Hermann
Buhl__________________________________________________________
Der
König der Berge
Von
Gerhard Schirmer (Text und Bilder) Zur
Übersicht
Als
Erstbesteiger von Nanga Parbat und Broad Peak war er zum Helden geworden,
als Mensch und Alpinist zur Legende: Hermann Buhl.
Am
9. Juni 1957 gelang Markus Schmuck, Fritz Wintersteller, Kurt Diemberger
und Hermann Buhl, was niemandem vorher gelungen war: die Erstbesteigung
des 8.046 m hohen Broad Peaks im Karakorum. Dem nicht genug, setzen
Buhl und Diemberger anschließend zur Besteigung der Chogolisa
an, die mit ihren 7.654 Metern eine ungeheure Anziehungskraft auf Buhl
ausübte. Auch deren Gipfel hatte bis dahin noch kein Mensch betreten.
Vier Tage dauert der Versuch, diese formschöne Eispyramide zu bewältigen,
bis auf 7.300 m kommen die beiden, ehe Nebel und Schneesturm zum Rückzug
zwingen. Diemberger geht beim Abstieg voraus, Buhl folgt ihm. Obwohl
der Grat, den sie queren müssen, mächtige Wechtenbildungen
aufweist, wird auf Seilsicherung verzichtet, denn sie müssen rasch
in tiefere Regionen, das Wetter droht umzustürzen. Plötzlich
spürt Diemberger ein Zittern der Schneedecke. Er sieht sich um,
Buhl ist verschwunden. Erkennbar nur mehr dessen Spur, die zu einem
gewaltigen Wechtenabbruch führt und dann abrupt endet.
Der
König der Berge
Ein Berg
hat den ungekrönten "König der Berge", wie
Hermann Buhl gern genannt wurde, bezwungen. Diemberger kehrt allein
ins Lager zurück. Eine tagelange Suche nach Buhl bleibt vergeblich.
Ein schlichtes Holzkreuz am Fuße der Chogolisa erinnert an diesen
großen Bergsteiger.
Der gebürtige
Innsbrucker Hermann Buhl wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf.
Um der Enge des Elternhauses zu entgehen, wandte er sich schon früh
jenen Bergen zu, die
er Tag für Tag über seiner Heimatstadt aufragen sah. In den
Kalkkögeln der Stubaier Alpen, im Wetterstein, Karwendel und an
den Wänden des Kaisergebirges entwickelte er sich nach und nach
zu einem exzellenten Kletterer. In den Eisregionen der Zentralalpen
erlernte er den perfekten Umgang mit Pickel und Steigeisen. Hermann
Buhl war aber auch oft allein unterwegs und liebte es, gewaltige Überschreitungen
in möglichst kurzer Zeit durchzuführen. So etwa gelang es
ihm, die Fiechtl-Weinberger-Route auf den Predigtstuhl im Wilden Kaiser
(einschließlich Abstieg und Querung der Steinernen Rinne) zu durchklettern
und anschließend innerhalb einer einzigen Stunde auch noch die
Fleischbank-Süd-Ostwand zu bezwingen.
Um sich
auf Anforderungen der Westalpen und des Expeditionsbergsteigens vorzubereiten,
wandte sich Buhl dem Winterbergsteigen zu. Im Wetterstein gelang es
ihm beispielsweise, erstmals im Winter die Direkte Schüsselkarspitze-Südwand
zu durchklettern, wobei ihm ein Schneesturm schwer zu schaffen machte.
Für eine Überschreitung aller 25 Gipfel der Gleirschkette
im Karwendel benötigte er trotz des tiefen Schnees insgesamt 33
Stunden ohne Ski! Eine seiner eindrucksvollsten Winterbegehungen
war wohl die Ersteigung der Watzmann-Ostwand auf dem Salzburger-Weg.
Zu Buhls besten Partnern und Freunden zählte Walter Frauenberger,
der ihn auf zahlreichen schwierigen Bergfahrten begleitete.
Die
Augen eines absolut wahrhaften Menschen
"Walter
Frauenberger hat mir viel über Hermann Buhl erzählt",
schrieb der bekannte Alpinschriftsteller
Kurt Maix in einem Gedenkartikel der "Österreichischen Alpenzeitung"
(Jg. 1958, H. 76, S. 101 ff.). "Er kannte und verstand den jüngeren,
in Bergleidenschaft brennenden Gefährten so, wie es nur wenige
von Hermanns Alters- und Zeitgenossen taten. ... In den Augen Buhls
konnte er Begeisterung und Freude, Nachdenklichkeit und Trauer, Zuneigung
oder Abneigung lesen. Nie aber lauernde Berechnung. Es waren die Augen
eines absolut wahrhaften Menschen, dem nicht nur der Wille, sondern
überhaupt die Begabung fehlte, sich zu verstellen, um irgendeinen
Vorteil zu erhaschen." Seine außergewöhnlichen bergsteigerischen
Fähigkeiten, aber auch sein lauterer Charakter waren ausschlaggebend
dafür, dass Hermann Buhl 1953 zur Teilnahme an der deutsch-österreichischen
Willi-Merkel-Gedächtnis-Expedition unter der Leitung Dr. Herrligkoffers
eingeladen wurde. Das Ziel des gewagten Unternehmens: die Erstbesteigung
des 8.125 m hohen Nanga Parbat im Punjab-Himalaja.
Nanga
Parbat
Obwohl
es im letzten Hochlager (6.900 m) zu Meinungsverschiedenheiten zwischen
der Expeditionsleitung und der Spitzengruppe gekommen war, setzte Hermann
Buhl zu seinem in der Alpin-Geschichte wohl beispiellosen Gipfelgang
an, ohne auf Herrligkoffers Genehmigung zu warten. Nach rund 17 Stunden
steht er am 3. Juli 1953 gegen
19 Uhr auf dem höchsten Punkt des Nanga Parbat. "Und dann
stehe ich auf dem Gipfel. 8.125 m hoch. Aus dem Anorak hole ich meinen
Tiroler Wimpel hervor und binde ihn an den Pickelstiel", berichtete
Buhl später über den größten Augenblick seines
Lebens. Da er für den Gipfelsturm seinen Rucksack zurückgelassen
hat, muss er die Nacht ohne weitere Ausrüstung in rund 8.000m Höhe,
auf einer schmalen Felsleiste stehend, verbringen. "Fast gleichgültig
sehe ich dieser Nacht entgegen", beschreibt Hermann Buhl später
dieses einmalige Biwak. "In der linken Hand halte ich die beiden
Skistöcke. Hoffentlich entfallen sie mir nicht, ich brauche sie
noch! Die Rechte klammert sich an einen Griff. ... Jähe Müdigkeit
überkommt mich, ich kann mich kaum mehr aufrecht halten. Der Kopf
fällt nach vorne, die Augenlider drücken schwer herab, ich
döse ein. ..." Auch diese Nacht geht zu Ende. Erst am
nächsten Abend erreicht Hermann Buhl völlig erschöpft
das Lager. Auch der folgende Flaggenstreit zwischen den Österreichern
und Deutschen der Gruppe konnte Hermann Buhls wahrhaft einmaligen Erfolg
nicht trüben: Er stand als erster Mensch auf dem Nanga Parbat,
dem "deutschen Schicksalsberg", wie dieser damals genannt
wurde.
Die
Sucht nach den Bergen
Viele seiner
bergsteigenden Zeitgenossen begannen Hermann Buhl um seine Erfolge zu
beneiden und schrieben seine außergewöhnlichen Leistungen vor
allem einem übertriebenen Ehrgeiz zu. Dieser Ehrgeiz war sicher eine
seiner wesentlichen Triebfedern, doch er führte nicht zu selbstgefälliger
Eitelkeit, sondern zur Verwirklichung seiner Lebensmaxime, nämlich:
immer besser zu werden. Nur so konnte Hermann Buhl den Alleingang auf
den Nanga Parbat wagen und überleben. Auch nach dem großen
Erfolg am Nanga Parbat setzte sich Buhl nicht zur Ruhe, denn er war ein
Vollblutalpinist, lebenslang gefangen von der Sucht nach seinen Bergen.
Als er an der Chogolisa tödlich verunglückte, stand er auf dem
Höhepunkt seines Lebens und seiner Popularität. Er war längst
zur Legende geworden, die auch heute noch nicht nur Bergsteiger fasziniert
und begeistert.
Steckbrief
Hermann Buhl,
geb. am 21.9. 1924 in Innsbruck, gest. am 27.6. 1957 beim Abstieg von der
Chogolisa (Pakistan); Beruf: Büroangestellter
Bild-Quelle:
Land der Berge-Redaktion
Nanga
Parbat - Gipfel des Ruhms______________________
Vor
50 Jahren führte Hermann Buhl am Schicksalsberg der Deutschen die
Willy-Merkl-Gedächtnisexpedition zum Erfolg.
Von
Ulli Kastner
Elegant
und beweglich im Fels, ausdauernd und ehrgeizig an den hohen Bergen
der Welt - Hermann Buhl war als Bergsteiger ein Allrounder. Endgültig
zur Legende wurde der in Innsbruck aufgewachsene Wahl-Ramsauer, als
ihm im Rahmen der deutsch-österreichischen Willy-Merkl-Gedächtnisexpedition
unter der Leitung von Dr. Karl Herrligkoffer am 3. Juli 1953 in einem
41-stündigen Alleingang die Erstbesteigung des 8125 Meter hohen
Nanga Parbat im Karakorum gelang. 50 Jahre nach dieser außergewöhnlichen
Leistung ist Hermann Buhl, der am 27. Juni bei einem Wechtenabbruch
an der Chogolisa ums Leben kam, vor allem in Bergsteigerkreisen noch
immer unvergessen.
Mit der
Erstbesteigung des Achttausenders erfüllte sich Hermann Buhl einen
Lebenstraum, auf den er sich gut vorbereitet hatte. Unter anderem mit
einer Trainingstour durch die winterliche Watzmann-Ostwand auf dem Salzburger
Weg. Buhl war fit - und voller Tatendrang. Deshalb widersetzte er sich
am Nanga Parbat auch dem vom bergsteigerischen Leiter Peter Aschenbrenner
ausgegebenen Rückzugsbefehl. Per Telefon waren Hans Ertl, Hermann
Buhl, Otto Kempter und Walter Frauenberger, die sich bei bester Laune
in Lager III befanden, vom Basislager aus zum Absteigen aufgefordert
worden. Doch die vier Bergsteiger wollten ihre letzte Chance nutzen.
Weil man ihnen im Basislager kategorisch jede weitere Unterstützung
verweigerte, übten sich die vier in Opposition und entschlossen
sich, den Gipfelversuch trotzdem zu wagen. "Dieser Abend im Küchenzelt
war historisch", erinnert sich Hermann Buhl in seinem Buch "8000
- drüber und drunter".
Man ging
also weiter - und es lief gut. Sie stiegen auf bis ins Lager V, wo allerdings
nur zwei Mann übernachten konnten. Hans Ertl und Walter Frauenberger
verzichteten großmütig auf einen Gipfelversuch und stiegen
mit den vier Trägern in Lager IV ab. Am nächsten Morgen kam
Otto Kempter zunächst nicht aus dem Schlafsack. Erst als Hermann
Buhl bereits aufbrach, entschloss sich Kempter, ebenfalls zum Gipfel
zu gehen. Er wollte später nachkommen, doch gab er etwas später
kurz oberhalb des Silbersattels auf.
Grenzgang
in der Todeszone
Vor Hermann
Buhl lag ein weiter Weg. 1200 Höhenmeter und sechs Kilometer Luftlinie
trennten ihn vom Gipfel. Eine Strecke, wie sie bis dahin im Himalaya
in diesen Höhen noch nicht überwunden wurde. Angesichts der
vor ihm liegenden Schinderei entschließt sich Buhl für Minimalgepäck.
In den Rucksack kommen Dextro, Ovosport und einige Neapolitanerschnitten,
dazu Wärmebekleidung, die private Agfa Karat-Kamera, eine kleine
Feldflasche mit Ertls bewährtem Cocatee, Steigeisen, ein Beutel
Dörrobst sowie die pakistanische Flagge und der Tiroler Wimpel.
Außerdem zur Vorsorge noch einige Tabletten Padutin, ein Kreislauf
förderndes Mittel gegen Erfrierungen und einige Pillen Pervitin
für den äußersten Notfall.
So quält
sich Hermann Buhl dem Gipfel entgegen: "Eigenartig, denke ich
mir, der Schnee ist trocken, die Luft ist kalt, doch die Sonne heizt
erbarmungslos ein, dörrt den Körper aus, trocknet die Schleimhäute
und legt sich wie eine Zentnerlast auf den ganzen Menschen. Es wird
immer unerträglicher".
Schließlich
lässt Buhl seinen Rucksack mit der Verpflegung zurück, die
er ohnehin nicht benötigt. In der Senke zwischen Vor- und Hauptgipfel
auf 7 820 Metern Höhe nimmt Buhl zwei Tabletten Pervitin. Obwohl
er keine Wirkung verspürt, geht er weiter. Fast hätte ein
senkrecht aufstrebender Turm mitten im Grat den Aufstieg noch verhindert,
doch Buhl ist zum Äußersten bereit, er kann die Barriere
in schwierigster Kletterei überwinden. Und um 19 Uhr abends am
3. Juli 1953 erreicht Hermann Buhl, mit den Kräften am Ende, den
höchsten Punkt. Kein berauschendes Glück verspürt er,
benommen steckt er nur den Pickel in den Sturm gepressten Schnee. Aus
dem Anorak holt er seinen Tiroler Wimpel und bindet ihn an den Pickelstiel,
fotografiert ihn. Dann befestigt er an dem Pickel die pakistanische
Flagge und macht weitere Aufnahmen.
Eine
Nacht in 8000 Meter Höhe
Nach
einer halben Stunde tritt Hermann Buhl den Abstieg an. Als Beweis der
Ersteigung und als Symbol zugleich hinterlässt er seinen Eispickel
mit dem Zeichen Pakistans, dem weißen Halbmond mit Stern auf grünem
Grund. Außerdem errichtet er einen kleinen Steinmann und nimmt
für seine Frau Eugenie einen kleinen Stein vom Gipfel mit. Beim
Abstieg nimmt er eine neue Route, weil er kein Seil dabei hat, um die
Kletterpassage zu überwinden. Das Steigeisen gleitet ihm vom Schuh,
Buhl kann es gerade noch festhalten. Dann holt ihn die Nacht ein. Das
anschließende Biwak, in 8000 Metern Höhe auf einem kleinen
Block stehend, ist legendär. Buhl würgt fünf Pillen Padutin
gegen Erfrierungen hinunter und verbringt dösend, von Kälteschauern
geschüttelt, die Nacht. Die Zehen werden taub, Hunger und Durst
machen sich immer wieder bemerkbar.
Doch Hermann
Buhl übersteht die Nacht und setzt den Abstieg fort, der zu einem
Leidensweg der besonderen Art wird. Er kriecht fast dem Tal entgegen,
immer wieder bleibt er liegen, döst vor sich hin. "Ich
bin nicht mehr ich - nur noch ein Schatten - ein Schatten hinter einem
Schatten". 41 Stunden nachdem er aufgebrochen war, kehrt Hermann
Buhl zu den Zelten zurück. "Ich weiß, ich bin gerettet".
Die
Schatten des Ruhms
Buhls phänomenaler
Alleingang zum Nanga- Parbat-Gipfel ist und bleibt, wenn man Zeit und
Ausrüstung berücksichtigt, die nie mehr erreichbare bergsteigerische
Leistung. Vergleichbar erscheint allenfalls Reinhold Messners Nanga Parbat-Alleingang
vom Basislager bis zum Gipfel 1978. Zurück in der Heimat aber erlebt
Hermann Buhl die Schatten des Ruhms seines einsamen Gipfelerfolgs. Durch
Neid, Missgunst und Streit mit dem Leiter der Expedition sieht er sich
als schwieriger Außenseiter dargestellt und isoliert. Aber Hermann
Buhl setzt sich durch, feiert Erfolge mit Vorträgen in ganz Europa
und wird in Österreich zum "Sportler des Jahres" gewählt.
Autor:
Ulli
Kastner
Bild-Quelle:
Bild
oben: Ulli Kastner, DAV-Sektion Berchtesgaden
Bild Mitte: M. Schmuck, Land der Berge-Redaktion
Bild unten: Diemberger/ORF, Land der Berge-Redaktion