Ziemlich rockig präsentierte sich Christina Stürmer bei ihrem Konzert in der Frankfurter Batschkapp. Nachdem Österreichs erfolgreichste Musikerin vor einem Jahr beim W-Festival in der Alten Oper ihre Songs akustisch spielte, konnten ihre Anhänger in dem gut gefüllten Club richtig abrocken. Von Sabine Börchers und Michael Hohmann (Fotos)
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Ihre Fans stehen schon eine Stunde vor Konzertbeginn vor der Batschkapp Schlange. Jüngere, Ältere, Frauen, Männer, alle wollen ihre Christina sehen, die sympathische Österreicherin, die seit 16 Jahren auf der Bühne steht und doch immer noch wie das Mädel von nebenan wirkt, das schnell mal zum Kaffee vorbeischaut. Fürs Meet & Greet mit ausgewählten Gästen nimmt sich die Sängerin entsprechend viel Zeit und kümmert sich sogar noch darum, dass ein Fan im Rollstuhl einen Platz bekommt, von dem aus der Blick auf die Bühne besser ist.
Beim Auftritt selbst erzählt sie erst einmal, dass sie und ihre Band vom Team der Batschkapp bestens bekocht worden seien. Gutes Essen ist ihr offensichtlich wichtig. Auf die Frage, was ihr zu Frankfurt einfällt, nennt sie im Interview sofort ihren Lieblingsitaliener „Azzurro“ im Westend. Und erläutert gleich dazu, dass sie anspruchsvoll geworden sei beim Essen. „Mein Freund kocht sehr gut, er hat mich verwöhnt.“ Sie sei ein sparsamer Mensch, aber wenn sie essen gehe, dürfe es schon etwas teurer sein, beim Fleischkauf gerne das Rind vom benachbarten Bauernhof, fügt sie noch hinzu. Auf der Tour sind die Restaurantbesuche dann ein Höhepunkt. Denn üblicherweise bekommt die Band vor den Konzerten im Catering Geschnetzeltes oder im Augenblick Spargelcremesuppe serviert.
Tipp
- Überall zu Hause
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Hausmittel für die Stimme
Mit dem Essen in der Batschkapp war sie offensichtlich zufrieden. Und dass sie erstmals auf der Tour draußen in der Sonne sitzen konnte, nachdem es zuvor immer geregnet hatte, hat die gesundheitlich noch leicht angeschlagene Christina Stürmer besonders genossen. Nur wenige Tage zuvor hatte sie ein Konzert in Hannover absagen müssen. „Ich habe schon beim Auftritt in Berlin gemerkt, dass meine Stimme nicht hundertprozentig das machte, was ich wollte“, sagt sie. Sie habe das schon einmal bei einer Tour vor einigen Jahren gehabt. „Daher weiß ich, wenn ich zu lange warte, muss ich hinterher mehrere Konzerte absagen, das wollte ich nicht.“
Deshalb ging sie auf Nummer sicher und suchte mit dem Veranstalter einen Ausweichtermin, auch wenn ihr das nicht leichtgefallen sei, wie sie betont. Gleichzeitig inhalierte sie „wie eine Wahnsinnige mit Teebaumöl“. Sie schwöre auf solche natürlichen Hausmittel, erzählt sie. Und tatsächlich, beim Soundcheck in Frankfurt war die Stimme wieder gänzlich fit, beim Auftritt erst recht. „Wenn die Leute Geld bezahlen, sollen sie nicht ein halbherziges Konzert erleben“, sagt sie bestimmt. Und außerdem solle es schließlich auch ihr selbst Spaß machen.
Karriere mit 21
Der Spaß an dem, was sie tut, ist ihr wichtig. „Heute macht es sogar mehr Spaß, weil ich es mehr genießen kann.“ Schließlich hat die gelernte Buchhändlerin aus Linz es nach einem rasanten Start im Jahre 2003, als sie mit 21 Jahren den zweiten Platz in der österreichischen Castingshow „Starmania“ belegte und anschließend ihr erster Song „Ich lebe“ neun Wochen lang auf Platz eins der Charts in ihrer Heimat stand, geschafft, fast zwei Jahrzehnte durchgängig erfolgreich zu sein. In der Deutschrock-Szene, in der auch Bands wie Juli oder Silbermond unterwegs sind, hat sie längst einen festen Platz. „Heute, mit 36 Jahren, stehe ich mit beiden Beinen im Leben und denke auch mehr darüber nach.“
„Ich will authentisch sein. Mir ist es wichtig, dass ich mich nicht verstellen muss oder anders anziehen, das wäre nichts für mich.“ – Christina Stürmer
Dass sie vor fast drei Jahren mit ihrem Freund Oliver Varga, dem Gitarristen ihrer Band, eine Tochter bekam, habe sie zudem verändert. „Ich habe nicht gedacht, dass es so arg sein würde – im positiven Sinne“, sagt sie in ihrem österreichischen Tonfall. Aber sie treffe jetzt Entscheidungen nicht mehr nur für sich selbst. „Egal, was ich tue, es betrifft auch das Rudel. Das macht einen aber stärker.“ Vielleicht auch deswegen ist sie auf dem Boden geblieben und legt viel Wert darauf, authentisch zu sein, egal ob im Interview, bei den Fans oder auf der Bühne. „Mir ist es wichtig, dass ich mich nicht verstellen muss oder anders anziehen, das wäre nichts für mich.“
Texten am Küchentisch
Ihre Songtexte ließ sie sich dennoch lange Zeit von professionellen Autoren auf den Leib schneidern. Erst beim aktuellen Album „Überall zu Hause“ hat sie bei allen Texten mitgeschrieben. „Vor 15 Jahren hatte ich mit dem Songtexten nichts am Hut, da ging ja auch alles sehr schnell. Das hat sich erst langsam entwickelt.“ Diesmal haben ihr Freund und sie die Texter zu sich nach Hause vor den Toren Wiens eingeladen, um von Anfang an gemeinsam daran zu arbeiten. „Ich wollte bei meiner Tochter sein, deshalb ist vieles bei uns am Küchentisch und in unserem kleinen Homestudio entstanden. Deshalb ist das Album auch sehr persönlich.“ Es handele vor allem von den vergangenen 16 Jahren, die sie im Popzirkus verbracht hat.
Acht Studioalben entstanden seitdem, dazu zwei Livealben. Sie verkaufte mehr als zwei Millionen Tonträger, in ihrem Arbeitszimmer stehen Preise wie die Goldene Stimmgabel, der Echo, der Bambi und noch viel mehr österreichische Preise. Sie hat sogar ihre eigene Wachsfigur im Wiener Madame Tussauds bekommen. Heute gilt sie als das Aushängeschild der österreichischen Musikszene. Auf der Bühne steht Christina Stürmer bereits seit ihrer Jugend. Damals spielte sie Saxophon in einer Kinder-Bigband und gründete schließlich mit 16 Jahren ihre erste Band „Scotty“. In Österreich löste sie mit ihrem plötzlichen Erfolg eine neue Welle österreichischer Pop- und Rockmusik aus.
2005 veröffentlichte sie einige ihrer bereits in Österreich erfolgreichen Songs auf dem eigens für den deutschen Markt produzierten Album „Schwarz Weiß“, mit dem sie hier ihren Durchbruch feierte. Seitdem fand sie mit Liedern wie „Nie genug“, welches zum Titelsong der RTL-Soap „Alles was zählt“ wurde, „Millionen Lichter“ oder „Wir leben den Moment“, das sie beim Konzert gleich zu Beginn spielte, auch in Deutschland viele Fans. Noch populärer wurde sie hier durch die Teilnahme an der VOX-Sendung „Sing meinen Song – Das Tauschkonzert“ im Jahr 2015.
Oma und Opa passen auf
Während sie in Jeans und T-Shirt in der Batschkapp auf der Bühne steht, schlummert ihre Tochter Marina im Tourbus. „Oma und Opa passen auf sie auf“, erzählt Christina Stürmer und meint die Eltern ihres Freundes. Dass sie sich überall zu Hause fühlt, weil ihre Familie immer mit ihr auf Tournee ist, hat sie im Titelsong ihres aktuellen Albums verarbeitet. Dass man auf den ersten Blick „Überall zu Hause“ auch politisch verstehen könnte, als Statement gegen Abschottung und Fremdenfeindlichkeit, wie sie in ihrer Heimat seit der letzten Wahl salonfähig wurde, überrascht sie. „An so etwas habe ich überhaupt nicht gedacht.“ Explizit politische Texte schreibe sie nicht. „Aber die Österreicher kennen mich und wissen, wofür ich stehe und dass ich Rassismus ablehne.“
„Von den Kindern könnten wir uns eine Scheibe abschneiden. Ich würde mir jedenfalls wünschen, wenn bei mir zu Hause Krieg wäre, dass man mich woanders mit offenen Armen aufnehmen würde.“ – Christina Stürmer
Dafür habe sie in einem anderen Song die Unvoreingenommenheit ihrer Tochter beschrieben, die nicht wisse, was Fremdsein heißt und die jeden als Freund behandele. „Von den Kindern könnten wir uns eine Scheibe abschneiden. Ich würde mir jedenfalls wünschen, wenn bei mir zu Hause Krieg wäre, dass man mich woanders mit offenen Armen aufnehmen würde.“
Ihre Fans in Frankfurt empfingen sie definitiv mit offenen Armen und konnten sich über ein fast zweistündiges Konzert mit älteren Hits und den Songs vom aktuellen Album freuen. Vor zwei Jahren war Christina Stürmer zuletzt in der Batschkapp aufgetreten. Dass sie spätestens in zwei Jahren wiederkommt, darauf dürfen die Fans durchaus hoffen. Allein schon, weil das Essen in Frankfurt so gut ist.
Tipp
- Audio-CD – Hörbuch
- Polydor (Universal Music) (Herausgeber)
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