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Experten warnen vor Fettleibigkeit als Seuche

Versicherer fordern Risikobeiträge: Fettleibigkeit verursacht bis zu zehn Prozent der Kosten im Gesundheitswesen Versicherer fordern Risikobeiträge: Fettleibigkeit verursacht bis zu zehn Prozent der Kosten im Gesundheitswesen
Versicherer fordern Risikobeiträge: Fettleibigkeit verursacht bis zu zehn Prozent der Kosten im Gesundheitswesen
Quelle: pa/SVEN SIMON
Überernährung wird zum globalen Problem – die Zahl der Dicken steigt weltweit drastisch an: Diabetes, Schlaganfall, Herzinfarkt und Darmkrebs sind typische Folgeerkrankungen von Fettleibigkeit. Mediziner und Versicherungsexperten prophezeien einen Kollaps der Gesundheitssysteme.

Bis zu zehn Prozent der Krankheitskosten in den Industriestaaten seien durch Fettleibigkeit verursacht, sagte Professor Hans Hauner von der Uniklinik der TU München. Statt Vorbeugungsprogramme zum Abspecken bezahlten die meisten Kassen nur Medikamente und ärztliche Behandlungen, wenn die Folgekrankheiten bereits ausgebrochen seien.

„Die Behandlung von Adipositas (Fettleibigkeit) findet de facto nicht statt“, kritisierte der Mediziner. „Wir schauen zu, wie die Menschen sich ungesund ernähren, und dann haben wir schöne teure Medikamente.“ Das aber werde schon bald „nicht mehr finanzierbar“ sein. „Adipositas ist eine chronische Krankheit“, betonte Hauner. Da Fettleibigkeit in Deutschland aber nicht als Krankheit anerkannt sei, dürften die gesetzlichen Kassen erst zahlen, wenn Folgeerkrankungen eingetreten seien.

In Deutschland seien bereits jedes sechste Kind und jede fünfte Frau übergewichtig. In den USA hätten zwei Drittel der Bevölkerung nicht nur Wohlstandsringe, sondern Speckgürtel angesetzt: Dort bereiteten die übergewichtigen Fluggäste den Fluggesellschaften zunehmend Sorgen, weil sie „nicht mehr wissen, wie sie ihre Passagiere in die Flugzeuge hineinbekommen“. Angesichts der Klimadebatte würden immer kleinere Autos gebaut – in die schon jetzt nicht mehr jeder hineinpasse. Hauner warnte vor einer weltweiten Adipositas-Epidemie.

Diabetes hat schon Tendenzen eines Flächenbrandes“, sagte Achim Regenauer von der Münchener Rückversicherung. Schlaganfall, Herzinfarkt, Gelenkerkrankungen und Darmkrebs seien weitere typische Folgeerkrankungen von Fettleibigkeit. Überernährung und Bewegungsmangel seien inzwischen ein globales Problem: „Die Schwellenländer holen stark auf.“ Regenauer, nannte vor allem den Anstieg der Fettleibigkeit bei Kindern besorgniserregend. Früher sei Übergewicht ein Thema der über 30- oder 40-Jährigen gewesen, heute würden Verengungen der Herzkranzgefäße als Folge schon bei Kindern festgestellt. „Der menschliche Organismus muss die Folgen des Übergewichts damit zwei oder drei Jahrzehnte länger aushalten – mit allen gesundheitlichen Konsequenzen und Folgeerkrankungen.“ Das bedeute für die Versicherer auch zwei Jahrzehnte mehr Kosten.

Hauner sagte: „Es reicht nicht zu glauben, wir müssten die Menschen nur aufklären – das versuchen wir seit 30 Jahren vergeblich“. Er sehe seine Patienten alle paar Wochen für 20 Minuten. „In der anderen Zeit verhindert die Gesellschaft, dass sie das umsetzten, was wir ihnen vorschlagen.“ Denn im Alltag seien die Menschen fast ständig mit einem Überangebot an Süßigkeiten und Fastfood konfrontiert. Überall lockten – oft billige – Lebensmitteln mit hoher Energiedichte wie Chips und immer größere Portionen. Schulen und Betriebe müssten an einem Strang ziehen. Auch im Städtebau und in der Verkehrsplanung müssten Möglichkeiten für Sport und Bewegung einbezogen werden. Die Krankenversicherungen müssten mehr dafür tun, damit ihre Kunden gesund blieben, statt später das Kurieren der Krankheiten zu bezahlen.

Als gutes Beispiel wurde eine Versicherung genannt, die übergewichtigen Patienten ein individuelles Programm zum Abspecken zusammenstellt und durch einen persönlichen Betreuer unterstützt, der regelmäßig telefonisch nachfragt und berät. Die Versicherung stellt auch eine Waage und einen Bewegungssensor, der die Messdaten automatisch an einen Arzt weiterleitet. Die Hälfte der Teilnehmer habe sich dauerhaft mehr bewegt und gesünder gegessen, 28 Prozent hätten auf Dauer deutlich abgenommen. Der Kostenanstieg bei diesem Patientenkreis sei geringer, sagte der Arzt Stefan Kottmair. Ein Herzinfarkt- oder Schlaganfall-Patient koste 22.000 Euro im Jahr.

AP/DPA/OC

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