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Deix-Ausstellung "Österreich-Kunde am lebenden Objekt"

In seiner Heimat geschmäht, im Ausland geliebt: Manfred Deix scheut keinen Tabubruch, wenn er Österreicher und Deutsche in den Zerrspiegel seiner Karikaturen blicken lässt. Eine Ausstellung in Frankfurt würdigt das Gesamtwerk des unbequemen Zeichners und Satirikers.
Von Jürgen Lentes

Es regnet in Frankfurt, als sich die Gäste am Mittwochabend im Innenhof des Historischen Museums zur Ausstellungseröffnung mit Werken des österreichischen Karikaturisten und Zeichners Manfred Deix einfinden. Dass Frankfurt immer noch die höchste Satirikerdichte Deutschlands aufzuweisen hat, zeigt dieser Abend auf eindrucksvolle Weise. Alle sind sie gekommen, um Deix die Aufwartung zu machen: unter ihnen Robert Gernhardt, F.K. Waechter, Pit Knorr, Greser & Lenz. Und als schließlich alle versammelt sind, verzieht sich der Regen voller Respekt.

Unordnung und frühes Leid

Während der Gedenkminute zur Erinnerung an die vor kurzer Zeit so schnell hintereinander verstorbenen Karikaturisten Bernd Pfarr und Chlodwig Poth läuten, wie von einem Satiregott in Bewegung gesetzt, die Glocken des Doms. Die Caricatura, ein Museum für Komische Kunst im Historischen Museum, ist ein Provisorium, wenn auch inzwischen bestens etabliert. In den letzten vier Jahren organisierte Leiter Achim Frenz über zehn Ausstellungen, meist mit Künstlern der "Neuen Frankfurter Schule". Kulturdezernent Hans-Bernhard Nordhoff äußerte in seiner Begrüßung die begründete Hoffnung, dass die Caricatura in absehbarer Zeit ein eigenständig arbeitendes Museum sein wird: "Für Frankfurt, für Hessen, für Deutschland!"

"Endlich in Pension" (1987)

"Endlich in Pension" (1987)

Foto: Deix
"Die Seitenblicke-Clique" (1999)

"Die Seitenblicke-Clique" (1999)

Foto: Deix
"Sex im Büro"

"Sex im Büro"

Foto: Deix
"Schweigemaßnahmen für Schubhäftlinge"

"Schweigemaßnahmen für Schubhäftlinge"

Foto: Deix
"Beach Baby" (2000)

"Beach Baby" (2000)

Foto: Deix
"Pin-Up Boys"

"Pin-Up Boys"

Foto: Deix
Rechtsextremismus-Fragebogen" (1996)

Rechtsextremismus-Fragebogen" (1996)

Foto: Deix
"Mahlzeit"

"Mahlzeit"

Foto: Deix
"Erotische Damenmode" (1995)

"Erotische Damenmode" (1995)

Foto: Deix


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Da sind die Österreicher schon weiter. Seit 2001 gibt es in Krems an der Donau ein Museum, das sich ausschließlich den Bereichen Karikatur, Cartoon und Satire verschrieben hat. Im Herbst 2003 war dort eine Ausstellung der "Neuen Frankfurter Schule" zu Gast, im Gegenzug präsentiert man in Frankfurt nun "Die Welt des Manfred Deix", 120 Bilder aus der Dauerausstellung in Krems, die man ihm dort eingerichtet hat.

Der 1949 im niederösterreichischen St. Pölten geborene Deix, aufgewachsen im Wirtshaus seiner Eltern, bezeichnet die Schankstube als seine erste Universität. "Hier hab' ich Österreichkunde am lebenden Objekt studiert." Als er mit elf Jahren an einem Zeichenwettbewerb des ORF teilnimmt, wird er mit der Begründung disqualifiziert, dass man Zeichnungen von Kindern wünsche, nicht von Erwachsenen und Profis. Der Religionslehrer, ausgerechnet, erkennt sein Talent, und so debütiert Deix in der "Niederösterreichischen Kirchenzeitung" - eine frühe ironische Brechung im Leben und Schaffen des Künstlers.

Anfang der siebziger Jahre veröffentlicht das Nachrichtenmagazin "Profil" erstmals Arbeiten von Deix, es bricht ein Sturm der Entrüstung los. Heute scheinen seine Landsleute ihm zumindest Respekt entgegen zu bringen. "Des is a echter Deix" ist zur sprichwörtlichen Redewendung geworden, wenn es darum geht, einen lebenden Zeitgenossen zu charakterisieren. "Zerstochene Autoreifen, Fäkalien in der Post, Drohanrufe, all das", erzählt Deix, "das hat doch sehr abgenommen. Österreich schulde ich großen Dank. Ich zahle gerne den höchsten Steuersatz, weil das Land mich über Jahrzehnte mit herausragenden Models versorgt hat."

St. Pölten und die Folgen

Und er freut sich, nach seinem Geburtsort St. Pölten gefragt, darüber, dass der den Menschen nach den Geschehnissen im Priesterseminar jetzt etwas sage. Er selbst habe es leider nie geschafft, den Ort so bekannt zu machen. Schon vor Jahren karikierte Deix katholische Priester, die seltsame Sexualpraktiken ausübten. Die Empörung darüber war größer als über die jüngsten Ereignisse im Seminar. "Zu Unrecht, hat sich jetzt gezeigt", sagt Deix, "denn eigentlich bin ich ein Verschönerer. Kitsch kann man mir vorwerfen, Salonmalerei. Die Wirklichkeit ist viel schlimmer."

Ein Text zu einem Cartoon, aus Anlass der Ferkeleien im St. Pöltener Priesterseminar entstanden, wurde kürzlich vom Magazin "Profil" abgelehnt, berichtet der 3sat-Moderator Ernst A. Grandits in seiner schönen und mit wohlgesetzten Zitaten und Querverweisen gespickten Laudatio. Er zitiert unter dem Gelächter des Publikums das vielleicht einmal als inoffizielles St.-Pölten-Gebet in die österreichische Literaturhistorie eingehende Gedicht: "Wir feiern gern und sind gesellig!/ Unser Tun ist Gottgefällig!/ Göttlich ist der Zungenkuss/ Inklusive Speichelfluss! / Ich führ' nur einen Finger ein,/ Das kann doch keine Sünde sein!/ Wir singen gern Marienlieder/ Und betasten unsere Glieder!/ Wenn du willst: In Gottes Namen - Koste halt von meinem Samen!" Diese Doppelmoral ist Deix ein Greuel: "In St. Pölten sind doch noch ganz andere eklige Dinge vorgefallen", sagt er.

Allein die Katzen, darauf legt er großen Wert, wenn er erzählt, sie sind dem Menschen Deix "heilig". "Wir, meine Frau und ich, wir haben fast keine Freizeit, weil sie uns permanente Streichelpflicht auferlegen, und im Bett blockieren sie uns, weil sie zu zehnt auf uns liegen. Wir haben keine Chance gegen sie, weil wir sie abgöttisch lieben. Sie sind unsere Schattenregierung." Und eben weil er die Katzen liebt, zeichnet er keine Katzen. Ebenso wenig Menschen, die er näher kennt und die ihm sympathisch sind. Deswegen hat er, der "weltgrößte" Fan der Beach Boys, die befreundeten Musiker nie porträtiert. Zu Politikern indes sucht er persönlichen Abstand zu halten, denn auch ein Politiker kann sich schließlich als netter Mensch erweisen. Wie ihn dann noch karikieren? "Und meine eigenen Selbstzerstörungsportraits darf man erst nach meinem Tode bestaunen."

Grotesk überhöhte Welt, schockierende Motive

Deix' Portraits und "Bildergeschichten" weisen, das macht die Frankfurter Ausstellung eindrucksvoll deutlich, eine unverwechselbare Handschrift auf. Robert Gernhardt lobte schon früh in der "Titanic" die "gute Technik" und die "mitreißende Geschmacklosigkeit" seiner Arbeiten. Sicher, die grotesk überhöhte Welt des Manfred Deix arbeitet oft mit schockierend gestalteten Motiven. Viele Menschen erschrecken darüber, aber über was und wen? Über sich selbst, wie auch über die Peinlichkeiten und Zumutungen der Zeitläufte, die sie noch mehr zu entstellen drohen, als es ihre eigene Biografie allein je schaffen könnte.

Deix ist, wie so viele große Satiriker, alles andere als ein Zyniker. Er ist Moralist durch und durch. Sein Werk ist eine Chronologie der zunehmenden Verrohung der Gesellschaft. Aber für ihn, alles andere als moralinsauer, hat das Lachen über seine Bilder eine kathartische Qualität für die Menschen. Er selbst freut sich wohl am meisten darüber, wenn wir über die Gespenster, die in uns sind oder die wir für die Welt da draußen geschaffen haben, lachen können.

Grandits ordnet die Ausstellung als eine "Schau der österreichischen Seele" ein. Um "Manfred Deix wirklich in vollen Zügen genießen und erleiden zu können, muss man Österreicher sein." Aber: "Wiewohl sich Deix wieder verstärkt auch der deutschen Seele widmet, die ja derzeit unter schwer masochistischen und selbst abwertenden Tendenzen leidet, werden mehr und mehr meiner deutschen Kollegen die wohltuende Wirkung der Deixschen Psychoanalyse schätzen lernen." Wir scheinen uns wieder näher zu kommen, Österreicher und Deutsche. Wir blicken immer öfter in denselben Spiegel. Da scheint es nur folgerichtig, dass "Die Welt des Manfred Deix" in Frankfurt am Main eine vorübergehende Heimstatt gefunden hat und dort bestens aufgehoben ist.


"Die Welt des Mafred Deix", 26. August 2004 bis 9. Januar 2005, Caricatura Museum für Komische Kunst im Historischen Museum, Saalgasse 19. 60311 Frankfurt, Öffnungszeiten: Di., Do., Fr. + So. 10-17 Uhr; Mi. 10-20 Uhr; Sa. 13-17 Uhr; Mo. geschlossen. www.caricatura.de