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Wissenschaft Eisschmelze

Sogar der Gletscher am Everest schmilzt extrem schnell

HANDOUT - Climbers on the upper part of Khumbu Icefall, near Camp 1 Credit: Mariusz Potocki ACHTUNG: Frei nur zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Studie bei Nennung des Credits. Foto: Mariusz Potocki HANDOUT - Climbers on the upper part of Khumbu Icefall, near Camp 1 Credit: Mariusz Potocki ACHTUNG: Frei nur zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Studie bei Nennung des Credits. Foto: Mariusz Potocki
Bergsteiger am Khumbu-Gletscher. Der Everest-Gletscher beginnt am Südsattel zwischen Everest und Lhotse
Quelle: Mariusz Potocki
In den oberen Regionen des Mount Everest sind minus 20 Grad und mehr. Dennoch schrumpft der Gletscher in 8000 Metern Höhe rapide. Das können Forscher nun belegen – und sie beschreiben auch die Folgen für Bergsteiger.

Gletscherschwund auf dem Dach der Welt: Am South-Col-Gletscher (SCG) des Mount Everest schrumpft das über Jahrtausende angehäufte Eis rapide, wie Analysen eines Bohrkerns aus mehr als 8000 Metern Höhe zeigen. Der Gletscher auf der nepalesischen Seite des Berges könnte bis Mitte des Jahrhunderts sein Eis verloren haben, schätzt ein internationales Forschungsteam um Mariusz Potocki von der University of Maine.

Im Fachblatt „Climate and Atmospheric Science“ beschreibt die Gruppe den für das Ausdünnen verantwortlichen Mechanismus und die Folgen für künftige Gipfelexpeditionen.

Das Abschmelzen von Gletschern in vielen Gebirgsregionen wie etwa den Alpen oder Anden ist bekannt – mitsamt der Risiken etwa für die Wasser- und Energieversorgung der jeweiligen Gegend, der Überflutungsgefahr in den Tälern oder der Probleme für die Artenvielfalt. Dagegen wusste man bislang eher wenig über die Prozesse in extremer Höhe.

Diese Frage untersuchte das Team um Potocki am South-Col-Gletscher - dem nach Angaben der Autoren höchstgelegenen Gletscher am Mount Everest. Er liegt am Südsattel zwischen dem über 8848 Meter hohen Everest-Gipfel und dem benachbarten Lhotse, mit mehr als 8500 Metern der vierthöchste Berg der Welt. Auf dem Sattel liegt das Lager 4, von dem aus Everest-Expeditionen zum Gipfel aufbrechen.

HANDOUT - Mariusz Potocki and Sherpa team drilling the highest ice core ever recovered at 8020m elevation with the summit of Mount Everest in the background. Credit: Dirk Collins, National Geographic ACHTUNG: Frei nur zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Studie bei Nennung des Credits. Foto: Dirk Collins, National Geographic
Mariusz Potocki und ein Sherpa-Team bei der Eisbohrung auf 8020 Meter Höhe
Quelle: Dirk Collins, National Geographic

Die Forscher entnahmen im Frühjahr 2019 dem Gletscher in 8020 Metern Höhe einen zehn Meter tiefen Eisbohrkern und installierten zusätzlich zwei Wetterstationen in 7945 und 8430 Metern Höhe. Anhand der Bohrkernanalyse schätzt das Team, dass der Gletscher derzeit pro Jahr etwa zwei Meter Wasseräquivalent verliert. Bei dieser Rate könnte South Col und auch andere, ähnliche Gletscher im Himalaja bis Mitte des Jahrhunderts verschwunden sein, schreiben die Autoren.

Demnach hat sich der Eisverlust seit den 1990er-Jahren beschleunigt. Innerhalb eines Vierteljahrhunderts habe der Gletscher, dessen Dicke das Team auf derzeit 30 bis 50 Meter schätzt, möglicherweise 55 Meter verloren, kalkulieren die Forscher. In diesem Fall würde das Eis etwa 80-mal schneller ausdünnen, als es während der letzten 2000 Jahre angehäuft wurde. Dabei liegt die Durchschnittstemperatur auf dem Gletscher derzeit bei minus 22,6 Grad Celsius.

Für das Abschmelzen machen die Forscher mehrere Prozesse infolge des Klimawandels verantwortlich: Voraussetzung sei das Verschwinden der hellen Schneedecke, die den Großteil der eintreffenden Sonnenstrahlung reflektiert. Die Schneedecke schwand demnach vor allem durch Verdunstung. Diese werde begünstigt insbesondere durch die gestiegenen Lufttemperaturen sowie zusätzlich durch eine geringere relative Luftfeuchtigkeit und verstärkte Winde.

Das unter der Schneedecke freigewordene Eis ist dagegen sehr viel dunkler und nimmt deutlich mehr Sonnenstrahlung auf, was Verdunstung und Abschmelzen stark beschleunigt. Die Forscher gehen davon aus, dass das freiliegende Eis im Vergleich zu Schnee die Abtragung des Gletschers um mehr als den Faktor 20 steigert.

„Das ist vor allem für jene Gletscher wie SCG wichtig, an denen sich nur relativ wenig Schnee ansammelt“, schreibt das Team. Die Studie liefere eine eindeutige Antwort auf die Frage, ob der Klimawandel auch die höchsten Regionen der Erde erreiche, sagt Ko-Autor Paul Mayewski in einer Mitteilung der University of Maine.

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Der Schwund des Gletschers habe auch Folgen für künftige Everest-Besteigungen, schreibt das Team. Demnach werden Bergsteiger in der Zukunft vermehrt über Felsgestein statt über Eis und Schnee laufen.

Gleichzeitig beeinflusse der Klimawandel auch den im Vergleich zu South Col wesentlich mächtigeren Khumbu-Gletscher unterhalb des Südsattels. Die Erwärmung steigere die Lawinengefahr und zudem die Dynamik der riesigen Eisblöcke an der Abbruchkante dieses Gletschers in grob 5500 bis 6000 Metern Höhe – dem sogenannten Khumbu-Eisfall.

HANDOUT - Night view on Everest Base Camp, Khumbu Glacier and Icefall and Everest. Light line - climbers on the Khumbu Icefall Credit: Mariusz Potocki ACHTUNG: Frei nur zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Studie bei Nennung des Credits. Foto: Mariusz Potocki
Das Everest-Basislager liegt auf etwa 5500 Meter Höhe im Everest-Gletscher
Quelle: Mariusz Potocki

Das Durchqueren dieses Eisfalls zählt ohnehin zu den gefährlichsten Passagen auf der gängigen Südost-Route zum Everest-Gipfel. Gefährdet ist den Forschern zufolge auch das in knapp 5400 Metern Höhe liegende Basislager selbst.

Mit seiner Expedition zum Mount Everest landete das Team nach eigenen Angaben übrigens dreimal im Guinness-Buch der Rekorde: für den in der größten Höhe entnommenen Eisbohrkern, für die mit 8430 Metern höchstgelegene Wetterstation und für das mit 8440 Metern in der größten Höhe geborgene Mikroplastik.

dpa/krei

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