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Gletscher im Himalaya schmelzen schneller als gedacht

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Das Eis des Rongpu-Gletschers am Mount Everest – sein Wasser fließt am Ende in den Ganges.
Das Eis des Rongpu-Gletschers am Mount Everest – sein Wasser fließt am Ende in den Ganges. © Imago

Die Gletscher des Himalaya könnten bis 2100 auf ein Fünftel ihres Volumens schrumpfen. Doch es gibt noch Hoffnung.

Das Dach der Welt, der dritte Pol – viele poetische Namen hat das Hindukusch-Himalaya-Hochgebirge in Zentralasien. Dritter Pol, weil die Eismassen an keinem anderen Ort außerhalb der Pole so tief und weit reichen wie hier.

„Wir sprechen von mehreren Hundert Metern Eisdicke“, sagt Glaziologe Jakob Steiner, Mitautor eines aktuellen Berichts des International Centre for Integrated Mountain Development (Icimod) in Kathmandu über den Zustand der Gletscher. Doch die Eismassen schwinden rascher als je zuvor. Laut dem Bericht sind die Gletscher zwischen 2010 und 2020 um 65 Prozent schneller geschmolzen als im vorhergegangenen Jahrzehnt.

Es überrasche ihn nicht, dass die Gletscher stark unter dem Klimawandel zu leiden haben, sagt Jakob Steiner. „Aber dass es so schnell geht, ist im Feld kaum begreifbar. Das sind dermaßen krasse Landschaftsveränderungen, die wir beobachten.“

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An manchen Gletschern betrug der Verlust zwischen 2021 und 2022 zwei Meter Eisdicke. Bis Ende des Jahrhunderts, so das internationale Icimod-Forschungsteam, könnten bei derzeitigem Emissionsverlauf 80 Prozent des Gletschervolumens der Hindukusch-Himalaya-Region verschwinden.

Ebenso wie die Alpen in Europa ist das Himalaya-Gebirge für Asien der kontinentale „Wasserturm“. Wenn im Sommer der Regen ausbleibt und die Schneedecke abgeschmolzen ist, ist es das Gletscherwasser, das die Flüsse speist.

Bis zu einem gewissen Punkt, dem sogenannten „Peak“, nimmt das Schmelzwasser sogar zu. Danach sind die Gletscher so klein, dass trotz steigender Temperaturen ihr Schmelzwasser von Jahr zu Jahr weniger wird.

In den Alpen ist dieser Punkt längst überschritten und das Gletscherwasser kann lange Trockenzeiten nicht mehr ausgleichen. Im Hindukusch-Himalaya wird der Peak für Mitte dieses Jahrhunderts erwartet – mit weitreichenden Folgen für Natur und Menschen.

Gletscher im Himalaya versorgen zwei Milliarden Menschen mit Wasser

Zwei Milliarden Menschen in 16 Ländern sind abhängig von den Flüssen, die dem Hochgebirge entspringen. Dazu zählen der Ganges, der Indus und der Mekong. Im Gebirge leben 240 Millionen Menschen, der Großteil weiter flussabwärts.

In den nächsten Jahren wird vor allem die Gefahr für Überschwemmungen und Fels- und Eisstürze zunehmen. Langfristig aber ist die größte Sorge, dass es ohne Schmelzwasser zu langen Trockenperioden kommt. Denn auch der Schneefall ist in den letzten Jahren zurückgegangen und wird in den nächsten Jahren weiter abnehmen.

Wasserknappheit über mehrere Jahre werde es nur lokal in sehr hohen Lagen, zum Beispiel in Ladakh in Indien geben, sagt Gletscherexperte Steiner. In der ganzen Region aber werden extreme Trockenperioden zunehmen. Selbst wenn der Jahresniederschlag nicht bedeutend abnimmt, fehlt dann zu manchen Jahreszeiten das Schmelzwasser und damit das Trinkwasser für Millionen Menschen und zur Bewässerung für die Landwirtschaft.

In den Bergen gibt es vier wichtige Erwerbsquellen: Landwirtschaft, Viehzucht, das Sammeln von Heil- und Gewürzpflanzen und den Tourismus. Jede von ihnen ist klimaabhängig.

Auch der Monsun hat sich durch den Klimawandel verändert. Wann und mit wie viel Monsun-Regenfällen zu rechnen ist, wird für die lokale Bevölkerung immer schwieriger vorherzusehen.

Die Agrar- und Migrationsforscherin Amina Maharjan, ebenfalls Mitautorin des Berichts, erklärte: „Landwirte haben Mühe, die Veränderungen der Jahreszeiten zu verstehen und zu bewältigen. Aufgrund von Extremereignissen und anhaltenden Schneefällen ist es zu Viehsterben und Hungertod gekommen.“

Einige Dörfer in Pakistan und Nepal, deren Wasserversorgung von einzelnen Gletschern abhing, mussten aufgrund des Gletscherrückgangs bereits umsiedeln.

Klimawandel: Für die Gletscher in den Alpen gibt es wenig Hoffnung

Die Autor:innen fordern in dem Bericht Regierungen dazu auf, die Forschung in der Region stärker zu fördern. Wichtig sei dabei, zu welchen Anteilen das Flusswasser im Jahresverlauf aus Gletscherschmelze, Schneeschmelze und Regen gespeist wird. So ließen sich zukünftige Veränderungen und mögliche Extremereignisse genauer vorhersagen.

Bisher gibt es nur einzelne Studien zu kleinen Einzugsgebieten in der Region, anhand derer wiederum die Modelle kontrolliert werden. „Man muss also anerkennen, dass wir hier noch sehr wenige genaue Erkenntnisse darüber haben, woher wann im Jahr das Wasser in den Flüssen kommt“, sagt Jakob Steiner.

Gute Prognosen sind der Schlüssel für wirksame Anpassungsstrategien. Lohnt sich der Bau eines Wasserkraftwerks noch? Muss die Aussaat früher oder später erfolgen? Welche Regionen sind besonders von möglichen Extremereignissen gefährdet?

Immerhin haben die Forscher:innen noch Hoffnung für die Eisriesen im Hindukusch- Himalaya-Gebirge. Das Eis sei so dick, sagt Steiner, dass es so schnell nicht verschwindet. Wenn die Welt auf einen klimaneutralen Pfad gelangt, ist es wahrscheinlich, dass die Gletscher nicht weiter schmelzen und zumindest erhalten bleiben. Steiner: „Für dünnere Gletscher ist dieser Zug abgefahren.“ Das trifft etwa auf die Alpen zu. Selbst wenn wir das Ruder nochmal herumreißen, für die allermeisten Alpengletscher ist es bereits zu spät.

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