Wien: Wüstenhaus
Posted by JolaDas Wüstenhaus vor den Toren des Tiergartens mag auf den ersten Blick langweilig und öde erscheinen, auf den zweiten Blick jedoch entpuppt es sich als interessanter und faszinierender Ort, an dem es nicht nur zahlreiche Tiere, sondern auch andere Schätze zu entdecken gibt.
Hier nun ein Special zum Wüstenhaus – nicht nur für Liebhaber von heißer, trockener Luft, Sukkulenten und Kakteen …
Sonnenuhrhaus – Schmetterlingshaus
Das Sonnenuhrhaus, benannt nach der eisernen Sonnenuhr im Garten, befindet sich im Schloßpark gegenüber dem Palmenhaus in der Nähe des Hietzinger Einganges zum Tiergarten. Das Gebäude wurde im Jahr 1904 nach Entwürfen des Architekten Alfons Custodis fertig gestellt. Es sollte als „Überwinterungshaus“ für Pflanzen aus Australien und Südamerika aus der „Neuholländer-Sammlung“ von Kaiser Franz Joseph I. verwendet werden.
Das Gebäude ist eine Konstruktion aus Eisen und Glas, 95 m lang, 14,5 m breit und 15 m hoch. Auf der gesamten Nordseite befindet sich eine gemauerte Wand, das Dach und die gesamte Südseite sind verglast. Die Gesamtfläche beträgt rund 1.300 m².
Ab 1986 wurde das Gebäude als Schmetterlingshaus genutzt. Als das Haus immer baufälliger wurde, mußte es im Jahr 1989 geschlossen werden. Die Schmetterlinge übersiedelten in das Schmetterlingshaus im Burggarten.
Wüstenhaus
Nach einer umfangreichen Generalsanierung wurde das Haus im April 2003 unter dem Namen Wüstenhaus wieder eröffnet. Die ARGE Wüstenhaus gestaltete drei naturnahe Lebensräume (Wüsten und Trockenzonen). An diesem Gemeinschaftsprojekt sind die Bundesgärten, die im Wüstenhaus einige ihrer wertvollsten Exponate aus ihren Sammlungen präsentieren, und der Tiergarten Schönbrunn, der die Tiere zur Verfügung stellt und versorgt, beteiligt.
Wüstenhaus 2013
Anfang 2013 wurde das Wüstenhaus umgebaut siehe –> Wüstenhaus 2013
Bereich Oase (Ostflügel)
Nach der Kassa gelangt man im Eingangsbereich in die Oase. Dieser Teil des Hauses ist einer Oase im afrikanisch-arabischen Raum nachempfunden. Neben Dattelpalmen, Teppichen und anderen Gegenständen aus einem Beduinenzelt findet man hier auch einen kleinen Teich mit Azraq Kärpflingen, einer knapp 5 cm großen, vom Aussterben bedrohten Fischart, die nur in der Azraq-Oase in Nordost-Jordanien vorkommt.
Ergänzung 2013: an dieser Stelle steht nun das Becken mit den „Knabberfischen“:
Höhlengang
Der Eingang in den Mittelteil führt in einen dunklen Höhlenweg. Auf beiden Seiten des Ganges sind zahlreiche Tiere zu sehen. Hier eine kleine Auswahl:
Am Ende des Weges vor dem Zugang zum Westflügel stellt sich bei einer Vitrine die Frage „Ist das nun ein Tier oder eine Pflanze?“:
Bereich Madagaskar (Westflügel)
Der hintere Teil des Wüstenhauses, der Westflügel, beherbergt Pflanzen der Trockenlebensräume im Süden Madagaskars. Hier fliegen auch leuchtend rote Madagaskar-Weber herum.
In den kleinen Schaukästen neben dem Besucherweg sind zahlreiche interessante botanische Kleinode zu bewundern. Es wird u.a. auch der Unterschied zwischen einer Aloe und einer Agave erklärt. Die linke Pflanze ist eine Aloe striata aus Südafrika, die rechte Pflanze eine Agave cocui aus Mexiko:
Bereich Wüsten der alten und neuen Welt (Mittelteil)
Im Mittelteil des Hauses werden pflanzliche und tierische Bewohner der Wüsten der alten und neuen Welt gezeigt. Hier findet man nicht nur zahlreiche Säulenkakteen und Schwiegermuttersessel, sondern u.a. auch einen Trilobit und ein Welwetschia-Pärchen sowie Diamant-Täubchen, Schnabelbrust-Schildkröten und Rüssel-Springer.
Anmerkung: in diesem Bereich des Wüstenhauses war auch die älteste und prominenteste Bewohnerin des Wüstenhauses untergebracht. Es ist die Fockea capensis, eine afrikanische Pflanze, die seit dem 22. August 1788 in Schönbrunn kultiviert wird. Sie soll über 800 Jahre alt sein. Leider gab es „Probleme“ mit Mäusen, die Pflanze ist deshalb derzeit nicht zu sehen. Lt. Bundesgärten ist aber geplant, dass sie wieder, allerdings in einer Vitrine, zu sehen sein wird. Ergänzung 2013: die Fockea ist nun wieder zu sehen und zwar n einem Glaszylinder im Eingangsbereich:
Garten
Der Garten liegt auf der Südseite des Gebäudes. Er ist für Besucher von Mai bis September vom Mittelteil des Hauses aus zugänglich. Im Garten befindet sich neben der Sonnenuhr auch das Gehege der Europäischen Ziesel, die erst neulich Nachwuchs bekommen haben. Diese kleinen posierlichen Tierchen sind nur im Sommer zu sehen, in der kalten Jahreszeit leben sie in einem unterirdischen Gangsystem.
Für Puzzle-Fans gibt es im Garten des Wüstenhauses eine besondere Überraschung. Ein großes Pult-Schiebe-Puzzle lädt zum Mitmachen ein:
Anmerkung: Das Wüstenhaus wirkt im Vergleich zum Palmenhaus eher unscheinbar. Man muss extra Eintritt zahlen, erhält aber in Kombination mit der Tiergarten-Eintrittskarte bzw. Jahreskarte etc. eine Ermäßigung. Für einen Besuch sollte man sich genügend Zeit nehmen. Es gibt wirklich sehr viel zu entdecken und auch viel zu lesen. Die Info-Tafeln sind anfangs eher gewöhnungsbedürftig, man muss manche regelrecht suchen (Schildkröte, Vögel). Etliche Tafeln enthalten viel Text, was sie leicht uninteressant werden läßt. Die Tafeln mit den ausführlichen Beschreibungen sind aber recht informativ und lehrreich, in Verbindung mit dem jeweiligen Objekt kann man eine gedankliche Reise in eine „andere Welt“ machen.
Die heiße, trockene Luft ist für Besucher mit Schnupfen oder Husten nicht gerade das richtige Raumklima, da wäre die hohe Luftfeuchtigkeit im Regenwaldhaus im Tiergarten sicherlich die bessere Alternative für einen Besuch. Der Anfang des Rundganges führt durch einen tiefer gelegenen dunklen und eher schmalen Höhlengang, ist vielleicht nicht unbedingt ideal, wenn man Platzangst hat. In der Halle fliegen die Vögel frei herum. Besonders die Diamant-Täubchen können ziemlich neugierig werden und einem um den Kopf herum flattern. Der Weg führt aber im Gegensatz zum Besucherweg im Vogelhaus quasi mitten durch den Raum und nicht direkt an der Wand entlang. So hat man zumindest das Gefühl, dass man jederzeit problemlos „ausweichen“ kann.
Damit ein Besuch im Wüstenhaus auch für Kinder interessant wird, sollten die Kinder zumindest einigermaßen gut lesen können und eine Begleitperson dabei haben, die den Kindern bei Bedarf die Fremdwörter erklärt. Für kleinere Kinder ist im Wüstenhaus wohl „zu wenig los“.
Beim Eingang gibt es eine kostenpflichtige Toilettenanlage. Die WCs sind sehr sauber, die Klofrau sehr freundlich.
Fazit: Es ist zwar heiß und trocken drinnen, aber alles andere als langweilig. Alles wirkt sorgfältig zusammengestellt und liebevoll hergerichtet. Auch für Nicht-Botaniker gibt es zahlreiche Kleinode zu entdecken. Nicht nur bei den Lebenden Steinen fragt man sich „Ist das jetzt echt, lebendig, ein Fossil oder eine Nachbildung?“. Das Wüstenhaus ist jedenfalls einen Besuch wert!
(Fotos: Conny Belik, Jola Belik)
Updated 4. April 2013