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„Stromberg ist politische Unterhaltung“

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In echt echt nett: der Schauspieler Christoph Maria Herbst.
In echt echt nett: der Schauspieler Christoph Maria Herbst. © dapd/Torsten Silz

Christoph Maria Herbst über seinen Spaß am Gemeinsein, die Klobrillenbärte seiner früheren Chefs und die Auswirkungen der Serie auf das wahre Büroleben.

Deutschlands fiesester Versicherungsangestellter kehrt ins Fernsehen zurück: ProSieben zeigt zehn neue Folgen mit Christoph Maria Herbst in der Rolle des Bernd Stromberg, der seiner Mitarbeiter mit zynischen Scherzen und purem Chauvinismus an en Rand des Wahnsinns treibt.

Herr Herbst, Sie sind doch gar nicht so oder?

Wie Bernd Stromberg? Sicher nicht. Es ist das Schwierigste, sich selbst zu spielen. Je weiter die Figur vom Schauspieler weg ist, desto besser gelingt sie also. Sofern man das nötige Talent hat.

Und das haben Sie.

Bei aller Bescheidenheit. Mehr jedenfalls, als von allem, was Arschlöcher ausmacht. Strombergs Attribute – Machismo und Fremdenfeindlichkeit, leutselig tun, aber egoman sein – hab ich nicht mal in homöopathischen Dosen. Dafür hat sein zynischer Humor mit mir zu tun; das ist aber keine Frage der Figur, sondern des Genres.

Ist das noch Comedy, wenn jedes Lachen im Halse steckenbleibt?

Davon abgesehen, dass das meine liebste Humorebene ist, hab ich das Label Comedy nie verstanden; ein Begriff, mit dem ich zu leben gelernt habe, der aber mit Stromberg nichts zu tun hat. Spätestens in dieser Staffel ist es nur noch Tragedy, mit dem shakespearehaften Antihelden Stromberg.

Der Täter oder Opfer ist?

Auch Opfer – von Strukturen, Arbeitsabläufen, Äußerlichkeiten. Diese Uniformität hab ich in den 80ern während meiner Lehrzeit bei einer Bank kennengelernt; der tägliche Trott färbt auf alles ab: Sprache, Aussehen, Verhalten.

Die perfekte Stromberg-Lehre.

Absolut. Stromberg ist das Alter Ego mehrerer meiner Chefs bis hin zu seinem Klobrillenbart, den in meiner Abteilung irgendwann vier Leute hatten, um sich optisch an sie heranzuwanzen. Ich habe unglaubliche Dinge beobachtet, ohne zu wissen, dass sie mal einer Rollengestaltung dienlich sein könnten. Jetzt kann ich mir das ein oder andere Trauma durch meinen Stromberg fortventilieren.

Auch, dass Systeme wie Strombergs Versicherung unfähig sind, sich solcher Angestellter zu entledigen?

Vielleicht. Aber da dürften wir die Schraube nicht weiter anziehen. Was Stromberg sich in dieser Staffel leistet, erreicht Höhepunkte, die zwangsläufig zum Fall führen müssen, um glaubwürdig zu bleiben.

Klingt nach letzter Staffel.

Für einen Kinofilm oder Staffel 6 müssten wir jedenfalls intensiv beraten, was aus der Konstellation noch rauszukitzeln ist. Auch ich muss mich immer wieder aufs Neue hinterfragen, ob ich mich auf diese Figur weiter einlassen will.

Dann ginge allerdings Ihr Markenkern verloren.

Und doch wäre ich bei einem Sender, der sich diesen Solitär ohne Quotendruck leistet, in der Luxusposition, Stopp rufen zu können. Die Qualität der Bücher bestärkt mich aber darin, weiterzumachen. Da ist mir der Stempel auf meiner Stirn ziemlich egal.

Sie fühlen sich in der Fieslingsschublade wohl?

Immer noch. Und mir werden zwar überwiegend Strombergs kleine und große Brüder angeboten, aber ich hab’s ja in der Hand, abzulehnen, was ich samt und sonders tue. Unterm Strich hat mir Stromberg mehr Türen geöffnet als geschlossen. Ich spiele ja auch Nichtarschlöcher, habe aber lieber Ecken als Sympathien. Meine Rollenprofile gehen überwiegend Richtung negativere Charaktere, doch das schließt Charaktere wie Don Quixote nicht aus oder Kabinettstücken wie den Ermittler Kreutzer, von dem ProSieben nächstes Jahr wohl Teil zwei dreht: Ein echter Exzentriker.

Vor allem ein Soziopath, wenngleich ein brillanter.

Auf die Kombination stehe ich: Realität so weit strapazieren, dass man es gerade noch glauben möchte.

Ist das Ihre Paraderolle?

Heißt das, auf den Leib geschrieben? Ralf Husmann hatte Stromberg lang vorm Casting fertig. Und Kreutzer lag sechs Jahre rum, bevor es mit mir realisiert wurde. Ich durfte mich beiden Figuren unvoreingenommen nähern.

Haben Sie die bei aller Kälte liebgewonnen?

Sonst könnte ich Rollen nicht spielen. Wenn jemand meinen Stromberg madig macht, stelle ich mich manchmal wie eine Lämmermama davor. Ohne Liebe würde ich ihn kabarettistisch verfremden, also vorführen. Meine Aufgabe ist es, hinter der Figur zu verschwinden. Aber wissen Sie, warum ich Stromberg besonders liebe?

Na?

Ich kriege viele Mails von Leuten, die einen Ernie im Büro haben, eine Tanja, ihren Stromberg. Einer hat seinem Chef eine Staffel geschenkt, die der gesehen hat und seither sein Verhalten besser reflektiert. Ist doch fantastisch, wenn Fernsehen Einfluss aufs Miteinander hat. Das sorgt bei mir für missionarischen Eifer und zeigt mir: Stromberg ist politische Unterhaltung mit Strahlkraft.

Das Gespräch führte Jan Freitag.

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