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Münster (upm/hd)
Einfach glücklich sein und Freude am Leben haben – ein Wunsch vieler Menschen<address>© colourbox.de</address>
Einfach glücklich sein und Freude am Leben haben – ein Wunsch vieler Menschen
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Tag der Freude am 24. Juli: Eine wissenschaftliche Suche nach Glück

Der richtige Weg: Wenn das Leben zu den eigenen Wünschen passt

An kaum einem Menschen wird der Gute- Laune-Song "Happy" von Pharell Williams seit seiner Veröffentlichung 2013 vorbeigegangen sein. Egal ob in der Disko, der Eisdiele, in der Fernsehwerbung oder im Radio: Der Ohrwurm war allgegenwärtig. Aber was machte das Lied so erfolgreich? Dass die Funk-Nummer musikalisch den Nerv vieler traf, ist nicht abzustreiten. Aber mag auch das Thema dazu beigetragen haben?

Einfach glücklich sein und Freude am Leben haben – ein Wunsch vieler Menschen, den heute vermehrt Lifestyle- und Esoterik-Magazine wie "Happinez" und "Flow" aufgreifen, der Lebensratgeber zu Kassenschlagern macht und die Maxime propagiert: Du sollst danach streben, immer glücklich zu sein! Aber was bedeutet Glück eigentlich, und ist "ewig währendes Glück" tatsächlich erstrebenswert?

Die Gründerväter der USA beantworteten diese Frage 1776 eindeutig: Sie verankerten das Streben nach Glück in der Verfassung. Was sich allerdings hinter dem Glück verbirgt, sagt die Verfassung bis heute nicht. Verständlich, fängt das Rätselraten um den Charakter des Glücks schon im Alltag an. Wir sind froh darüber, dass heute die Sonne scheint, aber macht Sonnenschein nicht auch glücklich? Zwischen Freude und Glück liegt ein Unterschied, wie diverse Wissenschaften festgestellt haben.

"Freude bezeichnet einen vergänglichen Gefühlszustand."

Es ist sogar der Unterschied zwischen einem Augenblick und einer Lebensspanne, weiß Philosoph Prof. Kurt Bayertz. "Freude bezeichnet einen vergänglichen Gefühlszustand." Wir können mehrere freudvolle Momente an einem Tag erleben, so der Professor. Das Gefühl könne zehn Minuten anhalten oder zehn Monate, aber die Euphorie ende irgendwann. Ob wir glücklich sind, beurteilen wir vielmehr, als dass wir es fühlen. "In der Philosophie bezeichnet Glück einen Zustand, der sich aus der Bewertung des Lebens erschließt. Habe ich ein glückliches Leben geführt? Hier kommt das Rationale zum Tragen und nicht so sehr das Emotionale."

Freilich wird es mit dem Einen nichts ohne das Andere. Aber ein Garant für Glück sind freudige Erlebnisse nicht. "Nehmen wir einen Drogenabhängigen, der einen Rauschzustand nach dem anderen hat. Er fühlt sich ständig euphorisch. Niemand würde jedoch behaupten, dass er ein glückliches Leben führt", erklärt der Philosoph. Die Basis eines glücklichen Lebens begründe sich in einem sinnvollen Dasein. Sei es das politische Engagement oder religiöse Werte, die einen leiten oder das Ansinnen, ein guter Gärtner zu sein. Für ein glückliches Leben braucht es langfristige Ziele.

Wird die Glückssuche zur Sinnsuche, rückt das Happy End dann in weite Ferne? Denn nie schien es so schwer, in der Wohlstandsgesellschaft des Westens zu wissen, was im eigenen Leben wichtig ist. "Unsere Gesellschaft eröffnet unzählige Optionen. Welcher Partner ist der richtige, und welcher Beruf passt? Frühere Generationen hatten kein Problem mit dem Glück, sondern mit dem Überleben."

Individuelles Glückslimit

Auch die Psychologie dämpft die Vision vom anwachsenden Glück. Denn wie stark wir Freude empfinden, hängt auch von der Persönlichkeitsstruktur ab. "Einige Menschen empfinden von Natur aus schneller Freude als andere", erklärt Prof. Mitja Back, Persönlichkeitspsychologe. Auch das Ausmaß des Glücksempfindens wird durch Persönlichkeitsunterschiede beeinflusst. "Durch Positives ebenso wie durch Verluste kann sich das Glücksniveau verschieben. Aber aufgrund relativ stabiler Persönlichkeitsunterschiede neigen wir dazu, früher oder später zu unserem individuellen Glückslimit zurückzukehren. Durch wiederkehrende und lang anhaltende Einflüsse kann sich dieses individuelle Glückslimit allerdings auch dauerhaft nach oben oder unten verschieben. Das Glücksempfinden kann nicht endlos steigen."

Dennoch verspricht die Werbung genau das, und der Zeitgeist feiert den perfekten Moment. Hier trifft wirtschaftliches Denken auf Emotionen. Was gegensätzlich klingt, ist es nicht. Die Wirtschaftslehre hat den Faktor Glück längst erschlossen und beschäftigt sich mit der Frage, welche Bedeutung glückliche Menschen für den Wohlstand eines Landes haben und umgekehrt.

Deutsches Glücks-Bruttoinlandsprodukt

Wirtschaftswissenschaftler Prof. Ulrich van Suntum hat vor einigen Jahren das deutsche Glücks-Bruttoinlandsprodukt analysiert und weiß, dass ökonomische Faktoren für das Glücklichsein eine Rolle spielen. "Diverse materielle Dinge beeinflussen das Glück. Für die Deutschen ist der Besitz von Wohneigentum, oder dass der Beruf zum Lebenskonzept passt, glückssteigernd." Bezeichnend sei jedoch, dass für die Zufriedenheit nicht der absolute Wohlstand ausschlaggebend sei, sondern die Steigerung. "Wir gewöhnen uns an das Wohlstandsniveau. Um glücklicher zu werden, brauchen wir einen Zuwachs." Das erkläre, dass Menschen in ärmeren Ländern im Schnitt glücklicher sein können als die Bewohner reicherer Staaten.

Macht das Streben allein bereits glücklich, oder ist die ständige Hatz eine Unglücksquelle? Ein zweischneidiges Schwert, findet Kurt Bayertz. "Überwundene Schwierigkeiten steigern zwar die Qualität unseres Erfolgs. Wer allerdings nur nach Erfolg giert, der muss jede Frustration negativ erleben." Ein andauerndes Hochgefühl ist weder biologisch möglich noch wünschenswert, bestätigt Mitja Back. "Wir laufen Gefahr, Risiken nicht einschätzen zu können." Abgesehen davon sei der Hype um das glückliche Leben ein enormer Druckfaktor. "In einer Gesellschaft, in der die Maximierung des Glücks möglich ist, trägt der Unglückliche selbst Schuld."

Was ist also das richtige Maß im Streben nach Glück? Kurt Bayertz plädiert für einen Perspektivwechsel. "Wer jeden Tag fragt: ‚Bin ich glücklich?‘, wird es nicht werden. Die Frage sollte ab und an sein: Stimmt mein Leben mit meinen Wünschen überein."


Zur Wortbedeutung (von Prof. Christian Fischer, Germanistisches Institut):
Die deutsche Gegenwartssprache kennt die Wörter Freude und Glück. Während Freude mit froh zusammenhängt und auf eine heitere, unbeschwerte Grundstimmung verweist (was für eine Freude!), geht es bei Glück um mehr, nämlich einen Gemütszustand der äußersten Hochstimmung (das höchste Glück auf Erden…). Glück hat noch eine zweite Bedeutung, die im Alltag etwas häufiger vorkommt, wenn es eine günstige Fügung bezeichnet (Glück gehabt!). Sprachgeschichtlich ist Freude (entstanden aus althochdeutsch frewida) das ältere der beiden Wörter. Glück ist ab dem 13. Jahrhundert im Deutschen belegt (mittelhochdeutsch gelücke oder glücke) und hat seine doppelte Bedeutung möglicherweise durch Übertragung aus dem Französischen erhalten. Die Herkunft der Form (verwandt mit englisch luck) ist unklar. Das englische Wort happiness teilt einerseits einen Bedeutungsausschnitt mit dem deutschen Wort Glück (im Sinne von ‚Hochstimmung‘) und erfasst andererseits eine weitere Perspektive im Sinne von ‚Wohlergehen‘.


Dieser Artikel ist in der Juli-Ausgabe der Uni-Zeitung wissen|leben erschienen. Autorinnen: Julia Nüllen/Hanna Dieckmann

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