Das GeoZentrum Gams bei Hieflau in der Steiermark - Geoline
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<strong>Das</strong> <strong>GeoZentrum</strong> <strong>Gams</strong><br />
<strong>bei</strong> Hiefl au <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Steiermark</strong><br />
Günter & Susanne Schweigert<br />
Fossilreiche Ablagerungen aus <strong>der</strong> späten Kreidezeit s<strong>in</strong>d aus dem Gebiet <strong>der</strong><br />
Nördlichen Kalkalpen lange bekannt. Nach e<strong>in</strong>em Vorkommen im österreichischen<br />
Bundesland Salzburg spricht man von <strong>der</strong> „Gosaukreide“. E<strong>in</strong>es <strong>der</strong> Vorkommen,<br />
dasjenige von <strong>Gams</strong> <strong>bei</strong> Hiefl au <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Steiermark</strong>, wurde <strong>in</strong>zwischen im Geopark<br />
Eisenwurzen für die <strong>in</strong>teressierte Öffentlichkeit aufbereitet, und von <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de<br />
<strong>Gams</strong> wurde im Dachgeschoss des dortigen Geme<strong>in</strong>deamts e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Ausstellung<br />
e<strong>in</strong>gerichtet, die durch den „GeoPfad“ für Wan<strong>der</strong>er und e<strong>in</strong>en „GeoRad“ für<br />
Radfahrer stimmig ergänzt werden.<br />
Abb. 1: Blick <strong>in</strong> den Ausstellungsraum<br />
des <strong>GeoZentrum</strong>s <strong>in</strong> <strong>Gams</strong><br />
Abb. 2: Ammonit <strong>der</strong> Gattung<br />
Balatonites aus dem Reifl <strong>in</strong>ger<br />
Kalk (Untertrias, Anisium) von<br />
Großreifl <strong>in</strong>g <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ausstellung<br />
des <strong>GeoZentrum</strong>s <strong>in</strong> <strong>Gams</strong>.<br />
156<br />
Die Geologie um <strong>Gams</strong> wird im <strong>GeoZentrum</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de Geme<strong>in</strong>de auf 200 Quadratmetern<br />
Ausstellungsfl Ausstellungsfl äche <strong>in</strong> 19 19 Th Th emenbereichen<br />
abgehandelt, abgehandelt, die die sich an <strong>der</strong> regionalen Erdgeschichte<br />
orientieren. Die ältesten hier vorvorkommenden Geste<strong>in</strong>e stammen aus dem<br />
späten Perm o<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>der</strong> frühen Triaszeit und und<br />
bestehen bestehen aus aus Gips, Tonste<strong>in</strong> und Dolomit.<br />
Sie dokumentieren e<strong>in</strong>e Phase, <strong>in</strong> <strong>der</strong> es <strong>bei</strong><br />
heißem Klima <strong>in</strong> küstennahen Salzpfannen<br />
zu E<strong>in</strong>dampfungsprozessen kam. Fossilien<br />
fi ndet man dar<strong>in</strong> lei<strong>der</strong> ke<strong>in</strong>e. Bei <strong>der</strong> Auflösung<br />
und Verwitterung des Gipses bleibt<br />
häufi g e<strong>in</strong> charakteristisch-löcheriges Dolomitgeste<strong>in</strong><br />
übrig, das man als „Zellendolomit“<br />
o<strong>der</strong> „Rauhwacke“ bezeichnet. <strong>Das</strong> bekannte<br />
Bad Reichenhaller Ste<strong>in</strong>salz stammt<br />
übrigens aus zeitgleichen Ablagerungen. Im<br />
Laufe <strong>der</strong> Untertrias überfl utete das Tethys-<br />
Meer von Osten her allmählich den heutigen<br />
Alpenraum und h<strong>in</strong>terließ graue, bankige<br />
Kalke, Dolomite und Mergel. Der Reifl <strong>in</strong>ger<br />
Kalk und <strong>der</strong> Dachste<strong>in</strong>kalk s<strong>in</strong>d typische<br />
Ablagerungen <strong>der</strong> Triaszeit <strong>in</strong> diesem<br />
Teil <strong>der</strong> Ostalpen. Gelegentlich führt <strong>der</strong><br />
FOSSILIEN 3 /12
Dachste<strong>in</strong>kalk großwüchsige, dickschalige<br />
Muscheln (Megalodonten) o<strong>der</strong> ästige Riff -<br />
korallen. Oft s<strong>in</strong>d diese Schichten aber dolomitisiert<br />
und dann sekundär völlig fossilleer.<br />
E<strong>in</strong> riesiger Fischsaurier<br />
<strong>Das</strong> Flüsschen Enns gab e<strong>in</strong>er noch heute gebräuchlichen<br />
<strong>in</strong>ternationalen Stufe <strong>der</strong> Triaszeit<br />
ihren Namen, dem Anisium. Ammonoideen-Faunen<br />
aus dem Reifl <strong>in</strong>ger Kalk <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Umgebung von Großreifl <strong>in</strong>g, etwa fünf<br />
Kilometer westlich von <strong>Gams</strong>, wurden e<strong>in</strong>st<br />
als typisch für diesen Zeitabschnitt angesehen<br />
(Arthaber 1896; Summesberger & Wagner<br />
1972). Lei<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d die dortigen Faunen<br />
aber nicht sehr artenreich, da es sich um Ab-<br />
Abb. 3: Zeichnung e<strong>in</strong>es <strong>bei</strong>m Brand des Admonter<br />
Stiftes weitgehend zerstörten Fischsaurierfunds<br />
mit e<strong>in</strong>em 90 cm langen Schädel aus dem untertriadischen<br />
Reifl <strong>in</strong>ger Kalk vom Scheibl<strong>in</strong>ggraben<br />
<strong>bei</strong> Großreifl <strong>in</strong>g (aus Arthaber 1896).<br />
lagerungen verhältnismäßig seichten Wassers<br />
handelt und nur wenige Geste<strong>in</strong>sbänke<br />
Ammonoideen (z.B. Paraceratites, Norites, Acrochordiceras;<br />
Balatonites; Abb. 2), Muscheln<br />
und Brachiopoden führen. Im Jahr 1843 entdeckte<br />
<strong>der</strong> paläontologisch <strong>in</strong>teressierte Pater<br />
Engelbert Prangner vom Stift Admont<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Ste<strong>in</strong>bruch im vor<strong>der</strong>en Teil des<br />
Scheibl<strong>in</strong>ggrabens <strong>bei</strong> Großreifl <strong>in</strong>g im dortigen<br />
Reifl <strong>in</strong>ger Kalk e<strong>in</strong>e Geste<strong>in</strong>splatte mit<br />
e<strong>in</strong>em Fischsaurier-Rest, von dem alle<strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Schädel 90 Zentimeter maß. Sie wurde ge-<br />
FOSSILIEN 3 /12<br />
borgen und gelangte <strong>in</strong> das Naturalien-Cab<strong>in</strong>et<br />
des Stifts Admont. Lei<strong>der</strong> existieren vom<br />
Orig<strong>in</strong>alfund heute nur noch e<strong>in</strong>ige wenige<br />
Geste<strong>in</strong>sstücke mit Wirbeln. Die Platte mit<br />
dem Saurier wurde nämlich <strong>bei</strong>m verheerenden<br />
Brand des Stifts im Jahr 1865 weitgehend<br />
zerstört. Wie dieser Fund e<strong>in</strong>st ausgesehen<br />
haben mag, kann man aus <strong>der</strong> Reproduktion<br />
e<strong>in</strong>er skizzenhaften Zeichnung erahnen, die<br />
e<strong>in</strong> „Landschreiber und Forstbesorger“ namens<br />
Schmitt angefertigt hatte und die e<strong>in</strong>st<br />
e<strong>in</strong>em Gastwirt <strong>in</strong> Palfau gehörte (Abb. 3).<br />
Lediglich die Teilstücke mit den Wirbeln<br />
wurden nach dem Brand aus dem Schutt geborgen<br />
und s<strong>in</strong>d im Orig<strong>in</strong>al im heutigen Naturhistorischen<br />
Museum des Stifts nebst e<strong>in</strong>em<br />
kle<strong>in</strong>en Modell des Tieres ausgestellt. Es<br />
wird dort als Cymbospondylus bezeichnet; im<br />
<strong>GeoZentrum</strong> <strong>Gams</strong> h<strong>in</strong>gegen werden dieselben<br />
Reste <strong>der</strong> Gattung Toretocnemus zugerechnet,<br />
was auf e<strong>in</strong>e Bestimmung des legendären<br />
Tüb<strong>in</strong>ger Saurierspezialisten Friedrich<br />
v. Huene zurückgeht (vgl. Summesberger &<br />
Wagner 1972). Für e<strong>in</strong>en Toretocnemus ist<br />
<strong>der</strong> Saurier nun allerd<strong>in</strong>gs defi nitiv zu groß.<br />
Dieser Ichthyosaurier, den man ansonsten<br />
aus Kalifornien und dem nördlichen Mexiko<br />
kennt, war nur etwa zwei Meter lang. Nicht<br />
ausgeschlossen ist aber, dass es sich um e<strong>in</strong>en<br />
nahen großwüchsigen Verwandten handelt.<br />
Gebirgsbildung und Gosaubecken<br />
Die Jurazeit ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Umgebung von <strong>Gams</strong><br />
durch rötliche Cr<strong>in</strong>oidenkalke und Kalke<br />
mit Kieselknollen nur lückenhaft vertreten.<br />
Während <strong>der</strong> Unterkreide kam es dann zu<br />
e<strong>in</strong>er ersten Gebirgsbildung, <strong>bei</strong> <strong>der</strong> die zuvor<br />
abgelagerten Geste<strong>in</strong>e zu Festland wurden<br />
und <strong>der</strong> Abtragung unterlagen. Dann<br />
gab es wie<strong>der</strong> Dehnungsbewegungen, sodass<br />
auf dem Rücken <strong>der</strong> heutigen ostalp<strong>in</strong>en Decken<br />
– so nennt <strong>der</strong> Geologe die zusammengeschobenen<br />
und übere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> gestapelten<br />
Geste<strong>in</strong>sserien – neue Sedimentationsräume<br />
entstanden s<strong>in</strong>d. Sie s<strong>in</strong>d mit festländischem<br />
Abtragungsschutt, Süßwasserbildungen<br />
und schließlich mar<strong>in</strong>en Ablagerungen aus<br />
<strong>der</strong> Oberkreide und dem Alttertiär verfüllt.<br />
Diese Sedimentationsräume werden als Gosaubecken<br />
bezeichnet. Neben dem namengebenden<br />
Vorkommen <strong>bei</strong> Gosau im Salzburgerland<br />
ist das Gosaubecken von <strong>Gams</strong> e<strong>in</strong>es<br />
<strong>der</strong> bekannteren, das durch se<strong>in</strong>e reiche Fossilführung<br />
hervorsticht (Kollmann 1965a). Im<br />
<strong>GeoZentrum</strong> ist diesem paläontologisch <strong>in</strong>teressanten<br />
Zeitraum naturgemäß beson<strong>der</strong>s<br />
157
158<br />
Abb. 4: Block mit Ner<strong>in</strong>een <strong>der</strong> Art Simploptyxis buchi (Keferste<strong>in</strong>) aus den oberkreidezeitlichen Gosau-<br />
Ablagerungen von <strong>Gams</strong> im dortigen <strong>GeoZentrum</strong>.<br />
viel Platz gewidmet. Im Gosaubecken von<br />
<strong>Gams</strong> begann die Sedimentation mit e<strong>in</strong>em<br />
bunten Konglomerat aus Geröllen, die uns<br />
zeigen, welche Geste<strong>in</strong>e damals oberflächlich<br />
vorhanden waren. Sie wurden <strong>bei</strong>m allmählichen<br />
Vorrücken des Meeres am Strand<br />
gerundet. Die darüber folgenden Meeresablagerungen<br />
aus <strong>der</strong> Oberkreide führen Schnecken,<br />
Muscheln und e<strong>in</strong>geschwemmte Pflanzenreste,<br />
von denen e<strong>in</strong>e ganze Anzahl im<br />
<strong>GeoZentrum</strong> ausgestellt ist. Diese fossilreichen<br />
Schichten kommen speziell im Bereich<br />
<strong>der</strong> „Schönleiten“ vor, dem Berghang nördlich<br />
des Ortszentrums. Etwas jünger s<strong>in</strong>d<br />
dann bräunliche Kalksandste<strong>in</strong>e, die neben<br />
großwüchsigen, turmförmigen Schnecken<br />
aus <strong>der</strong> Gruppe <strong>der</strong> Ner<strong>in</strong>een (Abb. 4) vor allem<br />
Vertreter <strong>der</strong> Actaeonellen enthalten, die<br />
zuweilen <strong>in</strong> geste<strong>in</strong>sbilden<strong>der</strong> Häufigkeit auftreten<br />
(Kollmann 1965b, 1967). E<strong>in</strong>e ganze<br />
Reihe weiterer Schneckenarten und sogar e<strong>in</strong><br />
ausgesprochen gut erhaltener, perlmuttschaliger<br />
Ammonit (Barroisiceras haberfellneri)<br />
wurden erstmals aus den Gosau-Ablagerungen<br />
<strong>der</strong> Umgebung von <strong>Gams</strong> beschrieben.<br />
Die Orig<strong>in</strong>alfossilien bef<strong>in</strong>den sich heute im<br />
Naturhistorischen Museum <strong>in</strong> Wien, das für<br />
die Ausstellung im <strong>GeoZentrum</strong> Abgüsse<br />
zur Verfügung gestellt hat. Neben dem eigentlichen<br />
Gosaubecken von <strong>Gams</strong> kommen<br />
Actaeonellen auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em weiteren kle<strong>in</strong>en<br />
Reliktbecken im Waaggraben <strong>bei</strong> <strong>Hieflau</strong><br />
vor, wo <strong>in</strong> den geotouristischen Schriften<br />
des Nationalparks Gesäuse über „Riesenpuppenschnecken“<br />
geschrieben wird, zu denen<br />
geführte Wan<strong>der</strong>ungen („Schneckensafari“)<br />
angeboten werden. E<strong>in</strong> weiteres Charakteristikum<br />
mar<strong>in</strong>er oberkreidezeitlicher Gosau-Ablagerungen<br />
s<strong>in</strong>d die etwas an Korallen<br />
o<strong>der</strong> Pferdezähne er<strong>in</strong>nernden Muscheln aus<br />
<strong>der</strong> Gruppe <strong>der</strong> Rudisten, die mitunter kle<strong>in</strong>e<br />
Riffe bildeten. Auch Riffkorallen kommen<br />
im <strong>Gams</strong>er Gosaubecken stellenweise vor.<br />
Der Schwarze Bernste<strong>in</strong><br />
In bestimmten Horizonten im tieferen Teil<br />
<strong>der</strong> kreidezeitlichen Ablagerungen f<strong>in</strong>den<br />
sich nicht allzu selten e<strong>in</strong>geschwemmte<br />
Pflanzenreste und ganze Baumstämme,<br />
die <strong>in</strong> pechschwarzen Gagat umgewandelt<br />
s<strong>in</strong>d. Auf diesen Gagat zielte im Spätmittelalter<br />
e<strong>in</strong> reger Bergbau, <strong>der</strong> vom Stift Admont<br />
gesteuert wurde. Gagat, auch „Augste<strong>in</strong>“<br />
o<strong>der</strong> „Schwarzer Bernste<strong>in</strong>“ genannt,<br />
lässt sich schnitzen o<strong>der</strong> drechseln und so<br />
zu Schmuck (Rosenkränze, Trauerschmuck)<br />
verar<strong>bei</strong>ten. Im Jahr 1414 wurden vom Admonter<br />
Abt Georg schwäbische Gesellschafter<br />
mit den Abbaurechten <strong>in</strong> <strong>Gams</strong><br />
belehnt (Hable 2010). E<strong>in</strong> gewisser He<strong>in</strong>z<br />
Fischer aus Göpp<strong>in</strong>gen verkaufte se<strong>in</strong>en<br />
Bergbau-Anteil an die <strong>bei</strong>den Brü<strong>der</strong> Claus<br />
und Vital Kreidweiss aus <strong>der</strong> Stadt Essl<strong>in</strong>gen<br />
am Neckar weiter und bat den Abt um nachträgliche<br />
Genehmigung, wie man <strong>der</strong> ausgestellten<br />
Reproduktion e<strong>in</strong>es Schreibens aus<br />
dem Jahr 1465 entnehmen kann. Bei Göpp<strong>in</strong>gen<br />
kommt <strong>der</strong> Gagat <strong>in</strong> Gestalt von großen<br />
Treibhölzern im unterjurassischen Posidonienschiefer<br />
vor. Die erwähnte Familie<br />
FOSSILIEN 3 /12
Kreidweiss gehörte damals zu den reichsten<br />
Bürgern <strong>der</strong> Stadt Essl<strong>in</strong>gen. Sie betrieb offenbar<br />
e<strong>in</strong>e Zeit lang mit Erfolg e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es<br />
Gagatbergwerk <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong> Nonnenmühle<br />
<strong>bei</strong> Althütte im Welzheimer Wald.<br />
Die dortige Fundschicht ist zweifellos <strong>der</strong><br />
Stubensandste<strong>in</strong> (Löwenste<strong>in</strong>-Formation)<br />
aus <strong>der</strong> Obertrias. Die Schwaben hatten daher<br />
nicht nur bereits Erfahrung im Abbau<br />
dieses Rohstoffs gesammelt, son<strong>der</strong>n wohl<br />
auch entsprechende Handelskontakte.<br />
Nach über 140 Jahren kam <strong>der</strong> Gagatbergbau<br />
<strong>in</strong> <strong>Gams</strong> mangels Rentabilität sowie <strong>in</strong>folge<br />
e<strong>in</strong>es Preisverfalls und wegen diverser<br />
Streitigkeiten und mutwilliger Zerstörungen<br />
<strong>in</strong> den Bergwerksstollen schließlich im<br />
Jahr 1560 zum Erliegen. Die Halden des<br />
Bergbaus s<strong>in</strong>d teilweise heute noch im Gelände<br />
erkennbar. Spätere Versuche zum Abbau<br />
kle<strong>in</strong>er Kohleflöze, wie im Pfizengraben,<br />
scheiterten an <strong>der</strong> schlechten Qualität<br />
und ger<strong>in</strong>gen Ausdehnung <strong>der</strong> Vorkommen.<br />
Die Kreide/Tertiär-Grenze<br />
<strong>Das</strong> <strong>Gams</strong>er Gosaubecken ist e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> ganz<br />
wenigen Lokalitäten <strong>in</strong> Mitteleuropa, wo die<br />
Kreide-Tertiär-Grenze <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em kont<strong>in</strong>uierlichen<br />
Profil aufgeschlossen ist. Die tiefmar<strong>in</strong>en<br />
Tonste<strong>in</strong>ablagerungen <strong>der</strong> sogenannten<br />
Nierental-Formation werden durch e<strong>in</strong>e<br />
etwa zwei Zentimeter dünne, schwärzliche<br />
Schicht unterbrochen (Abb. 5), die genau<br />
dieser Grenze entspricht. Geochemische<br />
Untersuchungen <strong>der</strong> Schicht durch russische<br />
Wissenschaftler haben zahlreiche H<strong>in</strong>weise<br />
darauf ergeben, dass zu dieser Zeit offenbar<br />
e<strong>in</strong> starker Vulkanismus aus dem Erdmantel<br />
herrschte (Grachev 2009). Ob dieser ursächlich<br />
für das bekannte Massensterben verantwortlich<br />
war o<strong>der</strong> ob <strong>der</strong> erst etwas später<br />
erfolgte kosmische Impakt – im Profil von<br />
<strong>Gams</strong> anhand von Mikrodiamanten und<br />
Nickelkügelchen im oberen Teil <strong>der</strong> Grenzschicht<br />
ebenfalls nachweisbar – als eigentlicher<br />
Auslöser damit endgültig vom Tisch<br />
ist, wie es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ausstellung und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
Broschüre zum Georadweg dargestellt wird,<br />
sei dah<strong>in</strong>gestellt.<br />
Abschließend widmet sich die Ausstellung<br />
noch <strong>der</strong> eiszeitlichen und nacheiszeitlichen<br />
Geschichte, da <strong>in</strong> jener Zeit die heutige<br />
Landschaft geformt wurde. Mächtige Ablagerungen<br />
<strong>in</strong> Gestalt verfestigter Schotter<br />
haben die Täler verfüllt und werden heute<br />
wie<strong>der</strong> teilweise erosiv ausgeräumt. Auf den<br />
verbliebenen Schotterterrassen liegen dann,<br />
FOSSILIEN 3 /12<br />
vor Hochwässern gut geschützt, viele <strong>der</strong><br />
Ortschaften, auch <strong>Gams</strong> selbst.<br />
<strong>Das</strong> <strong>GeoZentrum</strong> <strong>in</strong> <strong>Gams</strong> ist vom 1. April<br />
bis 31. Oktober täglich von 9-12 und von 13-<br />
16 Uhr geöffnet. Kontaktadresse für Anmeldungen<br />
o<strong>der</strong> Auskünfte: gde@gams-hieflau.<br />
steiermark.at<br />
Abb. 5: Geste<strong>in</strong>sblock mit <strong>der</strong> markanten Grenzschicht<br />
zwischen <strong>der</strong> Kreide und dem Tertiär im Gosaubecken<br />
von <strong>Gams</strong>. Ausstellung im dortigen <strong>GeoZentrum</strong>.<br />
Der GeoPfad<br />
Hat man sich im <strong>GeoZentrum</strong> mit den vorkommenden<br />
Geste<strong>in</strong>en <strong>der</strong> Region vertraut<br />
gemacht, kann man sich zu Fuß auf e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>formative<br />
Wan<strong>der</strong>ung begeben. Am besten<br />
stellt man das Auto am Friedhof ab und beg<strong>in</strong>nt<br />
dort die Rundwan<strong>der</strong>ung, die <strong>bei</strong> nur<br />
fünf Kilometern Strecke und 80 Metern Höhenunterschied<br />
knapp zwei Stunden dauert.<br />
An 48 Stationen bef<strong>in</strong>den sich mit Nummern<br />
versehene, kle<strong>in</strong>e Täfelchen, <strong>der</strong>en Information<br />
mittels e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en Broschüre erschlossen<br />
werden kann. Man kann sie für drei Euro<br />
entwe<strong>der</strong> im <strong>GeoZentrum</strong> <strong>Gams</strong> o<strong>der</strong> im<br />
Gasthof Kirchenwirt erwerben. Wir machten<br />
diese Wan<strong>der</strong>ung, noch ehe wir die Broschüre<br />
erworben hatten. Dies war e<strong>in</strong>e gewisse<br />
Herausfor<strong>der</strong>ung, denn zuweilen konnte gerätselt<br />
werden, was an <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />
Station nun zu sehen ist. Später zeigte sich<br />
dann, dass nicht alle Stationen re<strong>in</strong> geologi-<br />
159
Abb. 6: Der GeoPfad führt auf e<strong>in</strong>em schmalen Holzsteg<br />
durch die wildromantische Nothklamm.<br />
sche Inhalte haben, son<strong>der</strong>n auch auf Landschaft,<br />
Morphologie, Vegetation und Kultur<br />
Bezug genommen wird. An e<strong>in</strong>er Stelle darf<br />
<strong>in</strong> grauen Tonste<strong>in</strong>en nach herauswitternden<br />
kreidezeitlichen Fossilien wie kle<strong>in</strong>en Muscheln<br />
und Schnecken gesucht werden. Sie<br />
können nach dem ausgestellten Material im<br />
<strong>GeoZentrum</strong> leicht bestimmt werden. Auch<br />
<strong>der</strong> <strong>Gams</strong>bach, <strong>der</strong> sich tief <strong>in</strong> die Nothklamm<br />
e<strong>in</strong>geschnitten hat, nimmt im östlichen<br />
Teil des <strong>Gams</strong>er Gosaubeckens kreidezeitliche<br />
Geste<strong>in</strong>e auf, die Fossilien führen<br />
können. Am östlichen Ende <strong>der</strong> Nothklamm<br />
liegt <strong>bei</strong>spielsweise e<strong>in</strong> riesiger Block mit Actaeonellen<br />
<strong>der</strong> Art Trochactaeon obtusus (Zekeli),<br />
e<strong>in</strong> förmlicher „Tierfriedhof“. Mit etwas<br />
Glück kann man kle<strong>in</strong>ere fossilführende<br />
Gerölle auch sonst <strong>in</strong> den Bachablagerungen<br />
fi nden. Die Nothklamm durchschneidet steil<br />
stehende triassische und jurassische Kalke<br />
und Dolomite, die das <strong>Gams</strong>er Gosaubecken<br />
unterteilen. Im östlichen Teil s<strong>in</strong>d Schichten<br />
bis <strong>in</strong> das Alttertiär erhalten geblieben.<br />
Recht spektakulär ist <strong>der</strong> Holzsteg durch die<br />
Klamm, <strong>der</strong> allerd<strong>in</strong>gs <strong>bei</strong> feuchten Verhältnissen,<br />
die <strong>in</strong> <strong>der</strong> engen Klamm wohl häufi<br />
g herrschen, extrem rutschig ist (Abb. 6).<br />
Der Rückweg führt über e<strong>in</strong> Fahrsträßchen<br />
höher am Talhang entlang. Der Pitzengraben<br />
am westlichen Ausgang <strong>der</strong> Nothklamm,<br />
unweit <strong>der</strong> Kraushöhle, ist als Naturdenkmal<br />
streng geschützt. Schon früh im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
hatte <strong>der</strong> englische Naturforscher James<br />
de Carle Sowerby von hier e<strong>in</strong>e mittelgroße<br />
Actaeonellen-Schnecke beschrieben,<br />
die er nach dem berühmten französischen<br />
Zoologen Jean Baptiste de Lamarck<br />
benannte. Heute heißt diese<br />
Schnecke, die etwas unterhalb des<br />
eigentlichen Pitzengrabens direkt an<br />
<strong>der</strong> Straße <strong>in</strong> großer Zahl aus sandigen<br />
Mergeln herauswittert, Trochact-<br />
aeon lamarcki (Abb. 7). Die 170 Me-<br />
ter lange Kraushöhle ist als Beson<strong>der</strong>heit<br />
neben kalkigen Tropfste<strong>in</strong>en auch<br />
mit Gipskristallen ausgekleidet. Sie ist<br />
nach dem österreichischen Höhlenforscher-Pionier<br />
Franz Kraus (1834-1897)<br />
benannt, <strong>der</strong> sie ausbauen und sogar mit<br />
elektrischer Beleuchtung versehen ließ. In<br />
<strong>Gams</strong> hatte er se<strong>in</strong> Sommerdomizil, die „Vil-<br />
Abb. 7: Massenhaft vorkommende Schnecken und e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnes<br />
Exemplar (Länge 28 mm) <strong>der</strong> <strong>der</strong> Art Trochactaeon lamarcki<br />
(Sowerby) <strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Aufschluss am GeoPfad <strong>bei</strong>m NaturdenkNaturdenkmal<br />
Pitzengraben. Fotos: G. & S. Schweigert.<br />
Actaeonellen-Schnecke beschrieben,<br />
160<br />
la Grottenheim“, an <strong>der</strong> <strong>der</strong> GeoPfad eben- eben- eben-<br />
falls vor<strong>bei</strong>führt. Die feierliche E<strong>in</strong>weihung<br />
<strong>der</strong> Höhle am 28. Mai 1882 war e<strong>in</strong> gut organisiertes<br />
gesellschaftliches Großereignis, zu<br />
dem sogar Son<strong>der</strong>züge aus Wien e<strong>in</strong>gesetzt<br />
FOSSILIEN 3 /12
wurden. E<strong>in</strong>e Besichtigung <strong>der</strong> Höhle dauert<br />
etwa e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>halb Stunden.<br />
Der 20 Kilometer lange Radweg „GeoRad“<br />
vermittelt auch noch an<strong>der</strong>e geologische Beson<strong>der</strong>heiten<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> weiteren Umgebung von<br />
<strong>Gams</strong>, darunter e<strong>in</strong>en Chalcedon-Gang, <strong>der</strong><br />
offensichtlich e<strong>in</strong>e zeitlang zur Herstellung<br />
von Fl<strong>in</strong>t für Ste<strong>in</strong>schlossgewehre abgebaut<br />
wurde o<strong>der</strong> die schon erwähnte Kreide-Tertiär-Grenze.<br />
Diese Ziele s<strong>in</strong>d allerd<strong>in</strong>gs nicht<br />
direkt mit dem Fahrrad zu erreichen, son<strong>der</strong>n<br />
erfor<strong>der</strong>n zusätzliche Fußmärsche.<br />
Sowohl das <strong>GeoZentrum</strong> als auch <strong>der</strong> Geo-<br />
Pfad können, zusammen mit den gut verständlich<br />
geschriebenen Informationsbroschüren,<br />
als gelungene Beispiele dafür gelten,<br />
wie e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>de ihr geologisches<br />
Erbe trotz <strong>der</strong> Komplexität <strong>der</strong> Materie <strong>in</strong><br />
verständlicher Form e<strong>in</strong>er breiten Öffentlichkeit<br />
vermitteln kann.<br />
Weitere lohnende Ziele<br />
Westlich und südwestlich des <strong>Gams</strong>er Gosaubeckens<br />
schließen sich die schroffen Gipfel<br />
<strong>der</strong> Gesäuseberge an. Anspruchsvolle<br />
Wan<strong>der</strong>wege zu Alpenvere<strong>in</strong>shütten und Almen<br />
erschließen dieses Gebiet gut, das aber<br />
dennoch nicht überlaufen ist. Westlich des<br />
Gesäuses, so wird <strong>der</strong> canyonartige Durchbruch<br />
<strong>der</strong> Enns zwischen Admont und <strong>Hieflau</strong><br />
genannt, lohnt sich <strong>der</strong> Besuch des Stiftes<br />
Admont mit se<strong>in</strong>er weltberühmten barocken<br />
Klosterbibliothek, die <strong>bei</strong>m Brand von 1865<br />
wie durch e<strong>in</strong> Wun<strong>der</strong> verschont blieb. Erst<br />
nach dem Brand wurde e<strong>in</strong> naturhistorisches<br />
Museum wie<strong>der</strong> neu aufgebaut, dessen Präsentation<br />
heute teilweise mit mo<strong>der</strong>nen Medien<br />
ergänzt wurde. Fossilien sucht man hier<br />
gegenüber den teilweise spektakulären Tierpräparaten<br />
und Insektenkästen fast vergeb-<br />
FOSSILIEN 3 /12<br />
lich, doch überrascht e<strong>in</strong>e überaus reichhaltige<br />
und sauber beschriftete M<strong>in</strong>eralien- und<br />
Geste<strong>in</strong>ssammlung <strong>in</strong> historischen Glasvitr<strong>in</strong>en.<br />
E<strong>in</strong> kunsthistorisches Museum im selben<br />
Gebäudekomplex zeigt neben Gemälden<br />
und barocken Skulpturen auch wertvolle, bestickte<br />
kirchliche Gewän<strong>der</strong> aus dem Klosterschatz.<br />
Beson<strong>der</strong>s bee<strong>in</strong>druckend ist e<strong>in</strong><br />
Bischofsstab, <strong>der</strong> aus e<strong>in</strong>em Narwal-Zahn<br />
gefertigt wurde – S<strong>in</strong>nbild für den Reichtum,<br />
den dieses Kloster e<strong>in</strong>st hatte. Heute verfügt<br />
das Stift noch immer über große Län<strong>der</strong>eien<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Region und betreibt sogar e<strong>in</strong> eigenes<br />
We<strong>in</strong>gut <strong>in</strong> Slowenien – <strong>der</strong> We<strong>in</strong> kann im<br />
Museumsshop erworben werden.<br />
Literatur<br />
Arthaber, G. v. (1896): Die Cephalopodenfauna <strong>der</strong><br />
Reifl<strong>in</strong>ger Kalke. I-II. Beitr. Paläont. Geol. Österr.-<br />
Ung. Orient 10: 1-112, 192-242.<br />
Grachev, A. F. (Hrsg., 2009): The K/T boundary of<br />
<strong>Gams</strong> (Eastern Alps, Austria) and the nature of term<strong>in</strong>al<br />
Cretaceous mass ext<strong>in</strong>ction. Abh. Geol. Bundesanstalt<br />
63: 1-199. (http://www.geologie.ac.at/filestore/<br />
download/AB0063_001_A.pdf )<br />
Hable, B. (2010): Der historische Gagatbergbau <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>Gams</strong> <strong>bei</strong> <strong>Hieflau</strong>. Norisches Eisen, Mitt. Montangeschichtl.<br />
Ver. Hüttenberg-Knappenberg 16: 5-7.<br />
(http://www.montanvere<strong>in</strong>-huettenberg.com/pdf/mitteilungen/mitteilungen16.pdf<br />
)<br />
Kollmann, H. A. (1965a): Stratigraphie und Tektonik<br />
des Gosaubeckens von <strong>Gams</strong> (<strong>Steiermark</strong>, Österreich).<br />
Jb. Geol. Bundesanstalt 107: 71-159.<br />
Kollmann, H. A. (1965b): Actaeonellen (Gastropoda)<br />
aus <strong>der</strong> ostalp<strong>in</strong>en Oberkreide. Ann. Naturhistor. Mus.<br />
Wien 68: 243-262.<br />
Kollmann, H. A. (1967): Die Gattung Trochactaeon <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> ostalp<strong>in</strong>en Oberkreide. Zur Phylogenie <strong>der</strong> Actaeonellidae.<br />
Ann. Naturhistor. Mus. Wien 71: 117-198.<br />
Summesberger, H. & L. Wagner (1972): Der Stratotypus<br />
des Anis (Trias). Geologische Beschreibung des Profiles<br />
von Großreifl<strong>in</strong>g (<strong>Steiermark</strong>). Ann. Naturhistor.<br />
Mus. Wien 76: 515-538.<br />
Dr. Günter Schweigert, Jahrgang 1964, ist am Staatlichen Museum für Naturkunde für die Sammlungen <strong>der</strong><br />
Invertebraten aus Jura und Kreide sowie <strong>der</strong> Mikropaläontologie zuständig. Seit 2009 ist er e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> <strong>bei</strong>den<br />
Herausgeber <strong>der</strong> Zeitschrift FOSSILIEN, für die er auch zahlreiche populärwissenschaftliche Artikel schreibt.<br />
Susanne Schweigert ist Technische Redakteur<strong>in</strong>, <strong>in</strong>teressiert sich für Historisches, Prähistorisches und die Natur<br />
und begleitet ihren Ehemann gerne <strong>bei</strong> gelegentlichen Sammeltouren im In- und Ausland.<br />
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