Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat die EU-Staats- und Regierungschefs vor Kungeleien bei der Bestimmung des nächsten EU-Kommissionspräsidenten nach der Europawahl gewarnt. "Am Ende wird das Europäische Parlament das letzte Wort haben", sagte er während eines Auftritts mit SPD-Spitzenkandidaten Martin Schulz. Man könne nicht erstmals europäische Spitzenkandidaten aufstellen und dann den Wählerwillen umgehen.

Gabriel warnte vor der "größten Volksverdummungsaktion in der Geschichte der europäischen Bürger". Nach jetzigem Ermessen werde entweder Schulz nächster Kommissionspräsident oder der Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei, Luxemburgs früherer Premier Jean-Claude Juncker.

Der Chefposten der EU-Kommission steht formal zwar nicht zur Wahl. Aber von den Mehrheiten im Parlament wird abhängen, wer künftig die Kommission führt. Es dürfe keine Gedankenspiele geben, andere als einen der Spitzenkandidaten der Parteienfamilien an der Spitze der Kommission zu installieren, warnte Gabriel: "Wer das nach dem 25. Mai versucht, der wird die europäische Demokratie auf lange Zeit zerstören."

Überlegungen zu anderen Kandidaten

Einen entsprechenden Vorstoß von Kanzlerin Angela Merkel, der die Koalition belasten könnte, befürchtet Gabriel offenbar nicht: "Ich bin sicher, dass Frau Merkel viel zu klug ist, um nicht zu wissen, dass der Europäische Rat nach Mehrheiten im Parlament zu suchen hat." Dennoch habe Gabriel aus "Kreisen des Europäischen Rates" gehört, dass es dort Überlegungen gebe, am Ende einen anderen Kandidaten durchzusetzen.

Der SPD-Kandidat Schulz stellte sein Programm für den Fall vor, dass er den Posten bekommt: So will er einen Fokus auf die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in Europa legen und Steuervermeidungsstrategien von Konzernen wie Google oder Amazon bekämpfen. Allein öffentlichen Haushalten in Deutschland entgingen 150 Milliarden Euro im Jahr durch Steuerbetrug und Steuerdumping. In dem Land, wo die Umsätze erzielt werden, müssten auch die Steuern gezahlt werden.

Zudem müssten die Banken stärker reguliert und eine Finanztransaktionssteuer schnellstmöglich eingeführt werden. Unternehmen, die ihren Sitz in Steueroasen haben, sollen sich nicht mehr an europäischen Ausschreibungen beteiligen können.

Schulz rief dazu auf, wählen zu gehen: "Erstmals können die Bürger direkten Einfluss auf die Wahl des Kommissionspräsidenten nehmen", sagte er mit Blick auf die Neuerung durch den EU-Vertrag von Lissabon.