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Panorama Nachruf

Barbara Rudnik – zeitlebens ein tragischer Star

Die Schauspielerin Barbara Rudnik ist tot. Deutschland verliert mit ihr einen Star, dessen Karriere legendär begann: Rudnik wurde als Eiscafé-Kellnerin entdeckt. Ihre geheimnisvolle Aura begeisterte die Kritiker, viele sahen in ihr einen Weltstar. Doch Rudniks Verhältnis zur Schauspielerei blieb ambivalent.

Diese Frau umgab ein Geheimnis. Ein Blick aus stahlblauen Augen signalisierte: Rühr mich nicht an! Doch so unnahbar und tough, wie sie sich nach außen hin gerne gab, war sie gar nicht. Ihr Gesicht war ein äußerst sensibler Seismograph, der noch die leiseste Erschütterung registrierte. Manchmal reichte schon ein zuckender Mundwinkel, und durch die Fassade schimmerte so etwas wie Verletzlichkeit.

Es gab Kritiker, die ordneten sie deshalb in die Reihe jener Blondinen ein, denen dieser Widerspruch zwischen Image und Wirklichkeit als unterkühlter Sex-Appeal ausgelegt wurde. Es fiel der Name Lauren Bacall. Anderen hätte dieser Vergleich geschmeichelt. Sie tat so, als schüchtere er sie ein. Noch 1999, auf dem Höhepunkt ihrer Karriere als TV-Star, behauptete sie in einem Interview mit der "Brigitte": „Ich fühle mich eher wie das Mädchen vom Lande, die Nägel habe ich mir jedenfalls noch nie im Leben lackiert.“

Barbara Rudnik war nicht der Typ Frau, der sich verbiegen ließ. Angebote für Werbespots, für viele Kollegen ein willkommenes PR-Instrument, um den eigenen Marktwert zu steigern, lehnte sie ab. Sie wollte immer nur sie selbst sein. Eine innerlich zerrissene Frau, die sich am wohlsten fühlte, wenn sie im Garten ihres Wochenendhauses ackern konnte.

Eine untypische Karriere

Sie hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass sie eher aus Verlegenheit denn aus Leidenschaft beim Film gelandet war. Tatsächlich ist ihr Werdegang als Schauspielerin eher untypisch. 1958 wird Barbara Rudnik als jüngste Tochter einer Näherin und eines Drehers in einem Dorf im Westerwald geboren.

Die kleine Barbara zieht es eher hinaus in die Natur als auf die Bühne. Das Kino interessiert sie anfangs nicht. Das soll sich erst ändern, als sie 1976 nach München zieht. Sie hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser, bis sie eines Tages eher zufällig in einem Eiscafé entdeckt wird.

Ein Student einer Filmhochschule, so will es die Legende, soll ihr einen Moment lang zu tief in die Augen geschaut haben, als sie ihm einen Kiwibecher serviert. Er gibt ihr eine Rolle in seinem Abschlussfilm, sie nimmt Schauspielunterricht und spielt Theater. So fängt es an. Es hätte der Beginn einer wunderbaren Freundschaft werden können. Doch ihr Verhältnis zu ihrem Beruf bleibt ambivalent.

Vielleicht ist das der Grund dafür, warum sie den Sprung vom Fernsehen zum internationalen Kino nicht geschafft hat. Warum sie bis zuletzt abonniert blieb auf die Rolle der rätselhaften Karrierefrau, die ihren beruflichen Erfolg als Journalistin („Der Sandmann“) Polizeipsychologin („Solo für Schwarz“), Headhunterin („Die schöne Feindin) oder Politikerin („Die Leibwächterin“) in der Regel mit einem eher unausgefüllten Privatleben als Single bezahlte. Es fehlte ihr der bedingungslose Ehrgeiz, es bis in Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett zu schaffen.

Dabei hat es ihr nicht an Vorschusslorbeeren gemangelt. Schon ihre ersten Gehversuche auf internationalem Parkett hatten hohe Erwartungen geweckt. Als ihr erster Kinofilm „Kopfschuss“ 1982 bei den Filmfestspielen in Cannes gezeigt wurde, beschworen Kritiker die Geburt eines neuen Weltstars. In „Kopfschuss“ spielt sie eine Kinokartenverkäuferin, die sich nach Dienstschluss in das nächtliche Treiben einer Großstadt stürzt.

Die Grenze zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit beginnt zu verschwimmen. Die Frau von der Kasse identifiziert sich mit den Helden von der Leinwand. Das Kino wird zum Fluchtweg aus einem tristen Alltag. Endstation Sehnsucht.

Eine Mimik, die Realität zu verdichten schien

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Das klingt nach einer Parabel auf ihr eigenes Leben. Und tatsächlich stellt sich die Frage, was aus Rudnik geworden wäre, wenn Kritiker nicht entdeckt hätten, dass ihr Gesicht wie geschaffen sei für die Großaufnahme. Dass ihre Mimik, so schwärmte die Zeitschrift „Brigitte“, die Realität verdichte: „Der Lidschlag, mit dem sie ihre Augen abdunkelt, die Bewegung, mit der sie ihre Zigarette anzündet oder die Haare aus dem Gesicht streicht – alles in wenig langsamer als im wirklichen Leben, präziser, gekonnter!“

Doch wenn das ihre größte Stärke war, dann konnte sie diese nie so richtig ausspielen. Nicht in dem hochkarätig besetzten Thriller „Tausend Augen“ (1984), in dem sie an der Seite von Armin Müller-Stahl und Karin Baal eine Studentin spielte, die sich das Geld für einen Australien-Flug als Peepshow-Attraktion verdiente. Und auch später nicht, als beliebte und vielbeschäftigte TV-Schauspielerin.

Auch eine Liaison mit einem der mächtigsten Filmbosse der Bundesrepublik, Bernd Eichinger, änderte nichts daran, dass die Schauspielerin Barbara Rudnik hinter ihren Möglichkeiten zurückblieb. 1986 machte sie ihrem Unmut darüber in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" Luft: „Über mich wurde fast nur positiv geschrieben, immer von meiner Begabung“, sagte sie damals. „Aber ich habe noch in keinem Film bewiesen, dass ich wirklich etwas kann.“

22 Jahre später, Rudnik hatte inzwischen den Adolf-Grimme-Preis für ihre Hauptrolle in Nico Hofmanns Thriller „Der Sandmann“ gewonnen und war von der „Hörzu“ mit der Goldenen Kamera als beste deutsche Schauspielerin ausgezeichnet worden, fällt ihre Bilanz nicht viel positiver aus. „Ich habe gemerkt, dass ich beruflich nie wirklich dort angekommen bin, wo ich hinwollte. Als Schauspielerin will man den Menschen etwas von sich selbst zeigen, von seinem Innersten, von seiner Seele. Das ist mir in einigen Momenten geglückt, aber nicht im Ganzen. Ein Teil von mir macht diesen Beruf sehr gern, und ein Teil gehört da nicht hin. Dieser Teil muss jetzt ein bisschen mehr gepflegt werden.“

Es entbehrt nicht der Ironie, dass dieses Bekenntnis am 30. April dieses Jahres in der „Bunten“ abgedruckt wurde, in einem jener People-Magazine, um die sie, die sich in der Welt des Glamours immer nur als Zaungast gefühlt hatte, stets einen Bogen gemacht hat. Es ist eingebettet in ein Interview, das sie, die kinderlose Single-Frau, plötzlich in die Schlagzeilen katapultiert.

Barbara Rudnik: „Ich will leben!“ Die Schauspielerin spricht über ihren dramatischen Kampf gegen den Krebs. Dieses Interview las sich wie ein vorgezogener Nachruf. Bevor andere eine Inventur ihres Lebens machen konnten, tat sie es selber. Zwischen den Zeilen konnte man lesen, wie viel Kraft sie dieser Schritt gekostet hatte.

Mehr als zwei Jahre lang war es ihr gelungen, ihre Krankheit geheim zu halten. Jetzt konnte sie nicht mehr. Die Metastasen saßen schon im Hirn. Es gab Fotos die zeigten eine Frau mit aufgedunsenem Gesicht und kurzen Haaren. So sollten sie die Zuschauer nicht in Erinnerung behalten. Für den Fotografen der "Bunten" posierte sie noch einmal ohne Perücke, dezent geschminkt und in einem glamourösen Abendkleid.

Diese neue Barbara Rudnik hatte Tränen in den Augen, doch sie strahlte eine innere Gelassenheit aus, wie man sie noch nie an ihr gesehen hatte. Es scheint, als hätte sie ihren Frieden erst gefunden, nachdem sie die Bühne verlassen hatte. Barbara Rudnik ist am Samstag, dem 23.05.2009, im Alter von 50 Jahren gestorben.

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