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Gesundheit Altersbestimmung

So groß ist die Strahlenbelastung beim Röntgen der Hand

Chefkorrespondent Wissenschaft
Ärztekammer lehnt Altersprüfung bei Flüchtlingen ab

Unionspolitiker fordern eine strengere Altersprüfung bei jungen Flüchtlingen. Zum Beispiel durch medizinische Untersuchungen wie das Röntgen der Handwurzel. Die Bundesärztekammer lehnt das jedoch ab.

Quelle: N24/Lukas Axiopoulos

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Der Fall eines angeblich minderjährigen Afghanen, der seine Ex-Freundin getötet haben soll, hat eine politische Debatte über die Altersbestimmung durch Röntgen ausgelöst. Was ist technisch machbar?

Es gibt viele Gründe, sein tatsächliches Alter zu verheimlichen. Wer als Jugendlicher Alkohol oder bestimmte Filme konsumieren möchte, gibt sich gern mal als bereits volljährig aus. Seltener: Wer als über 18-Jähriger eine Straftat begeht, kann mit der Behauptung, minderjährig zu sein, mit einer deutlich geringeren Bestrafung rechnen. Das ist natürlich nur bei Fällen denkbar, in denen das Alter der betreffenden Person nicht dokumentiert, also unbekannt ist.

Doch lässt sich das Lebensalter eines Menschen nicht mit medizinischen Analysemethoden bestimmen und somit die Strafmündigkeit eines Täters zweifelsfrei feststellen?

Zumindest gibt es dieser Tage mal wieder einmal die Forderung diverser Politiker, das tatsächliche Alter von straffällig gewordenen Minderjährigen oder eben vermeintlich Minderjährigen wissenschaftlich korrekt zu ermitteln. Und dies bitte mit bundeseinheitlichen Verfahren. Anlass für die aktuelle Debatte ist der Fall eines angeblich minderjährigen Afghanen, der seine 15-jährige Exfreundin getötet haben soll.

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Es gibt in der Tat mehrere Methoden, die bei Jugendlichen eine Altersschätzung ermöglichen. Die bekannteste ist das Röntgen der (linken) Hand. Da bestimmte Handwurzelknochen in jungen Jahren zunächst nur knorpelig angelegt sind und erst nach und nach verknöchern, lässt sich der Status dieses Entwicklungsprozesses, der mit dem Lebensalter korreliert ist, feststellen. Die Strukturen Os capitatum und Os hamatum, Os triquetrum, Os lunatum, Os trapezium, Os scaphoideum und Os trapezoideum verknöchern bei jungen Menschen in eben dieser Reihenfolge.

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Das Problem ist nun, dieser Reifungsprozess ist nicht bei jedem Menschen gleich. Es gibt bereits bei Gesunden eine große physiologische Schwankungsbreite, und das sogenannte Skelettalter ist nur ein statistischer Mittelwert. Zudem kann die Entwicklungsgeschwindigkeit krankhaft verändert sein.

Röntgenaufnahme einer Hand: Der Grad der Verknöcherung der Handwurzelknochen verrät das Alter eines Jugendlichen
Röntgenaufnahme einer Hand: Der Grad der Verknöcherung der Handwurzelknochen verrät das Alter eines Jugendlichen
Quelle: Fairfax Media via Getty Images

Insgesamt gehen Experten davon aus, dass ein durch Röntgen der Handwurzelknochen ermitteltes Lebensalter eine Fehlermarge von plus/minus zwei Jahren besitzt. Das bedeutet: Ergibt die Messung ein Lebensalter von 18, kann die Person gleichwohl zwischen 16 und 20 Jahre alt sein. Damit ist in konkreten forensischen Fällen nicht viel gewonnen. Ergibt die Messung aber 22 Jahre, so kann man ziemlich sicher davon ausgehen, dass es sich hier um eine volljährige Person handelt.

Ein Aspekt der aktuellen Diskussion ist indes die Frage nach der Strahlenbelastung. Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, hat darauf hingewiesen, dass Röntgen ohne eine medizinische Indikation ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit sei.

Tatsächlich gibt es aus wissenschaftlicher Sicht keinen Grenzwert, unterhalb dem ionisierende Strahlung völlig unbedenklich wäre. Bei einer Röntgenaufnahme der Hand entsteht eine Strahlenbelastung von ungefähr 0,1 Mikrosievert.

Wie hoch ist die Strahlenbelastung?

Um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie viel oder wenig das ist, bietet sich ein Vergleich mit der Strahlenbelastung an, der jeder Deutscher durch kosmische Strahlung oder Radioaktivität aus dem Erdboden ausgesetzt ist. Je nach Region liegt der Jahreswert bei einem bis fünf Millisievert – im Mittel bei 2,4 Millisievert. Und das ist dann mithin das 24.000-Fache der Belastung durch eine Röntgenaufnahme der Hand. Mögen Ethiker und Experten darüber diskutieren, ob eine so geringe Strahlenbelastung ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit ist.

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Altersschätzungen sind allerdings auch mit einer computertomografischen Untersuchung (CT) der Brustbein-Schlüsselbein-Gelenke möglich. Bei dieser Methode ist die Strahlenbelastung deutlich größer. Sie liegt zwischen 600 und 800 Mikrosievert.

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Möglicherweise kann der Grad von Verknöcherungen auch ganz ohne Strahlenbelastung ermittelt werden. Eine israelische Firma bietet jedenfalls ein Ultraschallsystem an, das Geschwindigkeiten des Schalls im Handgelenk misst. Diese hängen vom Grad der jeweiligen Verknöcherung ab.

Zukunftsmusik ist die Bestimmung des Lebensalters durch Analyse von DNA-Molekülen. An den Genen docken sich im Laufe des Lebens immer mehr sogenannte Methylgruppen an. Dieser Grad der Methylierung wächst zwischen dem 20. und 70. Lebensjahr erstaunlich linear und lässt sich deshalb für eine Altersbestimmung nutzen.

Leider ist die Methode noch so ungenau, dass das Ergebnis bislang nur eine Bestimmung des Alters von plus/minus fünf Jahren ermöglicht. Doch hier könnte der wissenschaftliche Fortschritt in einigen Jahren genauere Analysen bringen.

Schon heute gilt aber: die Entnahme einer DNA-Probe ist kein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit. Und wenn diese Analyse ein Alter von 24 Jahren ergibt, dann darf man ziemlich sicher sein, dass die betreffende Person volljährig ist.

Exakte Aussagen sind nicht möglich

Ganz gleich, welche Methode zum Einsatz kommt – eine absolut exakte Bestimmung eines Geburtsjahres oder gar -monats ist in keinem Fall möglich, sondern immer nur Aussagen mit bestimmten Wahrscheinlichkeiten und Plausibilitäten.

Die Forderung an die Wissenschaft, sie solle doch bitte präzise Altersfeststellungen liefern, ist also wohlfeil. Was politisch gewünscht und was technisch machbar ist, lässt sich nicht einfach automatisch zur Deckung bringen. Sorgsames Abwägen im Einzelfall ist also beim Thema „Altersbestimmung“ vorerst alternativlos.

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