Dunkle Wolken über dem Billion-Dollar-Baby

Nach einem zuletzt guten Lauf droht den US-Indizes eine Korrektur und dem Anleger-Liebling Apple ein schwächeres Jahr. Das Überschreiten der Billionen-Dollar-Marke gilt nämlich als Warnsignal für den IT-Giganten.

Michael Rasch, Frankfurt
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Apple hat als erstes Unternehmen in der Geschichte eine Marktkapitalisierung von mehr als 1 Bio. $ erzielt. (Bild: Armando Babani / EPA)

Apple hat als erstes Unternehmen in der Geschichte eine Marktkapitalisierung von mehr als 1 Bio. $ erzielt. (Bild: Armando Babani / EPA)

Der Dow Jones hält sich bis jetzt erstaunlich gut an seinen Fahrplan für das Jahr 2018 – wenn man einmal von der starken Abweichung im Januar absieht. Aufgrund historischer Erfahrungswerte lassen sich für Indizes statistische Durchschnittsentwicklungen berechnen. Eine Möglichkeit dazu ist, sich den Verlauf des Dow Jones in Zwischenwahljahren im Rahmen des US-Präsidentschaftszyklus anzuschauen (vgl. Grafik 1). Dabei sind die Präsidentschaftswahlen in den USA der Orientierungspunkt. So wurde Donald Trump Ende 2016 zum Präsidenten gewählt – ein Wahljahr. 2017 war dann ein Nachwahljahr und 2018 ist nun ein Zwischenwahljahr (2019 Vorwahljahr und 2020 wieder Wahljahr). In solchen Jahren bewegt sich der «Dow» statistisch gesehen überwiegend seitwärts, wobei es zu einer Schwächephase von September bis Oktober kommt, bevor ein Jahresend-Rally einsetzt.

US-Zwischenwahl im Fokus

Selbst in der bisher volatilen Seitwärtsbewegung hat der Dow Jones recht gut seine potenziellen Hoch- und Tiefpunkte getroffen, wie die Beobachter von Wellenreiter-Invest analysieren. Bis jetzt liegt der Index seit Jahresbeginn knapp 4% im Plus. Das ist zwar schlechter als der S&P 500 (7%) und der Technologieindex Nasdaq Composite (14,3%), doch immerhin besser als die meisten europäischen Indizes. So hat der Schweizer SMI im Jahr 2018 rund 2% an Wert verloren. Auf der politischen Bühne rücken in den USA nun die Zwischenwahlen in den Fokus. In drei Monaten werden alle Sitze im Repräsentantenhaus und ein Drittel der Sitze im Senat neu gewählt. Bisher konnte sich Trump auf eine republikanische Mehrheit in Senat und Repräsentantenhaus verlassen. Eine solche Doppelmehrheit gab es seit 1945 nur viermal, nämlich 1953/54 (Dwight D. Eisenhower), 2001/02 und 2003/04 (jeweils George W. Bush) sowie nun unter Trump. In diesen Perioden erzielte der «Dow» Gewinne zwischen rund 16% (Bush) und 39% (Eisenhower). Aus dieser rein auf Statistiken beruhenden Aktionärssicht auf die Geschehnisse wäre es somit wünschenswert, wenn die Republikaner ihre Mehrheit in den beiden Häusern des Kongresses verteidigen würden.

Der US-Aktienmarkt befindet sich wieder auf dem Niveau des Januarhochs

Der US-Aktienmarkt befindet sich wieder auf dem Niveau des Januarhochs

Wie auch immer, die führenden US-Indizes nähern sich ihrem zyklischen Hoch vom Januar, wobei die Technologiewerte gemessen am Nasdaq 100 dieses bereits überschritten haben. Der breite S&P-500-Index notiert noch rund 1% unter seinem Januar-Hoch. Manche Beobachter fürchten hier die Ausbildung eines Doppeltops mit baldigem Rücksetzer. Allerdings sprechen derzeit einige Faktoren für eine Fortsetzung des Rallys, wobei es wie so häufig auch Argumente für die andere Seite gibt. Die Aktienbarometer S&P 500 und der Russell 3000 zeigen jedenfalls noch eine gute innere Stärke. So erreichte die Advance/Decline-Linie, welche die Zahl gestiegener und gefallener Aktien ins Verhältnis setzt, ein neues zyklisches Hoch. Das bedeutet, dass nicht nur Werte mit grosser Kapitalisierung die Indizes nach oben treiben, sondern dass der breite Markt den Aufschwung mitträgt, was als eine «gesunde» Entwicklung gilt.

Zugleich führen immer noch die «richtigen» Branchen das Rally an. Seit Jahresbeginn haben sich Technologiewerte und zyklische Konsumgüter in den USA am besten entwickelt. Dies kennzeichnet typischerweise einen Bullenmarkt, während defensive Sektoren wie Telekom-Titel und Basiskonsumgüter deutlich zurückhängen. Die Analytiker von Ned Davis Research (NDR) verweisen jedoch darauf, dass seit rund einem Monat die defensiven Sektoren gegenüber den aggressiven das Ruder übernommen haben. Das gelte für Aktien mit grosser versus solche mit kleiner Marktkapitalisierung, für Qualitätswerte gegenüber risikoreichen Titeln, für Dividendenzahler gegenüber Nicht-Dividendenzahlern sowie nichtzyklische gegenüber zyklischen Konsumgütern. Ein solcher Wechsel in der Führerschaft sei ein Zeichen eines müden Bullenmarktes, in dem die animalischen Instinkte nachlassen würden.

Darüber hinaus steht aus saisonaler Sicht am Aktienmarkt eine Schwächephase vor der Tür. September und Oktober zählen an der Börse zu den schlechtesten Monaten eines Aktienjahres. Dies macht die Indizes anfällig für Rückschläge. Das gilt umso mehr, als sich in den vergangenen Wochen wieder ein klarer Aufwärtstrend eingestellt hat, bei dem eine gewisse Korrektur der Bewegung nicht verwundern würde.

Das Omen der runden Zahl

Wie bereits erwähnt entwickelten sich in den letzten Monaten vor allem Technologiewerte sehr gut. Für besondere Aufmerksamkeit sorgte jüngst, dass Apple als erstes Unternehmen in der Geschichte eine Marktkapitalisierung von mehr als 1 Bio. $ erzielt hat. Dies brachte den Titeln eine weitere Steigerung der Aufmerksamkeit. So etwas ist nicht neu, in der Vergangenheit haben Investoren oft die Aktien von Firmen genau beäugt, die eine signifikante runde Zahl bei der Marktkapitalisierung als Erste überwunden haben. Das galt etwa für IBM im Jahr 1987 (100 Mrd. $), für General Electric (GE) 1998 (250 Mrd. $) und Microsoft im Jahr 1999 (500 Mrd. $).

Doch eine populäre Aktie muss nicht unbedingt populär bleiben. Ein Jahr nach der Überwindung der runden Zahl zeigten vier von fünf Aktien eine Minderrendite gegenüber dem S&P 500. Die Ausnahme war GE im Jahr 1998. Heuer stiegen die Apple-Aktien um 32% vor dem Erreichen der Billionen-Dollar-Grenze, während der S&P 500 nur 14% zulegte. Beginnt nun eine Phase der Minderrendite für das Billion-Dollar-Baby?