigg) und die Hribernig (auch: Hribernigg)18. Erstere sind seit 1742 auf der Ferdekeusche genannt, letztere seit 1784 auf der Pötzkeusche19. Der Hauptteil der Konzentration von Grundbesitz fand während des 19. Jahrhunderts statt: Um 1800 werden noch fünf bis sechs Familien auf den Höfen beschrieben, 1890 – also zehn Jahre vor dem Verkauf des letzten Anwesens – waren es nur mehr zwei, die genannten Rogaunig und Hribernig20.

Kartenausschnitt einer Karte aus dem Jahr 1830-31, der Spitzach, Ebenthal, Radsberg, Tutzach und Lipizach umfasst.
Faksimile: Kartenausschnitt aus der Franziszeischen Landesaufnahme, 1830-31, Spitzach blau unterlegt | Original im Kärntner Landesarchiv

Die Revolution von 1848/1849 brachte auch die sogenannte Befreiung des Bauernstandes mit sich, das bedeutete u. a. dass die Robot gegenüber den Grundherr·innen abgeschafft und durch Geldleistungen ersetzt wurde – diese waren aber unter den (land-)wirtschaftlichen Bedingungen in Spitzach für die Bewohner·innen wahrscheinlich deutlich schwieriger zu erbringen als bloße Arbeitsleistung21. Zusätzlich wurde durch die Herrschaft Goëss eine geordnetere Forst- und Jagdwirtschaft angestrebt und im Zuge dieser Bestrebungen wurde es den Bewohner·innen untersagt, das Vieh in die Wälder zu treiben und „Klaubholz“ zu sammeln. Das – in Verbindung mit einsetzendem „Wettbewerbsdenken“ in der Landwirtschaft – führte zu zunehmender Unwirtschaftlichkeit der Höfe in Spitzach. Die letzten Anwesen im Kerngebiet wurden 1899/1900 an die Familie Goëss verkauft, die Rodungsinsel nachfolgend wieder aufgeforstet22.

Geschichtlich Bemerkenswertes aus der Zeit nach 1900

Die Geschichte von Spitzach endet allerdings (noch nicht) mit dem Verkauf der letzten Keuschen im Kerngebiet, auch danach findet die Dorfwüstung noch diverse Erwähnungen.

Ein Roman, der in Gurnitz spielt: „Der Gurnitzer“ von Dolores Viesèr

Literarisch fand Spitzach im Roman „Der Gurnitzer“ von Dolores Viesèr Erwähnung, der während der Zeit der Türkeneinfälle in Kärnten spielt. Dem Protagonisten, Leonhard Savorčič, kommen bei der Abwehr eines Türkenangriffs nicht nur Bauern aus Rain, sondern auch aus Spitzach zu Hilfe:

„Auf den Brucken rumpeln Männer heran, die Rainer, die Spitzacher. Mit fiebernder Ungeduld wartet Hart, bis sie um ihn beisammen stehen. Ihre groben, braunen Gesichter glühen vom raschen Lauf. Gespenstisch blinken ein paar Sensen über weißhaarigen Bauernschädeln. Die Jungen tragen keck ihre heimlichen Hirschfänger, Saufedern und Armbrüste an der Seite und im Mittenriemen die Schleudern. ‚Alles Wilderer‘ fährt es Hart durch den Kopf, aber im Herzen steigt ihm eine wilde Freude. Sie kommen doch, seine Bauern! Er hat gar nicht gewusst, dass er darum gefürchtet hat. Nun, da die Last ihm von der Seele fällt, spürt er das erst.“23

Das Buch ist teilweise heute noch erhältlich24, in deutscher Kurrentschrift geschrieben und eine sehr spannende Lektüre, die auch geschichtliche Einblicke vermittelt. Der Verfasser dieses Texts hat es mit großem Vergnügen gelesen, es wurde aber auch 1932 – damals bereits auf Englisch – sehr positiv rezensiert25.

Ein Versuch der Wiederbesiedlung [sic!] im Jahr 1923

In der „Freie Stimmen – Deutsche Kärntner Landeszeitung“ vom Montag, den 5. März 1923 werden unter der Überschrift Wiederbesiedlung [sic!] zu diesem Zweck folgende Anwesensparzellen detailliert ausgeschrieben:

  • Gruppe 1: Spitzmaier, Andreu & Pötz
  • Gruppe 2: Schmalzer & Ferde

Gesuche für diese Realitäten konnten bis 20. März 1923 an die Agrarbezirksbehörde in Klagenfurt gerichtet werden26.

Nationalsozialistische Exerzierübungen im Jahr 1937

Ebenfalls in der „Freie Stimmen“ vom Samstag, den 24. Juli 1937 wird in der Rubrik Gerichtssaal über illegale politische Betätigung berichtet: In einer Verhandlung hatten sich vier Männer im Alter von 18–40 Jahren aus Limmersach und Reichersdorf wegen der Zugehörigkeit zu einer SA-Schar zu verantworten. Diese Schar, die insgesamt aus etwa 20 Burschen bestand, führte im Gebiet von Spitzach nationalsozialistische „Exerzierübungen“ durch, die vier besagten (Fischer, Straszer, Kusz, Koschat) waren die einzigen der Burschen, die ausgeforscht werden konnten und waren „im Großen und Ganzen“ geständig. Sie wurden zu mehrmonatigen Kerkerstrafen oder „strengen Arrests“, teilweise mit „hartem Lager“, verurteilt27.

  1. Arnold, 1976, S. 104; Arnold, 2014, S. 5 ↩︎
  2. Höhenmessung/Flächenmessung via KAGIS durch den Verfasser ↩︎
  3. Arnold, 1976, S. 32ff ↩︎
  4. Ogris, 2009, S. 11 ↩︎
  5. ebd. ↩︎
  6. Ogris, 2009, S. 12 ↩︎
  7. Ogris, 2009, S. 21-29 ↩︎
  8. Arnold, 1976, S . 70-72; Arnold, 2014, S. 12-13 ↩︎
  9. Arnold, 2014, S. 14; Slowenischer Kulturverein Radsberg, 2017a ↩︎
  10. Arnold, 2014, S. 27; Pohl, 2020, S. 188 ↩︎
  11. Arnold, 1976, S. 229; Arnold, 2014, S. 27-28 ↩︎
  12. Arnold, 1976, S. 105; Arnold, 2014, S. 22 ↩︎
  13. Arnold, 2014, S. 13-14 ↩︎
  14. Arnold, 1976, S. 67, S. 105; Arnold, 2014, S. 27-28; Ogris, 2009, S. 13, S. 57, S. 173 ↩︎
  15. Arnold, 1976, S. 105; Arnold, 2014, S. 21-22 ↩︎
  16. Arnold, 1976, S. 105; Ogris, 2009, S. 173 ↩︎
  17. Schmalzer, Ferde, Andiu und Pötz ↩︎
  18. Arnold, 2014, S. 27-38 ↩︎
  19. Arnold, 2014, S. 35-35 ↩︎
  20. Arnold, 1976, S. 106; Arnold, 2014, S. 37 ↩︎
  21. Arnold, 1976, S. 106; Arnold, 2014, S. 37 ↩︎
  22. Arnold, 1976, S. 106-107; Arnold, 2014, S. 37-38, Kreuzer, 2010, S. 45; Ogris, 2009, S. 103 ↩︎
  23. Viesèr, 10.10.1931; Viesèr, 1949, S. 281-282 ↩︎
  24. z. B. bei Amazon, aber auch über andere Bezugsquellen ↩︎
  25. Wyckoff, 1932, S. 239 ↩︎
  26. o. A., 05.03.1923 ↩︎
  27. o. A., 24.07.1937 ↩︎