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Studie zeigt

Sozialverhalten der Przewalski-Pferde ähnelt dem des Menschen

Przewalski-Pferde lebten einst wild in der Mongolei und in China – heute sind sie vom Aussterben bedroht und nur noch in Gefangenschaft oder in Reservaten zu finden
Przewalski-Pferde lebten einst wild in der Mongolei und in China – heute sind sie vom Aussterben bedroht und nur noch in Gefangenschaft oder in Reservaten zu finden Foto: Getty Images
Ninja Sinke Autorin

11.09.2023, 17:12 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Eine neue Studie zeigt, dass das Sozialverhalten der Przewalski-Pferde dem des Menschen ähnelt – und im Tierreich eine Seltenheit ist! PETBOOK stellt die überraschenden Erkenntnisse zu den letzten echten Wildpferden der Welt vor.

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Przewalski-Pferde sind die letzten echten Wildpferde der Welt und die letzten überlebenden Wildpferde Eurasiens. Sie sind vom Aussterben bedroht – ihre Zahl liegt heute bei weniger als 3000 Tieren. Im ungarischen Reservat Pentezug im Hortobágy-Nationalpark lebt die größte Herde.

Ungarische Forscher untersuchten ihr Sozialsystem und veröffentlichten die Ergebnisse in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift „Nature Communications“. Diese zeigen, dass Przewalski-Pferde eine im Tierreich seltene Form des Sozialverhaltens und Familienlebens aufweisen, über dessen Dynamiken und Strukturen bislang wenig bekannt ist.

Fast 300 Przewalski-Pferde mithilfe von Drohnen beobachtet

Die beobachtete Herde im Hortobágy-Nationalpark besteht aus 279 Przewalski-Pferden. Wer das Sozialverhalten einer solch großen Gruppe mit klassischen Beobachtungsmethoden untersuchen möchte, den erwartet eine zeitraubende Arbeit. „Die gleichzeitige Beobachtung von fast 300 Pferden ist [jedoch] keine leichte Aufgabe“, sagt Katalin Ozogány, Erstautorin der Studie, der wissenschaftlichen Veröffentlichungsplattform „Eurekalert“. Wie also sind die Forscher vorgegangen? 

Es war nötig, die Bewegungen jedes einzelnen Tieres in hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung verfolgen und aufnehmen zu können. Um dazu in der Lage zu sein, nutzte das Team zwei Drohnen. So entstanden sowohl Aufnahmen der gesamten Herde und ihrer Bewegungen, als auch Nahaufnahmen der einzelnen Pferde. Denn es war wichtig, die meisten Tiere individuell identifizieren zu können.

Mithilfe der Aufnahmen analysierte das Team um Erstautorin Ozogány die Bewegungen und Routen der Tiere. Diese kombinierten sie mit vorhandenen Daten, die im Rahmen der langfristigen Überwachung der Population seit ihrer Ansiedlung im Jahr 1997 erhoben wurden.

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Mehrstufige Sozialstruktur der Przewalski-Pferde bei Tieren selten

Die Forscher stellten bei den in Ungarn beobachteten Przewalski-Pferden fest, dass sie in mehrstufigen und komplexen Sozialstrukturen leben. Bei Menschen ist diese Form des Zusammenlebens charakteristisch – bei Tieren dagegen selten. Aber was steckt eigentlich dahinter?

Unter mehrstufigen Sozialstrukturen versteht man die Entstehung kleinerer Familiengruppen, die wiederum eine größere, lockere Gemeinschaft bilden, so die Studienautoren. Bekannt ist dieses Verhalten vor allem bei Primaten. Aber auch bei Walen, Elefanten und einigen weiteren Huftieren kommt dies vor. Harems entstehen, wenn ein männliches Tier mehrere weibliche Individuen um sich schart. Auch Gruppen verwandter Weibchen, die von einer Matriarchin angeführt werden, sind kleine Familiengruppen. 

Bei den Przewalski-Pferden beobachtete man ebenfalls verschiedene zusammenhängenden Einheiten (Harems), die sich zu einer größeren Gemeinschaft zusammenschlossen: der 279 Pferde starken Herde. Autor Attila Fülöp erklärte gegenüber „Eurekalert“: „Dies ist eine außergewöhnliche Gelegenheit, das soziale Netzwerk einer ganzen Population und dessen Dynamik zu erforschen.“ 

Verwandtschaft und Vertrautheit der Pferde untereinander beeinflussen Zusammenleben

Neben der Erkenntnis, dass das Sozialverhalten der Przewalski-Pferde im Familienverband dem der Menschen ähnelt, kamen die Forscher zu weiteren, überraschenden Erkenntnissen. So zeigte die Analyse der Bewegungen der Wildpferde, dass die einzelnen Tiere der Gruppe ihre Bewegungen koordinieren und sich aufeinander abstimmen.

Mehr noch, erkannte das Team um Erstautorin Ozogány, dass die sozialen Beziehungen der Przewalski-Pferde auf zwei Dingen beruhen: Verwandtschaft und Vertrautheit der Tiere untereinander. Dabei stehen sich Stuten näher, wenn sie schon länger gemeinsam in einem Harem leben. Sind zudem die Leithengste unterschiedlicher Harems miteinander verwandt, stehen diese sich näher, als wenn kein Verwandtschaftsverhältnis besteht, so die Studienergebnisse.

Erfahrung und Alter der Pferde im Familienverband von Bedeutung

Aufnahmen der ganzen Herde und die datengestützte Abgrenzung unterschiedlicher Harems voneinander erlaubte weitere Erkenntnisse zum Sozialverhalten der Tiere. Es stellte sich heraus, dass älteren Hengste mit mehr Erfahrung meist ältere und größere Harems führten, die zentrale Plätze im sozialen Netzwerk der größeren Herde einnahmen.

Die Forscher mutmaßen, dass diese Hengste eine Allianz bilden könnten, um ihre Harems effektiver gegen konkurrierende Junggesellen zu schützen. Besagte Junggesellen hielten sich ebenfalls in kleinen Gruppen und eher in äußeren Bereichen der Herde auf, so die Autoren in ihrer Studie.

Autor Máté Nagy erklärte gegenüber „Eurekalert“, warum auch kleinste Details im Zusammenleben der Przewalski-Pferde von großer Bedeutung sind: „Indem wir diese feinen Interaktionen zwischen den Individuen aufspüren, können wir das soziale Netzwerk der Herde anhand der Gruppenbewegungen bewerten.“

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Erkenntnisse erlauben Vorhersagen zum Verhalten der Przewalski-Pferde

Obwohl mehrstufige Sozialstrukturen insgesamt eine große Bedeutung haben, ist bislang nur wenig über deren vorherrschende Strukturen und Dynamiken bekannt. Mithilfe der Ergebnisse dieser Studie waren die Forscher jedoch überraschenderweise in der Lage, ausgehend von aktuellen Bewegungen der Przewalski-Pferde auf zukünftige Gruppendynamiken zu schließen.

Denn die vorgenommene Bewegungsanalyse der Wildpferde ermöglicht Voraussagen dazu, welche Stuten ihren Harem in den nächsten zwei Jahren verlassen werden. Mehr noch: in welchen Harem sie wechseln werden. Damit zeigt die Studie, „dass Drohnenbeobachtungen, die auch in Wildpopulationen angewendet werden können, sehr detaillierte Informationen liefern können“, so Studienautor Zoltán Barta, der mit dieser Aussage noch einmal das Potenzial der Überwachung von Wildtierbeständen mit dieser Methode verdeutlicht.

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