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Wo sich die Donau wild in ihrem Flussbett wälzte

Einst galt der Donaudurchbruch Eisernes Tor als gefährliche Schiffspassage – heute riskiert man hier nicht mehr sein Leben, kann in dem wildromantischen Flussabschnitt aber andere Abenteuer erleben.
Die Donau an der engsten Stelle im Donaudurchbruch Eisernes Tor. Auf der rumänischen Seite befindet sich das Kloster Mraconia Die Donau an der engsten Stelle im Donaudurchbruch Eisernes Tor. Auf der rumänischen Seite befindet sich das Kloster Mraconia
Die Donau an der engsten Stelle im Donaudurchbruch Eisernes Tor. Auf der rumänischen Seite befindet sich das Kloster Mraconia
Quelle: UIG via Getty Images

Mit dem Ober- und Unterlauf der Donau ist es wie mit zwei ganz unterschiedlichen Frauen: „Die eine ist geradlinig, präzise, beherrscht. Man weiß genau, was man von ihr zu erwarten hat“, sagt Kapitän Aleksandar Jovanović. Die andere dagegen gebärde sich wild und gefährlich, sei voller Überraschungen. „Nie kann man sich bei ihr sicher sein, wie sie reagieren wird, und verstehen kann man sie nur mit Erfahrung – und mit viel Gefühl.“

Aleksandar Jovanović kennt die Donau. Er befährt den Fluss nunmehr seit 18 Jahren – und somit genau seit der Hälfte seines Lebens. Jovanovićs große Leidenschaft gilt vor allem dem Eisernen Tor, dem Donaudurchbruch zwischen den serbischen Städtchen Golubac und Kladovo, wo sich der Fluss einen abenteuerlichen Weg durch die Karpaten gesucht hat und der heute die Grenze zwischen Serbien und Rumänien bildet.

Unter Schiffern galt diese Passage einst als lebensgefährlich. Allerdings kann Jovanović jene Zeiten, in denen sich die Donau im Eisernen Tor häufig wild in ihrem Bett wälzte, gar nicht mehr kennen. Denn schon lange bevor er geboren wurde, hat man den Fluss in Serbien gezähmt, zunächst Ende des 19. Jahrhunderts durch die Regulierung von Stromschnellen und in den vergangenen 50 Jahren durch Wasserkraftwerke und die dazugehörigen Staustufen.

Der wildromantische Abschnitt

Diese waren im Frühjahr 2014 ein wahrer Segen, als nicht enden wollende Regenfälle zu massiven Überschwemmungen im ganzen Land führten. Im Eisernen Tor aber konnte man den Wasserpegel ausgleichen, die Landschaft blieb unberührt. So ist dieser Teil der Donau nach wie vor der wildromantischste – und einer der schönsten allemal.

Über gut 100 Kilometer mäandert die Donau hier durch dicht bewaldete Bergzüge. Mal liegt sie fast behäbig da, weitet sich bis zur Breite eines Sees aus und gibt den Blick frei auf tiefgrüne Wälder. Dann wieder zwängt sie sich durch enge Schluchten mit bis zu 300 Meter hohen Felswänden. An ihrer schmalsten Stelle ist sie gerade mal 150 Meter breit, dafür aber unheimliche 90 Meter tief.

Die Festung Golubac stammt aus dem 14. Jahrhundert und liegt auf der serbischen Uferseite
Die Festung Golubac stammt aus dem 14. Jahrhundert und liegt auf der serbischen Uferseite
Quelle: picture alliance/DUMONT Bildar

Die Faszination dieser Naturgewalt erlebt man am besten vom Boot aus. Aleksandar Jovanović, der in den Wintermonaten große Tanker die Donau hinauf- und hinuntersteuert, hat vor fünf Jahren das Ausflugsboot „Stevanske livade“ gekauft und restauriert. Mit ihm stellt er im Sommer und Herbst Touristen seine Donau rund um Donji Milanovac vor, einem Städtchen im Zentrum des Eisernen Tors.

Höhepunkt jeder Donaureise

Und da der Fluss auf serbischer Seite vom Nationalpark Djerdap gesäumt wird, führt eine Bootstour mitten hinein in unberührte Wildnis. Als „Höhepunkt jeder Donaureise“ kündigt unsere Reiseleiterin auf dem Boot die berühmte Tabula Traiana an. Einige eifrige Reisende mit schlauen Büchern in der Hand suchen mit den Augen schon das Ufer ab, als Jovanović auf einen Felsen zeigt.

Manch einer schaut dann recht enttäuscht, als im grauen Gestein eine helle, drei mal zwei Meter große Marmortafel sichtbar wird, die sich farblich kaum abhebt. Das also ist die berühmte Trajanstafel?

Für viele Besucher ist der vermeintliche Höhepunkt der Reise eine Enttäuschung: Mit nur zwei mal drei Metern Größe ist die Mamortafel Tabula Traiana leicht zu übersehen
Für viele Besucher ist der vermeintliche Höhepunkt der Reise eine Enttäuschung: Mit nur zwei mal drei Metern Größe ist die Mamortafel Tabula Traiana leicht zu übersehen
Quelle: picture alliance/DUMONT Bildar

Mit einem Adler und Delfinen huldigt sie dem römischen Kaiser Trajan, der hier schon im ersten Jahrhundert eine Straße anlegen ließ – so spektakulär auf Holzbalken entlang der Felswand, dass der Bau auf der Trajansäule in Rom verewigt wurde.

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Und als im Zuge der Bauarbeiten für das Wasserkraftwerk Djerdap das Tal 1972 geflutet werden musste, versetzte man die Inschrift samt Felsen ein Stück höher. Eindrucksvoll ist ihr neuer Platz auf jeden Fall immer noch: Ausschließlich mit dem Schiff kann man sich dem Monument nähern. Die Rumänen stellten dem antiken römischen Kunstwerk vor etwa zehn Jahren eine moderne 40 Meter hohe Statue gegenüber.

8000 Jahre zurück in die Vergangenheit

Auf ihrer Uferseite ließen sie das Konterfei des Dakerkönigs Decebalus in eine Felswand meißeln – auch wenn dieser im Dakerkrieg 106 n. Chr. gegen Trajan verloren hatte. In Donji Milanovac, dem serbischen Städtchen im Zentrum des Eisernen Tors, entlässt der Kapitän seine Passagiere. Von hier aus geht es auf der Landstraße innerhalb weniger Minuten um 8000 Jahre zurück in die Vergangenheit.

Am Donauufer entdeckten Forscher in den 60er-Jahren die Reste der steinzeitlichen Siedlung Lepenski Vir, die mehr als 2000 Jahre lang bewohnt gewesen sein soll. Denn ein besonderes Mikroklima bot den Menschen hier ideale Lebensbedingungen mit nicht zu heißen Sommern und recht milden Wintern. Außerdem waren die reichen Fischgründe der Donau eine ergiebige und nie versiegende Nahrungsquelle.

Die Rumänen ließen auf ihrer Donauseite das Konterfei eine Dakerkönigs in den Fels meißeln
Die Rumänen ließen auf ihrer Donauseite das Konterfei eine Dakerkönigs in den Fels meißeln
Quelle: Getty Images

Da der Spiegel der Donau für das nahe Wasserkraftwerk angehoben werden musste, hat man auch die archäologische Stelle 30 Meter höhergelegt und mit einem Glasbau ummantelt. Zu sehen sind die Grundrisse von Häusern, Gräber aus verschiedenen Epochen sowie Skulpturen aus Sandstein. Welch zentralen Stellenwert die Donau im Leben einnahm, zeigen Figuren menschlicher Wesen mit Fischkopf.

Luchse, Wildkatzen und zurzeit 20 bis 30 Wölfe

Einige Besucher umkreisen fasziniert zwei Hologramme, die mögliche Hausformen aus der Steinzeit darstellen, andere nutzen einen Bildschirm, um virtuell durch steinzeitliche Wohnungen zu streifen. Die Siedlung Lepenski Vir liegt mitten im Nationalpark Djerdap, der die Donau auf serbischer Seite durch das gesamte Eiserne Tor begleitet.

Das rund 640 Quadratkilometer große Naturparadies beheimatet eine Artenvielfalt, von der andere Nationalparks in Europa nur träumen können. Hier fühlen sich Adler, Waldschildkröten, Luchse, Wildkatzen und zurzeit auch 20 bis 30 Wölfe wohl. Noch ist die Natur im Nationalpark Djerdap völlig unberührt, und auch für die Zukunft setzen die Verantwortlichen auf strikte Besucherlenkung.

So ist es tatsächlich verboten, sich ohne offizielle Begleitung im Gebiet mit der Schutzstufe 1 aufzuhalten. Trotzdem soll der Besuch für Wanderer ganz unbürokratisch ablaufen. Am besten meldet man sich ein, zwei Tage vorher im Besucherzentrum in Donji Milanovac, schaut sich dort den großartigen Einführungsfilm zum Nationalpark an und bucht für rund zehn Euro einen Guide.

Mit Herzklopfen und auf eigene Gefahr

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Die Wanderungen starten meist mitten im Wald. Treffpunkt ist das 2014 neu eröffnete Naturschutzzentrum, das in einer kleinen Ausstellung die Flora und Fauna der Region zeigt. Auf schmalem Pfad geht es durch Wälder und Blumenwiesen mit Orchideen und Glockenblumen. Der Duft von Thymian und Minze steigt in die Nase, das Zirpen der unzähligen Insekten und Vögel klingt in den Ohren.

Nur eine Viertelstunde dauert es, bis die Wanderer zu einem spektakulären Aussichtspunkt über der Donau gelangen. Wer den besten Blick auf den Strom haben möchte, kraxelt weiter über spitze Felsen bis an den Abgrund – mit Herzklopfen und auf eigene Gefahr. Für weniger wagemutige Abenteurer ist zum Glück bereits eine sichere Plattform geplant.

Quelle: Infografik Die Welt

Nicht weit vom Städtchen Donji Milanovac hat sich ein serbischer Künstler sein kleines Donauparadies erschaffen: Živorad Stefanović empfängt seine Gäste ohne Schuhe, dafür mit kräftigem Händedruck und einem hausgemachten Honigschnaps. „Ich bin Žika, der Barfüßige“, stellt er sich vor, „und das hier ist mein Selbstporträt.“ Der Mann grinst und hält eine kleine Skulptur in die Luft. Es ist ein Fuß aus Holz.

Stefanović wuchs ganz in der Nähe seines heutigen Domizils auf und geht, wie er selbst erzählt, seit er fünf Jahre alt ist nur noch barfuß. Mit seinem Anwesen Kapetan Mišin breg (Hügel von Kapitän Miša) hat er sich einen Traum erfüllt. Wie ein Adlerhorst liegt es auf einem Bergrücken und eröffnet einen berauschenden Blick über eine Biegung der Donau. Zwischen Froschteich, Pflaumenbäumen und lauschigen Lauben bevölkern etwa 400 Holzskulpturen den Garten.

„Zum Teil sind sie durch die Skulpturen der Steinzeitsiedlung Lepenski Vir beeinflusst“, sagt der Künstler und verrät, dass er die menschlichen Wesen mit Fischkopf gern um Inspiration bittet. Nach Voranmeldung können Kunstsinnige und Ruhesuchende in Živorad Stefanovićs Gesamtkunstwerk aus Open-Air-Galerie, Naturreservat und Öko-Lodge ausspannen.

Über der Donau Ruhe und Freunde gefunden

Gäste wohnen in einfachen Zimmern, und zum Mittagessen schöpft Suzana, die Tochter des Hauses, Hühnersuppe aus einem schweren Tonkrug. Danach gibt es vom bunt gedeckten Tisch frittierte Brennnesseln, hausgemachten Ziegenkäse, Grillfleisch und gefüllte Teigtaschen – alles ökologisch produziert, wie Stefanović betont. Dann setzt er sich mit einem Glas Wein zu seinen Besuchern in die ziegelgedeckte Laube am Rand des Hügels.

Unten wälzt sich träge die Donau in ihrem Bett, und zur Abenddämmerung zwitschert und zirpt es in den Bäumen. „Hier oben habe ich meine Ruhe gefunden und bin ein extrem reicher Mensch geworden“, sagt Stefanović. „Sie müssen wissen, dass ich Reichtum nicht nach Geld einschätze, sondern danach, wie viele Freunde jemand hat.“ Und er habe hier oben, hoch über der Donau, viele neue Freunde gefunden.

Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von der Nationalen Tourismus Organisation Serbiens. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter www.axelspringer.de/unabhaengigkeit

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