Benediktinerinnen in Jerusalem

Kloster bietet Stille und Einkehr am Ölberg

07:52 Minuten
Aus einem Garten mit Olivenbäumen reicht der Blick weit über die Dächer der Stadt Jerusalem. In der Mitte ist die goldene Kuppel des Felsendoms zu sehen.
Kloster mit Aussicht: Vom Garten der Beneiktinerinnen fällt der Blick auf Tempelberg und Felsendom. © Deutschlandradio / Anne Françoise Weber
Von Anne Françoise Weber · 06.02.2022
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Die Lage mit Blick auf die Dächer von Jerusalem ist top, aber an Nachwuchs hapert es. Die Benediktinerinnen Unserer Lieben Frau vom Kalvarienberg müssen sich etwas Neues überlegen. Sie wollen ihr Kloster zu einer Oase für Pilger umbauen.
Schwester Marie-Bénédicte führt durch den Garten des Klosters ihrer kleinen Gemeinschaft am Jerusalemer Ölberg. Die 65-jährige Französin erklärt, welcher Teil bislang für Gäste zugänglich war und wo demnächst Zäune entfernt werden sollen, ohne den Nonnen jegliche Rückzugsmöglichkeit zu nehmen. Denn hier, zwischen den über hundert Jahre alten Olivenbäumen, zwischen Rosmarinbüschen und Lavendel, soll Platz entstehen für Menschen, die Gott in der Stille suchen wollen, mit einem wunderbaren Blick auf die Altstadt Jerusalems.

Jasmintee im Klostergarten

„Diese Ermitage würden wir für den Empfang umbauen“, erzählt Schwester Marie-Bénédicte. „In der da oben könnten wir vielleicht einen Gebetsraum einrichten. Das hier sind Rosenstöcke, aber die haben gelitten, an ihrer Stelle könnte ein Kräutergarten angelegt werden, denn die Idee ist, die Menschen auch riechen und schmecken zu lassen. Vielleicht können wir Jasmintee oder Wasser mit Zitronen- oder Granatapfelsirup anbieten.“
Zwei ältere Damen im schwarzen Ornat katholischer Ordensschwestern befinden sich auf einem Gartenweg in angeregtem Gespräch, rechts von ihnen: ein Metallgeländer, von dem aus man ins Tal hinunterblicken kann.
Ein Ort der Ruhe und Besinnung: Schwester Marie und Schwester Marie-Bénédicte im Garten.© Deutschlandradio / Anne Françoise Weber
Die Schwestern Unserer Lieben Frau vom Kalvarienberg, die zum Benediktinerorden gehören, wissen, was für einen Schatz sie mit ihrem Kloster und dem großen Garten am Ölberg haben. Einst wurde das von hohen Mauern umgebene Gebäude als Waisenheim eingerichtet. Doch Kinder wohnen hier schon lange nicht mehr. Heute fragen sich die Nonnen, wie sie ihr Kloster für die Gesellschaft öffnen können, sagt die Oberin, Schwester Marie, ebenfalls 65 Jahre alt:
„Das Leitwort des heiligen Benedikt ist: Gott suchen. Das ist gut, das bedeutet: Wir sind offen. Was bedeutet das Klosterleben eigentlich? Alles auf Gott zurückzuführen. Und das können wir vielleicht Menschen anbieten, die sich leicht verzetteln.“

Eine weitläufige Anlage für nur noch vier Nonnen

Schwester Marie ist vor zwei Jahren nach Jerusalem gekommen, aus einem der drei Klöster der Gemeinschaft in Frankreich. Insgesamt gehören noch 30 Nonnen zum Klosterverband der Schwestern Unserer Lieben Frau zum Kalvarienberg, der im 17. Jahrhundert gegründet wurde. Das Kloster in Jerusalem feiert in diesem Frühjahr sein 125-jähriges Bestehen, aber nur noch vier Nonnen leben hier. Zeit, über eine Veränderung nachzudenken, findet nicht nur die Oberin.
Blick in einen Kirchenraum mit einer Christusdarstellung und Heiligenbildern, aufgehängt an hellen Bruchstein-Mauern. Entlang der Wände stehen schlichte Holzbänke.
Andacht oder Auszeit: In der Klosterkirche ist das hektische Treiben der Stadt nicht zu spüren.© Deutschlandradio / Anne Françoise Weber
Im Esszimmer des Klosters beugen sich Schwester Marie und Schwester Marie-Bénédicte zusammen mit Lisa Sedlmayr über Gebäude- und Gartenpläne. Sedlmayr ist eine evangelische Theologin aus Deutschland, die zurzeit in Jerusalem lebt und die Klostergemeinschaft tatkräftig bei ihrem Umgestaltungsprojekt unterstützt.

Coronakrise verschafft Zeit für Neubeginn

„Es ist gerade eine sehr gute Zeit für so ein Projekt“, ist Sedlmayr überzeugt. „Nicht nur, weil die Nonnen Zeit haben, das Projekt zu durchdenken, solange weniger Pilger kommen. Sondern auch, weil viele Menschen es während Corona als große Herausforderung empfanden, allein zu sein. Und dieser Ort hier bietet etwas Besonderes: die Möglichkeit, allein zu sein, in der Stille zu sein, und das mit Bedeutung zu füllen. Ich glaube, das hat vielen Menschen gefehlt.“
Diese Leere, in der Platz für Gott ist, hat dem Projekt auch seinen lateinischen Namen gegeben: Vacare Deo. Vacare kann sowohl „frei sein“ als auch „sich etwas widmen“ bedeuten – und es erinnert an das französische Wort für Ferien, vacances, erklärt die Oberin Schwester Marie:

„Im Kloster gibt es den Satz, wenn man geistliche Einkehrtage macht: ‚Ich nehme Ferien mit oder für Gott‘. Und eine Pilgerreise, das sind doch Ferien, aber etwas andere Ferien.“

Kontrastprogramm zum atemlosen Pilgern

Doch gerade bei Pilgerfahrten ins Heilige Land fehlt es in einem vollgepackten Besichtigungsprogramm manchmal an Zeit für sich und für Gott. Das hat auch Lisa Sedlmayr festgestellt, die schon mit vielen christlichen Reisegruppen zu tun hatte.
„Viele Pilgergruppen kommen etwas unvorbereitet“, sagt Sedlmayr. „Es fällt ihnen schwer, all das aufzunehmen, was ihnen hier passieren kann. Viele sagen, wenn sie abreisen: ‚Wir hätten einen Moment gebraucht, in dem wir darüber nachdenken können‘.“
Um ihre Erfahrungen im Heiligen Land zu verarbeiten, dürfte es kaum einen besseren Ort geben als den Ölberg. Hierher zog sich Jesus den Evangelien zufolge gern zurück, hier soll er am Abend seiner Festnahme im Garten Gethsemane gebetet haben und von hier aus soll er später in den Himmel aufgefahren sein.

Ein Ort für Kontemplation und Reflexion

Die Nonnen und Lisa Sedlmayr finden: Pilger könnten ihren Besuchstag in Jerusalem mit einer Kontemplation im Klostergarten beginnen, bevor sie in die Altstadt weiterfahren und dort den Trubel der Grabeskirche und der Via Dolorosa erleben. Oder sie kommen ganz am Ende ihrer Reise hierher, um Bilanz zu ziehen.
In jedem Fall sollten sich die Pilger wirklich auf den Ort einlassen und nicht nur kurz für eine Messe in der schönen Klosterkirche einfallen, wie das bislang manchmal der Fall war. Lisa Sedlmayr sieht eine Chance, dass sich hier drei Gruppen begegnen können:
Eine junge Frau mit rötlichem schulterlangem Haar, im blauen Anorak, steht vor einer Bruchsteinmauer, an der grüne Pflanzen ranken.
Zukunftspläne für die Gemeinschaft: Lisa Sedlmayr im Hof des Klosters.© Deutschlandradio / Anne Françoise Weber
„Die Schwestern leben einen kontemplativen Alltag. Sie wollen das teilen und ihre Erfahrung mit dieser Lebensweise weitergeben. Das ist ein echter Kontrapunkt zum touristischen Konzept einer Pilgerreise. Die zweite Gruppe werden Pilger sein, die hier die Möglichkeit haben, ihren Besuch in Jerusalem von einem spirituellen Ausgangspunkt zu beginnen. So hat man viel mehr vom Pilgern. Die dritte Gruppe ist die lokale Nachbarschaft, der wir die Möglichkeit geben, Produkte für den Klosterladen herzustellen und diesen Ort ebenfalls zu nutzen.“

Offen für Menschen verschiedener Herkunft

Auch Einkehrtage für junge Palästinenserinnen im Berufseinstieg könnten gefragt sein, meint Sedlmayr, die selbst an einer universitären Einrichtung in Bethlehem unterrichtet hat.
Den Nonnen ist es wichtig, dass ihre Türen allen offenstehen. In ihrer Gemeinschaft lebten bis vor wenigen Jahren eine Polin, die während der Schoah zum Christentum konvertiert war, und Schwestern mit ägyptischen oder libanesischen Wurzeln, die sich mit der Nachbarschaft auf Arabisch verständigen konnten. Und in letzter Zeit helfen jüdische Frauen häufiger im Garten mit, erzählt Schwester Marie-Bénédicte: „Einmal, als eine der Frauen die Terrasse gefegt hat, hat sie innegehalten und gesagt: ‚Man berührt Gott, wenn man Jerusalem anschaut.‘ Das ist wunderbar.“

Neues schaffen, damit das Kloster weiterlebt

Obwohl für das Vacare Deo-Projekt noch einige Bauarbeiten anstehen, organisieren die Nonnen jetzt schon kleinere Begegnungen und Einkehrtage, denn die Nachfrage und die Kontakte sind da. Dabei wollen sie dem Neuen Platz einzuräumen, ohne das Alte zu zerstören, sagt die Oberin:
„Wir können hier keinen völligen Bruch machen. Wir wollen ein geordnetes, gutes und zugleich anregendes Leben aufrechterhalten, das vielleicht junge Frauen oder Benediktinerinnen anderswo anspricht und ihnen sagt: Hier gibt es etwas Neues.“ Und Schwester Marie-Bénédicte ergänzt: „Wenn wir kein Projekt machen, nichts Neues, dann sterben wir aus. Und wir wollen nicht sterben.“

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