Österreich:Stimmenfang mit Totenkult

Lesezeit: 2 min

Wer soll das Erbe des einstigen Landeshauptmannes antreten? Bei der Landtagswahl in Kärnten geht es um die Nachfolge des verstorbenen Jörg Haider.

Michael Frank

Jörg Haider ist tot, und doch dreht sich alles um ihn. Wer soll das Erbe des rechtsnationalistischen Landeshauptmannes antreten? Das ist die Grundfrage der Landtagswahl am Sonntag in Kärnten.

Der Kärntner BZÖ-Landeshauptmann Gerhard Dörfler (rechts) versuchte im Wahlkampf mit der These zu punkten, Jörg Haiders Wagen sei vor dem Unfall manipuliert worden. Links: BZÖ-Chef Uwe Scheuch. (Foto: Foto: dpa)

Die Besonderheiten des südlichsten Bundeslandes Österreichs geben dem Wahlgang weit mehr Gewicht, als die Zahl von nur 430.000 Wahlberechtigten vermuten ließe. Es geht darum, ob das Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ), das Haider im Jahr 2005 von der Freiheitlichen Partei (FPÖ) abgespalten hatte, stärkste Kraft wird. Oder ob das BZÖ, das in Rest-Österreich wenig zu sagen hat, von der Sozialdemokratischen Partei (SPÖ) abgelöst wird, die zuvor jahrzehntelang den Ton in Kärnten angegeben hatte.

Wie sieht Haiders Erbe eigentlich aus? Modernisiert in einem schmalen Gewerbebereich, Vorreiter in der Familienförderung, hat Kärnten harsche Verluste im Tourismus erlitten, ist drittärmstes Land Österreichs und das höchstverschuldete.

Nominell kandidiert das BZÖ zum ersten Mal, denn im Jahr 2004 existierte es noch gar nicht. Und es wagt nicht, unter eigenem Namen anzutreten: "Die Freiheitlichen in Kärnten - Liste Jörg Haider" heißt es auf den Wahlzetteln. Auch die FPÖ gibt sich als eigentliche Wahrerin des Haider-Erbes, will die Überläufer vom BZÖ zurückholen.

Die Beschwörungen haben makabre Seiten. Selbst Medien, die den Rechtsradikalen stets wohlgesinnt waren, zitieren als unerquickliches Vorbild das "Dollfuß-Lied". Da heißt es: "Ihr Jungen, schließt die Reihen gut, Ein Toter führt uns an. Er gab für Österreich sein Blut, Ein wahrer deutscher Mann." Der christsoziale Bundeskanzler Engelbert Dollfuß, der als faschistischer Diktator die erste parlamentarische Demokratie Österreichs liquidierte, wurde 1934 von Nationalsozialisten ermordet.

Im Lied heißt es noch: "Die Mörderkugel, die ihn traf ..." Selbst diese Zeile hat im heutigen Kärnten groteske Relevanz. Der 53-jährige Gerhard Dörfler, zuvor Haiders Stellvertreter, ist nun Landeshauptmann. Er hat das Unfallauto kaufen lassen, mit dem sich Haider betrunken zu Tode gefahren hat. Dörfler erklärt allen Ernstes, man werde den Wagen aufbewahren, bis es neue Methoden der Analyse gebe, um nachzuweisen, dass die Limousine "manipuliert" worden sei.

Der umtriebige, uncharismatische Dörfler, der es schon mal für angebracht hält, einen "Neger-Witz" zu erzählen, könnte aber just an Haiders Schatten scheitern. Der populistische Tribun hatte vor fünf Jahren 42 Prozent der Stimmen eingeheimst. Büßt das BZÖ ohne ihn zu viel ein, könnte Dörfler von Uwe Scheuch abgelöst werden, dem heutigen BZÖ-Chef und starken Mann in Kärnten.

Auch in Salzburg wird gewählt

Oder die Sozialdemokraten, die in Umfragen aufholen, schaffen wieder die Führung, die sie vor 20 Jahren an Haider verloren hatten. Ihr Spitzenkandidat, der spröde 50-jährige Reinhart Rohr, hätte nicht die geringsten Probleme, mit der erstarkenden FPÖ zusammen dem BZÖ den Landeshauptmannposten streitig zu machen. SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann schließt ein derartiges Bündnis auf Bundesebene aus.

Das Einzige, was Kärntens und Salzburgs Sozialdemokraten verbindet, ist der Wille, zur Not auch mit den "Blauen", also den rechtsradikalen Freiheitlichen zusammenzugehen. Gabi Burgstaller, die erste Regierungschefin im Land Salzburg seit seiner Existenz, hat ebenfalls an diesem Sonntag ihren Wahlsieg von 2004, als sie die ÖVP ablöste, zu verteidigen.

Die 45-Jährige, ein Naturtalent im unaufgeregten, unverkrampften Umgang mit jedermann, hat sich auf die Rolle der pragmatischen, im Grunde unpolitischen Landesmutter verlegt. Ihre "rote" Grundverfassung kam nur selten zum Vorschein, etwa wenn sie Salzburgs Landeskrankenhäuser endlich auch für den Schwangerschaftsabbruch öffnete - unter dem Wutgeheul Konservativer, obwohl in Österreich seit Jahrzehnten die Fristenregelung gilt.

Burgstallers Gegenkandidat, der aus einer Politikerdynastie stammende Wilfried Haslauer, genießt durchwegs Respekt, begnügt sich aber erkennbar mit der Rolle des Juniorpartners, die er schon bisher in der großen rot-schwarzen Koalition gab. In Burgstaller sehen nicht nur Parteigenossen vielleicht einmal Österreichs erste Kanzlerin. Sie bestreitet solche Ambitionen, ein neuer Sieg würde das aber bestärken.

Wären die Prognosen für die Sozialdemokraten nicht so deutlich - eine Rückwende in Salzburg von Rot zu Schwarz würde Österreichs Bürger doch mehr bewegen als der Totenkult in Kärnten.

© SZ vom 27.02.2009/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Jörg Haider
:Rechtspopulist ohne Hemmungen

Jörg Haiders Karriere war geprägt von Comebacks und populistischen Manövern. Erst vor wenigen Wochen kehrte er mit seiner Rechtsaußen-Partei BZÖ zurück auf die politische Bühne.

Jetzt entdecken

Gutscheine: